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- Annika Kruse
- vor 8 Jahren
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1 Information für die Lehrkräfte zur Einordnung in die Rahmenrichtlinien 1. Rahmenrichtlinien für das Gymnasium, Schuljahrgänge 7 10, Geschichte. 2. Rahmenrichtlinien für das Gymnasium gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschulen gymnasiale Oberstufe, das Fachgymnasium, das Abendgymnasium, das Kolleg Geschichte Aufgaben und Ziele des Geschichtsunterrichts. Einordnung in: a. Mensch und Gesellschaft b. Gleichheit und Ungleichheit Dimensionen historischer Forschung. Einordnung in: a. Geschlechtergeschichte b. Sozialgeschichte Methodenlernen und methodisches Handeln. Einordnung entsprechend des jeweiligen Unterrichtsstoffes in: a. genetisch-chronologische Untersuchung b. Längsschnitt c. Querschnitt d. Einzelfalluntersuchung Materialien und Medien: a. Sekundärliteratur b. Schriftliche Quelle c. Statistik d. Bildquelle (Karikatur) Einordnung in die Themenbereiche/Rahmenthemen: a. Themenbereich 10: Nationalstaat, Nationalismus, Imperialismus (Schuljahr 9). b. Wahlpflichtunterricht: Frauenarbeit, Mädchenbildung und Berufsausbildung für Frauen. c. Rahmenthema 1: Die Auseinandersetzung um Frieden, Freiheit und Einheit, z.b. Der Wandel der Geschlechterbeziehungen in Deutschland unter dem Einfluss der liberalen und sozialen Herausforderungen der modernen Industriegesellschaft, Schuljahr
2 Grundinformation: Wie vieler Augen waren auf sie gerichtet! Die ersten Abiturientinnen in Hannover Höhere Mädchenbildung im 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert wurde streng zwischen der höheren Bildung für Jungen und der für Mädchen unterschieden. Bürgerliche Jungen konnten unter verschiedenen gymnasialen Schulformen und Realschulen wählen. Der jeweilige Schulabschluss berechtigte sie, in die unterschiedlichen Dienstlaufbahnen einzutreten oder bestimmte Fächer an den Universitäten zu studieren. Für die Allgemeinbildung bürgerlicher Mädchen gab es nur die höheren Mädchenschulen, die die Schülerinnen nach neun oder zehn Jahren ohne einen formal qualifizierenden Abschluss entließen. Die Beamtenlaufbahn oder ein Universitätsstudium war den Mädchen verwehrt. Seit den 1880er Jahren setzten sich Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung für eine Angleichung der Mädchenbildung an die gymnasiale Jungenbildung ein. Sie verlangten, das der Staat auch den Mädchen generell erlaubte, das Abitur zu machen und anschließend zu studieren (vgl. Q 1). Gegner und Förderer gymnasialer Bildung für Frauen Mit ihren Forderungen nach dem Abitur und der Studienberechtigung für Mädchen stießen die Vertreterinnen der Frauenbewegung auf Gegenwehr aus verschiedenen Kreisen: Mediziner meinten, Frauen wären körperlich und geistig nicht für ein Studium geeignet; Theologen sahen den natürlichen Beruf der Frau als Gattin, Hausfrau und Mutter bedroht; Politiker beklagten den Verlust typisch weiblicher Eigenschaften wie z.b. Gefühlswärme und Naivität. Selbst Lehrer der höheren Mädchenschulen gehörten zu den Widersachern: Sie fürchteten die Konkurrenz durch ein Gymnasium für Mädchen. Aber auch viele Eltern hielten noch am traditionellen Bildungsweg fest. Demgegenüber standen Eltern, die eine verbesserte Ausbildung ihrer Töchter begrüßten, weil sie erlebten, dass die bürgerlichen Frauen immer später oder gar nicht heirateten. Sie suchten Mittel und Wege, um den finanziellen und sozialen Status ihrer Töchter zu sichern. So kam es dazu, dass am Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Eltern eine gymnasiale Bildung für ihre Töchter wünschten oder die Bildungswünsche ihrer Töchter unterstützten. Gymnasiale Kurse für Mädchen Der Staat weigerte sich lange Zeit, den Forderungen nach einer gymnasialen Bildung für Mädchen nachzukommen. Deshalb richteten Eltern und weitere Förderer der gymnasialen Mädchenbildung zahlreich private Mädchengymnasien bzw. so genannte gymnasiale Kurse ein. Darin konnten sich Mädchen systematisch auf das Abitur vorbereiten. Hedwig Kettler 1 ( ), 1888 Mitgründerin des Deutschen Frauenverein Reform (ab 1891 Verein Frauenbildungs-Reform), gehörte zu den Vertreterinnen, die eine gleiche Bildung für Männer und Frauen forderten. Sie wandte sich gegen alle Argumente, die aufgrund von vermeintlich geschlechtsspezifischen Wesensmerkmalen verschiedene Bildungswege für die Geschlechter favorisierten (vgl. Q 1). Hedwig Kettler lebte ab 1893 in Hannover. Ihrem Engagement ist es wesentlich zu verdanken, dass in der Stadt Hannover zu Ostern 1899 Gymnasialkurse für Mädchen eröffnet wurden. Die Kurse konnten im Anschluss an die höhere Mädchenschule besucht werden und dauerten Jahre bestand die erste Gruppe von Absolventinnen das Abitur vor der ihnen fremden Prüfungskommission eines Jungengymnasiums, denn die Lehrkräfte der Kurse durften noch kein Abitur abnehmen (vgl. Q 2). Erst nach der preußischen Mädchenschulreform von 1908 wurden die Kurse in ein reguläres Mädchengymnasium, in eine so genannte realgymnasiale Studienanstalt, umgewandelt. Hürden und Sackgassen in Studium und Beruf Die überwältigende Mehrheit der Abiturientinnen äußerte konkrete Studienwünsche (vgl. Q 2). Doch Studium und Berufstätigkeit waren Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso wie die gymna-
3 10 1 siale Schulbildung für Mädchen mit Behinderungen und Beschränkungen verbunden: erst ab 1908 konnten sich Frauen in allen deutschen Staaten als Ordentliche Studentinnen einschreiben; es gab unterschiedliche Zulassungsbedingungen für Männer und Frauen; die Teilnahme an staatlichen und kirchlichen Abschlussprüfungen, die erst zum Eintritt in bestimmte akademische Berufe berechtigte, gestand man Frauen nur zögerlich zu. Zuerst öffnete der Staat den Frauen das Medizin- und das Lehramtstudium. Neben diesen Behinderungen mussten sich die ersten Studentinnen mit ihrer Paradiesvogelsituation an den deutschen Universitäten und im gesellschaftlichen Leben auseinandersetzen (vgl. Q 3). 1 Hedwig Kettler wird auch verschiedentlich Johanna Kettler genannt. Vgl: Karin Ehrich, Wie vieler Augen waren auf sie gerichtet! Die ersten Abiturientinnen in Hannover, in: Dies. und Christiane Schröder (Hg.): Adlige, Arbeiterinnen und... Frauenleben in Stadt und Region Hannover, Bielefeld 1999, S Quelle 1: Johanna Kettler: Gleiche Bildung für Mann und Frau (1891) (...) Wer nun der Ansicht ist, daß wir den weiblichen Arzt brauchen, der muß auch zugeben, daß wir das Mittel zur Erlangung desselben brauchen: Gymnasium und Universität. Und wer der Ansicht ist, daß wir bessere Gattinnen und Mütter brauchen, als wir sie heute durchschnittlich haben können infolge ihrer mangelhaften Bildung, der muß auch zugeben, daß wir das Mittel zur Erlangung derselben brauchen, das Mittel, welches die künstliche Entfremdung zwischen den Geschlechtern beseitigen würde: gleiche Bildung für beide Geschlechter. (...) Diese Gleichheit in der Erziehung der beiden Geschlechter ist es, die wir erstreben, zum Wohle der Frau und damit zum Wohle des Mannes. Wir halten diese Reform für notwendig, weil wir ihre Resultate für notwendig halten. Auf diese notwendige Reform möchte ich Ihre Aufmerksamkeit aber noch aus einem anderen Grunde richten, aus einem Grunde, der in meinen Augen der umfassendste, tendenziös wichtigste ist. Sie wissen, meine Damen, was Frauenemanzipation ist; ich meine, was Frauenemanzipation ist, verglichen mit dem, was man vielfach irrtümlich darunter versteht. Nun denn! nichts kann für die Vertreter dieser Frauenemanzipation von größerer Bedeutung sein, als eine Untersuchung über die Ursache, welche, wie man behauptet, die Unterordnung der Frau, also jenen Zustand herbeigeführt hat, der von der Emanzipation bekämpft wird. Für die Ursache dieses Zustandes erklärt man die angeborene geistige Inferiorität der Frau. Diese hält man für erwiesen. Die Resultate einer der Frau gewährten schlechteren Schulbildung vergleicht man mit den Resultaten einer dem Manne gewährten besseren Schulbildung; und da diese Resultate genau diesen beiden Arten von Schulbildung entsprechen d.h. da die Leistungen der schlecht unterrichteten Frauen im Vergleich zu denen der gut unterrichteten Männer im allgemeinen inferior sind so folgert man daraus die angeborene geistige Inferiorität der Frau. Da, wie gesagt, diese Folgerung die Basis bildet für die heutige Behandlung der Frau, so müssen die Vertreter der Frauenemanzipation, welche diese Behandlung als eine unhaltbare erweisen wollen, zunächst den Beweis erbringen können, daß die Basis dieser Behandlung eine unhaltbare ist: die Annahme von der angeborenen geistigen Inferiorität der Frau. (...) Zwei Pflanzen, die man in die Sonne gestellt hat, kann man miteinander vergleichen. Zwei Pflanzen, die man in den Schatten gestellt hat, kann man auch miteinander vergleichen. Aber zwei Pflanzen, von denen man die eine in die Sonne und die andere in den Schatten gestellt hat, die kann man nicht miteinander vergleichen. Denn wenn eine Pflanze, die man in die Sonne stellte, eine schönere Blüte treibt als eine andere, die im Schatten stand, hat sie dann bewiesen, daß sie eine bessere, eine kräftigere Pflanze ist als diese? Mir scheint, sie hat ganz
4 einfach bewiesen, daß ihr die Sonne besser bekommen ist, als der anderen Pflanze der Schatten, und daß sie deshalb schöner geblüht hat. Will man zwei Pflanzen miteinander vergleichen, so muß man sie ganz gleich behandeln: entweder beide in die Sonne oder beide in den Schatten stellen. Wenn sie sich dann noch ungleich entwickeln sollten, dann hätte man ein Recht zu sagen: Diese beiden Pflanzen haben sich bei der gleichen Kultur ungleich entwickelt, also haben sie verschiedene Natur. (...) Aus: Die Frau ist frei geboren: Texte zur Frauenemanzipation, Bd. 2: , hrsg. u. kommentiert von Hannelore Schröder, München 1981, S. 232ff. 1. Erläutern Sie die Forderung von Johanna Kettler nach gleicher Bildung für Männer und Frauen anhand der angeführten Begründungen. (Zeile 1 9) 2. Beschreiben Sie, wie Johanna Kettler die vorherrschende Meinung von der geistigen Inferiorität der Frau erklärt. Überlegen Sie, welche Position J. Kettler vertritt. (Z 10 26) 3. Vergleichen Sie dazu ihre Überlegungen zur Überprüfung der unterschiedlichen männlichen und weiblichen Natur. (Z 28 38) 4. Heute haben Mädchen und Jungen die gleichen Bildungsangebote, trotzdem gibt es Unterschiede im Bildungsverhalten von Mädchen und Jungen. Überlegen Sie, welche Unterschiede es gibt und diskutieren Sie, worauf diese zurückzuführen sind.
5 Quelle 2: Übersicht über die Absolventinnen der (real)gymnasialen Kurse für Mädchen in Hannover Aus: Schmidt, H., Städtische Realgymnasialkurse für Mädchen zu Hannover, , Hannover Beschreiben Sie anhand der Tabelle das Alter der Abiturientinnen, ihre Konfession, ihre soziale Herkunft und ihr erwähltes Studienfach.
6 2. Überlegen Sie, wie die Zusammensetzung der Klassen aufgrund des Alters, der Konfession und der sozialen Herkunft der Schülerinnen gewesen war. Welche Auswirkungen konnte dieses auf das Lernverhalten und den Schulalltag der Schülerinnen gehabt haben? 3. Um die Konfessionszugehörigkeit und die soziale Herkunft der Abiturientinnen angemessen interpretieren zu können, reichen die Angaben in dieser Tabelle nicht aus. Stellen Sie eine Übersicht der Informationen zusammen, die Ihrer Meinung nach für eine angemessene Interpretation zur Verfügung stehen müssten. Quelle 3: Das Bild der Studentinnen in der Öffentlichkeit Die Doktorandin Aus: Glaser, Edith, Hindernisse, Umwege, Sackgassen. Die Anfänge des Frauenstudiums in Tübingen ( ), Weinheim 1992, S Dem ernsten Bemühen der Frauen ihr Studium zu absolvieren standen verulkende Darstellungen in Witzblättern und satirischen Zeitschriften gegenüber. Beschreiben Sie, mit welchen Attributen die Doktorandin ausgestattet wurde. Welche Tendenzen verfolgt der Karikaturist? 2. Überlegen Sie, welche Auswirkungen dieses auf die erste Studentinnengeneration gehabt haben könnte.
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