1) Raus aus der Armut: Grundsicherung und soziale Teilhabe für alle, die sie brauchen
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- Ulrike Haupt
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1 Sozialdemokratische Partei Stadt Bern Monbijoustrasse 61 Postfach 1096, Postfach 1096, 3000 Bern 23 Tel , Fax Sozialpolitik in der Stadt Bern Ein Grundsatzpapier der SP Stadt Bern Hintergrund und Ziel des Papiers Die Sozialpolitik ist für die SP ein zentrales Thema auch in der Stadt Bern. Das vorliegende Papier versteht sich als Grundlage, die Orientierungspunkte für die städtische Sozialpolitik bietet. Es behandelt ausgewählte Themen, die aus der Sicht der Arbeitsgruppe Sozialpolitik aus städtischer Sicht besonders wichtig sind. Das Papier richtet sich an Parteimitglieder, Interessierte sowie Bürgerinnen und Bürger, die sich näher mit der sozialdemokratischen Sozialpolitik befassen wollen. 1) Raus aus der Armut: Grundsicherung und soziale Teilhabe für alle, die sie brauchen Einkommen und vor allem Vermögen sind in der Schweiz sehr ungleich verteilt: die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung halten weniger als zwei Prozent des Gesamtvermögens, während die reichsten 20 Prozent auf über 80 Prozent kommen. Rund ein Fünftel der Bevölkerung ist arm auch in der Stadt Bern. Von dieser oft versteckten Armut sind vor allem Menschen mit schlechter Ausbildung, Ein-Eltern-Familien, ältere Menschen und behinderte und kranke Personen betroffen und das zeigen alle Statistiken besonders viele Kinder. Armut bedeutet nicht nur eine materielle Notlage, sondern häufig auch soziale Ausgrenzung und fehlende Perspektiven. Arme sind zudem häufiger krank und sterben früher. Wir engagieren uns gegen die Armut setzen dabei die folgenden Schwerpunkte: Armut muss ein öffentliches Thema werden: Armut ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit. Armut und ihre Auswirkungen verursachen auch enorme gesellschaftliche Kosten, etwa im Gesundheitswesen und der Fürsorge. Von Armut betroffene Menschen müssen bei der Bewältigung ihrer Lebenssituation auf Unterstützung zählen können. Zentraler Pfeiler ist neben den Sozialversicherungen die öffentliche Sozialhilfe ein effizientes Instrument zur Existenzsicherung, ergänzt durch niederschwellige Spezialdienste (z.b. Schuldenberatung, Unterstützung Notsituationen), aber auch die Förderung von Eigenaktivitäten aus dem Umfeld von direkt Betroffenen. Oberziel ist es, aus der Armut herauszukommen. Eckpunkte dafür sind: Ganz allgemein das Recht auf ein Grundeinkommen. Hier müssen die Aktivitäten jedoch in erster Linie auf Bundesebene ansetzen), z.b. in Form von: - Minimallöhnen, welche das Lebensniveau abdecken, - Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien mit Kindern, - negative Einkommenssteuer (es gibt eine Rückerstattung, wenn das Einkommen unter dem notwendigen Minimaleinkommen liegt). 1
2 Auf der städtischen Ebene: - ausgebaute, leicht zugängliche soziale Infrastruktur, z.b. im Bereich der Kinderbetreuung und der Spitex, - erleichterter Zugang zu Aus- und Weiterbildungsangeboten (Qualifizierung), - die Umsetzung der landesweit angewendeten SKOS-Richtlinien. Diese sind ein wirksames Instrument zur konsequenten beruflichen und sozialen Wiedereingliederung der SozialhilfebezügerInnen. städtisches Anti-Armuts-Programm ( Make Poverty History ) zur Bündelung der verschiedenen Aktivitäten zur Armutsbekämpfung. 2) Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachsene Alte Gewissheiten in Bezug auf Lebensentwürfe und berufliche Laufbahn haben sich für viele aufgelöst. Drastisch zeigt sich dies im Bereich der Arbeit. Zwar stehen den Jugendlichen so vielfältige Möglichkeiten offen wie noch nie. Viele Jugendliche können jedoch den Anforderungen, die in der Arbeitswelt gestellt werden, nicht genügen. Die Selektion in Real- und Sekundarschule während der obligatorischen Schulzeit verstärkt die ungleichen Chancen zusätzlich. Besonders Jugendliche mit Lernschwächen, schlechter Ausbildung, einem Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten haben oft Mühe, den Weg in die Arbeitswelt zu finden. Ein verpasster Einstieg ins Berufsleben hat verhängnisvolle Langzeitfolgen für die Betroffenen, aber auch für die Stadt: heute haben zwei von drei jungen Sozialhilfeempfangenden keine nachobligatorische Ausbildung. Obwohl die Zahl der SchulabgängerInnen in den nächsten Jahren um 10 bis 15 Prozent sinken wird, kann eine Zwei-Klassengesellschaft nicht vermieden werden. Gute SchulabgängerInnen werden problemlos Ausbildungsplätze finden. Demgegenüber werden Leistungsschwächere aufgrund der steigenden Anforderungen der Arbeitswelt weiterhin Mühe haben, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Jungendliche und junge Erwachsene in der Stadt Bern brauchen Perspektiven: Alle jungen Erwachsenen sollen eine nachobligatorische Ausbildung erhalten zum Beispiel eine Lehre oder eine schulische Ausbildung; das bestehende breite Lehrstellenangebot gilt es zu erhalten. Die Stadt soll im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Privatwirtschaft dabei flexibel unterstützen (eigene Lehrstellen nach Bedarf, Förderung von Lehrbetriebsverbünden, Unterstützungsangebot von Lehrbetrieben durch Kompetenzzentrum Arbeit). Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den Einstieg in die Arbeitswelt nur mit Mühe finden, brauchen spezifische Unterstützungsangebote (Berufsintegrationsklassen, Motivationssemester, aber ebenso persönliche Coachings) und spezifische Lösungen, vor allem auch in Kooperation mit der Privatwirtschaft. Sport- und Kulturprojekte, die in Zusammenarbeit mit Schulen und Vereinen entwickelt werden, erlauben es, dass Jugendliche, auch wenn sie (noch) ohne berufliche Perspektiven sind, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnen. 2
3 3) Arbeitsplätze sozial gesichert und selbstbestimmt timmt Die Arbeitswelt ist im Wandel die Arbeitsproduktivität steigt permanent. Daraus ergeben sich neue Chancen, etwa Spielräume für Arbeitszeitreduktionen, aber auch mehr Wahlfreiheit in Bezug auf Erwerbsarbeit. Die heutige Realität ist aber (noch) eine andere: in vielen Arbeitsverhältnissen hat der Arbeitsdruck stark zugenommen. Die Anforderungen am Arbeitsplatz werden höher. Vor allem schlechter qualifizierte Arbeitssuchende, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Menschen mit einer Behinderung haben zunehmend Mühe, eine Erwerbsarbeit zu finden. Gleichzeitig beobachten wir auch eine Prekarisierung vieler Arbeitsverhältnisse: Immer mehr Menschen arbeiten in mehreren Jobs parallel, die Arbeit auf Abruf nimmt zu, ebenso Formen der Scheinselbständigkeit. Das Risiko wird zunehmend auf die Mitarbeitenden angeschoben. Für unsere Politik sind hier die folgenden Grundsätze wegleitend: Aktive Wirtschaftspolitik, die mit guten Rahmenbedingungen und Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur mithilft, die wirtschaftlichen Chancen von Bern zu verbessern und nachhaltiges Wachstum, Wohlstand und genügend Arbeitsplätze zu ermöglichen. Gute Arbeitsbedingungen für alle Arbeitenden, insbesondere auch Vorkehrungen zur Minimierung der Risiken von atypischen Beschäftigungsformen. Angepasste, individuelle Unterstützung der Erwerbslosen zur Wiedereingliederung, aber auch professionelle Hilfsangebote der Stadt für Unternehmen bei sozialen Fragen. Ausbau und Weiterentwicklung der interinstitutionellen Zusammenarbeit mit IV, RAV, Sozialhilfe und Arbeitgebern. Entwicklung von innovativen, einfachen städtischen Arbeitsplätzen im Sozialbereich (z.b. Besuchsservice in stationären Einrichtungen, für allein lebende ältere Personen etc.) und im Bereich Stadtgrün/Stadtreinigung (Nischenarbeitsplätze). Kein sinnloser Aktivismus der Integration in die Erwerbsarbeit um jeden Preis : Aufwertung von Tätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit, z.b. von gemeinnützigen Aktivitäten, selbst gewählten Tätigkeiten etc. 4) Ein guter Start: Rückenwind für Familien und Kinder Zahlreiche Kinder in der Stadt Bern wachsen heute unter ungünstigen Rahmenbedingungen auf: ihre Eltern sind überfordert, sie bekommen zu wenig Zuwendung, Orientierung und Unterstützung. Die Probleme, die sich aus der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie ergeben, gewinnen weiter an Bedeutung (ökonomischer Zwang für Alleinerziehende und wirtschaftlich Schwächere, berufliche Entwicklung von beiden Elternteilen) und damit auch der Bedarf nach familienexternen Betreuungsangeboten. In der Regierungszeit der RGM-Mehrheit ist das Angebot (Kindertagesstätten, Mittagstische, Tagesschulen) in der Stadt Bern stark ausgebaut worden, aber Probleme ergeben sich mangels Flexibilität (z.b. bezüglich Öffnungszeiten, Berücksichtigung von spezifischen Arbeitssituationen der Eltern) und durch die hohen Kosten. Weiterhin warten in der Stadt Bern 750 Kinder auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. 3
4 Vor diesem Hintergrund ergeben sich die folgenden Schwerpunkte: Die Gesellschaft hat eine Verantwortung für die Kinder in dieser Stadt. Hier gibt es beträchtlichen Innovationsbedarf zur Förderung und Unterstützung der Kinder und Eltern, z.b.: - Früherfassungssystem im Kontext der Mütter-/Väterberatung oder im Spital. - Förderung und Unterstützung der Kinder und ihrer Eltern ab Geburt ( Erziehung beginnt am ersten Tag ). - Ausbau geeigneter Unterstützungsangebote für Eltern. Eltern oder Erziehungsberechtigte mit Wohnsitz in der Stadt Bern haben für ihre Kinder bis zum Eintritt in den Kindergarten oder in die Basisstufe einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte (Kita). Die Kita-Initative der SP will den langen Wartelisten ein Ende setzen. Dafür soll ein Recht auf einen Kita-Platz verankert werden, das Eltern spätestens sechs Monate nach Anmeldung ihres Kindes einen Betreuungsplatz zusichert. Kitas bleiben freiwillig und kostenpflichtig. Mehr Flexibilität der Einrichtungen in Bezug auf die Öffnungs- und Präsenzzeiten, Schulferien etc. 5) Zeit für r gemeinschaftliches Engagement Demografische Alterung, neue Lebensformen und die Lockerung von Familienbanden führen auch in der Stadt Bern zu einer steigenden Zahl von Einpersonenhaushalten. Dazu kommt die Mobilität vieler Menschen, innerhalb der Schweiz, aber auch international (Migration). Zudem erlauben Informationsmedien (Internet, TV) das Leben in einer virtuellen Welt, weitgehend losgelöst von realen sozialen Kontakten. Soziale Netze, etwa im Quartier, sind damit nicht mehr selbstverständlich. Der Wunsch, dazuzugehören ist jedoch ein menschliches Grundbedürfnis. Für uns sind deshalb die folgenden Grundsätze wegleitend: Soziale Austauschbeziehungen sind immer ein Geben und Nehmen. Alle Menschen haben Ressourcen, die sie tauschen können. Aber es gilt zunächst, sich dieser Ressourcen überhaupt gewahr zu werden und diese zu kennen. Derartige Austausch- und Gegenseitige-Hilfe-Projekte sind zu fördern. Wir wollen eine Stadt, in der sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Generationen begegnen können. Dazu braucht es Treffpunkte in den Quartieren, die als Begegnungszentren wirken. Bei der Stadtentwicklung und Quartiergestaltung gilt es deshalb speziell zu berücksichtigen, dass es genügend Orte der Begegnung und lebensfreundliche öffentliche und halböffentliche Räume gibt. Unterstützung von vielfältigen Aktivitäten und Projekten mit dem Ziel, den Zusammenhalt der Bernerinnen und Berner zu stärken und die Begegnung in den Quartieren zu fördern. 4
5 6) Gut funktionierende, engagierte soziale Arbeit für die Stadt Bern Das Schweizervolk und die Kantone, ( ) im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass ( ) die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung: ( ). In der Präambel der Schweizer Verfassung wird die Wohlfahrt des gesamten Volkes, ein universaler Gedanke aller Demokratien, als konstitutive Grundlage des Staates ins Zentrum gesetzt. Ausdrücklich werden für die Schaffung dieser Wohlfahrt die Prinzipien gegenseitige Rücksichtnahme, Achtung der Vielfalt und Verantwortung gegenüber künftigen Generationen genannt. Das Wohl des Schwachen gilt als Massstab oder eben Spiegelbild für die Wohlfahrt des ganzen Volkes. Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Die Stadt Bern hat den Auftrag, dieses verbriefte Grundrecht für die Bevölkerung unserer Stadt umzusetzen. Es ist uns wichtig, dass sich die sozialen Dienste auch weiterhin als Institutionen verstehen, welche die Menschen ernst nehmen, ihnen helfen und sie bei der beruflichen und sozialen Integration unterstützen. Eine reine Klientenverwaltung nach dem Prinzip der Kostenminimierung lehnen wir ab. Wir setzen uns ein für einen gut funktionierenden Sozialdienst, der seine Aufgabe wirksam und effizient wahrnimmt. Dazu gehört ebenfalls eine wirkungsvolle Kontrolle und die Verhinderung von Missbrauch. Voraussetzung dafür sind eine gute Führung, eine zweckmässige Organisation (klare Strukturen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten) sowie genügend Fachpersonal. Das Grundsatzpapier zur städtischen Sozialhilfe wurde von der Arbeitsgruppe Sozialpolitik (Res Bürki, Matthias von Bergen, Veronika Keller, Silvia Schoch-Meyer, Miriam Schwarz, Ernst Spychiger, Markus Troxler, Gerhard Wehrli) erarbeitet und von der Geschäftsleitung der SP Stadt Bern am 19. November 2008 verabschiedet. 5
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