Wir schlüsseln aber wir gabeln uns nicht. Guus Kuijer: Ein himmlischer Platz
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- Bärbel Althaus
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Transkript
1 Landesbühne Niedersachsen Nord Wir schlüsseln aber wir gabeln uns nicht. Guus Kuijer: Ein himmlischer Platz Für die Bühne bearbeitet von Michael Müller, nach der Übersetzung von Sylke Hachmeister, 4 D 4 H (Doppelbesetzungen möglich), ab 8 Jahren, UA: Landesbühnen Niedersachsen Nord, 2010 Wir schlüsseln aber wir gabeln uns nicht. Florian ist zehn Jahre alt. Und er versteht sehr viel. Zum Beispiel, dass man miteinander sprechen kann aber einander nicht versteht. Und dass es zu viel sein kann für einen zehnjährigen Jungen, einen riesigen rosa Elefanten im Bauch haben zu müssen, weil Katja gesagt hat, dass sie ihn liebt. Und Florian versteht auch, warum der Spatz Nico so gerne in seinen roten Haaren sitzt. Aber eigentlich gehört Nico zu Frau Raaphorst. Frau Raaphorst sagt zum Schlüssel Gabel und vergisst auch sonst Einiges. Zusammen mit Katja beginnt Florian, sich um die alte Oma zu kümmern. Er versucht, das Vergessen zu verstehen. Und die Liebe. Das ist so viel für einen kleinen Jungen, dass er sich fast in seinem eigenen Leben verirrt. Wenn er gar nicht mehr weiter weiß, macht Florian eine Liste. Punkt 4 am Ende lautet zum Glück: Die Welt ist glasklar. Alle Rechte bei: Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH, Max-Brauer-Allee 34, Hamburg / kindertheater@vgo-kindertheater.de
2 Szene 1 (zum Publikum)Es war eigentlich ein ganz normaler Tag. Auf der Straße liefen normale Leute mit normalen Nasen und normalen Ohren herum. Die Autos hupten normal, die Flugzeuge dröhnten über die Dächer, ohne dass sich jemand darüber wunderte. Es war ein Tag, an den sich niemand erinnern würde, weil alles so schrecklich normal war. Also, wir saßen im Garten, als plötzlich etwas auf meinem Kopf landete. Ein Spatz landet auf Florians Kopf. Guck mal, Jelle! Guck mal, was da auf Florians Kopf sitzt! (schaut hinter seiner Zeitung hervor) Ich dachte, dass würde heute mal ein ganz gewöhnlicher Tag. Ein Tag ohne besondere Vorkommnisse, und dann so was. Mieke, das ist ein Spatz. Ja, weiß ich auch, aber er sitzt auf Florians Kopf! Da ist nichts auf meinem Kopf. Ihr seid ja mal wieder witzig heute. Doch der Spatz! Der Spatz für sich ist ganz normal und der Kopf von Florian auch. Aber, dass der normale Spatz auf Florians normalem Kopf sitzt, das ist nicht normal. Ist doch schön, so ein Spatz auf dem Kopf. Steht dir gut. Guck doch in den Spiegel, dann kannst du es mit eigenen Augen sehen. Da sitzt tatsächlich ein Vogel auf meinem Kopf! Ein Spatz. Warum macht er das? Warum setzt sich der Spatz auf meinen Kopf? Weil es ihm gefällt, nehme ich an. Oder weil er dich mit einem Busch verwechselt. Du musst dringend mal zum Friseur. Warte mal, ich mach schnell ein Foto. Ja! Das ist schön für später. Fliegt der jetzt nie mehr weg? Doch natürlich, er muss doch fressen. Und trinken. Und einkaufen. Und zur Arbeit. Ach ja. Vielleicht liegt es an der Erwärmung der Erdoberfläche. 2
3 (JELLE lacht) Was? Dass die Vögel zu müde sind um zu fliegen. Wir müssen das Auto abschaffen. Ob der wohl überall mit hingeht, wo ich auch hingehe? Keine Ahnung. Probier s aus. Was hat das verrückte Tier bloß? Szene 2 (zum Publikum) Jeder Spatz braucht einen Namen. Auch meiner. Vielleicht hatten die Eltern des Spatzes ihrem kleinen Spatz längst einen Namen gegeben. Tschilp oder Lose Feder, weil an seinem linken Flügel eine kleine Feder lose ist. Mein Spatz hieß Nico, auch wenn er es wohl nicht wusste. Ich musste am nächsten Tag in die Schule. Nico hatte draußen geschlafen. Irgendwo unter einer Dachpfanne. Als ich am nächsten Morgen aus der Tür trat, hörte ich, rrrrrrt, das Geräusch von Flügelschlägen, und schwups saß Nico auf meinem Kopf, als müsste es so sein. Mieke schaute gerade aus dem Fenster, als es passierte. Sie winkte mir zum Abschied. Ich wagte nicht zurückzuwinken, weil ich Nico nicht erschrecken wollte. Vorsichtig und ohne mit dem Kopf zu wackeln, ging ich zur Schule. Katja wartete schon wie immer in der Albert-Einstein-Straße. Sie ging in die sechste Klasse und ich in die Fünfte. Ihr müsst wissen, dass Katja ein sehr großes Mädchen ist. Manchmal habe ich ein bisschen Angst vor ihr, dabei tut sie keiner Fliege was zu leide. Hallo! (schaut auf den Spatz) Hi, Katja. Es ist ein Spatz, ein passer domesticus. Ja, ein sehr schöner. Der steht dir gut... (zum Publikum.) Wenn ich es genau betrachte, ist Katja eigentlich wahnsinnig nett. Jetzt bin ich mir sicher. Florian? 3
4 Ja? Willst du mit mir gehen? (zum Publikum) Sie schaute mir direkt in die Augen und lachte. Meine Güte hatte Katja viele Zähne. Ich hab dich was gefragt. Aha... (Florian ist völlig verunsichert, zum Publikum) In diesem Moment donnerte ein rosa Elefant von meinen Zehen über mein Herz zum Kopf herauf. Der blies mich mit seinem Rüssel so auf, dass ich Angst hatte zu platzen. Fast hätte ich sogar geweint. Ich steh nicht so auf harte Jungs, ich mag liebe Jungen wie dich. Sag mal was Schatz. (zum Publikum) Du bist zu groß, flüsterte ich, aber es ging zum Glück im Verkehrslärm unter. Was hast du gesagt, Schatz? (Dolf tritt auf, bleibt mit offenem Mund vor den beiden stehen.) (zu Dolf) Mach den Mund zu, sonst kommen Fliegen rein. Gehst du mal zur Seite? (zu Florian)Du hast einen Vogel auf dem Kopf. Ich weiß. Pass mal gut auf, sonst kackt der dich total voll. (nimmt Florians Hand.) Komm, wir gehen weiter. (versperrt Florian den Weg.) Hast du Angst, dass du noch nicht genug stinkst? Scheidungskind, was? (Katja packt Dolf an den Ohren, faltet sie wie ein Packet zusammen und kneift hinein.) Wenn du Probleme hast, kannst du jederzeit zu mir kommen, dann wasch ich dir mal die Ohren. Ich glaube, du lässt Florian in Zukunft besser in Ruhe. So und jetzt schnell zu Petronella in die Klasse. (Lässt Dolfs Ohren los, die rot wie Bremslichter sind, dann küsst sie ihn auf die Nase.) (zum Publikum)Wir gingen weiter und ich schaute an Katja hoch. Sie sah aus wie ein Bär, der gerade einen leckeren Lachs gefangen hatte. Ich liebe dich, Florian, versprich mir, dass du das nie vergisst. Als ich aus der Schule kam, war Nico nicht mehr da, einfach verschwunden. Ich sah einen Star, Mauersegler segelten durch die Luft, und über dem chinesischen Restaurant Der himmlische Platz schwebte eine Möwe, aber 4
5 Nico war nirgends zu sehen. Ich rannte los, denn es konnte ja sein, dass Nico zuhause auf mich wartete. Ichhörte schnelle Schritte hinter mir. Ich schaute mich nicht um. Ich rannte so schnell ich konnte. Warum rennst du denn so? Ich muss dringend nach Hause. Warte mal, Schatz. (Bleibt stehen.) Schönes Wetter heute. Wenn man verliebt ist, ist das Wetter immer schön. Ich muss nach hause. Ich komme mit. Dann sagen wir es gleich deinen Eltern. Das geht nicht. Mein Opa und meine Oma kommen und dann ist das Haus voll. Wie schrecklich. Soll ich dir helfen zu fliehen? Du könntest zum Beispiel aus dem Fenster springen, und dann fang ich dich auf. Das stell ich mir romantisch vor. (zum Publikum) Mir wurde schwindelig. Schon wieder durchströmte mich so ein gewaltiges Gefühl. Ich sah mich durch das Dachfenster springen, durch die Luft segeln und direkt in Katjas starken Armen landen. Es war unglaublich schön. Es geht wirklich nicht. Mein Vater und meine Mutter erlauben nicht, dass ich aus dem Fenster springe. Na, ja, da haben sie auf jeden Fall Recht. Das ist ja auch viel zu gefährlich. Tschüs dann. (zum Publikum)War ich verliebt? Oder hatte ich nur Angst? In diesem Moment hörte ich ein rrrrrt ganz nah an meinem Ohr. Ich hatte nichts gesehen, aber ich spürte etwas auf meinem Kopf. Meine Beine fingen an zu zittern. Nicht vor Schreck. Vor Glück, dachte ich. Ich zittere vor Glück. Nico war da! (zu Nico)Weißt Du was? Ich gehe jetzt Futter für dich kaufen. Kommst du mit? 5
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