Postversandklausur Nr. 464 Zivilrecht (Bearbeitungszeit: 5 Stunden)
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- Jasmin Gerstle
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1 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 1 Postversandklausur Nr. 464 Zivilrecht (Bearbeitungszeit: 5 Stunden) Am 22. August 2014 wird Paul Pitz in seiner Kanzlei in, Bahnhofstraße 34 von Herrn Reinaldo Reck aufgesucht. Herr Reck trägt Folgendes vor: Sehr geehrter Herr, ich brauche Ihre Hilfe. Es ist sehr eilig. Ich habe am 19. August 2014 eine gerichtliche Entscheidung (Anlage 1) zugestellt bekommen, ohne dass ich vorher überhaupt eine Chance bekommen hätte, meinen Standpunkt der Dinge zu erläutern. Kläger oder Antragsteller oder wie auch immer das heißt ist mein Ex-Schwiegervater Sören Spieß. Mit seiner Tochter Birte Reck war ich von 2002 bis 2014 verheiratet. Die Scheidung ist inzwischen durch. Da ich nur zustimmte, ging das mit nur einer Anwältin, die meine Ex- Frau als Antragstellerin beauftragt hatte. Eine Forderung auf Zugewinnausgleich hat diese Anwältin angekündigt, doch weiß ich insoweit noch nicht, was auf mich zukommen wird. Unverschämter Weise hat das Familiengericht den Beschluss nicht begründet, so dass ich nur erahnen kann, worum es überhaupt geht. Anhand des Betrages kann ich allerdings davon ausgehen, dass es um die Forderung geht, die er zuvor bereits einmal in einem Anwaltsbrief gegen mich geltend gemacht hat (Anlage 2). Dabei geht es um einen Zuschuss von , den mein Ex-Schwiegervater mir vor x Jahren für die Renovierung des in meinem Alleineigentum stehenden und damals von mir und seiner Tochter bewohnten Hauses gewährt hat. Die will er jetzt zurück, und das nach so vielen Jahren! Dass er dafür an das Familiengericht geht, hat mich auch etwas irritiert. Hätte ich den jetzigen Streit auch nur geahnt, hätte ich mich damals auf die ganze Renovierung gar nicht erst eingelassen. Das war hauptsächlich die Idee meiner damaligen Frau, während ich den vorherigen Zustand durchaus lebenswert fand. Die gesamten Renovierungskosten damals lagen bei etwa Die Handwerkerrechnungen habe ich noch, müsste sie aber erst zusammensuchen, falls das nötig ist. Wir haben damals alles neu verputzen und streichen sowie Parkett verlegen lassen. Außerdem bekamen wir ein neues Bad und eine neue Küche. Das Parkett ist inzwischen ziemlich verunstaltet und die Wände müssten inzwischen auch wieder gestrichen werden. Nachdem mein Ex-Schwiegervater mich per Anwaltsbrief zur Rückzahlung der aufgefordert hatte, habe ich am 1. August 2014 in der Hoffnung, dass er da-
2 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 2 mit Ruhe gibt, einen Teilbetrag von überwiesen. Einen Beleg darüber habe ich Ihnen mitgebracht (Anlage 3). Ich habe angesichts des Umfangs der gerichtlichen Entscheidung das Gefühl, dass mein Ex-Schwiegervater diese Zahlung seinem Anwalt gar nicht gesagt hatte oder diese Information bei diesem irgendwie unterging. Da ich fürchte, dass Fristen laufen, bitte ich Sie, so schnell wie möglich gegen diesen Beschluss vorzugehen, soweit dies erfolgversprechend ist. Der Mandant unterzeichnet eine Verfahrensvollmacht für das Arrestverfahren und übergibt eine Reihe von Anlagen (dazu siehe im Folgenden). Anlage 1: Amtsgericht Gelnhausen Gelnhausen, den 13. August Familiengericht - Az.: 1 F 555/14 In Sachen Sören Spieß, Schillerstraße 16, - Antragsteller - Prozessbevollmächtigter: Heiner Hauer, Schillerstraße 34, gegen Reinaldo Reck, Bahnhofstraße 89, wegen dinglichem Arrest - Antragsgegner - erlässt das Amtsgericht Familiengericht Gelnhausen durch Richterin Denninger ohne mündliche Verhandlung im Wege des Beschlusses folgenden Arrestbefehl: 1. Zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung des Antragstellers in Höhe von sowie einer Kostenpauschale von wird der dingliche Arrest gegen den Antragsgegner angeordnet. 2. Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung eines Geldbetrags von oder Stellung einer schriftlichen, unwiderrufli-
3 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 3 chen, unbedingten und befristeten Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts über gehemmt. 3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen. 4. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet. Denninger Richterin am Amtsgericht Anlage 2: Heiner Hauer Gelnhausen, den 18. Juli 2014 Schillerstraße 34 An Herrn Reinaldo Reck Bahnhofstraße 89 Sehr geehrter Herr Reck, hiermit zeige ich unter Vollmachtsvorlage die Vertretung von Herrn Sören Spieß, Gelnhausen, Schillerstraße 16, an. Sie haben vor Jahren von meinem Mandanten erhalten, die als Zuschuss für die Renovierung des Ihnen zu Alleineigentum gehörenden Hauses gedacht waren. Hintergrund der Zuwendung war, dass Sie damals mit Frau Birte Reck, geb. Spieß, der Tochter meines Mandanten verheiratet waren, so dass diese Zuwendung mittelbar auch dieser zugutegekommen wäre. Dies ist nun aber nicht mehr der Fall, da Sie inzwischen rechtskräftig von der Tochter meines Mandanten geschieden sind. Daher sind Sie gesetzlich zur Rückzahlung dieser Zuwendung an meinen Mandanten verpflichtet. Infolge dieser eindeutigen Sach- und Rechtslage fordere ich Sie hiermit unter Androhung rechtlicher Schritte zur unverzüglichen Rückzahlung des gesamten Betrags auf. Dafür setze ich Ihnen hiermit eine Frist bis zum 30. Juli Heiner Hauer
4 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 4 Anlage 3: Computerausdruck über die Durchführung einer Internetüberweisung vom 1. August 2014: Herr Reinaldo Reck überwies an Herrn Sören Spieß mit dem Betreff Teilrückzahlung Renovierungszuschuss, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Am 26. August 2014 erhielt Pitz beim Amtsgericht Familiengericht Gelnhausen Einsicht in die Akten des Verfahrens Sören Spieß gegen Reinaldo Reck, Az.: 1 F 555/14. Er fertigt dabei eine Kopie der Antragsschrift (siehe die nächste Anlage) Anlage 4: Heiner Hauer Gelnhausen, den 9. August 2014 Schillerstraße 34 EILT SEHR! An das Amtsgericht Gelnhausen - Familiengericht - In Sachen Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes Amtsgericht Gelnhausen Eingang: 9. August 2014 Sören Spieß, Schillerstraße 16, Prozessbevollmächtigter: der Unterfertigte gegen Reinaldo Reck, Bahnhofstraße 89, - Antragsteller - - Antragsgegner - beantrage ich für den Antragsteller, im Wege des Beschlusses und wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung anzuordnen:
5 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 5 Zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung des Antragstellers in Höhe von sowie einer Kostenpauschale von ca wird der dingliche Arrest gegen den Antragsgegner angeordnet. Begründung: Der Antragsgegner hat Verbindlichkeiten beim Antragsteller und versucht, sich durch Verlagerung seines Wohnsitzes und seines Vermögens rechtswidrig der Erfüllung dieser Pflichten zu entziehen. Der Antragsteller ist der Vater der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners. Letzterer und Frau Birte Reck, geb. Spieß, schlossen am 3. Juni 2002 den Bund der Ehe. Glaubhaftmachung: standesamtliche Urkunden vom 3. Juni 2002 (Anlage K 1 ). Der Antragsgegner und Frau Birte Reck trennten sich am 6. Februar 2013, indem Frau Reck aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Haus auszog. Ihr Scheidungsantrag wurde am 7. Januar 2014 zugestellt. Glaubhaftmachung: Scheidungsantrag (Anlage K 2 ). Die Ehe wurde geschieden durch Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Gelnhausen vom 17. Juni Dieser Beschluss wurde durch beiderseitigen Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig. Glaubhaftmachung: Scheidungsbeschluss mit Rechtskraftvermerk (Anlage K 3 ). Der Antragsgegner ist Alleineigentümer eines Hauses in der Bahnhofstraße 89, Gelnhausen, in das die Tochter des Antragstellers bereits vor Eheschließung eingezogen war. Glaubhaftmachung: Grundbuchauszug (Anlage K 4 ). Für eine dringend notwendige Renovierung dieses Hauses überwies der Antragsteller dem Antragsgegner am 5. August 2002 den stattlichen Zuschuss von Glaubhaftmachung: Kontoauszug vom 5. August 2002 (Anlage K 5 ). Infolge der Trennung bzw. Scheidung der Ehe von Frau Birte Reck mit dem Antragsgegner muss letzterer diesen Betrag zurückerstatten, denn dieser hatte erkennbar der Tochter des Antragstellers zugutekommen sollen. Der Anspruch ergibt sich zumindest aus 812 BGB. Die Dringlichkeit des Vorgehens erklärt sich daraus, dass der Antragsgegner versucht, sich seinen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Er hat seit Monaten eine aus Sao Paulo, Brasilien, stammende Lebensgefährtin und plant, mit dieser in deren Heimat
6 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 6 umzuziehen. Wörtlich hat er sich geäußert, dass ein Leben im Dschungel im Vergleich zu dem Stress in Deutschland ein totaler Segen sei. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung vom Frau Birte Reck (Anlage K 6 ). Dem lässt er nun auch Taten folgen, nämlich die Veräußerung seines Hauses, das er inzwischen zum Verkauf anbietet. Glaubhaftmachung: Zeitungsanzeige vom 26. Juli 2014 (Anlage K 7 ). Es besteht die Gefahr, dass ein entsprechender Kaufvertrag bereits geschlossen wurde oder demnächst geschlossen wird und eine etwaige Vormerkung des Erwerbers die Sicherungsinteressen des Antragstellers als Gläubiger des Antragsgegners vereiteln könnte. Der Antragsteller beabsichtigt nämlich die schnelle Eintragung einer Zwangshypothek ( 932 ZPO). Aufgrund dieser extremen Dringlichkeit ist eine sofortige Entscheidung unumgänglich. Heiner Hauer Pitz nimmt daraufhin noch einmal telefonisch Kontakt mit dem Mandanten auf und erläutert ihm die Erkenntnisse aus der Antragsschrift. Zu der in der Antragsschrift vorgetragenen und von Frau Birte Reck eidesstattlich versicherten Äußerung über das Leben im Dschungel erklärt Herr Reck nach kurzem Lachanfall Folgendes: Das habe er in guter Laune auf einer Party, auf der er seine Ex- Frau zufällig getroffen hatte, tatsächlich so gesagt. Ernst gemeint habe er es aber natürlich nicht, sondern einfach nur über den Stress im Job etwas bildhaft gejammert. Trotz brasilianischer Freundin ziehe es ihn weder in den Urwald noch in das ziemlich urwaldfreie Verkehrschaos von Sao Paolo oder einer anderen brasilianischen Stadt. Da sei seinem Ex-Schwiegervater wohl vor lauter Neid die Phantasie durchgegangen. Herr Reck erklärt, dass er sein Haus tatsächlich zum Verkauf angeboten habe. Dies aber nur, weil er in einigen Monaten eine neue Stelle in Nürnberg antreten werde und sich deswegen dort bereits am 22. Juli 2014 eine Eigentumswohnung gekauft habe. Die notarielle Urkunde über den Kaufvertrag vom 22. Juli 2014 über die Eigentumswohnung in Nürnberg faxt Herr Reck kurz darauf noch an Pitz, der diese zu den Akten nimmt. Außerdem nimmt Pitz Einsicht in das Grundbuch. Die dortigen Eintragungen entsprechen den Schilderungen des Mandanten bzw. des Antragstellers: Herr Reck ist noch als Alleineigentümer des zum Verkauf angebotenen Hauses in Gelnhausen eingetragen.
7 Postversandklausur Nr. 464 / Seite S. 7 Vermerk für den Bearbeiter: 1. In einem (einschichtigen) Gutachten des Anwalts sind die prozessuale und materiellrechtliche Situation im Verfahren Az.: 1 F 555/14, insbesondere die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen den Beschluss zu prüfen. Es ist auf den 26. August 2014 abzustellen. Auf güterrechtliche Ansprüche, insbesondere nicht auf die Auswirkung der Forderung des Herrn Spieß auf den Zugewinnausgleich, ist nicht einzugehen. 2. Der Schriftsatz des s an das Gericht im Verfahren Az.: 1 F 555/14 ist zu entwerfen; dabei sind die Rechtsausführungen erlassen. Soweit eine eidesstattliche Versicherung des Mandanten notwendig ist, ist zu unterstellen, dass diese inzwischen auf Veranlassung von Pitz beigebracht wurde. 3. Ein begleitendes Mandantenschreiben ist nicht zu fertigen.
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