2. Stundenreflexion Gerhard Thonhauser
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- Karsten Brodbeck
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1 In der PS-Einheit vom behandelten wird die ersten vier Paragraphen des letzten Kapitels des uns überlieferten Fragments von Sein und Zeit. Vielleicht ist es hilfreich sich einleitend die systematische Stellung dieses Kapitels innerhalb des Gesamtkomplexes von Sein und Zeit vor Augen zu führen. Die Aufweisung und Explikation der Zeitlichkeit des Daseins wurde bereits in den vorangegangenen Kapiteln des zweiten Abschnitts des ersten Teiles von Sein und Zeit geleistet, insbesondere in der Behandlung des Seins zum Tode im ersten Kapitel und in im Aufzeigen der Zeitlichkeit als der ontologischen Sinn der Sorge im dritten Kapitel. Nunmehr geht es in diesem sechsten und letzten Kapitel des zweiten Abschnitts darum die Möglichkeit und Herkunft der überkommenen Zeitauffassung und des alltäglichen Umgangs mit Zeit freizulegen. So lautet auch die Überschrift dieses Kapitels: Zeitlichkeit und Innerzeitigkeit als Ursprung des vulgären Zeitbegriffs. Mit der Ausarbeitung dieses Ursprungs wird dem vulgären Zeitbegriff sein eigenständiges Recht zurückgegeben. (S&Z 18) Ausgehen muss diese Analyse von dem Faktum, daß das Dasein schon vor aller thematischen Forschung mit der Zeit rechnet und sich nach ihr richtet. (S&Z 404) Zwei zentrale Stoßrichtungen lassen in diesem Kapitel hervorheben. Erstens richten sich die Ausführungen auf den alltäglichen Umgang mit Zeit, wobei die Zeitlichkeit des Daseins als die Bedingung der Möglichkeit des alltäglichen Besorgens von Zeit aufgewiesen werden soll. Zweitens zielen die Ausführungen auf die tradierte Zeitauffassung in der Geschichte der Philosophie, dessen Ursprünglichkeit und Angemessenheit hinterfragt werden soll. Diese zwei Stoßrichtungen vollziehen sich in drei Argumentationsstränge, die im Text jedoch nicht in dieser Form getrennt angeführt, sondern ineinander verwoben entwickelt werden. Einerseits wird mit dem alltäglichen (lebensweltlichen) Zeitumgang gegen die Zeitauffassung der philosophischen Tradition argumentiert. Die Zeit ist nicht, wie in den theoretischen Behandlungen der Philosophen, eine Abfolge von abstrakten, nivellierten Jetzt-Punkten, sondern gerade im alltäglichen Umgang wird sich die mehrfache Strukturiertheit der Zeit aufweisen lassen. Des Weiteren soll dieser alltägliche Umgang mit Zeit in die ekstatische Zeitlichkeit des Daseins rückgebunden werden. Das Besorgen von Zeit gründet in der Sorgestruktur des Daseins, als deren ontologischer Sinn die Zeitlichkeit aufgewiesen wurde. Und in einem dritten Schritt wird es darum gehen, die Herkunft der tradierten Zeitauffassung aus dem alltäglichen Umgang mit Zeit aufzuweisen, also die Genesis des vulgären Zeitbegriffs und dessen Notwendigkeit zu begründen. 1
2 Neben diesen drei Argumentationssträngen, die anschließend noch detaillierter behandelt werden, finden sich in den zu besprechenden Kapiteln von Sein und Zeit noch weitere Themenstellungen, die in dieser Stundenreflexion keine systematische Einordnung erfahren, aber zumindest kurz erwähnt werden sollen. Auf Seite 410 wird ein etwas eigenwilliger, aber sehr tief in Sein und Zeit verwurzelter Diskurs über eigentlichen und uneigentlichen Umgang mit Zeit begonnen. Die Eigentlichkeit zeigt sich, laut diesen Ausführungen, in einem Zeit haben, während die Uneigentlichkeit durch ein keine Zeit haben charakterisiert ist: So wie der uneigentlich Existierende ständig Zeit verliert und nie solche hat, so bleibt es die Auszeichnung der Zeitlichkeit eigentlicher Existenz, daß sie in der Entschlossenheit nie Zeit verliert und immer Zeit hat (S&Z 410) In einem näher zu beleuchtendem Zusammenhang mit diesen Ausführungen ist die Feststellung ca. eine Seite später zu lesen, dass die Ausbildung der kalendarischen Zeitrechnung sich aus dem Verfallen erklären ließe. Diese Stelle sei in ihrer vollen Länge zitiert: Sie [Die astronomische und kalendarische Zeitrechnung; G.T.] kommt nicht zufällig vor, sondern hat ihre existenzial-ontologische Notwendigkeit in der Grundverfassung des Daseins als Sorge. Weil das Dasein wesensmäßig als geworfenes verfallend existiert, legt es seine Zeit in der Weise einer Zeitrechnung besorgend aus. In ihr zeitigt sich die eigentliche Veröffentlichung der Zeit, so daß gesagt werden muß: die Geworfenheit des Daseins ist der Grund dafür, daß es öffentliche Zeit gibt. (S&Z 411f.) Die genannte Herkunft der kalendarischen Zeitrechnung aus dem geworfen, verfallenden Dasein muss sowohl hinsichtlich der Geworfenheit als auch hinsichtlich des Verfallens hinterfragt werden. Mit Hinblick auf die zuvor noch einmal auch in diesem Kapitel wiederholte Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit lassen sich folgende Anfragen formulieren: Wenn sich die Zeitrechnung aus dem Verfallen herleitet, besteht dann die Zeitrechnung nur in Zusammenhang mit einer uneigentlichen Existenz? Umgekehrt gefragt: Wäre die Zeitlichkeit einer eigentlichen Existenz nicht darauf angewiesen mit der Zeit zu rechnen? Und wenn dem so wäre: wie steht es dann um die Möglichkeit einer solchen eigentlichen Existenzweise und wie wäre deren lebensweltliche Rückbindung? Im Hintergrund dieser Fragestellungen liegt Heideggers zunehmende Gleichsetzung von Alltäglichkeit und Uneigentlichkeit und seine Reduktion des Mitseins auf das Man im Verlauf des zweiten Abschnitts von Sein und Zeit. Hier wäre kritisch anzumerken, dass Heidegger die Notwendigkeit der kalendarischen Zeitrechnung und damit auch die Berechtigung des vulgären Zeitbegriffes grundsätzlicher aus der Zeitlichkeit des Daseins und dessen Umgang mit Besorgtem und dessen Mitsein mit Anderen herleiten müsste und sich nicht nur auf deren verfallende Modi beziehen dürfte. In engem Zusammenhang damit kann auch eingewendet 2
3 werden, dass diese Herleitung sich auch nicht nur auf die Geworfenheit beziehen dürfte, sondern der vollen Strukturganzheit der Sorge und insbesondere ihrem Entwurfscharakter Rechnung tragen müsste. Dieser Einwand soll keineswegs behauptet, dass die Geworfenheit keine Bedeutung für die Ausbildung der kalendarischen Zeitrechnung hätte, sondern lediglich darauf hinweisen, dass ohne die Berücksichtigung der vollen Strukturganzheit der Sorge und insbesondere ihres Entwurfscharakters weder der besorgende Umgang mit Zuhandenem noch der Umgang mit bzw. das Rechnen mit Zeit erklärt werden könnte. Vielleicht hat Heidegger aber gerade durch die begrenzte Inblicknahme den Einfluss faktischen Gebundenheit an die Natur durch die Geworfenheit besonders schön herausgearbeitet: Mit der faktischen Erschlossenheit seiner Welt ist für das Dasein die Natur entdeckt. In seiner Geworfenheit ist es dem Wechsel von Tag und Nacht ausgeliefert. (S&Z 412) Heidegger denkt in diesem Zusammenhang ganz banal an das von der Sonne gespendete Licht, dass Voraussetzung für jedes umsichtige Besorgen von Zeug ist. Das alltägliche umsichtige In-der-Welt-sein bedarf der Sichtmöglichkeit, das heißt der Helle. (S&Z 412) Diese Notwendigkeit bindet uns zurück an den Verlauf der Sonne und den Wechsel von Tag und Nacht. Gegen diese Ausführungen könnte der Einwand gemacht werden, dass dies vielleicht für frühere Generationen gegolten habe, aber doch nicht mehr für unsere heutige Zivilisation gelte. Dieser Einwand greift aber insofern zu kurz, als auch Heidegger selbst explizit festhält, dass diese Analyse beim primitiven Dasein ansetzt und nicht gleich offensichtlich ist, ob dies auch für das fortschrittliche gelte, das den Vorzug hat, auch die Nacht zum Tag machen zu können. (S&Z 415) Doch letztlich denke ich, dass sich kein grundsätzlicher Unterschied zwischen früheren Generationen und der heutigen in Heidegger politisch nicht ganz korrekten Terminologie primitiven und fortschrittlichen hinsichtlich der Gebundenheit an den natürlichen Wechsel von Tag und Nacht finden lässt, der die Konstatierung einer grundlegend anderen Situation rechtfertigen würde. Heidegger ist also Recht zu geben, wenn er meint, dass auch die fortschrittlichste Zeitrechnung auf die natürliche Uhr reguliert sein muß. (S&Z 415) Und vielleicht ist sie es mit der Ausspezifizierung der mathematisch-technischen Möglichkeiten auf immer exaktere Weise: Wie wäre die Einführung von Schaltjahren und sogar Schaltsekunden sonst erklärbar? Zwei weitere Themenstellungen sollen nur kurz erwähnt werden, ohne dass sie im Zuge dieser Stundenreflexion weitere Behandlung finden. Erstens ist dies der Zusammenhang von Zeitlichkeit und Räumlichkeit (vgl. S&Z 417f.), der ein überaus interessantes Thema für eine eigenständige Bearbeitung wäre. Hier geht es Heidegger einer groben Lektüre nach um zwei 3
4 Momente. Einerseits ist Raum nur in der ekstatisch- zeitlichen Erschlossenheit des Daseins gegeben. Andererseits wird Zeit an Räumlichen gemessen, wobei Heidegger diese zweite Feststellung nicht unwidersprochen stehen lassen würde. Zweites Randthema ist der Zusammenhang von vulgärem Zeitbegriff und der spezifischen Bezugnahme des Man auf den Tod als Flucht vor dem Tode. (vgl. S&Z 424) Nach diesen Ausschweifungen im Dienste einer ohnehin nie zu erreichenden Vollständigkeit, komme ich zurück auf die drei zu Beginn genannten, zentralen Argumentationsstränge dieses Kapitels von Sein und Zeit. Die ersten beiden können wegen ihrer engen Verflechtung nur gemeinsam behandelt werden. Es geht in diesen um das Aufweisen der Fundierung des Besorgens von Zeit in der Zeitlichkeit des Daseins und die Ausarbeitung der Strukturmomente der besorgten Zeit in Abgrenzung von einer tradierten Zeitauffassung als Abfolge von nivellierten Jetzt-Punkten. Im Zuge dieser Analyse werden vier Strukturmomente der besorgten Zeit aufgewiesen; es sind dies Datierbarkeit, Gespanntheit, Öffentlichkeit und Bedeutsamkeit. Mit Datierbarkeit ist gemeint, dass jeder Zeitpunkt auf das bezogen ist, was in ihm passiert. Jedes Jetzt trägt in sich ein jetzt, da..., in gleicher Weise ist jedes damals ein damals, als... und jedes dann ein dann, wann... Diese Form der Datierung, die in jedem dann, jetzt und damals enthalten ist, ist keineswegs auf ein kalendarisches Datum angewiesen. Die Notwendigkeit eines solchen und einer standardisierten Zeitrechnung überhaupt ergibt sich vielmehr erst aus der Öffentlichkeit der Zeit. Die Öffentlichkeit der Zeit verweist darauf, dass sich das Dasein immer schon aus einer geteilten Welt versteht und somit auch die Zeit nicht als die seine betrachtet, sondern ebenso aus der gemeinsamen Zeitrechnung mit anderen versteht. Auf diese öffentliche Datierung, in der jedermann sich seine Zeit angibt, kann jedermann zugleich rechnen, sie gebraucht ein öffentlich verfügbares Maß. Diese Datierung rechnet mit der Zeit im Sinne einer Zeitmessung, die sonach eines Zeitmessers, das heißt einer Uhr bedarf. (S&Z 413) Heidegger versucht auf diese Weise die Herkunft des Uhrengebrauchs aus der öffentlichen, datierten und besorgten Zeit und letztlich aus der Zeitlichkeit des Daseins aufzeigen. Dass die Zeit keine Abfolge von isolierten, abstrakten Jetzt-Punkten ist zeigt sich besonders eindringlich in dem Strukturmoment der Gespanntheit. Jedes jetzt, dann, damals hat mit der Struktur der Datierbarkeit je eine Gespanntheit von wechselnder Spannweite: jetzt : in der Pause, beim Essen, am Abend, in Sommer; dann : beim Frühstück, beim Aufstieg und dergleichen. (S&Z 409) 4
5 Für die Ausarbeitung des letzten Strukturmoments der besorgten Zeit muss auf die Struktur des Besorgens erinnert werden, die Heidegger als Bedeutsamkeit vorgestellt hatte. In jedem Besorgen liegt ein Um-zu, das auf weitere Um-zu führt und letztlich in einem Worumwillen des Daseins begründet ist. Auch für die besorgte Zeit muss sich diese Struktur des Besorgens als Um-zu aufweisen lassen und die Zeit den Charakter der Zeit zu... und Unzeit für... [haben]. [...] Die veröffentlichte Zeit offenbart mit diesem Um-zu-Bezug die Struktur, als welche wir früher die Bedeutsamkeit kennenlernten. Sie konstituiert die Weltlichkeit der Welt. Die veröffentlichte Zeit hat als Zeit zu... wesenhaft Weltcharakter. Daher nennen wir die in der Zeitigung der Zeitlichkeit sich veröffentlichende Zeit die Weltzeit. (S&Z 414) Die Bezeichnung als Weltzeit ergibt sich dabei streng terminologisch aus der Zugehörigkeit dieser Zeit zur Welt im phänomenologischen Sinne. Über die so verstandene Weltzeit schreibt Heidegger, sie ist objektiver als jedes mögliche Objekt [...] aber auch subjektiver als jedes mögliche Subjekt. (S&Z 419) Sie ist objektiver als jedes Objekt, weil sie die Bedingung der Möglichkeit dafür ist, dass innerweltlich Seiendes in der Erschlossenheit je schon als Innerzeitiges objektiviert werden kann. Und sie ist subjektiver als jedes Subjekt, weil es das in seiner Zeitlichkeit verstandene Sein des Daseins als Sorge allererst ermöglicht. Diese Passage in einer für Heidegger sehr unüblichen transzendentalphilosophischen Terminologie ist als ein Spielen mit dieser spezifischen Begrifflichkeiten (insbesondere in der damals vorherrschenden neukantianischen Interpretation) und ein über sich hinaus treiben dieser Begrifflichkeiten zu lesen. Jedenfalls ist Heidegger nunmehr in der Lage die besorgte Zeit struktural vollständig [zu] charakterisieren: sie ist datierbar, gespannt, öffentlich und gehört als so strukturierte zur Welt selbst. (S&Z 414) Betrachten wir noch einmal die Aufgabe, die im besprochenen Kapitel von Sein und Zeit geleistet werden soll, in ihrer Gesamtheit. Heidegger selbst formuliert sie bereits in der Einleitung: Im Ganzen dieser Aufgabe liegt zugleich die Forderung, den so gewonnenen Begriff der Zeit gegen das vulgäre Zeitverständnis abzugrenzen, das explizit geworden ist in einer Zeitauslegung, wie sie sich im traditionellen Zeitbegriff niedergeschlagen hat, der sich seit Aristoteles bis über Bergson hinaus durchhält. Dabei ist deutlich zu machen, daß und wie dieser Zeitbegriff und das vulgäre Zeitverständnis überhaupt aus der Zeitlichkeit entspringen. (S&Z 17f.) Der erste Teil dieser Aufgabe, die Abgrenzung der des von Heidegger gewonnenen Begriffs von Zeit vom vulgären Zeitverständnis wurde mit der Ausarbeitung der Strukturmomente der besorgtem Zeit und dem Aufzeigen deren Herkunft aus der Zeitlichkeit des Daseins bereits geleistet. Nunmehr geht es darum die Herkunft des vulgären Zeitverständnisses aus der 5
6 Zeitlichkeit aufzuweisen, um dem vulgären Zeitbegriff sein eigenständiges Recht zurück[zu]geben. (S&Z 18) Das entsprechende Argument Heideggers scheint mir wie folgt zu verlaufen: Wir haben bereits gesehen, dass die Weltzeit, als Gezähltes der Zeitmessung, im Umgang mit innerweltlich Vorhandenen und Zuhandenem als Bedingung der Möglichkeit ihrer Innerzeitigkeit miterschlossen wird. Wie Heidegger an zahlreichen Stellen in Sein und Zeit betont, ist das Dasein verfallend zunächst und zumeist an das Besorgte verloren (S&Z 424) und versteht daher auch sich selbst aus dem so begegnenden innerweltlichen Seienden und im Horizont dieses Seinsverständnisses als ein Vorhandenes. In ähnlicher Weise wird nun auch die Zeit aus diesem am innerweltlichen Seienden orientierten Verständnis her gesehen und also als auch irgendwie vorhandene (ein Seiendes/ Vorhandenes seiende) Abfolge von Jetzt- Punkten interpretiert. (vgl. S&Z 422f.) In den Ausführungen dieses Kapitel (wahrscheinlich nicht nur hier, aber hier vielleicht stärker bemerkbar als anderswo) schwingt latent als Unruhefaktor der ständige Bezug auf die viel weitreichendere Konzeption von Sein und Zeit mit, als sie das uns überlieferte Fragment des Werkes einzulösen im Stande ist. Es muss immer im Hinterkopf behalten werden, dass bei der Hervorhebung der Zeitlichkeit als Sinn des Seins des Daseins nicht stehen geblieben werden kann, weil sie nur ein Weg (unter anderen?) für der Ausarbeitung der Frage nach dem Sinn von Sein ist. So schreibt auch Heidegger im allerletzten Paragraphen von Sein und Zeit: Die Herausstellung der Seinsverfassung des Daseins bleibt aber gleichwohl nur ein Weg. Das Ziel ist die Ausarbeitung der Seinsfrage überhaupt. (S&Z 436) Die für mehr als das überlieferte Fragment verfasste Einleitung legt so auch als Programm im Voraus fest, dass die Fragestellung dahingehend vorangetrieben werden müsse, das Sein selbst [...] in seinem zeitlichen Charakter sichtbar zu machen. (S&Z 18) Die fundamental ontologische Aufgabe der Interpretation von Sein als solchem begreift daher in sich die Herausarbeitung der Temporalität des Seins. (S&Z 19) Diese Herausarbeitung wird dahin gehen müssen zu zeigen, wie im rechtgesehenen und rechtexplizierten Phänomen der Zeit die zentrale Problematik aller Ontologie verwurzelt ist. (S&Z 18) Die Stoßrichtung dieser Aufgabenstellung lässt Heidegger in seinem Vorblick auf die Aufgabe einer Destruktion der Geschichte der Ontologie, der in 6 geliefert wird, erahnen. Dort sagt er in einem weitreichenden Vorgriff, dass die griechische Ontologie ihr Verständnis des Seins aus der Zeit gewinnt. Das äußere Dokument dafür aber freilich nur das ist die Bestimmung des Sinnes von Sein als parousi(a und ousi(a, was ontologisch-temporal Anwesenheit bedeutet. Seiendes ist in seinem Sein als Anwesenheit gefaßt, d.h. es ist mit Rücksicht auf einen bestimmten Zeitmodus, die Gegenwart verstanden. (S&Z 25) 6
7 Doch gerade die Ausarbeitung dieses Zusammenhangs von Sein und Zeit Zeit und Sein, dessen weitreichende Konsequenzen hier nicht annähernd angedeutet werden können, wird eine der zentralen Probleme sein, an denen das gesamte Projekt von Sein und Zeit letztlich scheitern und das Werk als abgebrochenes Fragment bestehen bleiben wird. So verweisen auch die letzten Sätze des uns vorliegenden Buches als Zusammenfassung und Ausblick auf eine weit offeneren, unbestimmteren und ungewisseren Fragenhorizont, als es die Einleitung und weite Teile des Werkes vermuten ließen: Die existenzial-ontologische Verfassung der Daseinsganzheit gründet in der Zeitlichkeit. Demnach muß eine ursprüngliche Zeitigungsweise der ekstatischen Zeitlichkeit selbst den ekstatischen Entwurf von Sein überhaupt ermöglichen. Wie ist dieser Zeitigungsmodus der Zeitlichkeit zu interpretieren? Führt ein Weg von der ursprünglichen Zeit zum Sinn des Seins? Offenbart sich die Zeit selbst als Horizont des Seins? (S&Z 437) 7
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