Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum

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1 Stephanie Fretz Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum Psychotherapeutische Interventionen und Konzepte zur Prävention und Behandlung Diplomica Verlag

2 Stephanie Fretz Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum - Psychotherapeutische Interventionen und Konzepte zur Prävention und Behandlung ISBN: Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2012 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diplomica Verlag GmbH Hamburg 2012

3 Anmerkung der Autorin: Die Psychosoziale Beratungsstelle des Diakonischen Werkes Karlsruhe wurde im Januar 2011 aufgrund eines Trägerwechsels zur Diakonischen Suchthilfe Mittelbaden Zur besseren Lesbarkeit werde ich darauf verzichten jeweils die weibliche und männliche Form von Personenbezeichnungen anzuführen. Die grammatikalisch männliche Form wird von mir geschlechtsneutral verwendet. 1

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5 Vorwort Das vorliegende Buch und Konzept zur Behandlung und Prävention problematischen Alkoholkonsums soll dazu beitragen, Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Praxis Unterstützung zukommen zu lassen. Sie sollen dazu befähigt werden, ihren Platz in der Welt und somit der Öffentlichkeit zu finden. Unsere von materiellem Reichtum übervolle Gesellschaft, die Leistung, Wissen und Stärke des Einzelnen dementsprechend interpretiert, dass vornehmlich der Starke dazu ermächtigt wird, sich in ihr zu behaupten, benötigt, meiner Ansicht nach, noch mehr als je zu vor das Erleben der Begegnung mit dem vermeintlich Schwächeren, um zu erfahren, was Gesellschaft bedeutet. Welchen persönlichen und gesellschaftlichen Gewinn würde es mit sich bringen, die vermeintlich Schwachen der Gesellschaft selbstverständlich zu inkludieren und die Augenhöhe zu suchen. Eine reiche und demokratische Gesellschaft sollte ungefragt die Interessen derer berücksichtigen, die am Rand stehen, wenn sie menschlich sein will. Die Jahreslosung für 2012: Die göttliche Kraft (Liebe) ist in den Schwachen mächtig (2. Korinther 12, 9) interpretiere ich dahingehend und die darin innewohnende Kraft den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken. Desweiteren hoffe ich, dass ich mit diesem Buch für die Praxis der Alltagsbegleitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten einige hilfreiche Anregungen und einen Überblick über die Auswirkungen problematischen Alkoholkonsums liefern kann. Für Anregungen und weitergehenden Austausch stehe ich gerne zur Verfügung und freue mich über eine Rückmeldung: Die in diesem Buch beschriebene Dienstagsgruppe findet innerhalb der Diakonischen Suchthilfe Mittelbaden weiterhin statt. Kontaktinformationen sind auf der Internetpräsenz des Diakonischen Werkes Karlsruhe zu finden: Dieses Buch sowie das praktische Konzept zur Behandlung und Prävention problematischen Alkoholkonsums wäre nicht entstanden ohne die vielfälti- 3

6 gen Begegnungen und Gespräche mit den Teilnehmern der Dienstagsgruppe und den Menschen, über deren Symptomatik ich dieses Buch geschrieben habe. Desweiteren möchte ich die Menschen namentlich nennen, die mich bei der Entstehung dieses Buches begleitet haben und denen ich hiermit meinen Dank für ihre Unterstützung ausspreche. Meinen ehemaligen Dozenten und Begleitern, Prof. Dr. phil. Kurt Lipke und Dipl. Soz. Päd. Michael Dillmann für die wertvollen fachlichen und methodischen Ratschläge während der Ausarbeitung dieser Seiten. Meiner geschätzten Kollegin Dipl. Soz. Päd. und Verhaltenstherapeutin Doris Salverius, sowie dem ganzen Team der Diakonischen Suchthilfe Mittelbaden für die Unterstützung während der Entstehung des praktischen Teils dieser Arbeit. Meinem Lebenspartner Dipl. Soz.Päd. Ulrich Neumann für seine Korrekturen bei der sprachlichen und stilistischen Ausformung und seine fachliche Beratung. Stephanie Fretz Karlsruhe, im Januar

7 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Teil A : Psychotherapeutische Zugänge zu Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Versuch einer Annäherung an das Konstrukt Geistige Behinderung - Definitionen und alternative Erklärungskonzepte eines Phänomens Definition nach ICD Definition nach DSM-IV Definition der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit Definition im gesetzlichen Sinn Zum Begriff der Lernbehinderung Das Konstrukt der Landschaft ohne passenden Schuh Geistige Behinderung als Institution Grundlegende Überlegungen zur Psychotherapie bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Was versteht man unter Psychotherapie? Menschenbild und Psychotherapiefähigkeit Die Rolle des Begleiters/Betreuers Die Rolle des Therapeuten Die Rolle der Angehörigen Therapieformen und ihr Gebrauchswert in der Anwendung bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Verhaltenstherapeutische Interventionen

8 2.3.2 Psychoanalytische Interventionen Klientenzentrierte Interventionen Gestalttherapeutische Interventionen Spezielle Konzepte für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Prä Therapie Soziotherapie Teil B : Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum Fachtheoretische Begriffsdefinitionen Alkoholmissbrauch Abhängigkeitssyndrom Substanzabhängigkeit Alkoholabhängigkeit Epidemiologie der Alkoholabhängigkeit Normalbegabte Konsumenten, Missbraucher, Abhängige Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Folgen der Alkoholabhängigkeit Körperlich Soziale und psychische Folgeschäden Besonderheiten bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Theoretische Überlegungen zum Thema Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum Einblick in die Literaturlage und kritische Würdigung Einführung in die Thematik Kritik Überlegungen zu Beratung und Therapie von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung

9 3.4.5 Kritik: Im deutschen Raum angebotene Hilfestellung für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum Didak Präventionsprogramm Beratungsstelle der Lebenshilfe Berlin Die Gruppe Sucht Fachklinik Oldenburger Land Betreutes Wohnen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und Suchtproblemen Teil C : Zusammenfassung und Praktische Umsetzung der Erkenntnisse Möglichkeiten und Grenzen der Psychotherapie bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Schlussfolgerungen und Überlegungen zur praktischen Umsetzung Darstellung des Projektes des Diakonischen Werkes Karlsruhe für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum Überlegungen zur Sicherung einer langfristigen Finanzierung Konzeptionelle Überlegungen Beispiele für praktische Übungen Fragebögen Befragung der Teilnehmer Befragung der Begleiter Ausblick Literaturverzeichnis Onlinequellen

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11 1. Einleitung Während meiner beruflichen Tätigkeit als Heilerziehungspflegerin in der Begleitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde ich immer wieder mit Menschen konfrontiert, die zusätzlich zu ihrer kognitiven Beeinträchtigung Symptome aufzeigten, die das Vorhandensein einer weiteren psychiatrischen Diagnose vermuten ließen. Die Suche nach einem behandelnden Psychiater, der bereit war, sich auf dieses Klientel einzulassen, gestaltete sich ausdrücklich schwierig und endete in den mir bekannten Fällen damit, dass die betroffenen Klienten ausschließlich medikamentös versorgt wurden. Andere psychotherapeutische Interventionen wurden von den behandelnden Psychiatern als nicht sinnvoll oder als nicht durchführbar eingestuft. Die Suche nach einem behandelnden Psychologen verlief im gleichen Maß erfolglos. Im fachlichen Austausch mit Fachkräften, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe in Baden Württemberg tätig sind, stellte ich fest, dass diese von mir wahrgenommene Problematik keinen Einzelfall darstellt. Während meines praktischen Studiensemesters während meines Studiums der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik, dass ich innerhalb der Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle für Menschen mit einer Suchterkrankung des Diakonischen Werkes Karlsruhe (seit aufgrund eines Trägerwechsels umbenannt in Diakonische Suchthilfe Mittelbaden ), absolvierte begegnete mir diese Konstellation der Praxis modifiziert, in Form von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum, erneut. In dieser Beratungsstelle wurde zu dieser Zeit im Rahmen eines Projektes für chronisch mehrfachgeschädigte Abhängige der Versuch gestartet, ein wöchentliches Gruppenangebot zur primären und sekundären Prävention und Behandlung der Suchterkrankung zu etablieren, um Hilfe für diese Menschen zu schaffen. 9

12 Nach einigen Gruppensitzungen wurde die Gruppe aufgrund nicht ausreichend vorhandener Finanzmittel vorübergehend eingestellt. In der Praxis gestaltet es sich als Herausforderung, geeignete Interventionsformen zu entwickeln, die den besonderen Bedürfnissen dieser besonderen Menschen entsprechen und passend erscheinen. Die Gegebenheiten in der Praxis und mein berufliches Interesse an diesem Thema führten dazu, dass ich mich, auf die Suche nach geeigneten und bereits vorhandenen Interventionsmöglichkeiten für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum bzw. einer Suchtproblematik oder Suchtgefährdung begeben habe, sowie verschiedene psychotherapeutischen Schulen auf Ihren Gebrauchswert im Kontext der psychotherapeutischen Arbeit mit Menschen die von einer kognitiven Beeinträchtigung betroffen sind zu befragen, um zielführende Interventionen für diese Menschen finden zu können. Am Ende des Buches werde ich die Ergebnisse zusammenfassen, indem ich die Praxis des seit 2009 etablierten Gruppenprojektes der Psychosozialen Beratungsund ambulanten Behandlungsstelle des Diakonischen Werkes Karlsruhe darstelle und die praktischen Erfahrungen und theoretischen Erkenntnisse in Konzeptionellen Überlegungen für eine Intervention bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum einbinde. Im ersten Teil des Buches werde ich allgemeine Überlegungen zum Thema Psychotherapeutische Zugänge zu Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung anstellen, der Frage nach dem Konstrukt der geistigen Behinderung nach gehen, sowie den Begriff der Psychotherapie hinsichtlich der Differenzierung zu einem engen Verständnis des Begriffes der Psychotherapie definieren. Danach werde ich verschiedene Methoden der Psychotherapie auf die Möglichkeiten ihrer Anwendung in der Arbeit mit diesem Klientel und mich anschließend auf die Suche nach speziellen Konzepten für diese Klientel begeben. Im zweiten Teil des Buches wende ich mich dem Thema Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum zu. 10

13 Nach einigen Begriffsdefinitionen und epidemiologischen Betrachtungen werde ich einen kritisch kommentierten Einblick in die in Deutschland publizierte Fachliteratur zum Thema Suchterkrankung und geistige Behinderung/ kognitive Beeinträchtigung geben und die Ergebnisse meiner Recherche nach bereits vorhandenen Hilfsangeboten in Deutschland darstellen. Im dritten Teil des Buches, werde ich die fachtheoretischen Erkenntnisse, soweit es die Rahmenbedingungen der Praxis erlauben, in konzeptionelle Überlegungen für psychotherapeutische Interventionen bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum übertragen. Dazu gebe ich einen Einblick in den bisherigen Verlauf des Projektes für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und problematischem Alkoholkonsum der Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle für Suchtkranke des Diakonischen Werkes Karlsruhe (seit Diakonische Suchthilfe Mittelbaden) und stelle die von mir entwickelte Konzeption und Fragebögen zur Evaluation vor. 11