EGBGB Art. 25, 26, 6 Indien: Erbstatut und gesetzliche Erbfolge nach indischem Staatsangehörigen (Religionsgemeinschaft der Jainas) I.
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung/Rechtsstand: letzte Sichtung: EGBGB Art. 25, 26, 6 Indien: Erbstatut und gesetzliche Erbfolge nach indischem Staatsangehörigen (Religionsgemeinschaft der Jainas) I. Sachverhalt Der Erblasser besaß die indische Staatsangehörigkeit. Er war in einziger Ehe verheiratet und hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. Seine Mutter lebt noch, außerdem mehrere Geschwister. Es liegt weder ein Testament noch ein Erbvertrag vor. Der Erblasser hat in Indien gelebt und ist auch dort verstorben. Er gehörte der Religionsgemeinschaft der Jainas an. Er hinterlässt auch Vermögen in Deutschland. II. Frage 1. Welches Erbrecht gilt? 2. Wie ist die gesetzliche Erbfolge nach indischem Recht für Religionsangehörige der Jaina? III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut a) Deutsches IPR Gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB beurteilt sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus deutscher Sicht vorbehaltlich einer Durchbrechung des Gesamtstatuts durch ein Einzeltstatut gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB und einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon (0931) Fax (0931) dnoti@dnoti.de internet: user/mr/pool/gutachten/14263.doc
2 Seite 2 EGBGB grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Für den indischen Staatsangehörigen verweist Art. 25 Abs. 1 EGBGB wegen seiner indischen Staatsangehörigkeit auf das Recht von Indien. Bei dieser Verweisung handelt es sich gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB um eine sog. Kollisionsnormverweisung, bei der zuvörderst das indische internationale Erbrecht im Hinblick auf eine etwaige Rückoder Weiterverweisung zu prüfen ist. b) Indisches IPR In Indien hat sich kein eigenständiges IPR entwickelt. Vielmehr folgt man den kollisionsrechtlichen Grundsätzen des englischen common law. Abweichende Kollisionsregeln gelten nur in den früheren portugiesischen Kolonien Goa, Daman und Diu, in denen sich die Erbfolge nach dem Heimatrecht richtet (Staudinger/Dörner, BGB, 2000, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 223 f.). International-privatrechtliche Normen sind zwar im Indian Succession Act 1925 (im Folgenden ISA) in Sec. 5 enthalten. Gem. Sec. 5 Abs. 1 ISA richtet sich das Erbrecht bezüglich unbeweglichen Vermögens nach dem Belegenheitsrecht (lex rei sitae). Sec. 5 Abs. 2 ISA unterwirft die Nachfolge für bewegliches Vermögen dem Recht am domicile des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Nach Sec. 4 ISA gelten dessen international-privatrechtliche Vorschriften jedoch nicht für Hindus, Moslems, Buddhisten, Jainas und Sikhs. Daraus wird vereinzelt gefolgert, dass diese Gruppen nicht den Regeln des IPR unterstehen, sondern für sie das Gruppenrecht vielmehr universelle Geltung habe (vgl. dazu Otto, Rechtsspaltung im indischen Erbrecht, 1997, S. 43 m. w. N.). Die gerichtliche Praxis in Indien wendet aber wohl auf Fälle mit Auslandsbezug allgemein die Regeln der Sec. 5 ISA an, auch soweit es sich bei dem Erblasser um einen Hindu, Moslem, Buddhisten, Jaina oder Sikh handelt (vgl. Otto, S. 43 f.; Staudinger/Dörner, Anh. zu Art. 25 EGBGB, Rn. 223; vgl. auch Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/ Hausmann, Internationales Erbrecht, Indien, Stand: März 1993, Rn. 19 f., der für das bewegliche Vermögen zwar zunächst das religiöse Recht für vorrangig hält, soweit sich das Vermögen des Erblassers in Indien befindet, bei dem Versterben eines Hindu oder Moslems im Ausland jedoch von der Anwendbarkeit des am domicile geltenden Rechts ausgeht). Für die Erbfolge in etwa vorhandenes in Indien belegenes unbewegliches Vermögen nimmt das indische Recht die Verweisung des deutschen Rechts an. Für die Erbfolge in das hier in Rede stehende bewegliche Vermögen gilt das Recht am domicile des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Der Domizilbegriff entspricht im Wesentlichen
3 Seite 3 dem des englischen Rechts (Staudinger/Dörner, Anh. Zu Art. 25 EGBGB, Rn. 223). Unter einem domicile ist die Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet zu verstehen, wobei das Ursprungsdomizil (domicile of origin) und das Wahldomizil (domicile of choice) zu unterscheiden sind. Ein Wahldomizil liegt vor, wenn die Person an einem bestimmten Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt nimmt und die Absicht hat, diesen Aufenthalt für immer oder für unbestimmte Zeit beizubehalten (Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Rn. 20; IPG Hamburg 1975, Nr. 31). Eine volljährige Person kann insbesondere dadurch ihr domicile wechseln, dass sie sich in einem anderen Land niederlässt und dies mit der Absicht geschieht, dort für immer oder doch auf unbestimmte Zeit zu bleiben (animus manendi) und nicht mehr auf Dauer in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (animus non revertendi). Dies ist eine Tatfrage, welche nur unter Kenntnis der genauen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann. Im Zweifel gilt aus indischer Sicht jedenfalls für das in Indien belegene bewegliche Vermögen indisches Recht (Sec. 19 ISA). Vorliegend ist der indische Staatsangehörige wohl in Indien aufgewachsen und hat soweit ersichtlich sein Leben dort verbracht. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte er seinen Wohnsitz in Indien. Somit gibt es keine Anhaltspunkte für die Begründung eines domicile of choice im Ausland. Wir gehen daher davon aus, dass der indische Staatsangehörige sein domicile in Indien hatte. Somit ist in Bezug auf das bewegliche Vermögen indisches Erbrecht anwendbar. c) Personale Rechtsspaltung nach indischem Erbrecht In Indien gibt es kein einheitliches Erbrecht für alle Religionsgemeinschaften. Das gesetzliche Erbrecht ist für die vier Religionsgemeinschaften, nämlich Hindus, Moslems, Parsen und Christen getrennt geregelt (Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Indien, Rn. 4). Hindus unterliegen, was die gesetzliche Erbfolge anbetrifft, dem Hindu-Succession- Act Nr. 30/1956. Hindus i. S. d. Hindu Succession Act 1956 (HSA) sind neben denjenigen, die der Hindu-Religion angehören, auch diejenigen, die der Religionsgemeinschaft der Buddhisten, Jainas und Sikh angehören (Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Indien, Rn. 32). Für den Bundesstaat Jammu und Kashmir gilt der Jammu and Kashmir Hindu Succession Act 38 von 1956, der dem Hindu Succession Act 1956 sehr ähnlich ist (Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Indien, Rn. 5).
4 Seite 4 Für Moslems gilt moslemisches Erbrecht (Muslim Personal Law (Shariat) Application Act 1937, Nr. 26/1937). Für alle anderen gilt der Indian Succession Act 1925, Nr. 39/1925. Alle Gesetzestexte finden sich in englischer Sprache im Internet auf der Regierungsseite: (oder mit Links zu den einzelnen Gesetzen von der Homepage des DNotI: unter Links International/Asien/Indien). Deutsche Übersetzungen der zitierten Gesetze finden sich bei Kainth, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Indien). 2. Gesetzliche Erbfolge a) Hindu Succession Act 30/1956 Hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge ist nach dem HSA nach dem Geschlecht des Erblassers zu unterscheiden. Ist der Erblasser männlichen Geschlechts, gilt Folgendes: Der Nachlass geht zunächst auf die 12 in Klasse I erwähnten Erben über. Diese schließen die Erben der Klasse II und die sog. agnates und cognates aus. Erben der Klasse I sind gem. Sec. 8 i.v.m. der Tabelle im Anhang des HSA folgende Personen: Sohn, Tochter, Witwe, Mutter, Sohn eines vorher verstorbenen Sohnes, Tochter eines vorher verstorbenen Sohnes, Sohn einer vorher verstorbenen Tochter, Tochter einer vorher verstorbenen Tochter, Witwe eines vorher verstorbenen Sohnes, Sohn eines vorher verstorbenen Sohnes eines vorher verstorbenen Sohnes, Tochter eines vorher verstorbenen Sohnes eines vorher verstorbenen Sohnes, Witwe eines vorher verstorbenen Sohnes eines vorher verstorbenen Sohnes. Brüder und Schwestern des Erblassers gehören hingegen zu den Erben der Klasse II und sind somit durch die Mutter des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen. b) Korrektur durch den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) Zu überlegen ist, inwieweit in der Verteilung ein ordre-public-verstoß zu sehen ist, denn die Mutter wird anders als der Vater berücksichtigt und die Ehefrau des verstorbenen Sohnes bzw. Enkelsohnes wird anders als der Ehemann einer verstorbenen Tochter bzw. Enkeltochter berücksichtigt. Gem. Art. 6 EGBGB ist die Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist, insbesondere, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Hier könnte ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG vorliegen. Voraussetzung ist aber jedenfalls eine genügende Inlandsbeziehung (vgl. Palandt/Heldrich, 66. Aufl. 2007, Art. 6 EGBGB Rn. 6), wobei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hierfür nicht genügt. Hier befand sich weder der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers
5 Seite 5 in Deutschland noch besaß er die deutsche Staatsangehörigkeit. Vorliegend sind daher keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf einen besonderen Inhaltsbezug schließen lassen, das bloße Vorhandensein von Inlandsvermögen genügt nicht. Somit greift der ordre-public-vorbehalt hier wohl nicht ein.
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