EGBGB Art. 25, 26 Russland: Gemeinschaftliches Testament mit Vor- und Nacherbfolge bei deutschrussischen
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut Gutachten-Abruf-Dienst Gutachten des Deutschen Notarinstituts Fax-Abruf-Nr.: 99122# letzte Aktualisierung: 2. Dezember 2009 EGBGB Art. 25, 26 Russland: Gemeinschaftliches Testament mit Vor- und Nacherbfolge bei deutschrussischen Ehegatten I. Sachverhalt Eheleute der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger, die Ehefrau ist russische Staatsangehörige möchten ein gemeinschaftliches Testament errichten. Sie verfügen sowohl über Immobilienvermögen in Deutschland als auch in Russland. Ihr ständiger Wohnsitz ist die Bundesrepublik Deutschland. Der Ehemann möchte seine Ehefrau zur Alleinerbin einsetzen und seine Tochter zur Ersatzerbin. Die Ehefrau möchte ihren Ehemann zum befreiten Vorerben einsetzen und zum Nacherben bzw. zur Ersatzerbin ebenfalls die Tochter. Die übrigen Kinder des Ehemannes, die aus einer anderen Ehe hervorgegangen sind, sollen lediglich den Pflichtteil erhalten. II. Frage Ist im vorliegenden Fall ein gemeinschaftliches Testament möglich? Bestehen Bedenken gegen die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge auch betreffend das in Russland belegene Vermögen? III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut a) Unbeweglicher Nachlass Bei der Bestimmung des Erbstatuts sind gem. Art. 3 Nr. 2 EGBGB Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den autonomen kollisionsrechtlichen Bestimmungen des EGBGB gegenüber vorrangig zu beachten. Eine derartige völkerrechtliche Bestimmung auf erbrechtlichem Gebiet befindet sich in Art. 28 Abs. 3 des deutsch-sowjetischen Konsularabkommens vom (in deutscher Übersetzung von Mosgo abgedruckt in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Loseblattsammlung, Länderteil Russland, Stand: 1. Juli 2009, Texte A. Nr. 1). Dieser lautet: Hinsichtlich der unbeweglichen Nachlassgegenstände finden die Rechtsvorschriften des Staates Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon (0931) Fax (0931) dnoti@dnoti.de internet: user/mr/pool/gutachten/2010/99122-fax.doc
2 Seite 2 Anwendung, in dessen Gebiet diese Gegenstände belegen sind. Zwar ist die Sowjetunion als Vertragspartner am untergegangen; die Russische Föderation hat jedoch durch Note vom die völkerrechtlichen Verträge der früheren Sowjetunion übernommen (vgl. die Bekanntmachung in: BGBl. II 1992, S. 1016). Das vorgenannte Konsularabkommen mit seiner erbrechtlichen Kollisionsnorm gilt daher im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation fort. Für den unbeweglichen Nachlass der Ehegatten findet mithin im Verhältnis zu Russland das jeweilige Belegenheitsrecht Anwendung. Eine Definition der unbeweglichen Nachlassgegenstände enthält der Konsularvertrag nicht. Allerdings gehört Wohnungseigentum und Hauseigentum sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht (Solotych, Das ZGB der Russischen Föderation, Erster Teil, 2. Aufl. 1997, S. 51) zum Immobiliarvermögen. Das Konsularabkommen von 1958 enthält keine Bestimmung über das auf die Erbfolge betreffend den beweglichen Nachlass anzuwendende Recht. Insoweit ist daher auf das autonome deutsche Kollisionsrecht zurückzugreifen (s. Staudinger/Dörner, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearb. 2007, Vorbem. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 198). b) Beweglicher Nachlass Mangels einer einschlägigen staatsvertraglichen Kollisionsnorm ist bezüglich des beweglichen Nachlasses aus deutscher Sicht Art. 25 Abs. 1 EGBGB anzuwenden. Danach unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Allerdings ist für die Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit und Bindungswirkung einer letztwilligen Verfügung nicht auf den Zeitpunkt des Todes, sondern auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags bzw. der Errichtung des Testaments (Errichtungsstatut) abzustellen (Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB; Schotten/Schmellenkamp, Das IPR in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Rn. 326; Palandt/Thorn, 69. Aufl. 2010, Art. 26 EGBGB Rn. 7). Eine Änderung des Erbstatuts aufgrund nach Abschluss bzw. Errichtung eingetretener Umstände hat mithin aus deutscher Sicht auf Wirksamkeit und Bindungswirkung der letztwilligen Verfügungen keinen Einfluss. Die vorgenannten Bestimmungen verweisen hinsichtlich des Vermögens des Ehemannes aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit auf das deutsche Erbrecht. Hinsichtlich der Ehefrau verweisen sie aufgrund der russischen Staatsangehörigkeit auf ihr russisches Heimatrecht. Diese Verweisung umfasst gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB als sog. Gesamtverweisung auch das russische IPR. Insbesondere wäre gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine Rückverweisung zu beachten. Art des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation (ZGB; deutsche Übersetzung von Mosgo [auch betreffend die weiteren in diesem Gutachten zitierten Vorschriften], in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, a. a. O.) verweist für die erbrechtlichen Verhältnisse auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Eine Ausnahme gilt gem. Art Abs. 2 ZGB für das unbewegliche Vermögen, dessen Vererbung hier jedoch bereits auf der Basis des Konsularabkommens von 1958 im deutsch-russischen Verhältnis dem Belegenheitsrecht unterstellt wird.
3 Seite 3 Der Wohnsitz i. S. d. russischen Rechts bestimmt sich gem. Art. 20 ZGB. Danach ist der Wohnort eines Bürgers der Ort, an dem ein Bürger ständig oder überweigend wohnt. Im vorliegenden Fall hat die Ehefrau ihren Wohnsitz i. d. S. wohl in Deutschland. c) Zwischenergebnis Für den Ehemann ist im Hinblick auf das bewegliche Vermögen sowohl aus deutscher Sicht (Heimatrecht) als auch aus russischer Sicht (Wohnsitzrecht) das deutsche Recht berufen. Das Gleiche gilt aufgrund Belegenheitsrechts für sein in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen. Zum selben Ergebnis gelangt man über eine Rückverweisung bzw. aufgrund Belegenheitsrechts für die Ehefrau, sofern sie auch im Zeitpunkt ihres Todes noch ihren Wohnsitz in Deutschland hat. Sollte sie dann allerdings in Russland wohnen, käme für ihr bewegliches Vermögen russisches Recht zur Anwendung. Für in Russland belegene Immobilien der Ehefrau und des Ehemannes kommt in jedem Fall das russische materielle Erbrecht auf der Basis des Konsularabkommens zur Anwendung. Insoweit tritt dann eine Nachlassspaltung ein. 2. Zur Formwirksamkeit Das auf die Formwirksamkeit letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht bestimmt Art. 1 des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom , dessen Bestimmungen in Art. 26 Abs. 1 EGBGB inkorporiert worden sind. Gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens (= Art. 26 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB) genügt für die Formwirksamkeit die Errichtung der letztwilligen Verfügung nach den Bestimmungen des Staates, in dem die Errichtung stattgefunden hat. Dies gilt nicht nur für einseitige letztwillige Verfügungen, sondern gem. Art. 4 des Übereinkommens auch für gemeinschaftliche Testamente. Ein den Bestimmungen des deutschen Rechts entsprechend in Deutschland notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament wäre mithin aus deutscher Sicht formwirksam. Die Russische Föderation ist dem Haager Testamentsformübereinkommen nicht beigetreten. Allerdings genügt gem. Art Abs. 3 ZGB für die Formgültigkeit von Testamenten die Beachtung des Rechts des Staates, in dem der Erblasser bei Errichtung des Testaments seinen Wohnsitz hatte. Ein Testament kann nicht wegen Formmangels für unwirksam erklärt werden, wenn die Form den Erfordernissen des Rechts am Errichtungsort oder denen des russischen Rechts entspricht. Ob daraus abgeleitet werden kann, dass auch im Ausland errichtete gemeinschaftliche Testamente aus russischer Sicht formgültig sind, ist nicht sicher. Diesbezüglich liegt uns keine ausreichende russische Literatur oder Rechtsprechung vor. Bei Masannek (in: Süß, a. a. O., Rn. 10) findet sich allerdings der Hinweis, dass in der russischen Praxis die Anerkennung von Testamentsformen, die nicht den russischen entsprechen, erhebliche Probleme bereiten dürfte. Daher wird dort empfohlen, das Testament nur in einer Form zu errichten, die auch dem russischen Recht bekannt ist. Gem. Art Abs. 1, 1125 Abs. 1 ZGB ist die Grundform eines Testaments in Russland das notarielle Testament (Masannek, in: Süß, a. a. O., Rn. 31). Daher könnte davon ausgegangen werden, dass ein in Deutschland nach den hiesigen Vorschriften beurkundetes Testament (das gem. Art Abs. 4 ZGB zwingend einen Vermerk über Datum und Ort der Beurkundung enthalten muss) auch in Russland anerkannt werden sollte. Dennoch ist die Anerkennung eines in Deutschland
4 Seite 4 errichteten gemeinschaftlichen Testaments, sofern Vermögen in Russland vorhanden ist, als formgültig in der Praxis nicht selbstverständlich. 3. Zum Erbrecht der Russischen Föderation Das russische Recht kennt Verfügungen von Todes wegen ausschließlich in Form einseitiger Testamente. Gemeinschaftliche Testamente sowie vertragsmäßige Verfügungen sind dem russischen Recht nicht bekannt und werden ausdrücklich verboten (Art Abs. 4, 1119 ZGB). Dementsprechend ergibt sich im vorliegenden Fall, dass in Bezug auf in Russland belegenes Immobiliarvermögen und für den Fall, dass die Ehefrau ihren letzten Wohnsitz in Russland haben sollte, auch für deren bewegliches Vermögen eine Verfügung mit Bindungswirkung nicht möglich ist. Zur inhaltlichen Gestaltung der Erbfolge verweisen wir zunächst auf die Art ff. ZGB sowie die Länderberichte Russland aus Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, a. a. O. und Masannek, in: Süß, Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008, Länderbericht Russische Föderation, Rn. 26 ff.. Das russische Recht sieht wie das deutsche eine Universalrechtsnachfolge und die Möglichkeit der testamentarischen Einsetzung von Erben und Vermächtnisnehmern vor. Es kennt auch gem. Art Abs. 2 ZGB die Möglichkeit, eine Person als Ersatzerben für den Fall einzusetzen, dass eine zunächst als Erbe benannte Person vor Eintritt des Erbfalls bzw. vor Annahme der Erbschaft verstirbt oder sonst aus der Erbfolge ausscheidet. Die im vorliegenden Fall vom Ehemann gewünschte Verfügung kann daher auch nach russischem Recht getroffen werden. Allerdings ist eine Vor- und Nacherbfolge, wie sie nach deutschem Recht angeordnet werden kann, dem russischen Erbrecht unbekannt und daher unzulässig (vgl. Masannek, in: Süß, a. a. O., Rn. 40 a. E.). Die von der Ehefrau gewünschte Verfügung ist somit, soweit russisches Erbrecht zur Anwendung kommt, nicht möglich. Was Pflichtteilsrechte der weiteren Kinder des Ehemannes angeht, so ist zu beachten, dass der Pflichtteil nach russischem Recht nicht nur einen Anspruch, sondern einen echten Erbteil darstellt; allerdings sind gem. Art ZGB Abkömmlinge und Kinder nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie entweder minderjährig oder arbeitsunfähig sind. Letzteres gilt auch für Eltern und den überlebenden Ehegatten sowie für vom Erblasser unterhaltene arbeitsunfähige Familienmitglieder unter bestimmten Umständen (vgl. auch Sultanova, Osteuropa-Recht, 2003, S. 439). Personen, die in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten, steht somit nach Art ZGB kein Pflichtteil zu. Soweit der Nachlass jedoch deutschem Erbrecht unterliegt, gelten für Pflichtteilsansprüche die Regeln des deutschen Rechts (Palandt/Thorn, a. a. O., Art. 25 EGBGB Rn. 10). 4. Ergebnis Im Ergebnis bestehen vorliegend u. E. keine Bedenken gegen die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. gegen den Abschluss eines Erbvertrags, soweit in Russland belegenes, unbewegliches Nachlassvermögen eines Ehegatten nicht vorhanden ist bzw. nicht mit einbezogen wird. Zu bedenken ist allerdings, dass die materielle Wirksamkeit sowie die Bindungswirkung der gewählten letztwilligen Verfügung nur solange als gesichert angesehen werden kann, als die Ehefrau ihren Wohnsitz in Deutschland beibehält. Bei Änderung ihres Wohnsitzes, also bei einer Rückkehr nach Russland, würde sich die Ehefrau im Hinblick auf das bewegliche Vermögen jedenfalls der Bindungswirkung entziehen, während der Ehemann u. U. weiter gebunden wäre. Etwas anderes gilt jedoch für das unbewegliche Vermögen: Für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen bleibt es aufgrund der Belegenheit in Deutschland in jedem Fall bei der Berufung des deutschen Erbrechts.
5 Seite 5 Inhaltlich wäre auch insoweit, als russisches Erbrecht zur Anwendung kommt, die vom Ehemann gewünschte Verfügung möglich, die von der Ehefrau gewünschte Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge allerdings nicht, so dass hierfür ein anderer Lösungsweg gefunden werden müsste. Nach unserer Auffassung empfiehlt sich für das in Russland befindliche Immobilienvermögen die flankierende Errichtung von Einzeltestamenten. Wie unter Ziff. 2 ausgeführt, sollten solche Testamente eigentlich auch dann in Russland als formgültig anerkannt werden, wenn sie in Deutschland in notarieller Form errichtet wurden; ob dies auch tatsächlich geschieht, ist jedoch nicht sichergestellt. Jedenfalls müssten die Einzeltestamente vor ihrer Einführung in ein über die Immobilien in Russland durchzuführendes Nachlassverfahren übersetzt und mit Apostille versehen werden, da ein deutscher Erbnachweis in Russland nicht als ausreichend angesehen wird (vgl. Masannek, in: Süß, a. a. O., Rn. 58). Sicherheitshalber und um die spätere Übersetzung und Einholung einer Apostille zu vermeiden sollte überlegt werden, die Einzeltestamente in Russland beurkunden zu lassen.
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