André Grabowski. Neurologische Akut- und Intensivmedizin. Manual für den klinischen Alltag
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- Astrid Lange
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1 André Grabowski Neurologische Akut- und Intensivmedizin Manual für den klinischen Alltag
2 A-1.2 Patiententransport Es sollte immer nach Alternativen zum Transport gesucht werden (z. B. Endoskopie, Ultraschall, Tracheotomie, Drucksondenanlage auf Station). Komplikationen und Risiken des Patiententransports Diskonnektion vom EKG oder Lösen der Elektroden, EKG-Artefakte Verrutschen oder Diskonnektion des Pulsoxymeters, Artefakte durch Erschütterung, falsche Messung der Sauerstoffsättigung durch Vasokonstriktion, Hypotonie, Hypothermie, Nagellack Falsche Blutdruckmessung durch fehlerhafte Höhenjustierung des Druckaufnehmers, falscher Nullabgleich oder Abknicken des Druckmesskatheters Tubusdekonnektion, unbeabsichtigte Extubation (v. a. beim Umlagern) Eventuell Änderung einer differenzierten Beatmungstherapie (z. B. technisch bzw. gerätebedingt) mit Änderung der Ventilation und des Gasaustauschs Falsche Hirndruckmessung durch fehlerhafte Höhenjustierung des Drucknehmers/der Ablaufkammer, falscher Nullabgleich, geschlossenes System mit Gefahr der Unterdrainage (s. Abschn. Erhöhter Hirndruck, S. 121) Verlust des PEEP bei der Diskonnektion mit Gefahr einer Atelektasenbildung Bei einfachen Notfallrespiratoren häufig schwankende Atemminutenvolumina und ungenaue Sauerstoffkonzentrationen; zudem eingeschränkte Überwachungsmöglichkeiten bzw. Alarmfunktionen Fehlerhafte Medikamentengabe durch verdrehte 3-Wege-Hähne, abgeknickte Schläuche, versehentliche Bolusgaben, evtl. veränderter Fluss durch Lageänderung des Perfusors/der Infusionen (reduzierte Gabe bei Lagerung nach unten, Bolusapplikationen bei Lagerung nach oben), entleerte Geräteakkus/Perfusoren Transport = Stress für den Patienten Durch Erschütterungen, Lageänderung, Schmerzen und Temperaturänderung Gefahr der Änderung der hämodynamischen und respiratorischen Situation mit Brady- oder Tachykardie, Arrhythmien, hypo- oder hypertensiven Blutdruckentgleisungen Umlagerung des Patienten: Gefahr technischer Probleme, Diskonnektion von Tubus, Schläuchen, Kathetern und kardiopulmonaler Instabilität (z. B. durch Volumenverschiebung) Eingeschränkte Akkukapazität und/oder Sauerstoffvorräte (Transport-, Warte- und Untersuchungszeit + Notfall-Puffer einberechnen; s. u. Abschn. Vorbereitung innerklinischer Transport ) Vor dem Transport muss immer eine Nutzen-! Risiko-Analyse gemacht werden: Ist der Befund oder die Maßnahme in der aktuellen Situation wirklich erforderlich (therapeutischer Nutzen) oder kann man ggf. 24 oder 48 h warten, bis sich der Patient stabilisiert hat? Je schwerer krank der Patient und damit risikoreicher der Transport ist, desto gerechtfertigter muss die Indikation sein. Kontraindikationen für den Transport instabile Kreislaufsituation instabile respiratorische Situation fehlende/unqualifizierte personelle Situation Vorbereitung innerklinischer Transporte Termin und Ort mit der untersuchenden Abteilung absprechen! Zeitaufwand für Patientenvorbereitung und Wegezeiten realistisch einschätzen, mindestens 15 min einplanen. Wenn möglich, Patienten über den Transport und dessen Notwendigkeit aufklären; falls erforderlich Sedierung/Analgosedierung intensivieren. Pflegeteam rechtzeitig informieren. Für den Transport Infusionen (z. B. parenterale Ernährung), Leitungen und Sonden (z. B. Sondenkost) auf das Notwendige reduzieren. Zugänge sichern, Infusionsleitungen sortieren, Infusionen beschriften.
3 A-1 Organisation und rechtliche Aspekte Perfusoren und Infusomaten überprüfen, Netzteile mitnehmen. Urinbeutel und Drainagen sichern. Bei hohem Reflux oder Magenentleerungsstörungen vor dem Transport Mageninhalt über die Magensonde absaugen. Patienten mit Decke zudecken (Kälteschutz und Intimsphäre). Monitor mit Ersatzakku am Bett gut fixieren (wenn möglich/vorhanden Monitorbetthalterung verwenden). Alarmgrenzen am Monitor und dem Transportrespirator überprüfen, ausreichende Lautstärke einstellen. Tubus und Beatmungsschlauch gut fixieren (Klemmen, Mullbinde etc.). Gänsegurgel (flexible Tubusverlängerung mit Doppeldrehkonnektor) zum Schutz vor Dislokation/Diskonnektion des Tubus verwenden. Mobiles Beatmungsgerät prüfen: Funktion überprüfen Prüflunge Sauerstofffüllung mindestens 150 bar Sauerstoffbedarf berechnen: verfügbare Sauerstoffmenge berechnen (Füllung in Liter [Flaschendruck 20 bar)]) Sauerstoffbedarf pro Minute berechnen (Atemminutenvolumen [AMV] F i O 2 + ca. 20 % für Transportstress, Leckage etc.) cave: Oxylog 3000 benötigt max. 0,5 l/min Gas für Eigenbedarf Sauerstoffreserve für Zwischenfälle, Verzögerungen etc. einrechnen (mind. 30 % ) Beispiel: 3-Liter-Flasche (3 l 180 bar) = 540 l Druckgasvorrat AMV 10 l + 0,5 l Eigenbedarf Oxylog 3000 = 10,5 l/min Gasverbrauch 540 l : 10,5 l/min = 51,4 min Betriebszeit bei F i O 2 1,0 (entsprechende Erhöhung der Betriebszeit bei kleinerem F i O 2 ) % Reserve einberechnen!!! Eine manuelle Beatmung ist nicht ratsam, da in mehreren Studien gezeigt werden konnte, dass es durch die unkontrollierte Beatmung mit Hypo- und Hyperventilation teilweise zu einem erheblichen Sauerstoffabfall und/oder CO 2 -Anstieg kommen kann. Was ist mitzunehmen? Medikamente (Notfallbox/-tasche/-rucksack); ggf. Medikamente für Bolusgaben schon aufziehen (und beschriften!!!) Beatmungsbeutel inklusive Verlängerungsschlauch für MRT. bei längerer Beatmungsdauer Ersatzflasche oder O 2 -Wandanschluss (wenn vorhanden) Absaugpumpe inklusive mehrerer Absaugkatheter 1 kristalloide + 1 kolloidale Infusion + Infusionsbesteck Venenverweilkanülen + Pflaster für die Fixierung Intubationsbesteck und Tubus, evtl. Larynxmaske (bei versehentlicher Extubation); ggf. Ersatz-Trachealkanüle manuelle Blutdruckmessung und Stethoskop Perfusoren Ausreichende Füllung? Akkustand? 3 4 Schlauchverlängerungen (Heidelberger-Verlängerungen) für das MRT Monitor (Achtung Akkukapazität meist nur 30 min), ggf. Netzteil Mobiltelefon (um Hilfe rufen zu können) A-1.3 Spezielle Probleme der MRT-Diagnostik beim Intensivpatienten Auch wenn die MRT oftmals aus diagnostischer Sicht bei neurologischen Patienten von großem Nutzen ist, kommt es durch verschiedene technische und organisatorische Gegebenheiten zu Limitationen in der Anwendung.
4 A-1.3 Spezielle Probleme der MRT-Diagnostik beim Intensivpatienten Technische Probleme relativ lange Untersuchungsdauer (15 20 min) sehr geräuschintensive Untersuchung (bis zu 100 db) beengte Räumlichkeiten (z. B. Problem bei Adipositas) bewegungsfreies Liegen notwendig permanent vorhandenes Magnetfeld im Untersuchungsraum: Feldstärkenlinien markieren den 50-G- (sehr hohe magnetische Anziehungskraft und Gerätefehlfunktionen), 20-G- (hohe Gefahr von Gerätefehlfunktionen) und 5-G-Bereich (Sicherheitslinie keine Gefahr mehr für empfindliche Geräte z. B. Pacer) Artefakte durch Implantate, Kabel, Schrauben, Klammern, Elektroden etc. Kontraindikationen Schrittmacher (es gibt mittlerweile MRTfähige Herzschrittmacher, diese müssen jedoch vor der Untersuchung in den MRT- Modus und danach wieder in den regulären Schrittmachermodus gestellt werden) manche mechanische Herzklappen Gefäßclips aus magnetischen Materialien (meistens nur ältere Clips aus der Vor- MRT-Ära bezüglich der MR-Tauglichkeit siehe implantierte Pumpen wenige Wochen alte Gelenksimplantate Patientenbezogene Probleme mangelnde Kooperation durch Sedierung, fehlendes Verständnis (z. B. Aphasie), geistige Behinderung, Klaustrophobie mangelnde Untersuchungs- und Beobachtungsmöglichkeit des Patienten (Thoraxexkursionen, Auskultation, Hautkolorit, Puls) eingeschränkte Überwachungsmöglichkeit des Patienten physikalische und bauliche Besonderheiten bedingen spezielle, abgeschirmte Geräte im MRT: EKG-Überwachung (nur Extremitätenableitungen) mit speziellem Kohlefaserkabel, Pulsoxymetrie mittels fiberoptischem Kabel, oszillometrische nichtinvasive Blutdruckmessung Verwendung MRT-sicherer Beatmungsgeräte und Spritzenpumpen notwendig (s. Einteilung der American Society for Testing and Material 2005), Beachtung des Medizinproduktegesetzes (MPG) und MPBetreibV (Medizinprodukte-Betreiberverordnung)! Von einer Verlängerung der Perfusorleitungen über mehrere Meter ist dringend abzuraten, da aufgrund der veränderten Druckverhältnisse die Applikation der Förderrate nicht gewährleistet werden kann. Zudem ist dies gemäß MPG und MedBetreibV nicht zulässig. beatmete Patienten lange Beatmungsschläuche (bis zu 4 m) notwendig; cave: erhöhter Totraum mit Gefahr der Hypoventilation Von einer Beutelbeatmung muss unbedingt abgeraten werden (!) Gefahr der! Hypoventilation und Hypoxie, da weder die Beatmungsvolumina noch die Beatmungsdrücke (inklusive PEEP) sinnvoll kontrolliert werden können. kreislaufinstabile Patienten mit hohem Volumen- und Katecholaminbedarf MRT aufgrund der schlechten Überwachungsund Handlungsmöglichkeit nur bei zwingender Indikation und guter Vorbereitung (Reduktion der Untersuchung auf die notwendigen = aussagekräftigen Sequenzen) intensivpflichtige Patienten Atemwegssicherung, Kreislaufstabilisierung und Reanimation müssen gewährleistet werden; daher Notwendigkeit der Vorhaltung entsprechender Geräte, Materialien und Medikamente in unmittelbarer Nähe des Untersuchungsraums (idealerweise Mitnahme eines eigenen bekannten Notfallrucksacks bzw. -koffers)
5 A-1 Organisation und rechtliche Aspekte A-1.4 Crew-Resource- Management (CRM) Patientensicherheit A Was ist CRM? Crew-Resource-Management (CRM) ist Ende der 1970er-Jahre in der Luftfahrt entstanden und sollte die humanen Faktoren in der Entstehung von Flugzeugunglücken untersuchen. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der humanen Faktoren zunehmend auch in den Fokus des Interesses der Medizin (und dort v. a. der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin) gerückt. CRM beinhaltet die zur Verfügungstellung jeglicher humaner, informeller und technischer Ressourcen, um eine effektive und sichere Leistung erbringen zu können. Es handelt sich dabei um einen aktiven Prozess, bei dem die einzelnen (Crew-)Teammitglieder potenzielle Gefahren und Risiken erkennen und untereinander kommunizieren sollen, um diese zu verhindern oder zu minimieren. Hintergrund des Konzepts ist, dass im Bereich der Flugsicherheit v. a. Faktoren der sozialen Beziehungen untereinander eine größere Rolle in der Fehlerentstehung (bzw. critical incidents) spielen als menschliche Fehler oder organisatorische bzw. technische Probleme. Zu diesen Faktoren gehören: schlechte Kommunikationsqualität, inadäquates Informationsmanagement, gestörtes Beziehungsklima und verminderte Belastbarkeit. Im medizinischen Bereich entstehen viele Fehler und Todesfälle durch unerfahrene Ärzte sowie durch neue bzw. unbekannte Prozeduren, v. a. im notfall- und intensivmedizinischen Bereich, aber auch durch fehlerhafte Zubereitung, Applikation oder Dosierung von Medikamenten (Pankin 2006; Weingart 2000). Alleine in Deutschland schätzt man, dass bis Todesfälle im Jahr durch medizinische Fehler verursacht sind (Bericht zum Gutachten des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003). Gerade die Arbeit auf der Intensivstation ist aufgrund ihrer Komplexität, der hohen technischen Anforderungen und der Erfordernis Entscheidungen in kritischen Situationen in kurzer Zeit zu treffen anfällig für Fehler. A Einflussfaktoren auf die Teamperformance Das Team (= Crew) besteht aus einzelnen Teammitgliedern. Diese stellen die menschliche Ressource (human factor) dar, die je nach physischer (Übermüdung, Hunger und Durst, Kopfschmerzen etc.) und psychischer (Unkonzentriertheit, schlechte Laune, Stress, Über-/ Unterforderung, Gelangweiltsein etc.) Verfassung eine bestimmte Tagesform hat. Die Teamleistung wiederum hängt von verschiedenen Faktoren, wie z. B. Leistungsvermögen, Erfahrung, Ausbildung, Algorithmen, Equipment und Kommunikation, ab. Es ist wichtig, Teamstrukturen zu schaffen und diese zu kommunizieren (wer führt, wer hat welche Aufgabe innerhalb des Teams). Zudem sollten in der Medizin die vorhandenen materiellen und immateriellen Ressourcen genutzt und optimiert werden. Zu nennen sind: Personal (Teambildung und Teamwork), Know-how und Ausbildung, Technik und Ausstattung, Organisation. Ursache von Zwischenfällen sind zu ca. 70 % sog. human factors; damit sind soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen gemeint, die oftmals vermeidbare Fehlerquellen darstellen. Häufig sind es nicht mangelndes Fachwissen oder Können, die zu Zwischenfällen führen (ca. 30 % ), sondern Probleme in der Umsetzung des Wissens unter den Bedingungen der Realität oder im Umgang mit der Komplexität sowie mangelnde oder fehlerhafte Kommunikation im Team oder Störungen in der Teambeziehung. Weitere Faktoren sind: Ausbildungs- und Überwachungsprobleme,
6 A-1.4 Crew-Resource-Management (CRM) Patientensicherheit ungenügende (technische und personelle) Ressourcen, Mensch-Maschine-Schnittstellen-Probleme und verschiedene patientenbezogene Faktoren. Wie man sieht sind Zwischenfälle meist multifaktoriell verursacht.! Wichtig ist jedoch: Zwischenfälle sind vermeidbar Fehler nicht! Nach Reason gibt es die sog. Evolution eines Fehlers oder die Fehlerkette (s. Abb. A-1-1): Ein Fehler bedingt meist noch keinen Unfall, die (unglückliche) Verkettung mehrerer Zwischenfälle (= kleiner Fehler) kann jedoch zu einem großen Fehler führen. Grundelemente des Crew-Ressource-Managements sind: Kooperation und Kommunikation: Teamarbeit fördern und aufrechthalten, andere Meinungen beachten, anderen helfen, Konflikte lösen. Grundelemente der Kommunikation: Bei der Kommunikation kodiert der Sender die Nachricht und der Empfänger dekodiert die Nachricht. Dies kann nur unter der Voraussetzung eines gleichen Codes (z. B. gleiche Sprache, gleiche Verständnisebene) funktionieren. Fehler in der Kommunikation: Sender kodiert unklar oder unpräzise (z. B. indirekte Ansprache: Könnte mal jemand... anstatt Kannst du... oder ungenaue Angaben: Gib mal ein bisschen Dormicum. ), Empfänger dekodiert falsch ( Wahr ist, was der Andere wahrnimmt. ), Sprache ist falsch oder nicht eindeutig (z. B. Fachtermini werden nicht verstanden), Rückmeldung fehlt, Sachebene wird nicht beibehalten. Wichtig ist: Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren (Watzlawick), sodass jede Handlung oder Äußerung in irgendeiner Form bei seinem Gegenüber ankommt. Führungsrolle und Management: eigene Autorität behaupten, Leadership und Followership muss glaubhaft und Trigger Error/Violation Problem assoziierte Faktoren Incident/Vorfall a Critical incident human factors + fehlende oder unverständliche Kommunikation Antipathie technische Schwierigkeiten bauliche Bedingungen Müdigkeit fehlendes Wissen Überforderung Abb. A-1-1 a) Evolution eines Fehlers die Fehlerkette; b) Beispiel für eine Fehlerkette. Trigger Error/Violation Problem Incident/Vorfall b Critical incident Patiententransport ins CT: Kommt schnell, wir haben gerade Zeit. Akku vom Monitor ist nach 5 min leer. kreislaufwirksame Tachykardie (HF 160/min, RR 70/50 mm Hg) Medikamente vergessen Einziger intravenöser Zugang liegt para.
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