Multimodales Konzept statt Monotherapie mit Antibiotika Un concept multimodal au lieu d une monothérapie par antibiotique
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- Annegret Klein
- vor 8 Jahren
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1 Rezidivierende Blasenentzündungen Cystites récidivantes Multimodales Konzept statt Monotherapie mit Antibiotika Un concept multimodal au lieu d une monothérapie par antibiotique Julia-Christina Münst, Marlies von Siebenthal, Jakob Eberhard, Volker Viereck, Frauenfeld Rezidivierende Blasenentzündungen bei Frauen aller Altersgruppen werden in der Praxis zu einem immer grösseren Problem nicht etwa aufgrund von Antibiotikaresistenzen, sondern wegen stets neu aszendierender Darm- und Hautbakterien des Wirts. Deren Aszension zu verhindern, ist anspruchsvollste Aufgabe der Behandlung. Erforderlich ist ein individuell adaptiertes, multimodales Konzept, welches die natürlichen Abwehrmechanismen wieder herstellt. Les cystites récidivantes chez les femmes de tous les groupes d âge constituent un problème de plus en plus important dans la pratique non pas du fait de la résistance aux antibiotiques mais en raison de nouvelles bactéries intestinales et de la peau de l hôte toujours ascendantes. Eviter leur ascension est la tâche la plus exigeante du traitement. Il est nécessaire de disposer d un concept multimodal adapté individuellement qui rétablit les défenses naturelles. Rezidivierende Blasenentzündungen sind in der täglichen Praxis ein sehr aktuelles Thema. 50% aller Frauen leiden unter sporadischen Zystitiden. Immer häufiger entstehen daraus rezidivierende Entzündungen Infekte nach jeder Kälteexposition, nach Intimverkehr oder nach körperlichen und psychischen Belastungen. Sie treffen Jung und Alt und führen, je länger und häufiger sie auftreten, zu massiver Verunsicherung und beeinträchtigen die Lebensqualität im Beruf und bei Freizeitaktivitäten, die Sexualität und die Partnerbeziehung. Junge Frauen weisen meist typische Entzündungszeichen wie Blasenschmerzen und Pollakisurie auf. Ältere Frauen dagegen bemerken diese Infektsymptome oft nicht. Sie klagen eher über Dranginkontinenz (OAB wet) und unangenehmen Uringeruch, was zu einer sozialen Isolation und depressiven Verstimmung führen kann. Bei guter Therapie und anschliessend konsequenter Prophylaxe sind solche Verläufe vermeidbar und reversibel. Möglich sind drastische Senkungen der Rezidivinfektraten und auch Langzeitheilungen. So zeigten Renard et al. in einer neueren Arbeit bei Frauen, welche eine orale Impfung eingenommen hatten, nach sechs Monaten eine Reduktion der Infektepisoden um 59%, der Angstsymptome um 36% und der depressiven Symptome um 25% [1]. Mehr als drei Infekte pro Jahr Die rezidivierende Blasenentzündung ist definiert durch 3 Infektepisoden pro Jahr [2]. Dabei sollte der Infekt mittels Urinkultur nachgewiesen sein. Bei den rezidivierenden Zystitiden handelt es sich meist um Re-Infektionen und nicht um eine Erregerpersistenz. Die Problematik der rezidivierenden Blasenentzündungen ist sehr gross, besonders in der Adoleszenz und in der Geriatrie. In unserem Blasen- und Beckenbodenzentrum sehen wir täglich zahlreiche neue Betroffene mit langwierigen Leidensgeschichten, die wir nach einfacher Abklärung so lange behandeln und in der Prophylaxe anleiten, bis eine Heilung der Entzündung oder mindestens ein relevanter Rückgang der Rezidivhäufigkeit erreicht wird. Probleme machen uns dabei weniger die Resistenzentwicklungen. Selbst bei Problemkeimen handelt es sich beim nächsten 28
2 HAUSARZT PRAXIS 2013; Vol. 8, Nr. 11 MEDIZIN AKTUELL Infekt oft wieder um einen banalen, auf die meisten Antibiotika sensiblen Erreger. Die Antibiotikaresistenz ist eher ein Problem anderer Infektlokalisationen wie z.b. der oberen Harnwege. Gestörte Körperabwehr Bei der Therapie und Prophylaxe rezidivierender unterer Harnwegsinfekte der Frau interessieren uns weniger die Erreger als der Zustand des Wirts und seine Abwehrmechanismen [3]. Die Infekte entstehen durch Keimaszension von Erregern der Standortflora, die im Enddarm und auf der Haut im Intimbereich natürlicherweise vorhanden sind. Sie steigen bei einer oft gestörten Vaginalflora durch die Urethra bis in die Blase auf. Die kurze Ureth ra der Frau erleichtert diese Aszension. Bei einfacher Blasenentzündung sind E. coli mit etwa 80% die häufigsten Erreger, seltener werden Enterokokken, Klebsiellen und Proteus nachgewiesen [4]. Negative Urinkulturen? Bei rezidivierenden Blasenentzündungen ist die Kultur oft negativ in bis zu 50% der Fälle. Dies schliesst jedoch einen Infekt nicht aus. So gibt es Erreger, die in der normalen Urinkultur nicht kultivierbar sind. Nur zu einem kleinen Teil können solche Infekte mit anderen Spezialmethoden erfasst werden (z.b. Chlamydien, Ureaplasmen und Mycoplasmen). Es kann auch ein «okkulter» chronischer Blasenwandinfekt vorliegen, der sich als Zystitis zystica zystoskopisch darstellen lässt. Des Weiteren kann es sich um eine chronische Entzündung der periurethralen Skeneschen Drüsen handeln, ein sog. Urethralsyndrom mit schmerz haft indurierter, druckdolenter Harnröhre, urethraler Dyspareunie und typischen postkoitalen Blasenentzündungen. Auch vulväre Dermatosen können subjektive Symptome einer urogenitalen Entzündung auslösen, z.b. ein Lichen sclerosus/planus oder eine Atrophie (Atrophe Vulvitis und Kolpitis). Eine gesunde Haut- und Schleimhautbarriere bildet die Grundlage für eine intakte urogenitale Infektabwehr. Drei Häufigkeitsgipfel Es gibt drei Häufigkeitsgipfel für Blasenentzündungen im Leben einer Frau. Säuglinge und Kleinkinder: Bei der ersten Gruppe der Säuglinge und Kleinkinder handelt es sich meist um noch unentdeckte oder noch nicht behandelte Fehlbildungen und um Schmierinfektionen. Sexuell aktive, prämenopausale Frauen: Bei der zweiten Gruppe, den sexuell aktiven, prämenopausalen Frauen, wird die einfache Zystitis mit einer Inzidenz von 0,5 0,7 Harnwegsinfekten pro Personenjahr angegeben [5]. Bei zeitnah zum Intimverkehr auftretenden Blasenentzündungen ist dies der Risikofaktor. Wir sehen bei postkoitalen Blasenentzündungen oft Symptome eines sog. Urethralsyndroms mit einer schmerzhaft indurierten Harnröhre und negativer Urinkultur, teils finden wir aber auch positive Urethralabstriche auf Ureaplasmen, Mycoplasmen oder Chlamydien. Auffällig ist in den letzten Jahren eine Zunahme rezidivierender Blasenentzündungen insbesondere bei jungen Frauen. Ursachen dafür können übertriebene Intimhygienemassnahmen sein und enge, ungünstige Bekleidungen wie Strings, die mit Hautreizungen einhergehen können. Des Weiteren kann eine hormonale Kontrazeption, besonders Pillen mit niedrigem Östrogenanteil, zu trockener Schleimhaut oder gestörtem Scheidenmilieu mit erhöhter Infektanfälligkeit führen. Bei geschwächter Immunabwehr sehen wir sogar Blasenentzündungen mit an sich apathogenen Keimen wie Lactobazillen. Postmenopausale Frauen: Die dritte Gruppe sind die postmenopausalen Frauen. In der Postmenopause führt der massive Abfall der Östrogene zur Atrophie der Vaginalhaut. Die Folgen sind ein Rückgang der Milchsäurebakterien (Lactobazillen), ein Anstieg des ph-werts und die Besiedelung der Scheide mit Darmund Hautbakterien und Anaerobiern. Diese steigen dann leicht in die Blase auf [6]. Es besteht in der Postmenopause eine Korrelation zwischen zunehmendem Alter, Östrogenabfall, urogenitaler Atrophie, Blasenentzündungen, Urininkontinenz, Zystozele, Restharnanstieg und Stuhlinkontinenz [7, 8]. Abb. 1a Schwere hämorrhagische Zystitis: Das Blasenurothel zeigt klein- bis grossflächige, ödem atöse Rötungen, teils mit Blutungsarealen. Diffus ver stärkte Gefässzeichnung der Blasenwand Abb. 1b Zystitis Zystica: Blasenwand mit multiplen gelblich-rötlichen Bläschen, dazwischen fast unauffällige Blasenschleimhaut Abb. 1c Interstitielle Zystitis: Typisch sternförmiger, zentral intensiver Rötungsherd mit zentralem Ulkus (Hunner sche Läsion). Die Läsionen liegen oft auf Balkensträngen der hyperaktiven Detrusor muskulatur, sind besonders schmerzhaft und bluten leicht. Abb. 1d Band in Blase mit Konkrement: Ein TVT hat die Blasenwand arrodiert und führt zu Infektstein bildung und rezidivierenden Harnwegsinfekten. 29
3 Tab. 1: Anamnese Infekte seit wann und wie oft? Auslöser Bisherige Therapien Intimpfl ege Trinkmenge Immunschwäche Klinische Untersuchung Hautreizung? Infektkette? Urethralsyndrom? Chronischer Infekt? Urinuntersuchung Abstriche Urethra Gynäkologische Untersuchung 1 Sonografi e 1 Zystoskopie 1 1 erweiterte Diagnostik Diagnostik der rezidivierenden Harnwegsinfekte Seit der Menopause, unter der Pille, nach sexueller Aktivität Kälte, Stress, Intimverkehr Antibiotika, Phytotherapie, Operationen Wasser, Waschmittel, Rückfetten Eventuell Miktionsprotokoll führen lassen Diabetes, Malignome, allgemeine Infektanfälligkeit Atrophie, Entzündung, Ekzeme Stuhlinkontinenz, Fisteln Druckdolenz und Induration der Urethra Druckdolenz Blasenboden Urinstick und Kultur (Mittelstrahl oder Kathete rurin), Restharn? Chlamydien, Mycoplasmen, Ureaplasmen Ausschluss Senkung Blase, Gebärmutter oder Darm Beckenbodensonografi e mit Beurteilung von Senkungszuständen, Ausschluss von Urethradivertikeln, Fremdkörpern Entzündung? Chronischer Infekt? Tumor? Fremdkörper? Interstitielle Zystitis? Mit zunehmendem Alter kommen weitere Risikofaktoren in Form von altersdegenerativen Prozessen hinzu, wie Immunschwäche, Multimorbidität, Diabetes, rheumatologische Krankheiten mit immunsuppressiven Therapien, Adipositas, Mobilitätsstörungen, Intimpflegeprobleme bei psychorganischem Syndrom oder Demenz und ungenügende Trinkmenge bei vermindertem Durstgefühl. Was kann der Hausarzt tun? Zu den Kernelementen (Tab. 1) gehört zunächst eine gezielte Anamnese, wobei eruiert wird, seit wann und wie oft Blasenentzündungen auftreten, z.b. nach sexueller Aktivität, unter der Pille oder seit der Menopause. Typische Infektionsauslöser und bisherige Therapien sollten erfragt werden, ausserdem Intimpflege und Trinkmenge. Anschliessend sollte eine klinische Untersuchung erfolgen. Gesucht wird nach möglichen Infektketten (Vulva/Vagina/Urethra/Blase), z.b. bei Stuhlinkontinenz. Ferner kann die Haut und Schleimhaut beurteilt und auf Zeichen einer chronischen Entzündung sowie ekzematöser Veränderungen perianal, vulvär und vaginal untersucht werden. Urethrale Druckdolenzen und Indurationen werden palpiert und eventuell können Abstriche aus der Urethra auf Ureaplasmen, Mycoplasmen und Chlamydien abgenommen werden. Eine Urinuntersuchung mit Urinkultur kann entweder durch einen Mittelstrahlurin erfolgen oder was bei rezidivierenden Infekten aussagekräftiger ist durch einen Katheterurin zur zusätzlichen Restharnbestimmung. Der Urinstick ist als Screening auf das Vorliegen eines Harnwegsinfekts zwar gut geeignet, ersetzt aber eine Urinkultur nicht, da keine Aussage über den Keim und die Resistenzlage getroffen werden kann. Therapie und Langzeitprophylaxe Um eine Heilung zu erzielen, ist zunächst eine Therapie des Infekts sowie anschliessend die Etablierung einer Langzeitprophylaxe notwendig (Tab. 2). Rezidivierende urogenitale Infekte sind initial gezielt antibiotisch bzw. antimykotisch zu behandeln. Sog. «blinde» antibiotische Therapien sind geeignet für unproblematische Entzündungen und zur sofortigen Selbstbehandlung bei Rezidiven nach längerer Entzündungsfreiheit. Ein Antibiotikum in Reserve bietet der Patientin psychologische Sicherheit und reduziert die Angstsymptome, was den Heilungsverlauf günstig beeinflussen kann. Dann folgt der Aufbau einer intakten Haut- und Schleimhautbarriere und eines gesunden Scheidenmilieus. Zur Intimpflege sollte mit Wasser gewaschen werden oder mit gut verträglichen, rückfettenden, phneutralen Waschlotionen (z.b. Lubex, Der-med, antidry, Pruri-med ) (Abb. 2). Des Weiteren empfehlen wir regelmässiges Fetten ein- bis zweimal täglich vulvär und perianal. Phytotherapeutika unterstützen die Infektabwehr in der Blase [9]. Zur Anwendung kommen dabei Preiselbeersaft und Blasentees, bei der Hautpflege ätherische Öle als Zusätze in den Fettcremes (Abb. 3). Sehr wichtig ist eine ausreichende Trinkmenge von 2 3 Litern zum Ausspülen aufsteigender Bakterien. Bei Abb. 2: Die Intimpflege ist mit Waschlotionen möglich. Abb. 3: Phytotherapeutika unterstützen die Infektabwehr in der Blase. 30
4 MEDIZIN AKTUELL Tab. 2: Therapie der rezidivierenden Harnwegsinfekte Sanierung des aktuellen Infekts Antibiotika Zunächst blind z.b. mit Fosfomycin oder Nitrofurantoin, dann resistenzgerecht gemäss Antibiogramm Eventuell Reserve antibiotikum mitgeben Tetracycline Bei Ureaplasmen oder chronischem Blasenwandinfekt Langzeit-Prophylaxe Waschen mit Wasser Intimpflege Phytotherapie Spez. Waschlotionen PH-neutral, rückfettend Fetten Mehrfach täglich vulvär und perinanal Preiselbeersaft 1 dl 1 /d, im Infekt 3 /d Blasentees Ätherische Öle in Fettcremes Lavendel u.a. Trinken Ziel 2 3 l /d Lokale Östrogene Z.B. 2 3 /Woche Siehe Tab. 3 Vakzinierung Lyophilisiertes Bakterienlysat von E. coli z.b Uro-Vaxom 1 1 Kps. für drei Monate, anschliessend Boosterung Aufbau der GAG-Schicht1 Pentosanpolysulfat Chondroitinsulfat Glucosaminsulfat z.b. Chondrosulf 800 mg 1 1, Structum 500 mg 2 1, Voltaflex 750 mg 1 1 Aufbau der Scheidenflora1 Laktobazillen Gynoflor Pessare Zur Senkungstherapie Urethralpessare Bei Urethralsyndrom Pessare1 1 erweiterte Therapie urogenitaler Atrophie ist eine lokale Östrogenisierung indiziert, da sie die Zahl der Harnwegsinfekte um den Faktor 10 zu senken vermag (Tab. 3) [10]. Vakzinierung gegen E. coli Eine Vakzinierung z.b. mit Uro-Vaxom gegen E. coli-bakterien dient der adjuvanten Immunstimulation und ist bei wiederholtem Nachweis von E. coli empfehlenswert (Evidenzklasse 1a). Gemäss den neuesten EAU-Empfehlungen ist die Immunstimulation z.b. mit Uro-Vaxom die zurzeit beste nachgewiesene, nicht antimikrobielle Massnahme gegen rezidivierende Blasenentzündungen (Empfehlungsgrad B) [11]. Wenn diese Massnahmen nicht zum Erfolg führen, ist eine urogynäkologische Abklärung und Behandlung bzw. Prophylaxeberatung zu empfehlen. Im Blasen- und Beckenbodenzentrum Frauenfeld haben wir über die letzten Jahre nachfolgendes Konzept zur Diagnostik und Therapie bei rezidivierenden Zystitiden entwickelt [12]. Erweiterte Diagnostik Zusätzlich zu den oben genannten Massnahmen führen wir bei der gynäkologischen Untersuchung eine Schmerz- und Entzündungslokalisation durch (peri urethral, vulvär oder vesikal). Wir beurteilen eventuelle Senkungszustände und eine Restharnproblematik. Sehr wichtig sind die Hautbeschaffenheit und Schleimhauttrophik. Im Nativ-Präparat beurteilen wir das 32 Zellbild, die Trophik, Vaginalflora und Entzündungszeichen. Eine Restharnmessung und eine Urinkultur erfolgen per Blasenkatheterismus. Spezielle Urethralabstriche auf Chlamydien und Ureaplasmen decken einige verborgene Erreger auf, die insbesondere bei chronischen urethralen Beschwerden relevant sind. Obligat ist eine Zystoskopie (Abb. 1a d) um chronische Entzündungen an der Blasenwand zu erkennen oder andere Diagnosen auszuschliessen, die entzündungsähnliche Symptome verursachen können, wie eine interstitielle Zystitis, aber auch Dermatosen, Tumoren und Fremdkörper (z.b. Perforation eines TVT-Bands) [13]. Tab. 3: Lokale Östrogenpräparate Cremes Oestro-Gynaedron 0,5 mg E3 in 1,0 g Creme pro Applikatorfüllung Ovestin 0,5 mg E3 in 0,5 g Creme pro Applikatorfüllung Ovula und Kapseln Ortho-Gynest-Ovulum 0,5 mg E3 /Ovulum Ovestin Ovulum 0,5 mg E3 /Ovulum Colpotrophine Vag Kapseln 10 mg Promestrien/Kapsel
5 Multimodales Therapiekonzept Die Behandlung rezidivierender Blasenentzündungen erfolgt gemäss unseres multimodalen Therapiekonzepts, das sich in den letzten 20 Jahren in der Praxis sehr bewährt hat. Zuerst wird der Infekt gezielt und resistenzgerecht saniert, dann unterstützen wir den Wirt und seine Abwehrmechanismen, um die Rezidivraten möglichst zu senken und langfristig eine Besserung bis vollständige Ausheilung der Infekte zu erzielen. Kernpunkte sind eine spezifische Intimpflege mit ph-neutralen Waschlotionen und die Anwendung von Fettcremen, teils auch mit solchen, denen ätherische Öle beigemischt sind. Bei sehr dünnen Schleimhäuten in der Peri-Menopause oder bei Anwendung einer bestimmten hormonellen Kontrazeption ist zum Aufbau der Vaginal- und Blasenschleimhaut zusätzlich eine lokale Hormoncreme indiziert. Bei ungenügender Trinkmenge muss diese gesteigert werden mit dem Ziel, über 24 Std. mindestens eine Urinmenge von zwei Litern zu erreichen. Zum Aufbau der Blasenwandschutzschicht, der sog. Glykosaminoglykanschicht (GAG-Layer), helfen Pentosanpolysulfat, Chondroitinsulfat und Glucosaminsulfat. Die meist durch wiederholte Antibiotikaeinnahmen oder übertriebenes Waschverhalten gestörte Scheidenflora kann ergänzend zu den Hormoncremen mit milchsäurehaltigen Vaginalprodukten aufgebaut und unterstützt werden. Die Immunabwehr wird zusätzlich durch eine Impfung gegen E. coli-bakterien stimuliert (Uro- Vaxom -Impfung). Bei einer häufig vorliegenden chronischen Entzündung der Skeneschen Drüsen (extreme Druckdolenz der Urethra bei der Palpationsuntersuchung oder beim Intimverkehr) ist ein Ausmassieren mit einem Pessar notwendig. Das Pessar wird meist am Tag, über einen Zeitraum von drei Monaten unter Anwendung der Hormoncreme getragen. Niedrig dosierte Dauerprophylaxen mit Antibiotika oder ein Ansäuern des Urins wenden wir bei unseren Therapien in der Regel nicht an. FAZIT FÜR DIE PRAXIS Rezidivierende Zystitiden treten immer häufiger auf. Sie treffen Jung und Alt. Ursachen können sein: Veranlagung, Abwehrschwäche, Lifestyle, Sexualverhalten, Kleidung, trockene Schleimhäute (Pille/ Hormonmangel in der Postmenopause), Nachlassen der Immunabwehr mit höherem Alter und Multimorbidität. Rezidivierende Blasenentzündungen lassen sich mit Antibiotika allein nicht heilen. Zur Heilung und anschliessend als Langzeitprophylaxe gegen Rezidive brauchen wir ein multimodales Konzept. Erfolgreiche Therapien und Langzeitprophylaxe lassen sich meistens in der Praxis durchführen. Bei ausbleibendem Erfolg empfehlen wir eine erweiterte Abklärung/Therapie/Beratung in einem dafür spezialisierten Zentrum. Zusammenfassung Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Frauenleiden % der Frauen sind davon betroffen. Sowohl die Abklärung als auch die Behandlung rezidivierender Harnwegsinfekte können sehr anspruchsvoll sein. Deshalb sind viel Erfahrung, eine hohe Fachkompetenz sowie eine enge Zusammen arbeit zwischen den Spezialisten wie Urogynäkologen, Pflegefachfrauen und den Hausärzten erforderlich. Meistens sind es mehrere Ursachen, die zu rezidivierenden Harnwegsinfekten und chronischen Entzündungszuständen führen. Der beste Behandlungserfolg wird erreicht, wenn alle Krankheitsursachen frühzeitig erkannt und gleichzeitig behandelt werden. Bereits mit einfachen Massnahmen kann jede Frau selber viel zur Heilung und Vorbeugung dieser Krankheit beitragen. Literaturliste beim Verlag Dr. med. Julia-Christina Münst Oberärztin Blasen- und Beckenbodenzentrum Kantonsspital Frauenfeld 8501 Frauenfeld A RETENIR Les cystites récidivantes surviennent de plus en plus souvent. Elles touchent les jeunes et les moins jeunes. Les causes peuvent être: prédisposition, déficience immunitaire, style de vie, comportement sexuel, vêtements, muqueuse sèche (pilule/carence hormonale lors de la post-ménopause), diminution des défenses immunitaires avec le vieillissement et multimorbidité. Les cystites récidivantes ne peuvent pas être guéries uniquement avec des antibiotiques. Pour la guérison puis contre la récidive comme prophylaxie à long terme, nous avons besoin d un concept multimodal. Des traitements et des prophylaxies à long terme réussis peuvent être le plus souvent réalisés dans le cabinet. En l absence de réussite, nous recommandons une évaluation/un traitement/des conseils étendus dans un centre spécialisé à cet effet. 34
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