Beitrag: Deutschlands Steuerbetrüger Streit um Steuergeheimnis und gestohlene Daten

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Deutschlands Steuerbetrüger Streit um Steuergeheimnis und gestohlene Daten Sendung vom 4. Februar 2014 von Ilka Brecht und Thomas Vogel Anmoderation: Emanze im Elend titelte echt garstig die Schweizer Boulevardzeitung Blick. Gemeint ist die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, die im Alpenland Geld auf der hohen Kante hatte. Die Steuern hinterzog sie jahrzehntelang. Zahlte aber später nach. Juristisch ist sie damit raus aus der Sache. Nicht aber moralisch. Doch wie Schwarzer finden auch andere prominente Steuerverweigerer lauter Ausflüchte für ihr Vergehen. Täter? Will keiner von ihnen sein - ob Fußballmanager Hoeneß oder ein Berliner Staatssekretär, der heute wegen eines Schweizer Kontos zurücktrat. Und mancher Steuerflüchtling wehrt sich gar gegen den aufdringlichen Staat, der nach ihm fahndet mithilfe angekaufter Steuer-CDs. Thomas Vogel. Text: Die Schweiz. Einst Lieblingsversteck für deutsches Geld. Doch inzwischen rücken immer mehr Steuerhinterzieher mit der Wahrheit raus, erstatten Selbstanzeige. O-Ton Ulrich Hoeneß, Präsident FC Bayern München: Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich habe Kapitalerträge im Ausland nicht deklariert. Viele sehen sich auch als Opfer. Das Steuergeheimnis werde gebrochen. Sie hätten bezahlt und trotzdem werde ihr Name öffentlich. Homepage Alice Schwarzer: Es gibt Fehler, die kann man nicht wieder gutmachen. Zum Beispiel Rufmord. Steuerfehler aber, wie ich einen gemacht habe, kann man wieder gutmachen. Sie sprechen von Fehlern, selten von Straftaten. Einige sehen die kriminelle Handlung beim Staat, werfen ihm Datendiebstahl vor.

2 Eine Villa in Trier. Hier wohnt einer von denen, die sich nicht als Täter sondern als Opfer sehen. Lutz Scheider ist pensionierter Geschäftsmann mit einem Hang zur Schweiz und ihren Konten. Ich mache seit 30 Jahren jedes Jahr Urlaub in der Schweiz. Und ich fühle mich immer wohl, da habe ich gedacht, bringst auch dein Geld dahin. Das ist eine einfache Erklärung, das hat keinen großen Hintergrund, jetzt, dass ich sage unbedingt in die Schweiz oder weil ich anderen nicht getraut hätte. Nein, es war einmal eines Tages so. Hatten Sie ein schlechtes Gewissen, das Geld ins Ausland zu bringen? Ich kann doch mein Geld hintragen, wo ich will. Zwar können sie sagen, gut, der hat ja von dem Gewinn keine Steuern gezahlt, da gebe ich denen Recht, alles klar. Aber mit meinem Geld kann ich machen, was ich will mit meinem verdienten Geld. Die Steuerfahnder fanden seinen Namen auf einer CD mit gestohlenen Daten aus der Schweiz. Dazu Euro auf einem Konto der Credit Suisse. Kurz darauf stehen sechs Fahnder vor Lutz Scheiders Haus. Also, hier ging das los. Hier waren sie mit drei, vier Leuten drin. Der Rest hat dann hier gesucht und da. Dann sind sie hier ins Gästezimmer, haben sämtliche Schränke aufgemacht, überall reingeschaut. Ja, Sie können sich ja vorstellen, wenn Sie morgens die Tür aufmachen und es heißt, Ihr Haus wird durchsucht, das ist schon ein Schock, den müssen Sie erst mal verkraften. Diese Anwaltskanzlei vertritt Lutz Scheider. Gilbert Haufs- Brusberg findet, dass Deutschland zu Unrecht immer wieder gestohlene Bankdaten aus der Schweiz kauft. Das sei Wirtschaftsspionage. Hehlerei. Und er klagt. O-Ton Gilbert Haufs-Brusberg, Fachanwalt für Steuerrecht: Ich möchte, dass dieser Durchsuchungsbefehl ganz konkret als rechtswidrig, nämlich verfassungswidrig bemakelt wird. Der ist aufzuheben und damit steht fest, dass eine Landesregierung keine Steuer-CDs aus der Schweiz aufkaufen darf. Das Finanzministerium in Mainz hat die Daten-CD im

3 vergangenen Jahr gekauft. Beunruhigt den Minister die Klage von Lutz Scheider? O-Ton Carsten Kühl, SPD, Finanzminister Rheinland-Pfalz: Ich bin guten Mutes, dass unsere vor gut einem Jahr getroffene Entscheidung durch dieses Gericht bestätigt wird. Das heißt, Sie zweifeln nicht an ihrem Entscheid, den Sie damals gefällt haben, diese CD anzukaufen? O-Ton Carsten Kühl, SPD, Finanzminister Rheinland-Pfalz: Nein, hätten wir Zweifel gehabt und hätten wir Zweifel gehabt, die Anlass gegeben hätten, es nicht zu tun, dann hätten wir es nicht getan. In der Villa von Lutz Scheider stellten die Steuerfahnder alles auf den Kopf. Suchten in Blumentöpfen, Reisekoffern und im Weinkeller. Doch ohne Erfolg. Jetzt will Lutz Scheider seine versteckten Bankunterlagen selbst rausrücken. Ich werde selbst eine Steuererklärung abgeben, wo ich alles offenlege. Und trotzdem klagen Sie? Ja, trotzdem klage ich. Weil ich es als ungerecht empfinde, was da abläuft. Finanzamt Trier. Der Leiter der Steuerbehörde, Jürgen Kentenich, ist empört über die Scheinheiligkeit des Steuerbetrügers. Lutz Scheider sei bei einer Straftat erwischt worden. Doch statt einfach reumütig zu zahlen, greife er die Behörden an. O-Ton Jürgen Kentenich, Leiter Finanzamt Trier: Mich wundert in dem Zusammenhang immer, dass Leute, die ja eine Straftat begangen haben, die Steuerhinterziehung, jetzt auf eher glaube ich - moralische Aspekte immer hindeuten. Wo ich dann fragen würde: Was ist mit deiner Moral, wieso hast du eigentlich die Steuerhinterziehung begangen? Also, das wundert mich dann schon ein bisschen. Lutz Scheider auf dem Weg zum Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz. Er will klarmachen: Die Hatz auf Leute wie ihn

4 müsse gestoppt werden. Mitschnitt Nachrichten / O-Ton Autoradio: "In Deutschland zeigen sich immer mehr Steuerhinterzieher selbst an. Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, hat sich die Zahl der Selbstanzeigen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht." Den letzten, die sich jetzt noch nicht selbst angezeigt haben, den sagt man, jetzt hast du noch die Gelegenheit dazu. Haben Sie es bereut, dass Sie sich nicht selber angezeigt haben? Nein. Eine Selbstanzeige empfindet er als Einknicken vor dem Staat. Strafrechtler hingegen sehen in der Selbstanzeige ein fragwürdiges Privileg für Steuerbetrüger - wie ihn. O-Ton Peter Alexis Albrecht, Kriminologe: Im Grunde ist es ein Deal mit Kriminellen. Die redlichen Menschen, die rund um die Uhr arbeiten und ihre Steuer eingezogen erhalten, die sind die Dummen. Das ist also schlimmstes Mittelalter und das gehört raus aus dem Strafrecht. Der Landesverfassungsgerichtshof in Koblenz. Verhandlung über die Frage: War es zulässig, das Haus von Lutz Scheider aufgrund von gestohlenen Daten einer Schweizer Bank zu durchsuchen? Für die Gegenseite ist der Fall eindeutig. O-Ton Siegfried Jutzi, Justizministerium Rheinland-Pfalz: Es ist kein Kavaliersdelikt, Steuern zu hinterziehen. Man entzieht damit den Anteil, den man erbringen muss, für die Gemeinlasten. Noch gibt es kein abschließendes Urteil. Lutz Scheider jedenfalls will bis zur letzten Instanz kämpfen. Abmoderation: Über drei Milliarden Euro hat der Bund seit 2010 an Steuer- Nachzahlungen eingetrieben durch die Daten auf Steuer-CDs. Und die meisten Selbstanzeigen gab es in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

5 Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.