11 Französische Revolution 1789

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1 Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem Zeitalter und Aufklärung 11 Französische Revolution 1789

2 2 I. Interpretationsmodelle 1. Die konservative Interpretation: die Verschwörung der Freimaurer und Jakobiner hat die Revolution planmäßig herbeigeführt 2. Die liberale Interpretation: Feier der liberalen Errungenschaften, v.a. der Menschen- und Bürgerrechte und der Verfassung von Die sozialistische Interpretation: Franz. Revolution als Vorstufe einer egalitären Gesellschaftsverfassung, Ergebnis eines Klassenkampfes, Ablösung des Feudalismus durch den Kapitalismus 4. Die wirtschafts-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche Interpretation: Revolution in Rahmen einer langjährigen Entwicklung (kein Bruch), drei Revolutionen: Adel, Bürgertum, Bauern

3 3 II. Verhältnisse am Vorabend der Revolution 1. Wirtschaftlich sozial politisch a) Starker wirtschaftlicher und sozialer Wandel im 18. Jh.: Wachstum der Bevölkerung von von 21 Mio. auf 28. Mio.; Zunahme des Handelsvolumens; Wirtschaftskrise und Hungersnöte; staatlicher Bankrott b) Drei Revolutionen: a) Bauernrevolution, b) Revolution der städtischen Unterschichten, c) ständische Revolution

4 4 2. Kirchlich Katholizismus war Staatsreligion König besaß bedeutsame Rechte: er konnte fast alle Diözesen und Abteien kraft königlichen Rechts frei besetzen (Gallikanismus) Klerus bildete eigenen Stand, besaß ca. 10% des Grund und Bodens, jährliches Einkommen von 100 Mio. Livres, weitgehend Steuerfreiheit Beschwerdehefte 1788: Reinigung des Glaubens. Abschaffung klerikaler Steuerprivilegien. Die Pfründen sollen nur noch direkt der Seelsorge vor Ort zugute kommen. Der Zehnte soll lokal eingezogen werden. Die Geistlichen sollen staatlich kontrolliert werden ("Funktionäre der Nation mit Spezialaufgaben"). Heranziehung des vom Staat an die Kirche nur ausgeliehenen Kirchenbesitzes für soziale und caritative Aufgaben. Niederer Klerus: Klage über Bischofstyrannei, Forderung Versammlungsfreiheit, Pension Klerus zwar eigener Stand, aber durchaus keine sozialhomogene Einheit

5 5 III. Der Verlauf der Revolution im Überblick 1. Phase (1787 bis Sommer 1791) Verfassungsrevolution: Konstitutionelle Monarchie, Revolution des Besitzbürgertums 2. Phase (Sommer 1791 bis Frühjahr 1793) Revolutionskriege und Angst vor der Gegenrevolution führen zur Radikalisierung; 1792 Wahl des Konvents und Abschaffung der Monarchie: Republik; Hinrichtung des Königs 3. Phase (Sommer 1793 bis Sommer 1794) Jahr der Schreckensherrschaft durch den Wohlfahrtsausschuss und den von den Jakobinern dominierten Nationalkonvent; Dechristianisierung 4. Phase (seit Sommer 1794) Abschließende Revolutionsphase, verlief in rückläufiger Richtung : Herrschaft des Thermidorianerkonvents, dann des Direktoriums

6 6 IV. Revolution und Kirche 1. Die Päpste Pius VI. und Pius VII. Pius VI. ( ): Gianangelo Braschi Pius VII. ( ): Barnabà Luigi Chiaramonti 2. Französische Kirche und Revolution 1789: Wahlsieg des niederen Klerus für die Generalstände; Mehrheit schließt sich der Nationalversammlung an 4. August: Adel und Klerus verzichten auf alle Privilegien (Zehnt, Steuerfreiheit) Klerus hört als eigener Stand auf zu existieren Ende 1789/Anfang 1790: Verstaatlichung aller Kirchengüter, Versteigerung durch die Departement- und Distriktverwaltung Erklärung der Menschenrechte: Auswirkung auf die Ordensfrage (Ordensgelübde mit Menschenrechten nicht vereinbar): Säkularisierung

7 7 Zivilkonstitution des Klerus von 1790 Episkopalistischer und presbyterialistischer Gallikanismus: Bräuche der Urkirche Verminderung des Personalbestands (nützliche Kirchenstellen vs. Beschauliche Orden) Reduzierung der 135 historischen Diözesen Frankreichs auf 83 entsprechend den Departements. Staatsbesoldung der Geistlichen Nationalgedanke: Ein Bischof oder Metropolit, der außerhalb der Grenzen Frankreichs sitzt, hat in Frankreich keinerlei Kompetenzen Vor der Weihe muss der Bischof einen feierlichen Eid auf die Verfassung und die Gesetze des Staates leisten. Mitwirkung des Papstes ist ausgeschaltet, Weihe durch Metropoliten, Pfarrer und Bischöfe sollen denselben Eid leisten, Treueeid aller Geistlichen

8 8 Weiterer Verlauf: Spaltung des Klerus; Flucht der Eidverweigerer oder Untergrund, v.a. als im März 1791 der Papst die Zivilkonstitution und die Erklärung der Menschenrechte verwirft Priesterverfolgung in der Zeit des Terrors Emigration vieler Geistlicher Entchristlichungsbewegung durch Dechristianisierungsgesetze im Sommer und Herbst 1793: Verbot von kirchl. Prozessionen, Verbot der Sonntagsruhe, Schließung aller Kirchen, Requirierung von Glocken und wertvollem Kirchengerät Priesterverfolgungswellen, Abdanken vieler Priester aufgrund eines Pensionsgesetzes, Vandalismus, Zerstörung von Klöstern und Kirchen (Kirchtürme mussten auf die demokratische Höhe der Wohnhäuser verkürzt werden), Vernichtung von Reliquienschreinen, Heiligenbildern und Beichtstühlen Errichtung eines religiösen Gegenkults Hauptopfer: katholischer Klerus: Emigranten, zahlreiche Abdankungen, rund 5000 Hinrichtungen führten zu Verlust von etwa 20% seiner Mitglieder Folge. Trennung von Kirche und Staat: Zivilehe, Ehescheidung, freie Religionsausübung, Neutralität des Staates

9 9 V. Napoleon und die Kirche 1. Napoleons Grundsätze einer Kirchenpolitik Werden deutlich in einer Ansprache, die Napoleon am 5. Juni 1800 vor der Mailänder Stadt-Geistlichkeit hielt: Schisma in Frankreich beenden Die Kirche auf seine Seite ziehen Durch einen Vertrag mit dem Papst Prestige und internationales Ansehen gewinnen und so seine Herrschaft legitimieren

10 10 2. Das Konkordat von 1801 und die organische Artikel Wesentliche Bestimmungen: Freie Ausübung der kath. Religion, solange sie nicht der öffentlichen Ordnung widerspricht: Religion der großen Mehrheit der Franzosen Neuumschreibung der französischen Diözesen durch den Hl. Stuhl Aufforderung aller französischen Bischöfe zum Amtsverzicht durch den Papst Nominationsrecht für die Bischöfe liegt bei Napoleon, Treueid der Priester auf die Verfassung Gebet für die Republik und die Konsuln am Ende der Messe Neuumschreibung der Pfarreien durch die Bischöfe mit Zustimmung der Regierung, Erlaubnis, ein Domkapitel und ein Priesterseminar einzurichten, ohne dass sich das Land finanziell beteiligt. Staatl. Besoldung Napoleon tritt in alle Rechte der Bourbonen-Könige ein Überwindung des Schismas

11 11 Die sog. organischen Artikel Die ehemaligen Jakobiner erzwangen die sog. 77 organischen Artikel, die Napoleon gemeinsam mit dem Konkordat zur Ratifizierung vorlegen musste. Einige Bestimmungen: Staatliches Placet für päpstl. Dekrete Verpflichtung der Seminarlehrer auf die gallikanischen Artikel Auswärtige Synoden und Konzilsbeschlüsse brauchen staatl. Placet, Keine frz. Synoden ohne staatl. Zustimmung Verbot des Aufenthalts päpstl. Nuntien ohne Regierungserlaubnis Kirchl. Feste nur mit Zustimmung des Staates Strenge Kontrolle der Bischöfe durch das Kultusministerium Völlige Verbeamtung der Pfarrer Protest Pius VII. blieb erfolglos Konkordat hatte eine freie Ausübung der kath. Religion, was Interna angeht, zugestanden Organische Artikel greifen massiv in Interna der kath. Kirche ein und errichten ein Staatskirchentum

12 12 3. Papst und Kaiser Konflikte zwischen Pius VII. und Napoleon. Bereitschaft zur Salbung Napoleons am , aber er erhielt dafür keine politischen Zugeständnisse Strikte Neutralität des Papstes in den Kriegen und in der Kontinentalsperre 1808 Besetzung des Kirchenstaates. Antwort: Exkommunikation aller Räuber des Patrimonium Petri Verschleppung des Papstes nach Paris, dort blieb er bis zu Napoleons Ende Durch seine unbeugsame Haltung hatte er das moralische Ansehen des Papsttums in ungeahnte Höhen geführt.