Zoran Drvenkar: Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet

Transkript

1 Theater Konstanz Ilja Mess Helau! Zoran Drvenkar: Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet Für die Bühne bearbeitet von Zoran Drvenkar und Birte Werner 3 H / ab 4 Jahren / UA: Junges Theater am Theater Konstanz, 2008 Ricki hat es gründlich satt, einen Schneemann nach dem anderen bauen zu müssen. Schon ein ganzes Jahr lang herrscht eisiger Winter und Ricki sehnt sich nach Wärme und Sonne. So macht er sich auf den Weg zum kältesten Ort der Welt, denn dort wohhnt bekanntlich der Winter höchstpersönlich und mit dem muss er ein erstes Wörtchen reden. Im Hotel Vier Jahreszeiten trifft er jedoch nur auf einen sehr seltsamen Kauz, der sich als der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet vorstellt und der alles daransetzt, um Ricki vom Herrn Winter fernzuhalten. Am Ende lernt der Kauz jedoch, dass es nicht so schlimm ist, ein Pinguin zu sein und dass man auch im Frühling noch der einzige Vogel sein kann, der die Kälte nicht fürchtet. Alle Rechte beim Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH Max-Brauer-Allee Hamburg Tel: 0049 (0) kindertheater@vgo-kindertheater.de 1

2 14. Szene Lobby im Hotel Vier Jahreszeiten eiten,, Rückblende, (als Pinguin, Lift-Boy und als Einziger, der ) 3. Schauspieler als Empfangschef, Sommer, Winter (betritt die Hotellobby) Hallo, ich muss mal dringend die Jahreszeiten sprechen. EMPFANGSCHEF Tut mir Leid, Pinguine sind im Hotel unerwünscht. Mensch, du Flitztüte, ich will hier nicht wohnen, ich will nur die Jahreszeiten sprechen Der Empfangschef lässt sich nicht gern beleidigen. Er kommt um die Theke herum, packt den und trägt ihn nach draußen und kehrt dann an seinen Platz zurück. Der kommt als Fahrstuhlführer verkleidet herein. (verstellte Stimme) Na, suchen Sie vielleicht einen gut ausgebildeten Fahrstuhlführer, der keine Pinguine mag und am Freitag gerne Fisch isst? EMPFANGSCHEF (erleichtert) Was für ein Glück, dass Sie ausgerechnet jetzt kommen. (reicht ihm die Hand) Willkommen im Hotel der vier Jahreszeiten. Die Stelle gehört Ihnen. Und wenn hier ein Pinguin auftaucht, dann schmeißen Sie ihn sofort wieder raus. Unsere Hausordnung verbietet es, dass Pinguine das Hotel betreten. Vorhin war gerade einer da und wollte die Jahreszeiten sprechen. Alberner geht es nicht- Na, dann machen Sie sich mal gleich an die Arbeit. (geht ab) Der macht sich am Fahrstuhl zu schaffen. Der Sommer kommt herein und bleibt mit einem lauten Räuspern vor dem Fahrstuhl stehen. Er ist ein dicker Kerl in schicker Sommermode. Schönen guten Tag. Ich bin der neue Fahrstuhlführer. SOMMER Angenehm, angenehm, fahr mich mal nach oben, ich muss den Herbst wach küssen, und wenn ich das nicht bald tue, verschlechtert sich ihre Laune und das wollen wir doch alle nicht, oder? Natürlich nicht. (steigt ein, bedient den Fahrstuhl) Sag mal, Sommer, suchst du nicht vielleicht zufällig gerade einen Vogel? SOMMER (lacht, sieht ihn abschätzend an) Du meinst, ob ich einen Pinguin mit Übergewicht gebrauchen kann? Tut mir leid, du bist mir zu dick, kleiner Kerl. (empört) Wer ist hier zu dick? Wer ist hier klein? Der Sommer steigt aus. Der spricht zu. 2

3 Der Herbst war auch nicht besser, auch sie hat mich ausgelacht. Und dann kam endlich der Winter. Der Winter betritt den Fahrstuhl, ein charmanter alter Herr, der leider ein wenig verwirrt ist. Er trägt einen Hut, einen schicken Schal und einen Stock hat er auch. Wo habe ich nur meinen Hut gelassen? (der zeigt nach oben, der Winter ist erleichtert) Du bist neu hier. Nett und klein bist du. (sieht sich um) Und was tue ich hier? Du fährst zum Frühling hoch. Warum das? Um ihn zu wecken? Ah, richtig, genau. Ich habe meinen Stock, ich habe meinen Schal und ich fahr zum Frühling hoch, um ihn zu wecken. Die Frage ist, wo habe ich meinen Hut? (der zeigt wieder hoch, der Winter ist erleichtert) Kannst du eigentlich einen neuen Vogel gebrauchen? Ich habe leider schon die Schneeeule. ( senkt resigniert den Kopf, Winter sieht das, denkt nach) Aber ich könnte eine Ausnahme machen und dich als meinen zweiten Vogel einstellen, wie würdest du das finden? Der schaut ungläubig auf und legt einen Tanz hin. (unterbricht) Wir können dich aber auf keinen Fall Pinguin nennen, denn Pinguine gibt es viele, und ohne Namen geht hier nichts. Hm, lass dich mal ansehen. Da du recht dick bist und garantiert nie frierst, bist du hiermit Der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet! Na, wie findest du das? (schluchzt glücklich los) Ich könnte weinen. Nana, nicht weinen. Jetzt fehlt dir eigentlich nur noch eins, warte mal hier. (verlässt den Fahrstuhl und kommt mit zwei Pappgoldflügel wieder) Die habe ich noch von Weihnachten übrig. (schnallt sie dem um) Damit kannst du leider nicht fliegen, aber... (stolz)... ich bin jetzt dein Vogel, das reicht mir für den Anfang voll und ganz. Wunderbar, dann... (sieht sich um) Was tue ich im Fahrstuhl? Wir fahren zum Frühling. Dein Hut ist da oben, dein Stock in der linken Hand und der Schal steht dir sehr gut. 3

4 Danke. Fahr mich zum Frühling und dann muss ich ins Bett. (gähnt) Ich bin so müde wie ein gefrorener See. Wir treffen uns im nächsten Winter und... wieso schaust du so traurig? Im nächsten Winter? Aber... ich dachte... Na, wir müssen doch Platz machen für den Frühling. Schade, dass wir uns nicht früher begegnet sind. Jetzt lass den Kopf nicht hängen, in neun Monaten schneit es wieder. Hab einfach ein wenig Geduld. Die Fahrstuhltür schließt sich, wir hören den Pinguin niesen, er legt dabei einen Schalter um. dann gibt es einen Ruck. Huppsa, was war das? Ich glaube, wir stecken fest. Kein Problem, ich hole Hilfe. Heb mich mal hoch, Winter. Der steigt oben aus dem Fahrstuhl und verschließt den Deckel wieder. Er springt herunter und sieht zufrieden zum Fahrstuhl zurück. Hab einfach ein wenig Geduld, pah! Neun Monate Geduld ist doch kein Spaß. Helau! Hier kommt der einzige Vogel, der die Kälte nicht fürchtet. (pfeffert Konfetti in die Luft) Helau! Lichtwechsel in die Gegenwart. 15. Szene gleicher Ort, Jetzt-Zeit, Also ist der Winter nie beim Frühling angekommen. Richtig. Und der Fahrstuhl steckt noch immer zwischen dem dritten und vierten Stockwerk fest? Auch richtig. Und der Winter sitzt seitdem im Fahrstuhl fest? Keine Sorge, als ich das letzte Mal durch die Luke gesehen habe, da hat er tief und fest geschlafen. Geschlafen? Wie ein Bär, Winterschlaf. Niemandem ist es aufgefallen. Ich habe allen erzählt, der Winter wäre spazieren gegangen und hätte nicht gesagt, wann er wiederkommt. Jahreszeiten haben ja manchmal Launen. Und das alles... 4

5 ... damit ich für immer sein Vogel bleibe, richtig! Das geht aber nicht. Klar geht das. (wirft Konfetti in die Luft, ruft leise) Helau! Nein, das geht nicht. (leise, betrübt) Ich wusste, dass du das sagst. Ich wusste, dass es eines Tages vorbei ist. Ich habe es genau gewusst. (sieht an) Du wirst ihn bestimmt befreien, auch wenn ich dir nicht helfe, richtig? Richtig. Und nichts wird dich davon abhalten? Nichts. (geht zum Fahrstuhl und klopft dagegen, sieht den Vogel bittend an) Jaja, guck bloß nicht so, ich helf ich dir schon. Siehst du das kleine Schloss da. Ohne Schlüssel geht da nichts. Vielleicht können wir die Tür aufbrechen. Unsinn. Oder den Winter durch die Luke rausziehen. Viel zu eng. Ja, was machen wir dann? Natürlich den Schlüssel benutzen. (streckt seine Brust entgegen, greift in die Pappschachtel und holt den Schlüssel raus) Nur der Fahrstuhlführer hat einen. steckt den Schlüssel in das Schloss und dreht. Aus dem Inneren des Fahrstuhlschachtes erklingt ein Grummeln und Grollen. Der leuchtende Pfeil wanderte vom dritten zum zweiten Stock, dann vom zweiten zum ersten Stock und dann zum Erdgeschoss. Es macht pling, und die Tür öffnet sich. 5