Rollei Retro 80s als Universalfilm

Transkript

1 Rollei Retro 80s als Universalfilm Ausgangssituation Rollei 80s beruht auf dem Luftbildfilm Avi Pan 80 von Agfa. Er steht als Kleinbildfilm, Rollfilm 120 und Rollfilm 127 zur Verfügung. bei Abnahme einer größeren Menge kostet die Rolle etwa 3. Agfa liefert ein Datenblatt: In den Schwärzungskurven lässt sich - bezogen auf den Standardentwickler G74, eine Schwäche in den Schatten erkennen. Die Kennlinie in die Lichter hinein ist sehr linear. Luftbildfilme sind Dünnschichtfilme - wegen der Auflösung. Solche Filme vertragen Fehlbelichtungen nicht gut und gehören in die Hände von Fotografen, die zumindest etwas Erfahrung haben. Der Film ist - angepasst auf das Einsatzgebiet - stärker rotempfindlich als herkömmliche SW-Filme. Er hat damit eine gewisse Infrarottauglichkeit. Bei blaubetontem Licht (blauer Himmel oder Elektronenblitz) ist die erreichbare Empfindlichkeit herabgesetzt. Die Firma Maco hat an zahlreiche Interessenten Probefilme versandt. Als Entwickler wurden Rollei RLS und RHS empfohlen. Einige der Empfänger berichteten im Aphog-Forum über die Erfahrungen. Insgesamt zeigt sich folgendes Bild: - Sehr viele Anwender beklagen unter Verwendung von Rollei RHS harte Negative (bei 80 ASA eingestellter Empfindlichkeit). Es wurde gelegentlich wurde bezweifelt, dass sich der Film zu normaler Gradation verarbeiten und sich damit ein Bildeindruck wie z.b. APX 100 oder auch APX 25 erreichen ließe. - Es scheint Entwickler zu geben, die 80 ASA effektive Empfindlichkeit schaffen und dennoch homogene Grauwerte erzielen. Bildbeispiele hierfür liefert der Belgier Guy Meurs unter Verwendung von Ilford DD. Vorüberlegungen Der von Maco empfohlene Entwickler Rollei RLS (identisch CG512) ist ein Feinstkornentwickler, der auf Metol ohne den Regenerator Hydrochinon basiert (ähnlich Perceptol). Damit erreicht man die hohe Kantenschärfe von Rodinal, da der Effekt der Entwicklerverarmung in Schichtnähe in ähnlicher Weise eintritt. Dies nun aber nicht zu Lasten des Korns (wie bei Rodinal) sondern als Feinstkornentwickler. Man "bezahlt" dafür mit 3 DIN Empfindlichkeitsverlust. Somit wird die Kombination Rollei 80s/RLS vor allem für Kleinbildfotografen mit hohen Auflösungsansprüchen gerecht.

2 Man verlässt allerdings damit das Empfindlichkeitsgebiet der 100-ASA-Filme. Es ist lohnend zu erforschen, wie diese Kombination ein ausgeglichenes Negativ ergibt, was sich bildmäßig unproblematisch weiterverwenden lässt. Auf Ausnutzung der aufgedruckten Empfindlichkeit muss wohl verzichtet werden. Da der Film ohnehin sehr feinkörnig ist, ist es lohnend zu prüfen, ob 80 (oder besser 100) ASA Empfindlichkeit erreichbar sind, bei möglichst wenig Zugeständnissen an die Körnigkeit. Damit würde der 80s zu einem nicht zu teuren Allgebrauchsfilm -- wenn es gelänge, von den Grauwerten her ausgeglichene Ergebnisse zu erzielen. Für diese Aufgabe bieten sich Phenidon/Hydrochinon-Entwickler mit hohem Sulfitgehalt an. Phenidon+Regenerator erzielt eine gute Empfindlichkeitsausnutzung, ein hoher Sulfitanteil wirkt dem Aufsteilen entgegen. Dies scheint bei diesem Film nötig zu sein. In Frage kommen Rollei RHS (=Amalco 74), Tmax-Entwickler (fast identisch Ultrafin Plus) bei 1+4 oder Microphen Stammlösung bei nicht zu langen Entwicklungszeiten: - Microphen ist ein Phenidon-Hydrochinon-Borax-Entwickler - RHS ist ein Phenidon-Hydrochinon-Soda-Entwickler - TMax und UF+ sind Pyrazolidon-Vitamin C-Borax-Entwickler. Pyrazolidon wurde als Substitut für Phenidon entwickelt, mit dem Ziel längerer Haltbarkeit in Lösung. Außerdem prüfte ich Rodinal, weil sich dieser Entwickelr bequem benutzen läst und ich viel Erfahrung damit habe. Vorgehensweise Die Fa. Maco schickte mir für diesen Test unentgeltlich einige Rollfilme Rollei 80s sowie je eine Flasche RLS-Entwickler und RHS-Entwickler. Ich erbat Rollfilme, da man auf den Negativen und auf dem Kontaktabzug mehr sieht. Ich belichtete alles Material mit einer Rolleiflex 3,5F und benutzte deren Belichtungsmesser, der sehr genau ist. Als Motiv wählte ich eine Dorfkirche, die von einer verhangenen Sonne (hohe, recht dichte Schleierwolken) beleuchtet wurde. dies ist ein typisches, aber kein extremes Motiv. Kritisch ist einerseits die Schattenzeichnung der efeubewachsenen Mauer und andererseits die Lichtertrennung linke Seite der Kirche gegen den hellen Himmel. Ich fotografierte mit einer Rolleiflex 3,5F, welche ein sehr gutes Planbar-objektiv enthält. Die Belichtung maß ich integral mit dem eingebauten Belichtungsmesser, weil ich damit die meisten Erfahrungen habe. Insgesamt sozusagen eine praxisgerechte Situation. Ich belichtete einige Filme mit diesem Motiv, immer im Wechsel mit 80, 450 und 20 ASA effektiver Empfindlichkeit. Auf diese Weise habe ich homogenes Material für zahlreiche Tests.

3 Ich entwickelte in vier Entwicklern: RLS, RHS, Rodinal und Microphen. Den letzteren benutze ich, weil ich weiß, dass dieser Entwickler eine gute Empfindlichkeitsausnutzung gestattet. Ich untersuchte zwei Probleme: - Der Gesamtkontrast: Kann man für dieses recht kontrastreiche Motiv ausgeglichene Negative erhalten? - Die Empfindlichkeit: Ist es möglich, in die 100-ASA-Klasse vorzudringen, d.h. wenigstens 80 ASA reale Empfindlichkeit zu erzielen? Nach einigen Tests, die im Lerneimer landeten, sah ich mir die folgenden Resultate näher an: - RLS 1+4, 10 Minuten, 24 - RHS, 1+15, 6 Minuten, 20 - Rodinal 1+50, 13 Minuten, 16 - Microphen pur, 6 Minuten, 20 - Microphen pur, 8,5 Minuten, 20 Ergebnisse Die nutzbare Empfindlichkeit beurteile ich an der efeubewachsenen Mauer: - RLS: 40 ASA gut nutzbar, 80 ASA enthält Rest-Zeichnung (nur sehr schwer nutzbar) - RHS: 20 ASA gut nutzbar, 40 ASA enthält Rest-Zeichnung - Rodinal: 80 ASA sind nutzbar, 60 ASA wären besser - Microphen 6 Minuten: 40 ASA sehr gut nutzbar, 80 ASA enthält Zeichnung - Microphen 8m5 Minuten: 80 ASA ist kräftig überbelichtet, effektive Empfindlichkeit etwa 120 ASA (ermittelt an den Belichtungszeiten der Positive) Die Entwicklungskosten je Film: - RLS: 1 - RHS: 40 - Rodinal : 30 - Microphen: 70 Erstaunlich ist das schlechte Abschneiden von RHS. Ich vermute, dass die hohe Verdünnung zu einem so geringen Sulfitgehalt führt, dass die Rücklösekraft nahe Null ist. Damit steilen die Filme auf und forcierte Entwicklung führt zu dem Fiasko extremer Härte. Dies wurde von einigen Fotofreunden auch berichtet. Denkbar wären Experimente mit einer geringeren Verdünnung; dies habe ich aber nicht erprobt. Abzüge Retro 80s und RLS (40 ASA) ergibt lt. Herstelleraussage ein sehr geringes Korn und eine hohe Schärfe. Mit dieser Kombination werden die zufrieden sein, die einen 25-ASA-Film höchster Auflösung benutzen wollen. Wenn Schärfe und Korn

4 stimmen, hat man sogar eine knappe Blende Empfindlichkeitsvorteil. Retro 80s und Microphen (120 ASA) ergibt einen Allgebrauchsfilm der 100-ASA-Klasse. Wenn man dem Film vertrauen darf, mit einem geringeren Korn als klassische 100er Emulsionen (nicht verglichen). Die Entwicklung in Rodinal ergibt keine Vorteile, außer einer kleinen Einsparung von Entwicklungskosten. Von allen drei Kombinationen habe ich Abzüge gemacht. Rollei RLS ließ sich unproblematisch auf das Papier bringen. Ich verwendete Gradation 3. Die Mauer wurde 1/3 Blende zurückgehalten, der Himmel 1/3 Blende nachbelichtet. Das Ergebnis ist gut, die Schatten sind durchgezeichnet, der Himmel hat etwas Deckung (im Scan schwer zu sehen) und die Tonwerttrennung Kirche-Himmel gelingt einigermaßen: Die Körnigkeit wurde am Ausschnitt einer 11-fachen Vergrößerung (60x60 MF oder knapp 30x40 für KB) beurteilt. Unter dem 20-fach Kornscharfsteller hatte ich Mühe, das Korn zu sehen. Hier ein hochaufgelöst eingescannter Ausschnitt zu sehen, der auf dem Negativ 9 mm einnimmt. Wenn dieser am Bildschirm 25 cm breit ist, entspricht dies einer Bildgröße

5 von 1m40 vom Mittelformat bzw. einer Bildbreite von 90 cm vom Kleinbild. Die Schärfe und Auflösungskraft ist überzeugend - an der Fichte kann jede Nadel erkannt werden. Microphen 8,5 Minuten war deutlich überbelichtet oder überentwickelt. Für die wirkliche Verwendung muss man entweder die Entwicklungszeit reduzieren (und damit die Lichter schonen) oder die effektive Empfindlichkeit über 80 ASA hinaus erhöhen. An Hand der Papierbelichtungszeit bestimmte ich die effektive Empfindlichkeit zu 120 ASA - hierfür mögen die gezeigten Ergebnisse stehen. Das Belichtungsschema ist identisch dem von RLS. Rechts ist im folgenden Bild ein Lichteinfall zu sehen, hierauf ist der Film empfindlich. Die belichteten Filme gehören in die schwarzen Container und sollten erst im Wechselsack entnommen werden, da der Lightpiping-Effekt einen kleinen Lichteinfall am Rand bis weit ins Bild leitet. Die Durchzeichnung der Mauer ist gut, aber die starke Empfindlichkeitsausnutzung gefährdet die Lichter. Der Himmel ist glattweiß (wieder am Bildschirm schlecht zu sehen) und die Tonwerttrennung Kirche/Himmel ist schlecht. Dennoch ist es erstaunlich, wie sehr ähnlich sich die beiden Abzüge auf den ersten Blick sind:

6 Korn und Auflösungsvermögen sind merklich schlechter, an das Erkennen der Nadeln ist nicht zu denken:

7 Vom Rodinal-Bild habe ich nur eine Übersichtsvergrößerung angefertigt: Die Tontrennung der Kirche gegen den Himmel gelingt gut. Im Abzug ist nicht zu sehen, dass in Rodinal die hellen Lichter aufsteilen, das gilt hier für den Himmel. Die Durchzeichnung des Efeus ist ausreichend, allerdings ist der Kontrast an dieser Stelle der Kennlinie geringer. Eine Erhöhung der effektiven Empfindlichkeit um eine halbe Blende würde dies verbessern, schadet aber den Lichtern. Die Detailauflösung wurde nur mit dem Mikroskop am Negativ erforscht. Sie liegt im Bereich dessen, was Microphen leistet allerdings bei einer deutlich höheren effektiven Empfindlichkeit. Dennoch ist die Schärfe und Detailabbildung gut und durchaus praxistauglich. Fazit Rollei 80s kann bei angemessener Entwicklung zu zwei Zwecken dienen: - Als Allgebrauchsfilm der 100-ASA-Klasse mit verhältnismäßig geringer Körnigkeit und vernünftiger Tontrennung - Als Hochauflösungsfilm mit 40 ASA mit exquisiter Tontrennung Schwierige Lichtsituationen werden bewältigt. Extrem hartes Licht erfordert ggf. eine halbe Blende mehr Licht.