C. Füllkrug-Weitzel: Wir begrüßen Sie herzlich zur Bilanz Pressekonferenz der Diakonie Katastrophenhilfe. Vielen Dank für Ihr Interesse.
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- Mona Winter
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1 Redemanuskript Cornelia Füllkrug-Weitzel / Martin Keßler Bilanz-Pressekonferenz 23. Juli 2015, Stuttgart Es gilt das gesprochene Wort Wir begrüßen Sie herzlich zur Bilanz Pressekonferenz der Diakonie Katastrophenhilfe. Vielen Dank für Ihr Interesse. Wenn wir auf das Jahr 2014 zurückblicken, dann ist dieses geprägt von vielen parallelen Katastrophen, die uns und unsere Partnerorganisationen im besonderen Maße herausgefordert haben. Viele von ihnen sind schon längst wieder aus den Schlagzeilen verschwunden: Die Ebola- Krise in Westafrika, die mehr als Menschenleben forderte und auf die die internationale Gemeinschaft wochenlang keine Antwort wusste. Die Diakone Katastrophenhilfe hat in Liberia und Sierra Leone durch lokale kirchliche Netzwerke den Weg zu den Menschen gefunden. Wir haben die Mitarbeiter von Basisgesundheitsdiensten - die für die ländlichen Regionen Afrikas typisch sind - in Prävention und Behandlung geschult und mit Material unterstützt. Mit der Tropenmedizinerin Dr. Gisela Schneider aus Tübingen und internationalen Fachkräften ist die Diakonie Katastrophenhilfe bis heute in Liberia und Sierra Leone vertreten, um die Partner und Betroffenen zu begleiten. Im Moment bekommen wir von da relativ gute Nachrichten. Anders in der Ukraine. Der bis heute andauernde Konflikt in der Ukraine, vor dem alleine 1,2 Millionen Menschen innerhalb des Landes und nach Russland geflohen sind. Die Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt mit ukrainischen Partnerorganisationen die Familien, die innerhalb des Landes geflohen sind mit Hilfsgütern und Beratung. Aber wir arbeiten auch mit Hochdruck daran, die Menschen in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu erreichen. Sie leben unter schwierigsten Bedingungen, teils ohne Strom und Wasser und immer der Gefahr neuer Gefechte ausgesetzt. Die Diakonie Katastrophenhilfe setzt sich mit anderen internationalen Organisationen dafür ein, einen Korridor für humanitäre Hilfsgüter und deren Verteilung zu erwirken. Dabei sind wir ausdrücklich keiner Seite verpflichtet, sondern nur dem humanitären Mandat. Das ist ganz wesentlich. Ein weiter schwieriges Arbeitsgebiet bleibt der Nahe und Mittlere Osten, genauer: die Verschärfung der Syrienkrise durch den Vormarsch der IS-Kämpfer in Syrien und im Irak. Seit 1
2 vier Jahren löst der Bürgerkrieg in Syrien unvorstellbares Leid aus. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Syriens, fast 12 Millionen Menschen, ist durch die Zerstörungen des Krieges heimatlos geworden oder auf der Flucht vor neuer Gewalt im Land selbst und in den Anrainer-Staaten Türkei, Libanon, Jordanien und dem Irak. Im Sommer 2014 haben uns alle die Bilder der fliehenden Menschen (Christen, Jesiden, Muslime) erschüttert, die ohne Wasser, ohne Nahrung nur mit ihren Kleidern am Körper vor der unglaublichen Brutalität des IS gegen Andersgläubige ins Gebirge flohen. Das löste auch in Deutschland eine Welle der Hilfsbereitschaft aus, für die wir sehr dankbar sind. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat langjährige Partner in der Region, mit denen sie den Familien beisteht mit Hilfsgütern und psychosozialer Unterstützung, um die Erfahrungen von Gewalt und Vertreibung zu überwinden. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in der Region übersteigt bei weitem die Mittel der internationalen und nationalen Organisationen. Wir dürfen die Anrainerstaaten nicht alleine lassen, sondern es muss ein ernsthaftes Bestreben der internationalen Gemeinschaft geben, diesen Konflikt zu lösen und nicht weiter eskalieren zu lassen. M. Keßler: Die Spendeneinnahmen waren 2014 mit 17,9 Millionen Euro deutlich niedriger als Damals waren es 36,8 Millionen Euro. Im Jahr 2013 hatten die beiden Großkatastrophen - Flut Deutschland und Taifun Haiyan auf den Philippinen - zu einem hohen Spendenaufkommen geführt hat es derartige große Naturkatastrophen nicht gegeben. Dennoch ist eine Spendensumme von 17,9 Millionen Euro für ein Jahr ohne große Naturkatastrophen ein sehr gutes Ergebnis. Dafür danken wir allen Spenderinnen und Spendern im Namen der Betroffenen. Die 2014 von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen erhaltenen öffentlichen Mittel beliefen sich auf knapp 15,7 Millionen und lagen damit leicht über dem Vorjahr so hoch wie noch nie in der Geschichte der Diakonie Katastrophenhilfe. Mit dieser Hilfe und mithilfe öffentlicher Mittel können wir unserem Auftrag gerecht werden, Nothilfe zu leisten, den Wiederaufbau zu unterstützen und für künftige Katastrophen vorzusorgen. Das tun wir weltweit in 172 Projekten in 40 Ländern. Öffentliche Mittel und zweckungebundene Spenden helfen uns, auch Menschen in vergessenen Katastrophen zur Seite zu stehen, die fernab des öffentlichen Interesses täglich mit 2
3 Gewaltkonflikten leben oder von ihnen in die Flucht getrieben werden: Dazu gehören etwa unsere Einsätze in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo oder im Südsudan. Die Diakonie Katastrophenhilfe konnte im Jahr 2014 Gesamteinnahmen von 41,6 Mio. Mio. Euro verzeichnen. Sie finden das im Jahresbericht auf Seite 24. Für 2014 wurden 54 Mio. Euro für 172 Projekte in 40 Ländern weltweit bewilligt. Einige der Projekte haben eine Laufzeit über mehrere Jahre, daher ist hier die Summe höher als die der Einnahmen. 40,2 Mio. Euro flossen 2014 in die Projektarbeit. Größte Empfänger waren die von der Syrienkrise betroffenen Länder. Es ist unser Bestreben, die Kosten für Verwaltung und Werbung verantwortungsvoll gering zu halten. Auch in diesem Jahr ist uns dies gelungen. Wir liegen mit den Ausgaben für Verwaltung bei 6,6 Prozent sehr niedrig und sogar noch niedriger als im Jahr davor. Das Deutsche Zentral-Institut für Soziale Fragen, dass uns das DZI-Spendensiegel gibt, stuft Ausgaben unter 10 Prozent als niedrig ein. Insoweit sind wir mit der Bilanz 2014 zufrieden. Doch wir blicken mit Sorge in die Zukunft: Weltweit haben bewaffnete Konflikte an Zahl und Brutalität zugenommen. Die Zahl der Flüchtlinge ist mit knapp 60 Mio. Menschen auf dem höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Jeder 122. Mensch auf der Erde ist 2014 vorübergehend oder dauerhaft heimatlos geworden. Die Menschen fliehen vor Kriegen, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Sie alle riskieren ihr Leben auf der Flucht und leben dann oft unter schwierigsten Bedingungen in Bauruinen, Garagen, Erdlöchern, in selbst armen Gastfamilien oder in Flüchtlingslagern. Neun von zehn aller Flüchtlinge und intern Vertriebenen haben vorübergehende Aufnahme in Entwicklungsländern gefunden, die selbst auf Hilfe angewiesen sind, 25 Prozent davon sogar in den allerärmsten Ländern. Viele Staaten wie Libanon, die Türkei oder der Norden des Iraks nehmen in großer Solidarität innerhalb kürzester Zeit Hundertausende auf, obwohl ein Teil der eignen Bevölkerung selbst schon in Armut lebt. Dennoch ist deren Aufnahme- und Hilfsbereitschaft ungeheuerlich. Im Libanon sind gegenwärtig 232 von 1000 Bewohnern Flüchtlinge. 3
4 Während auf der anderen Seite die reichen Länder der Europäischen Union alles daran setzen, den Strom der Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten von den eigenen Grenzen abzuhalten. Uns soll eingeredet werden, dass das Boot voll ist. Rechtsradikale Krawallschachteln dürfen die Berichterstattung und den öffentlichen Ton bestimmen und die Politik starrt gebannt darauf, als seien nicht auch in Deutschland die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und die Leuchtfeuer ihrer tätigen Solidarität weit größer als die rassistischen Brandanschläge verirrter Minderheiten. Dennoch beherrschen Abwehr- und Abschottungstendenzen die europäische Politik. Wenn der Weg über das Mittelmeer von der EU tatsächlich je erfolgreich trocken gelegt würde, würde damit der Strom der Flüchtlinge nicht abreißen, denn die Konflikte und Probleme in den Herkunftsländern sind nicht gelöst. Die Menschen werden andere Routen wählen, im Zweifelsfall noch längere und voll anderer Gefahren, um nach Europa zu gelangen. Da sind wir uns mit unseren Partnerorganisationen einig. Wenn die Hauptroute über das Mittelmeer nicht mehr befahrbar ist, werden mehr Menschen den Landweg über Südosteuropa und den Westbalkan wählen. M. Keßler erläutert West-Balkan-Route auf einer Karte. Von Syrien, über Türkei, Griechenland, Mazedonien, Albanien, Serbien M. Keßler: Ungarn baut gerade einen Zaun. Dann werden tausende Flüchtlinge in ohnehin verarmten Staaten wie Serbien, Albanien und Mazedonien stranden und versorgt werden müssen. Und in drei Monaten wird es auf dem Balkan nass und kalt. Das wird die Situation verschärfen. Serbien hat die internationale Gemeinschaft bereits um Hilfe gebeten. Die Diakonie Katastrophenhilfe wird schon in den kommenden Wochen ein Hilfsprojekt mit lokalen Partnern in Serbien starten. Etwa Menschen leben dort unter einfachsten Bedingungen, deren Nahrungssicherheit in Gefahr ist. Unsere Partner in Serbien gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu einer Million Flüchtlinge in Serbien ankommen werden. 4
5 Hier zeichnet sich dann die neue Flüchtlingskrise ab. Sie hat sich nur verlagert und wird von den mächtigen Staaten in Europa wiederum auf arme Länder abgewälzt, diesmal innerhalb Europas, damit nur die reichsten Länder der Welt damit nicht / in Anführungsstrichen / überfordert werden. Wir reden also von einer äußerst kurzsichtigen und kurzatmigen Abwehrstrategie der Reichen auf Kosten der Länder, die zu schwach sind, um sich dagegen zur Wehr setzen können. Die nicht einmal Geld für Mauern haben / aber eben auch keines zur Versorgung der Flüchtlinge. PAUSE Als evangelisches Hilfswerk fordern wir von der Europäischen Union einen neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik: - Es ist wichtig legale Wege nach Europa zu schaffen, um Menschen nicht der großen Gefahr von Schleppern auszusetzen. - Aufnehmende Staaten wie Italien, Griechenland, Ungarn aber auch Serbien, Albanien und Mazedonien müssen in der Versorgung der Flüchtlinge unterstützt werden. - Die Europäische Politik muss alles daran setzen, Kriege und Konflikte in den Herkunftsländern zu lösen und in Prävention von Konflikten und friedliche Konfliktlösungen investieren. Die Flüchtlingskrise bleibt die größte humanitäre Herausforderung der kommenden Jahre. Deshalb sind zweckungebundene Spenden so wichtig für unsere Arbeit, um möglichst schnell auf neue Krisen reagieren zu können, unabhängig davon ob das Interesse der Öffentlichkeit und Spendenbereitschaft hoch sind. Die Konflikte sind keine Frage von Monaten sondern von Jahren. Wir können die Menschen nicht im Stich lassen und werden das nicht tun. Vielen Dank. 5
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