IBF-Essay Nr. 6 Einführung 3D-CAD/PDM: Die 5 teuersten Fehler
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- Theresa Walter
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1 IBF-Essay Nr. 6 Einführung 3D-CAD/PDM: Die 5 teuersten Fehler Ingenieurberatung Dr.-Ing. D. Franz Bernsteinstr. 120 D Stuttgart Telefon (0711) Telefax (0711) d.franz@ibfstuttgart.de Internet
2 CAD-Systemwechsel die 5 teuersten Fehler Situation Schon viele Unternehmen haben ihn gewagt, den Sprung auf ein neues CAD-System. Der Rest zögert noch. Dafür gibt es gute Gründe: die Komplikationen, die Kosten, die Zeit und der ungewisse Nutzen. Fast überall wurden die Fehler wiederholt, die bei der CAD-Einführung vom Brett auf 2D in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts unterliefen. In diesem Essay werden die fünf teuersten Fehler er dargestellt, verbunden mit Tipps zur Vermeidung. CAD-Systemwechsel: alles bedacht? 1. CAD-Wechsel heißt auch PDM-Einführung Der Umstieg von 2D-CAD auf 3D-CAD ist verbunden mit der Einführung von PDM. Ohne lang und breit die Notwendigkeit dafür zu erörtern: der Verzicht auf eine PDM-Lösung führt geradewegs ins Chaos. Viele Unternehmen ergreifen die organisatorischen Chancen nicht, die sich aus der Ein- führung von PDM bieten. Nur ein paar Folgen: keine Freigabedisziplin (welche Version gilt?) trotz PDM-Einsatz, kein geordneter Prozeß für Technische Änderungen, Keine Unterscheidung in auftragsneutrale und -spezifische Daten, Standardisierung wird unterlaufen. Damit hört es nicht auf. Nur noch ein Detail: die Wiederholteile werden über (kostenpflichtige) Zusatztools verwaltet, die ein problematisches Verständnis von Datenorganisation offenbaren. So werden z.b. Schrauben mit gleicher Geometrie, aber aus unterschiedlichen Werkstoffen nicht als verschieden erkannt.
3 IBF-Tipp: Wer 3D-CAD einführen will, sollte zuvor PDM einführen. Dabei die Kernprozesse (z.b. Freigabe, Änderungen) und die Nummern besonders im Auge behalten. Das Arbeiten mit 3D-CAD ist anders als CAD-2D - redundanzfrei. Wer ein 3D-Teil in einer Baugruppe ändert, hat damit das Teil in allen anderen Standard-Baugruppen geändert. Die Arbeitstechnik muss sich also ändern. Daher: Phase 1: Einführung PDM; das alte CAD-System läuft unter PDM weiter. Phase 2: Wechsel der CAD-Anwendung. Ohne Konzept können hier nutzlos Hunderttausende bis Millionen verbrannt werden. 2. Umgang mit dem CAD-Bestand Der Zeichnungsbestand eines Maschinen- und Anlagenbauers repräsentiert sein Know- How. Nach Jahren CAD-Anwendung haben sich pro CAD-Station etwa CAD- Zeichnungen angesammelt. Das sind bei 20 Plätzen rund Stück. Die spannende Frage ist nun: was geschieht bei einem Wechsel von 2D auf 3D mit dem CAD-Zeichnungsbestand? Aus Prozesssicht steht folgendes Problem im Vordergrund: Es existiert eine freigegebene Zeichnung im Altsystem. Gleichzeitig gibt es dasselbe Teil im neuen 3D-System. Was geschieht bei Änderungen? Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass eine automatische Überführung von 2D nach 3D nicht funktioniert. Selbst zwischen zwei 3D-Systemen gelingt die Konvertierung nur eingeschränkt. Ein häufiges Killer-Argument gegen 3D-Einführungen: wir müssten alle Teile und Baugruppen als 3D-Modelle aufbauen. Das ist, gelinde gesagt, Unsinn. Häufige Lösung: Modellieren nach Bedarf. Das kostet Kapazität (Geld) und Zeit (Termine). Bei 20 Mitarbeitern sind gut 3-4 allein gebunden durch das Nachmodellieren. Diese Kapazität wird der Konstruktion entzogen. IBF-Tipp: Eine intelligente Strategie entwerfen, über welche die benötigten 3D-Modelle erstellt werden. Etwa: beim Vertrieb die anstehenden Aufträge in Erfahrung bringen. Oder: die am häufigsten benötigten Baugruppen herausfinden. Externe Modellierung nutzen (Budgetieren!). Um die gleichzeitige Existenz derselben Teile im Alt- und im Neusystem zu regeln, hat IBF den Begriff Koexistenz-Management geprägt. Das heißt: Die Zeichnung des Altsystems gilt, bis eine Änderung ansteht, Durchführung der Änderung im Neusystem, Zeichnung ableiten, freigeben, Zeichnung Altsystem wird ungültig. Das Koexistenz-Management kann über PDM abgebildet werden (Zusatzprogrammierung). Es kann auch durch einfache, organisatorische Maßnahmen gesichert werden. Effekt des - 3 -
4 Koexistenz-Managements: bei jeder Änderung wächst der Anteil der Modelle des Neusystems zu Lasten des Altsystems. 3. Einsatz des Altsystems bis zum St.-Nimmerleins-Tag Anders als beim Koexistenz-Management, wird in manchen Unternehmen das CAD- Altsystem sozusagen totgepflegt. Das geschieht nach dem Muster Pflege und Weiterentwicklung des 2D-Bestandes über das Altsystem, Bearbeitung des 3D-Bestandes über das Neusystem. Auf diese Weise soll der 2D-Bestand quasi über die Zeit hinweg "austrocknen". Interessant ist nur: über welche Zeit? In diesem Zeitraum nämlich müssen Zwei Systeme administriert werden, Die Anwendung von 2 Systemen beherrscht werden, Teile und Baugruppen doppelt gepflegt werden. Und noch einmal gefragt: über welchen Zeitraum? Hierzu meistens Schulterzucken. Zwei Hinweise dazu, die ein Umdenken bewirken sollen: - Es kommt selten vor, daß eine neue Maschine kein Teil der Vorgängerin enthält. - Deutsche Maschinenbauprodukte zeichnen sich u.a. durch ihre lange Lebensdauer aus. IBF-Tipp: Koexistenz-Management implementieren, Ausbreitungstempo Neusystem messen. Bei Erreichen des Grenzwert-Bestandes oder des Ultimo-Datums Altsystem- Bestand überführen in neutrales Format (TIFF oder PDF oder STEP). Gültige Zeichnungen behalten Gültigkeit. Bei Änderungen: siehe Koexistenz-Management. 4. Produktivitätslücke durch Trainings-Abstinenz Die Anwendung der neuen 3D-Systeme kann in einer Woche erlernt werden. Das können wir bestätigen. Aber auch hier wird derselbe Fehler wie vor 25 Jahren gemacht. Die Basis- Schulung von der Stange des Anbieters muß reichen. Tut sie aber nicht. Das sagt auch der Anbieter. Hört aber niemand. Eine Vor-Ort-Unterstützung über 3-4 Wochen durch einen erfahrenen CAD-Instruktor ist aus unserer Sicht unerläßlich, um die Konstrukteure beim Erlernen der neuen 3D- Arbeitsweise "on the Job" zu unterstützen. Natürlich sollte die Intensität über den genannten Zeitraum abnehmen. Der Verzicht auf dieses Training hat einen hohen Preis. fast ein halbes Jahr Kapazitätsminderung im Konstruktionsbereich statt einige Wochen. IBF-Tipp: Budgetieren Sie pro CAD-Arbeitsplatz mindestens einen Manntag Vor-Ort- Coaching (also ca. 20 Manntage bei 20 Arbeitsplätzen)
5 5. Keine klaren wirtschaftlichen Erwartungen Viele Unternehmen verbinden unrealistisch hohe Erwartungen mit der 3D-Einführung. Das Erkennen der Realität ist umso schmerzhafter. Die Investition in die neue CAD-Anwendung sollte - wie die meisten Investitionen - begleitet sein von einer wirtschaftlichen Erwartung. Die liegt nur selten in der "durchgängigen Prozeßkette" wie etwa bei Schmiede-, Guß-, Spritzgußteilen. Hier lassen sich Produktivitätssteigerungen und Durchlaufzeitverkürzungen im hohen zweistelligen Prozentbereich realisieren. Allerdings: die Fertigungstiefe im typischen deutschen Maschinenbau geht selten über spangebende Bearbeitung hinaus. Der Nutzen der 3D-Systeme entsteht für den Maschinenbau vorrangig und nach wie vor im Bereich der Auftragskonstruktion. Auch Berechnung und Technische Dokumentation profitieren. Die Unterstützung in der Anfangsphase der Entwicklung wird erst neuerdings durch 3D-Plotten verstärkt. Der Nutzen aus 3D-CAD bemisst sich nicht in Faktoren, sondern im zweistelligen Prozentbereich (20-30%; gemessen). Und das auch nur, wenn die Anwendung optimal vorbereitet wurde. Der Produktivitätszuwachs kommt aus handfesten Vorteilen wie z.b. Parametrie (schnellere Modifikationen), Constraints (Geometrie-Beziehungen bleiben nach Änderung erhalten), Eine Änderung wirkt automatisch auf alle Ansichten der Zeichnung, Semantik (die Zylinderfläche weiß, dass sie eine Bohrung darstellt), Kontext-sensitiver Dialog (weniger Interaktionen), Kollisionsprüfung (Vermeiden Montage-, Funktionsfehler), Leichte Verständlichkeit (kurze Einlerndauer), Unterstützung Blechteile (automatische Abwicklung), Was ist Leistung im Konstruktionsbereich? Ein Denkansatz: könnte es sein, daß die Anzahl freigegebener Zeichnungen in der Auftragskonstruktion korreliert mit der Produktivität? Wir lassen die Frage offen. IBF-Tipp: Schätzen Sie in Kenntnis Ihrer Abläufe und Ihres Produktspektrums nüchtern ein, wo Ihnen das neue CAD-System wieviel bringt. Die Amortisationsdauer liegt i.d.r. über 2 Jahre. Bei Ersatzinvestitionen sind solche Rechnungen allerdings selten erforderlich. Übernehmen Sie keine Werte aus anderen Unternehmen - selbst bei gleicher Branche. Das geht nur dann, wenn gleiche Produktstrukturen, gleiche Ist-Effizienz bei CAD, gleiche Abläufe und gleiche Ordnungssysteme vorliegen also nicht! Fazit Der Umstieg auf ein neues 3D-CAD-System mit PDM ist in vielerlei Hinsicht komplexer als die Ablösung der manuellen Konstruktion durch 2D. Nur wer die Probleme kennt, kann sie adressieren. Alles andere ist Leichtsinn - nicht Mut. FRZ. 3/2009, 11/2011, 03/14-5 -
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