Trinkwasseraufbereitung in der Getränkeindustrie Klarstellungen und Abgrenzungsfragen
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- Imke Dittmar
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1 Trinkwasseraufbereitung in der Getränkeindustrie Klarstellungen und Abgrenzungsfragen 1. Ausgangslage und Fragestellung Im Zuge der europarechtlich ausgelösten Diskussion um den Umgang mit der Aufbereitung von Wasser in Lebensmittelbetrieben bedürfen aktuell einige Fragen der sachgerechten Beantwortung. Dies gilt insbesondere in der Abgrenzung zwischen spezifischem Trinkwasserrecht einerseits und sonstigem Lebensmittelrecht andererseits. Zu berücksichtigen ist auch, dass die derzeit auf nationaler Ebene noch geltenden Vorgaben von 6a Zusatzstoffzulassungs-Verordnung (ZZulV) bzw. den in Anlage 6a Spalte 2 ZZulV aufgeführten Stoffen (in der Verwendung zu den dort in Spalte 3 genannten technologischen Zwecken) aufgrund Änderungen des EU-Rechts vermutlich bereits in absehbarer Zeit aufgehoben werden. Aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.v. (wafg) sollen nachfolgend einige wichtige Weichenstellungen für diesen Bereich dargelegt werden. Dabei ist im Ausgangspunkt insbesondere festzuhalten, dass es einer sorgfältigen und rechtlich basierten Abgrenzung zwischen der dem Trinkwasserrecht unterliegenden (dezentralen) Trinkwasseraufbereitung auch unmittelbar in Lebensmittelunternehmen und der (eigentlichen) Lebensmittelproduktion bedarf. Die mit dieser Abgrenzung notwendiger Weise verbundenen Trennlinien sind soweit ersichtlich im vorliegenden Schrifttum bzw. in der Rechtsprechung bislang nur ansatzweise herausgearbeitet worden. Nachfolgend soll daher eine kurze systematische Einordnung aus Sicht der wafg vorgenommen werden. Dabei ist einerseits eine Abgrenzung geboten, ob die Maßnahmen nach spezifischem Trinkwasser- bzw. sonstigem Lebensmittelrecht zu bewerten sind. Anderseits ist klar zu unterscheiden, ob sich mit Blick auf die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche der (öffentliche) Wasserversorger oder das Lebensmittelunternehmen selbst in der Verantwortung befindet.
2 2. Aktuelle Umsetzung der Trinkwasseraufbereitung Sachverhaltsskizze Fakt ist, das bereits heute wichtige Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie eine trinkwasserrechtliche Aufbereitung des später in der Lebensmittelproduktion eingesetzten Wassers vornehmen. Die Einhaltung der trinkwasserrechtlichen Vorgaben unterliegt in diesem Fall dem Verantwortungsbereich des Lebensmittelunternehmens. Dabei ist nicht maßgeblich, ob dieses Wasser aus der öffentlichen Versorgung (extern) oder über den eigenen Brunnen (intern) gewonnen wird. Dieser Sachverhalt wird in folgender Übersichtsskizze verdeutlicht: 2
3 Dies betrifft wie bereits angesprochen im Grundsatz sowohl Wasser aus der öffentlichen Versorgung wie auch aus eigenen Brunnen bezogenes Wasser. Dabei sind unternehmensbezogen verschiedene Fallgestaltungen vorstellbar. Es ist dabei auch nicht unüblich, dass beide Versorgungsquellen von den Unternehmen faktisch parallel bzw. alternativ genutzt werden. Aber auch eine ausschließliche Nutzung nur einer Versorgungsquelle also nur (Trink-)Wasser aus dem öffentlichen Versorgungsnetz bzw. Wasser aus dem eigenem Brunnen sind in der Praxis möglich. Dies soll anhand konkreter Anwendungsbeispiele exemplarisch verdeutlicht werden: Legende Trinkwasseraufbereitung Graue Markierung = Stelle der Übergabe Abgrenzung Verantwortungsbereich Trinkwasserunternehmen zu Lebensmittelunternehmen Rote Markierung = Stelle der Verwendung 3
4 Legende Trinkwasseraufbereitung Graue Markierung = Stelle der Übergabe Abgrenzung Verantwortungsbereich Trinkwasserunternehmen zu Lebensmittelunternehmen Rote Markierung = Stelle der Verwendung 4
5 3. Abgrenzung von Verantwortlichkeiten a) Erste Abgrenzung: Trinkwasserrecht und Lebensmittelrecht Gemäß 3 Satz 1 Buchstabe b der Trinkwasserverordnung unterliegt Trinkwasser bis zum Punkt der Verwendung den trinkwasserrechtlichen Vorgaben. Das Trinkwasserrecht findet in diesem Rahmen unmittelbare Anwendung im Lebensmittelunternehmen, so sind beispielsweise die Parameter des Trinkwasserrechts zur Beurteilung der Qualität des Trinkwassers bis zur Stelle der Verwendung einzuhalten. Die Stelle der Verwendung ist damit praktisch wie rechtlich der Übergangspunkt, ab dem (Trink-)Wasser den lebensmittelrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Hygienerecht unterliegt. Diese Abgrenzung zum Lebensmittelrecht ist betriebsspezifisch zu bestimmen. b) Zweite Abgrenzung: Verantwortungsbereich (öffentlicher) Wasserversorger und Lebensmittelunternehmer Eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche des Lebensmittelunternehmers zum Trinkwasserversorger ergibt sich aus der Stelle der Übergabe. Ab dieser Schnittstelle geht die Verantwortung vom öffentlichen Wasserversorger auf den Kunden (Lebensmittelunternehmen) über. Diese Abgrenzung ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Beschaffenheit des Trinkwassers zwischen der Stelle der Übergabe und der Stelle der Verwendung durch den Lebensmittelunternehmer selbst (trinkwasserrechtlich) noch weiter aufbereitet sind. Wie die vorstehenden Skizzen verdeutlichen, kann auch der Lebensmittelunternehmer eine solche Aufbereitung gemäß Trinkwasserrecht direkt vor Ort in seinem Unternehmen durchführen. 4. Rechtliche Grundlagen Anwendungsbereich der Trinkwasseraufbereitung und Abgrenzung zum (allgemeinen) Lebensmittelrecht Nach Art. 2 Satz 3 der Basis-Verordnung (EG) 178/2002 zählt Wasser unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen zu den Lebensmitteln und unterliegt dann den lebensmittelrechtlichen Vorgaben. Die entsprechende konkrete Vorgabe lautet unter Hervorhebung der maßgeblichen Textstellen durch den Verfasser wie folgt: Zu Lebensmitteln zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe einschließlich Wasser, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Wasser zählt hierzu unbeschadet der Anforderungen der Richtlinien 80/778/EWG und 98/83/EG ab der Stelle der Einhaltung im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie 98/83/EG. Dies deckt sich auch mit dem 6. Erwägungsgrund der Basis-Verordnung (EG) 178/2002, der hierzu noch weiterführend erläutert: 5
6 Wasser wird, wie andere Lebensmittel auch, unmittelbar oder mittelbar aufgenommen und trägt daher zur Gesamtexposition des Verbrauchers gegenüber aufgenommenen Stoffen einschließlich chemischer und mikrobiologischer Kontaminanten bei. Da jedoch die Kontrolle der Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch bereits im Rahmen der Richtlinien 80/778/EWG und 98/83/EG des Rates erfolgt, genügt es, Wasser ab der Stelle der Einhaltung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 98/83/EG zu berücksichtigen. Damit wird zugleich durch die lebensmittelrechtlichen Grundsatznormen explizit klargestellt: Bis zur so genannten Stelle der Einhaltung kann das (Trink-)Wasser somit noch nach den trinkwasserrechtlichen Vorgaben aufbereitet werden. Ab bzw. nach der Stelle der Einhaltung kommt dann eine Behandlung gemäß den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, d.h. insbesondere den zusatzstoffrechtlichen Vorgaben, in Frage. Eine solche Nachaufbereitung des Trinkwassers im Bereich der Lebensmittelproduktion bzw. bereits als Lebensmittel ist derzeit noch nach 6 a) ZZulV mit den in Anlage 6 a Spalte 2 ZZulV aufgeführten Zusatzstoffen zu den in Spalte 3 genannten technologischen Zwecken zugelassen. 5. Bestimmung der Stelle der Einhaltung Richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Trinkwasserverordnung Art. 6 der Richtlinie 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch bestimmt die sogenannte Stelle der Einhaltung. Bis zu dieser Stelle der Einhaltung ist das Trinkwasserrecht die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Aufbereitung von Wasser auch in dezentraler Weise in Lebensmittelbetrieben. Bis zu diesem Punkt sind, die nach Art. 5 der Richtlinie 98/83/EG vorgesehenen Parameterwerte für Trinkwasser einzuhalten. Die Vorgaben aus Art. 6 lauten Hervorhebungen durch den Verfasser - insgesamt wie folgt, wobei für die hier maßgebliche Frage allein lit. d) relevant wird: (1) Die nach Artikel 5 festgesetzten Parameterwerte sind einzuhalten: a) bei Wasser, das aus einem Verteilungsnetz stammt, am Austritt aus denjenigen Zapfstellen auf Grundstücken oder Gebäuden und Einrichtungen, die normalerweise der Entnahme von Wasser für den menschlichen Gebrauch dienen; b) bei Wasser aus Tankfahrzeugen an der Entnahmestelle am Tankfahrzeug; c) bei Wasser, das in Flaschen oder andere Behältnisse abgefüllt und zum Verkauf bestimmt ist, am Punkt der Abfüllung; d) bei in einem Lebensmittelbetrieb verwendetem Wasser an der Stelle der Verwendung des Wassers im Betrieb. 6
7 Nach Art. 6 Abs. 1 lit. d) der Trinkwasser-Richtlinie 98/83/EG ist somit die Stelle der Einhaltung bei einem in einem Lebensmittelbetrieb verwendeten Wasser die Stelle der Verwendung des Wassers im Betrieb. Nach dem Wortlaut, dem Zweck und der Systematik der Trinkwasser-Richtlinie ist dies die Stelle, an der das Wasser an der Schnittstelle in die Lebensmittelproduktion übergeleitet wird, um es dann als Lebensmittel bzw. als Lebensmittelzutat (oder aus bestimmten anderen Gründen) weiter zu verwenden. Die Stelle der Verwendung entspricht insofern nach geltender Rechtslage keinesfalls mehr zwingend der Stelle der Übergabe zwischen dem Wasserversorgungsunternehmen und dem Lebensmittelbetrieb. Die Stelle der Verwendung in einem Lebensmittelbetrieb und somit die Stelle der Einhaltung ist vielmehr betriebsspezifisch zu definieren (vgl. obenstehende Skizzen bzw. Schaubilder). Vor diesem Punkt unterliegt das Wasser (im Umkehrschluss) also noch nicht den lebensmittelrechtlichen Vorgaben bzw. hat noch keine Lebensmittelqualität im Sinne von Art. 2 der Basis-Verordnung (EG) 178/2002. Vielmehr kann es als Trinkwasser bis zu dieser Stelle nach Maßgabe der trinkwasserrechtlichen Vorgaben behandelt bzw. aufbereitet werden, auch durch das Lebensmittelunternehmen. Ganz konkret: Vor der Stelle der Einhaltung liegt insbesondere noch kein Lebensmittel vor, so dass das Wasser in diesem Rahmen noch trinkwasserrechtlich aufbereitet werden kann und nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Zusatzstoffregelung fällt (so ausdrücklich auch Zipfel/Rathke, Vorb. TrinkwasserV, Rdnr. 32). Nach diesem Punkt wird es im Übergang zur Produktion in einem Lebensmittelunternehmen grundsätzlich bereits Lebensmittel, so dass ein Zusatz von Stoffen den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorgaben unterliegt. Auch wenn der Wortlaut der deutschen Umsetzungsregelung in 8 TrinkwasserV auf den ersten Blick abweicht, so wird dort in der Sache unionsrechtskonform nichts anderes geregelt. So wird in 3 Nr. 1 lit. b der Trinkwasser-Verordnung zunächst klargestellt, dass alles Wasser, das in einem Lebensmittelbetrieb verwendet wird für die Herstellung, Behandlung, Konservierung oder zum Inverkehrbringen von Erzeugnissen oder Substanzen, sofern die zuständige Behörde auf Grund eines Ausnahmetatbestands nach 18 Absatz 1 Satz 3 nichts Gegenteiliges festlegt, im Sinne der nationalen Verordnung als Trinkwasser gilt. Damit wurde explizit eine bewusst gewollte Ausweitung der bisherigen Definition von Trinkwasser in 3 Nr. 1 lit. a der Trinkwasser- Verordnung 2001 auf das früher gesondert geregelte Wasser für Lebensmittelbetriebe vorgenommen (vgl. Amtliche Begründung, BR-Drs. 530/10, S. 51). Eine sachliche Abgrenzung zwischen Trinkwasser-Aufbereitung und anderen Anwendungen definiert sich insbesondere nach 2 Abs. 1 Nr. 4 der Trinkwasser- Verordnung (vgl. weiterführend Amtliche Begründung, BR-Drs. 530/10, S. 52 oben). 7
8 Ganz in dieser Zielrichtung führt die Amtliche Begründung zur Aufhebung von 8 Nummer 4 (alt) aus (BR-Drs. 530/10, S. 69): Da die Stelle der Verwendung des Wassers im Betrieb nicht näher bestimmt wurde, war die Abgrenzung zwischen Trinkwasserrecht und Lebensmittelrecht nicht klar. Eine klare Abgrenzung ist jedoch erforderlich, weil für bestimmte Zwecke in einem Lebensmittelbetrieb (z.b. Aufhärtung, Kühlung, Zusatz von Stoffen) besondere Verfahren und andere Veränderungen der Wasserqualität aus technologischen oder hygienischen Gründen erforderlich sind. Dem entgegen dürfen für die Aufbereitung von Trinkwasser nur die in der Liste nach 11 TrinkwV 2001 aufgeführten Stoffe und Desinfektionsverfahren zum Einsatz kommen. Die Stelle der Einhaltung bestimmt sich daher nunmehr auch in Bezug auf Trinkwasser, das in einem Lebensmittelbetrieb verwendet wird, nach den Nummern 1 bis 4. (Anmerkung: neue Nummerierung) Bei einer systematischen Betrachtung greifen daher die Vorgaben aus der Basis- Verordnung (EG) 178/2002 und der Trinkwasser-Richtlinie 98/83/EG mit ihrer nationalen Umsetzung durch die Trinkwasser-Verordnung bildlich gesprochen Hand in Hand ineinander. Eine Aufbereitung als Trinkwasser ist somit bei allgemeiner Einhaltung der trinkwasserrechtlichen Vorgaben auch in einem Lebensmittelunternehmen wie in vielen Fällen praktiziert nach Maßgabe der in 11 Trinkwasser-Verordnung in Bezug genommenen Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahrens des Umweltbundesamtes (UBA-Liste) möglich und unterliegt dann dem Verantwortungsbereich des Lebensmittelunternehmens. 6. Zusammenfassung und Ergebnis Eine Aufbereitung bis zur Stelle der Verwendung des (Trink-)Wassers im Lebensmittelbetrieb (z.b. zur Mischung mit anderen Zutaten) unterliegt den Vorgaben aus 11 Trinkwasser-Verordnung. Bis zu dieser Stelle ist das Wasser als Trinkwasser anzusehen, nicht jedoch als Lebensmittel (siehe Art. 2 Satz 3 Basis-Verordnung [EG] Nr. 178/2002). Die trinkwasserrechtlichen Vorgaben sichern ihrerseits einen umfassenden gesundheitlichen Verbraucherschutz. Eine formelle Aufhebung des 6a Zusatzstoffzulassungs-Verordnung (ZZulV) mit der korrespondierenden Anlage 6a hat insofern keine Auswirkungen auf Unternehmen, die ihre Wasseraufbereitung nach trinkwasserrechtlichen Grundsätzen vornehmen. Berlin, im März 2016 Nähere Informationen zur wafg: 8
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