Kendris Laborbar-Anlass by KENDRIS AG, die führende unabhängige Schweizer Anbieterin von Family Office-, Trust- und Treuhand-Dienstleistungen,
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1 Kendris Laborbar-Anlass by KENDRIS AG, die führende unabhängige Schweizer Anbieterin von Family Office-, Trust- und Treuhand-Dienstleistungen, nationaler und internationaler Steuer- und Rechtsberatung, ART Management sowie Buchführung und Outsourcing für Privat- und Geschäftskunden.
2 Die EU-ErbVO - Bedeutung für die Schweiz Prof. Dr. Hans Rainer Künzle
3 Inhaltsverzeichnis A. Schweizerisches Kollisionsrecht B. Die wichtigsten Neuerungen der ErbVO C. Wie werden Doppelbürger behandelt? D. Zusammenwirken von Güter- und Erbrecht E. Gibt es weiterhin Zuständigkeitskonflikte? F. Schranken für die Wahl des anwendbaren Rechts G. Künftige Bedeutung der Erbverträge H. Der Willensvollstrecker in der EU Kendris Laborbar-Anlass
4 Inhaltsverzeichnis I. Umgang mit Erbscheinen J. Weiterhin ungeregelte Bereiche K. Ungelöste Probleme L. Empfehlungen M. Schiedsgerichte in Erbsachen Kendris Laborbar-Anlass
5 A. Schweizerisches Kollisionsrecht (Art IPRG)
6 1. Literatur Kommentar zu Art IPRG, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. A., Zürich 2016 Kendris Laborbar-Anlass
7 2. Zuständigkeit a. Wohnsitz (Art. 86 IPRG) Abs. 1: Zuständigkeit am letzten Wohnsitz (Art. 20 IPRG) des Erblassers in der Schweiz. Wenn eine Französin mit letztem Wohnsitz in Genf auf einer Reise in Paris verstirbt, ist die Schweiz (Juge de paix, Genève) für ihren Nachlass zuständig (BGer. SJ 2002 I 366). Kendris Laborbar-Anlass
8 2. Zuständigkeit a. Wohnsitz (Art. 86 IPRG) Abs. 2: Vorbehalt für ausländische Grundstücke Nachlass eines deutschen Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz: Vorbehalten bleibt die Zuständigkeit Frankreichs für ein Grundstück an der Côte d'azur. Rein rechnerisch wird dieses Grundstück in die schweizerische Erbteilung mit einbezogen (weiter vgl. England, USA, Kanada). Kendris Laborbar-Anlass
9 2. Zuständigkeit b. Heimat (Art. 87 IPRG) Abs. 1: Schweizer mit letztem Wohnsitz im Ausland: Ausländische Behörden befassen sich nicht mit dem Nachlass. Rechtliches Nichtbefassen Gutachten notwendig BGer. 5A_754/2010 Frankreich befasst sich gemäss Gesetz nicht mit ausländischen Liegenschaften. Faktisches Nichtbefassen Urteil notwendig BGer. 5A_171/2010 Erfahrungsbericht des Bundesamtes für Justiz betreffend Monaco genügt nicht. Kendris Laborbar-Anlass
10 2. Zuständigkeit b. Heimat (Art. 87 IPRG) Abs. 2: (Auch) Schweizer mit letztem Wohnsitz im Ausland oder ohne Wohnsitz: professio fori / professio iuris. Wenn ein Schweizer mit letztem Wohnsitz in Deutschland verstirbt, wickelt Deutschland den Nachlass am letzten Wohnsitz des Erblassers ab; in diesem Fall könnte der Schweizer (aus Sicht des Schweizer IPRG) seine schweizerische Zuständigkeit wählen und dadurch einen Kompetenzkonflikt auslösen. Kendris Laborbar-Anlass
11 2. Zuständigkeit c. Ausländer in der Schweiz Im IPRG nicht geregelt ist der Fall, dass ein Ausländer in der Schweiz seine Heimatzuständigkeit wählen möchte, dies wird aber zugelassen. Wenn ein Liechtensteiner mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstirbt, kann er die Zuständigkeit von Liechtenstein wählen (Verlassenschaftschaftszuständigkeit für bewegliches Vermögen, um welches sich das Ausland nicht kümmert [Art. 55 JN] und für alles unbewegliche Vermögen in Liechtenstein [Art. 56 JN]). Kendris Laborbar-Anlass
12 3. Anwendbares Recht a. Wohnsitz in der Schweiz (Art. 90 IPRG) Abs. 1: Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht. Gemeint: schweizerisches Erbrecht. Diese Anknüpfung am Wohnsitz führt mit Deutschland und Österreich (Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit) zu Konflikten. Mit der Erbrechtsverordnung (ErbVO) der EU wird dieser Konflikt häufig enden (gewöhnlicher Aufenthalt). Kendris Laborbar-Anlass
13 3. Anwendbares Recht b. Wohnsitz in der Schweiz (Art. 90 PRG) Abs. 2: Der (nur) Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz kann sein Heimatrecht wählen. Die Abwahl von Pflichtteilen verstösst nicht gegen ordre public (BGE 102 II 136 [Cohen v. Hirsch]). Rechtswahl bedeutet Wahl des materiellen Rechts (nicht des IPRG) und muss sich auf den ganzen Nachlass beziehen. Die Rechtswahl führt mit Österreich (keine Rechtswahl) und Deutschland (beschränkte Rechtswahl) zu Konflikten. Dieser kann mit der ErbVO beendet werden. Kendris Laborbar-Anlass
14 4. Staatsverträge a. USA ( ): Art. VI Am Lageort von Immobilien Am Lageort von Mobilien (= Wohnsitz!) Aufgrund von IPRG: Rechtswahlmöglichkeit b. Italien ( ): Art. 17 par. 3/4 Zuständigkeit am letzten Wohnsitz im Heimatland c. Frankreich ( ): Heimatzuständigkeit (ausser bei Liegenschaften) (umstritten) Kendris Laborbar-Anlass
15 4. Staatsverträge d. Grossbritannien und Irland (SR ): Art. IV Gleichbehandlung e. Griechenland (SR ) / Portugal (SR ) / Rumänien (SR ): Vorsorgliche Massnahmen am Sterbeort f. Österreich (SR Todesschein Kendris Laborbar-Anlass
16 5. Anerkennung ausländischer Entscheidungen und Dokumente Art. 96 IPRG (Exequatur Verfahren) _ Ausländische Entscheidungen, Massnahmen und Urkunden, die den Nachlass betreffen werden in der Schweiz anerkannt: a. wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie in einem dieser Staaten anerkannt werden, oder b. wenn sie Gründstücke betreffen und in dem Staat, in dem sie liegen, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie dort anerkannt werden. Kendris Laborbar-Anlass
17 5. Anerkennung ausländischer Entscheidungen und Dokumente Fall 1: Stillschweigende Rechtswahl Staatsangehörigkeit Schweden Wohnsitz Schweiz Testament mit stillschweigender Wahl des schwedischen Erbrechts Schwedisches Inventar (entspricht Erbschein) Schweiz anerkennt, weil Staat, dessen Recht gewählt wurde (Art. 96 lit. a IPRG) Kendris Laborbar-Anlass
18 5. Anerkennung ausländischer Entscheidungen und Dokumente Fall 2: Drittstaatsanerkennung Staatsangehörigkeit Österreich Wohnsitz Liechtenstein Liegenschaft in der Schweiz Österreichische Einantwortungsurkunde (entspricht Erbschein) Schweiz anerkennt, weil am Wohnsitz Liechtenstein die Urkunde aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 29 Abs. 1 FL-IPRG) anerkannt wird (Art. 96 lit. a IPRG) Kendris Laborbar-Anlass
19 B. Die wichtigsten Neuerungen der ErbVO
20 < Kendris Laborbar-Anlass
21 1. Übersicht Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EU-Erbrechts-Verordnung / ErbVO) tritt in Kraft am 17. August 2015 (vgl. Art. 84 EU- ErbVO) Kendris Laborbar-Anlass
22 1. Übersicht ErbVO wird in der EU angewendet ohne UK, Irland und Dänemark (der Begriff Mitgliedstaaten ist somit einschränkend auszulegen) Kein einheitliches Erbrecht, sondern nur einheitliche Kollisionsregeln - unterschiedliche Stellung von Erben (Erbengemeinschaft) bleiben - Umgang mit dinglich wirkenden Einzelzuwendungen (Vermächtnisse, Teilungsanordnungen)? Kendris Laborbar-Anlass
23 2. Prinzipien (1) Wechsel des Anknüpfungsfaktors vom Wohnsitz/der Staatsangehörigkeit zum gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 4 [Zuständigkeit], Art. 21 [anwendbares Recht]). (2) Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht (forum et ius) (Art. 4, 21). (3) Prinzip der Nachlasseinheit (Anwendung eines einzigen Rechts auf den Nachlass / keine Sonderbehandlung von Grundstücken) (Art. 4, 21). Kendris Laborbar-Anlass
24 2. Prinzipien (4) Stärkung der Privatautonomie durch Vereinbarungen (professio fori / iuris) (Art. 5, 22). (5) Loi uniforme: Die Regeln über das anwendbare Recht gelten auch im Verhältnis zu Drittstaaten (wie der Schweiz, UK oder USA; Art. 20, 35). (6) Es ist zu erwarten, dass eine Vielzahl von heutigen Kollisionen zwischen der Schweiz und Deutschland verschwinden werden (Frésard, jusletter vom , N 40 ff.). Dasselbe gilt für die meisten EU Staaten. Kendris Laborbar-Anlass
25 3. Zuständigkeit Art. 4 Gewöhnlicher Aufenthalt Es fehlt eine Definition des Begriffs, weshalb die Gefahr besteht, dass die Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Praxis entwickeln (EuGH wird das zu verhindern suchen): - Ministerrat 1972: Tatsächlicher Aufenthalt ist wichtig, Unterbrechung ist möglich, Erlaubnis spielt keine Rolle. - Vorschlag Schweden: 2-5 Jahre (nicht umgesetzt). - Bundesnotarkammer: Polizeiliche Meldung, Steuerpflicht, 180 Tage Aufenthalt. Kendris Laborbar-Anlass
26 3. Zuständigkeit Art. 4 Gewöhnlicher Aufenthalt - EuGH C-523/07 (Art. 8a Brüssel IIa Verordnung): Soziale u. familiäre Integration (Kinder) - Expat bleibt im Ausland, Grenzgänger auch - = Dauer + Regelmässigkeit des Aufenthalts - = Umstände + Gründe (familiäre, soziale, berufliche) Kendris Laborbar-Anlass
27 3. Zuständigkeit Art. 4 Gewöhnlicher Aufenthalt Wohnsitz (IPRG / Absicht dauernden Verbleibs) Besonders im Fokus sind: - Grenzgänger - Italien/Spanien/Frankreich-Rentner - Personen mit vielen Aufenthaltsorten. domicile (domicile of origin) Kendris Laborbar-Anlass
28 3. Zuständigkeit Art. 5 Gerichtsstandsvereinbarung (1) Ist das vom Erblasser nach Art. 22 zur Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaats, so können die betroffenen Parteien vereinbaren, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig sein sollen. Kendris Laborbar-Anlass
29 4. Anwendbares Recht Gewöhnlicher Aufenthalt Beispiel: Basler Länderdreieck Ein Schweizer lebt in Deutschland und hat Haus in Frankreich bisher kam auf das Haus französisches Erbrecht zur Anwendung Neu kommt auf das Haus deutsches Erbrecht zur Anwendung Kendris Laborbar-Anlass
30 4. Anwendbares Recht Art. 22 Rechtswahl (1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Kendris Laborbar-Anlass
31 4. Anwendbares Recht Formulierungsvorschläge für die Rechtswahl (1) (Odersky, notar 2013, 7) (1) Ich bin deutscher Staatsangehöriger und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt In Deutschland. Diesen will ich auch dauerhaft beibehalten. auf Mallorca. Vorsorglich wähle ich für die Rechtsnachfolge von Todes wegen in mein gesamtes Vermögen sowie die Frage der Rechtswirksamkeit dieses Testaments das... (deutsche) Recht als mein Staatsangehörigkeitsrecht. Kendris Laborbar-Anlass
32 4. Anwendbares Recht Formulierungsvorschläge für die Rechtswahl (2) Ich bin Bürger von Kappel, Ebnat-Kappel SG (Schweiz), also schweizerischer Staatsangehöriger, und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Konstanz (Deutschland), den ich auch bis zu meinem Tod beibehalten will. Ich wähle jedoch hiermit für die Rechtsnachfolge von Todes wegen in mein ganzes Vermögen sowie für die Frage der Rechtswirksamkeit dieses Testaments das schweizerische Recht, insbesondere das schweizerische Erbrecht, als mein Staatsangehörigkeitsrecht. Kendris Laborbar-Anlass
33 4. Anwendbares Recht Die ErbVO regelt nicht, wie das anzuwendende Fremdrecht festzustellen ist und welches Recht angewendet wird, wenn es nicht feststellbar ist (Weiss/Bigler, Deutscher Anwaltsspiegel, Spezial März 2013, 28). In Deutschland ist ausländisches Recht von Amtes wegen festzustellen, die Parteien haben das Gericht zu unterstützen, es können Sachverständige beigezogen werden (Ermann BGB-Westermann, Einl. Art N 59 ff.); schwer feststellbares Recht kann ev. über das Mutterrecht erschlossen werden (ZGB, BGB, CC, common law); ansonsten gilt die lex fori. Kendris Laborbar-Anlass
34 C. Wie werden Doppelbürger behandelt?
35 Rechtswahl Mehrstaatler (Doppelbürger) dürfen das Recht wählen, dem sie zur Zeit der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehören (Art. 22 Abs. 1 Satz 2). Doppelbürger dürfen nach Art. 90 Abs. 2 IPRG keine Rechtswahl für das Heimatrecht treffen; hier besteht ein Konflikt. Kendris Laborbar-Anlass
36 D. Zusammenwirken von Güter- und Erbrecht
37 1. Errungschaftsbeteiligung / CH-Erbrecht Kendris Laborbar-Anlass
38 2. Weitere Güterstände Vergleich Ehefrau Maria a. CH-Güterrecht/CH-Erbrecht 1,100,000 b. CH-Güterrecht / D-Erbrecht 900,000 c. D-Güterrecht / D-Erbrecht 1,050,000 d. D-Güterrecht / CH-Erbrecht 1,050,000 Kinder a. CH-Güterrecht/CH-Erbrecht 400,000 b. CH-Güterrecht / D-Erbrecht 600,000 c. D-Güterrecht / D-Erbrecht 450,000 d. D-Güterrecht / CH-Erbrecht 450,000 Kendris Laborbar-Anlass
39 3. Probleme Eine Rechtswahl kann dazu führen, dass Erb- und Güterrecht auseinanderfallen. Die Rechtsnatur des pauschalen Zugewinnanteils des überlebenden Ehegatten von ¼ ist nicht geklärt (Anspruch basierend auf Güterrecht / im Erbrecht abgegolten) Kendris Laborbar-Anlass
40 4. De lege ferenda Neben dem Erbrecht sollte auch noch das Güterrecht der Ehegatten koordiniert werden KOM (2011])126/2: Vorschlag: Zuständigkeit des Nachlassgerichts (Art. 3), Rechtswahl (Art. 16: gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten bei der Eheschliessung oder Staatsangehörigkeit eines Ehegatten) oder subsidiär (Art. 17: erster gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt bzw. gemeinsame Staatsangehörigkeit bzw. engste Verbundenheit). Kendris Laborbar-Anlass
41 E. Gibt es weiterhin Zuständigkeitskonflikte?
42 Zuständigkeitswahl Keine freie Zuständigkeitswahl (Art. 5 - nur Gleichlauf) Es bleibt unklar, ob die Zuständigkeitswahl auch dann erlaubt ist, wenn die ErbVO selbst den Gleichlauf bricht. Es bleibt unklar, wer die beteiligten Personen der Vereinbarungen sind (Erben, Pflichtteilserben, Vermächtnisnehmer, Gläubiger des Nachlasses ). Kendris Laborbar-Anlass
43 F. Schranken für die Wahl des anwendbaren Rechts?
44 Rechtswahl Art. 22 Rechtswahl Beschränkt auf die Staatsangehörigkeit Es ist (leider) nicht möglich, das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts im Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder das Güterstatut zu wählen (Wilke, RIW 2012, 606). Es ist (richtigerweise) nicht möglich, ein Recht zu wählen, das keine Pflichtteile kennt, zu dem aber kein Anknüpfungspunkt besteht. Kendris Laborbar-Anlass
45 Rechtswahl Art. 22 Rechtswahl Bindung an Rechtswahl? Es ist ganz klar, ob eine einmal getroffene Rechtswahl, zumal in einem Erbvertrag, wieder geändert oder widerrufen werden kann. Kendris Laborbar-Anlass
46 G. Künftige Bedeutung der Erbverträge
47 1. Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Art. 25 Erbverträge Abs. 1: Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Problem: In vielen Ländern gehören Erbverträge zu verbotenen letztwilligen Verfügungstypen; gelten diese weiterhin? (eher nicht) Kendris Laborbar-Anlass
48 2. Getrennte Beurteilung Art. 25 Erbverträge Abs. 2: Nach Land getrennte Beurteilung: Er (D) und Sie (F) mit gewöhnlichem Aufenthalt in F schliessen Erbvertrag gültig, wenn er Verpflichtungen eingeht ungültig, wenn sie Verpflichtungen eingeht (Art. 968, 1130 Abs. 2 CC) ungültig, wenn beide Verpflichtungen eingehen Lösung: Rechtswahl des deutschen Rechts: Erbvertrag für Verpflichtungen von beiden gültig; funktioniert auch, wenn ein Ehepartner Schweizer ist! Kendris Laborbar-Anlass
49 3. Gemeinschaftliche Testamente Gemeinschaftliches Testament Zum in Deutschland häufigen gemeinschaftlichen Testament gibt es keine Regeln; es ist unklar, ob und wie eine Rechtswahl im Sinne von Art. 25 ErbVO möglich ist und welche Wirkung dies allenfalls hat (Lehmann, ZErb 2013, 25; Odersky, Notar 2013, 8). Wenn Übersiedlung in die Schweiz bevorsteht, sollte das gemeinschaftliches Testament durch einen Erbvertrag ersetzt werden (Odersky, Notar 2013, 8) Kendris Laborbar-Anlass
50 H. Der Willensvollstrecker in der EU
51 Testamentsvollstrecker Art. 29 Besondere Regelungen für die Bestellung und die Befugnisse eines Nachlassverwalters in bestimmten Situationen (1) und ist das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht ausländisches Recht, können die Gerichte dieses Mitgliedstaats, wenn sie angerufen werden, einen oder mehrere Nachlassverwalter nach ihrem eigenen Recht unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen bestellen. Transformation der Kompetenzen in ein anderes EU- Land Kendris Laborbar-Anlass
52 Testamentsvollstrecker Art. 29 Besondere Regelungen für die Bestellung und die Befugnisse eines Nachlassverwalters in bestimmten Situationen (3) kann das nach Absatz 1 einen oder mehrere Verwalter bestellende Gericht ausnahmsweise, wenn das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht das Recht eines Drittstaats ist, beschliessen, diesen Verwaltern alle Verwaltungsbefugnisse zu übertragen, die in dem Recht des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dem sie bestellt werden. Ausdehnung der Kompetenzen des Willensvollstreckers in der EU Kendris Laborbar-Anlass
53 I. Umgang mit Erbscheinen
54 1. Europäisches Nachlasszeugnis Art. 62 Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (1) Mit dieser Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden Zeugnis ) eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird und die in Artikel 69 aufgeführten Wirkungen entfaltet. Das Nachlasszeugnis deckt auch das Zeugnis des Testamentsvollstreckers ab. Kendris Laborbar-Anlass
55 2. Anerkennung Art. 39 Anerkennung (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Schweiz wendet nach wie vor Art. 96 IPRG an! Kendris Laborbar-Anlass
56 3. Umgang in der Schweiz Die Anwendung fremden Rechts führt im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) zu besonderen Problemen (zumal der Inhalt der Erbbescheinigung in der Schweiz den Kantonen überlassen ist): Wird ein Ehevertrag erwähnt? (Art. 68 lit. h) Werden Erbquoten aufgeführt? (Art. 68 lit. l) Werden Nachlasswerte aufgezählt? (Art. 68 lit. m) Kendris Laborbar-Anlass
57 4. Nationale Zeugnisse Land Deutschland Österreich/ FL Frankreich Italien Erben-Ausweis Erbschein ( 2353 ff. BGB) Einantwortungsurkunde ( 177 ff. AussStrG) Acte de Notoriété (Notaire / bei gesetzlicher Erbfolge: Greffier en chef du Tribunal de Grande Instance) (Praxis) Elsass-Lothringen: Certificat d héritier (Tribunal d Instance) Atto di Notorietà (notaio) / Certificato di eredità (pretore) (Praxis) Spanien UK / US - Acta di Notoriedad (Notario / Juzgado de Primera Instancia) (Praxis) / Nachlasszeugnis (Art. 62 Nr. 22 ZPG v ) Unklar, ob ErbVO auch auf n.z. anwendbar Kendris Laborbar-Anlass
58 5. Form Für die Form gilt weiter das Haager Testamentsformübereinkommen vom (SR ); gilt nach Art. 27 für alle Mitgliedstaaten: Form am Ort der Testamentserrichtung muss eingehalten werden Kendris Laborbar-Anlass
59 J. Weiterhin ungeregelte Bereiche
60 1. Einführungsgesetze (1) Anpassungen im nationalen Kollisionsrecht (Einführungsgesetze) durch die Mitgliedstaaten sind teilweise noch nicht vorhanden (diese Anpassungen haben auf die Beziehung zu Drittstaaten stärkeren Einfluss als innerhalb der EU). Einführungsgesetz in Deutschland (noch) kein Einführungsgesetz in Italien Kendris Laborbar-Anlass
61 2. Ausweichklausel Für die Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 ErbVO: engerer Bezug im Einzelfall Nachklingen der Verbindung zum Wegzugstaat) hat es kaum Platz, sie schafft Rechtsunsicherheit (Lange, ZErb 2012, 162; Wilke, RIW 2012, 605). Kendris Laborbar-Anlass
62 3. Verweis / ordre public Es bleibt unklar, ob der Verweis auf ein Drittstaaten-Recht das Kollisionsrecht (IPRG; wohl gemeint) oder doch das materielle Recht (Erbrecht) meint (Art. 34 ErbVO). Es ist unklar, wie weit Pflichtteile den Schutz des ordre public (Art. 35 ErbVO) unterstehen (Odersky, Notar 2013, 6: war früher im Verordnungstext enthalten und wurde gestrichen; Wilke, RIW 2012, 607: ist wohl eher nicht der Fall). Kendris Laborbar-Anlass
63 4. Ausserhalb der ErbVO Steuer-, Zoll- und Verwaltungsrecht wird nicht erfasst von der ErbVO: Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse in der EU (KOM/2011/864). Gesellschaftsrechtliche Konstrukte werden nicht erfasst. Trusts werden nicht erfasst (ausser Errichtung von Todes wegen - Erwägung 13); sind aber zum Teil durch das Haager Trust Übereinkommen abgedeckt (Deutschland kein Vertragsstaat Lebzeitige Zuwendungen werden nicht erfasst (Herzog, ErbR 2013, 4). Kendris Laborbar-Anlass
64 4. Ausserhalb der ErbVO Unklar ist, ob auch Vorfragen (wie Verwandtschaft, Ehe, Lebenspartnerschaft usw. ) von der ErbVO mitgeregelt werden oder selbständig angeknüpft und weiter vom nationalen Recht geregelt werden (was ungünstig wäre). Kendris Laborbar-Anlass
65 5. Staatsverträge Wie weit gelten die Staatsverträge Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen bzw. Niederlassungs- und Konsularverträge mit Deutschland (Grossherzogtum Baden; BS 11, 611), Österreich (SR ), Frankreich (SR ), Italien (SR ), Grossbritannien (SR , Griechenland (SR ), Portugal (SR ) und Rumänien (SR ? Sie bleiben nach Art. 75 ErbVO unberührt. Kendris Laborbar-Anlass
66 K. Ungelöste Probleme
67 1. Art. 10 ErbVO (1) Art. 10 ErbVO weicht vom loi uniforme ab und bestimmt, dass die Mitgliedstaaten, in denen sich Nachlassgut befindet, für den gesamten Nachlass zuständig sind, wenn der Erblasser in einem Drittstaat (wie der Schweiz) verstorben ist (Abs. 1) und Der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates hat (lit. a) oder wenn der vorherige gewöhnliche Aufenthalt im Mitgliedstaat nicht mehr als 5 Jahre zurückliegt (lit. b) oder sowieso für Nachlassvermögen im Mitgliedstaat (Abs. 2). Das setzt den früheren Zuständigkeitskonflikt (Gleichlauf) fort (hängt von Anpassung ab). Kendris Laborbar-Anlass
68 1. Art. 10 ErbVO Fall 1: Schweizer in der Schweiz mit Haus in Deutschland und Bankkonto in Österreich (Fall von Abs. 2 - Vermögen in der EU): Deutschland ist für Haus zuständig (ok nach Art. 86 Abs. 2 IPRG; deutsches Urteil anerkannt nach Art. 96 Abs. 1 lit. b IPRG). Österreich ist für Bankkonto zuständig (widerspricht Art. 86 Abs. 1 IPRG; österr. Urteil nicht anerkannt nach Art. 96 IPRG). Schweiz ist für restlichen Nachlass zuständig (ok nach Art. 86 Abs. 1 IPRG). Anwendung der lis pendens-regel (Art. 17 ErbVO)? Kendris Laborbar-Anlass
69 1. Art. 10 ErbVO Fall 2: Schweizer in England, lebte bis vor 4 Jahren in Deutschland, mit Haus in Frankreich, Konto in der Schweiz, errichtet letztwillige Verfügung mit Wahl des Heimatrechts (CH): Fall von Abs. 1 lit. b (Aufenthalt vor weniger als 5 Jahren) Deutschland ist gesamten Nachlass zuständig (widerspricht Art. 87 Abs. 2 IPRG; deutsches Urteil wird nach Art. 96 IPRG nicht anerkannt). Das widerspricht auch der Sicht des englischen Rechts: UK ist für bewegliches Vermögen zuständig, überlässt Frankreich die Zuständigkeit für Grundstück ; die Schweiz anerkennt UK Urteile nach Art. 96 IPRG. Kendris Laborbar-Anlass
70 2. Art 12 ErbVO Nach Art. 12 ErbVO können Vermögenswerte in Drittstaaten vom Verfahren ausgenommen werden, wenn anzunehmen ist, dass Entscheide in diesem Staat nicht anerkannt werden: häufig bei unbeweglichem Vermögen, schwierig zu handhabende Regelung. Kendris Laborbar-Anlass
71 L. Empfehlungen
72 Empfehlungen (1) Alle letztwilligen Verfügungen mit Berührung zu EU-Staaten sollten 2015 überprüft werden. (2) Zuständigkeitswahl treffen, um Klarheit zu schaffen, die Ausweichklausel auszuschliessen und Berührungspunkte (etwa in Deutschland) zu beenden. (3) Ausdrückliche Rechtswahl treffen, zur Klärung des anwendbaren Rechts und um stillschweigende Rechtswahl auszuschliessen. Kendris Laborbar-Anlass
73 M. Schiedsgerichte in Erbsachen
74 1. Zulässigkeit der Schiedsklausel Schiedsgerichte für unlösbare Fälle Die Förderung von Schiedsverfahren entspricht Art. 293 EG-Vertrag (Lehmann, Diss., 235) D-ZPO lässt einseitige Schiedsklauseln zu, ebenso 581 Abs. 1 A-ZPO. Die schweizerische ZPO kennt keine parallele Regelung. In Deutschland oder Österreich vereinbarte Schiedsklauseln sind nach Zuzug in die Schweiz gefährdet (Lehmann, Diss, 235 f.) und sollten durch eine Schiedsvereinbarung ersetzt werden (z.b. in einem Erbvertrag). Kendris Laborbar-Anlass
75 Kendris Laborbar-Anlass
76 Kontakt Hans Rainer Künzle Partner von KENDRIS AG General Counsel Verwaltungsrat Prof. Dr. oec. HSG, Rechtsanwalt, TEP Titularprofessor für Privatrecht und Privatrechtsvergleichung an der Universität Zürich KENDRIS AG phone +41 (0) Wengistrasse 1 fax +41 (0) CH-8026 Zurich mobile +41 (0) h.kuenzle@kendris.com Internet Kendris Laborbar-Anlass
77 Disclaimer KENDRIS wird kontrolliert durch die Selbstregulierungsorganisation des Vereins zur Qualitätssicherung von Finanzdienstleistungen, VQF, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) beaufsichtigt wird. Dieses Dokument wurde durch KENDRIS nur zu Informationszwecken erstellt. Es handelt sich nicht um eine Offerte oder eine Beratung. Die Informationen, auf welchen das Dokument basiert, stammen aus Quellen, die wir für zuverlässig halten. Allerdings haben wir diese Informationen nicht unabhängig überprüft und wir übernehmen weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Garantie für deren Richtigkeit. Alle Meinungsäusserungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. KENDRIS übernimmt keine Haftung oder Verantwortung für irgendwelchen Schaden, der aus der Verwendung dieses Dokuments oder von Teilen daraus resultiert. Dieses Dokument soll vom Empfänger nicht als Ersatz für eine eigene Beratung verwendet werden. Kendris Laborbar-Anlass
Die EU-ErbVO - Bedeutung für die Schweiz
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