Mit viel Zucker YACHT 23/2004

Transkript

1 Mit viel Zucker Eine neue Yacht drängt in das Segment der kleinen Cruiser/Racer. Die Café 30 kommt aus Osteuropa, zielt aber durch hohe Qualität auf die Liebhaber skandinavischer Produkte 70

2 Café 30 Test Filigran und kräftig zugleich: Durch die Ausstattung mit Details im IMS-Stil kommt die Café 30 schon bei Leichtwind in Gang Er hat einen Grundsatz: Es muss schon von außen zu sehen sein, dass etwas Besonderes drin ist. So beschreibt Knut Biehl sein Credo und die Erwartung, die er an seine Yachten stellt. Die Café 30, das derzeit größte Schiff im Verkaufsportfolio des Flensburger Händlers, erfüllt die Vorgabe. Das Modell mit weißem Deck und blauem Rumpf fällt auf. Jedoch eher auf den zweiten Blick. Es ist nicht so sehr die Form; die hebt sich kaum ab von anderen, in gängigem IMS- Look konzipierten Booten. Vielmehr sind es Details, die die Yacht zu einer besonderen Erscheinung machen. Auf den ersten Blick ist die Café 30 eine neun Meter lange Tochter aus der Familie der Cruiser/Racer, optisch nicht nur entfernt verwandt mit einer Elan 31 oder einer First Tatsächlich aber bietet sie vieles, was bei anderen Schiffen dieser Art nur selten zum Standard gehört: leichtgängige Ruderlager, moderne Dyneema/ Spectra-Fallen, eine flache Rollanlage für die Fock und ein durchdachtes Rigg. Das stark überrundete Dacron-Großsegel am 12,20 Meter hohen Mast und der gedrungen wirkende Rumpf strahlen schon von Ferne Dynamik aus. Sensibles Serienboot Das mit 2,95 Metern eher schmale Boot (Bodenseesegler freut dies) bewegt sich bereits bei etwas mehr als gar keinem Wind durchs Wasser. Und zwar mit einem Verhalten, das man selbst bei Flaute schon als angenehm sensibel bezeichnen kann. Diese Feinfühligkeit, die andere Serienboote bei Leichtwind nur selten an den Tag legen, ist das Verdienst der durchweg hochwertigen Komponenten. Das Großsegel mit der auffälligen Achterlieksrundung, von UK Sailmakers gefertigt und mit kurzen Zwischenlatten im oberen Achterliek versehen, sorgt bei Schotzug für eine spürbare Zunahme des Ruderdrucks. Kein Wunder: Sobald das Tuch seine große Fläche voll zum Tragen bringt, erzeugt es reichlich zusätzlichen Vortrieb. Durch die modernen Pen- U 71

3 utechnische DATEN (WERFTANGABEN) Konstrukteur Henry Martinak CE-Entwurfskategorie..... B (küstenferne Navig.) Lüa (Rumpflänge) ,00 m Gesamtlänge ,25 m LWL (Wasserlinienlänge) ,20 m Breite....2,95 m Tiefgang ,75 m Theoretische Rumpfgeschwindigkeit ,13 kn Gewicht ,2 t Ballast/-anteil ,1 t/34 % Masthöhe über Wasserlinie ,28 m Großsegel m 2 Rollgenua (105 %) m 2 Segeltragezahl ( 2 S/ 3 V ) ,75 Maschine.. Volvo Penta 2020 (Saildr.), 14 kw/19 PS Kraftstofftank Edelstahl, 60 l Frischwassertank Edelstahl, 2 x 70 l Fäkalientank Edelstahl, 45 l Rumpf- und Decksbauweise Handauflegeverfahren mit Isophthalsäure- und Vinylesterharz. Der Kielbereich ist massiv, Außenhaut und Deck sind als Sandwich (Kernmaterial Balsa und Airex) verarbeitet. Ein großzügiges Versteifungsgerippe ist einlaminiert umesswerte (INNEN) Koje Vorschiff ,23 x 1,90/0,40 m Koje Achterkammer ,00 x 1,25/0,60 m Koje Salon (Seekoje) ,10 x 0,61 m Stauraum Vorschiff ca. 160 l Stauraum Achterkammer ca. 130 l Stauraum Pantry ca. 170 l Stauraum Salon ca. 200 l Stauraum Backskiste ca. 750 l Höhe Salon achtern ,84 m Höhe Vorschiff ,62 m Höhe Nasszelle ,81 m uausstattung UND PREISE Grundpreis ab Werft Euro Motor, Schoten, Reling, Beleuchtung (Position), Kompass, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe. WC, Anker, Fender, Festmacher inklusive Großsegel Euro Genua Euro Fäkalientank mit Absaugung Euro Segelkleid Euro E-Kühlfach Euro Antifouling-Anstrich Euro Zuwasserlassen/Übergabe Euro Preis segelfertig (nach YACHT-Definition) Euro Osmose-/generelle Garantie /2 Jahre Darüber hinaus im Grundpreis enthalten (Auszug): leinenverstellbare Holepunkte, Wasserdrucksystem, Rodkicker Werft Mikulas Maritime; Vertrieb biehlmarin; Wrangelstraße 10, Flensburg; Telefon 0461/581188; CAFÉ 30 Zeitgemäß. Die Neun-Meter-Yacht zeigt gefällige Linien, Rumpf und Deck wirken hoch, aber noch wohlproportioniert Y - BEWERTUNG Y Der Markt der kleinen Cruiser/Racer ist mit der Café 30 um einen ernstzunehmenden, schmalen Konkurrenten reicher geworden ukonstruktion und Konzept Å Aufwändig ausgesteifter Rumpf Å Hochwertiges Vinylesterharz in der Außenhaut Å Sportlich-funktionales Cockpit-Layout Í Mit leichtem Kiel bei Starkwind etwas rank usegelleistung und Trimm Å Hohe Sensibilität auch bei sehr wenig Wind Å Gute Trimmbarkeit bei mehr Wind Å Einfaches Handling unter Spinnaker Í Pinne etwas kurz, Ruderdruck mitunter zu groß uwohnen und Ausbauqualität Å Gute Ergonomie trotz schmalen Rumpfes Å Salonkoje an Steuerbord als Seekoje umrüstbar Í Achterkoje mit 1,25 Metern zu schmal uausrüstung und Technik Å Hochwertiges laufendes Gut Å Markenartikel bei Segeln und Beschlägen Å Präzises Ruderblatt und Ruderlager Å Feste Installation der Salonmöbel delrollen-ruderlager von Jefa überträgt sich diese Zunahme des Segeldrucks über ein präzises Ruderblatt, das auch auf X- Yachts zu finden ist, zuverlässig auf die Pinne. Der leiseste Hauch reicht, und schon schnürt die Café 30 los. Weil der flaue Wind für eine aussagekräftige Gesamtbeurteilung nicht reicht, vereinbaren wir einen zweiten Testtermin mit Knut Biehl. Diesmal, leider ohne Fotografen, weht es mit 14 bis 16 Knoten, wobei in Böen allmählich der Reffpunkt erreicht ist. Trimmen hat nun schon mit Arbeit zu tun. Deswegen will Biehl ein anderes Großschotsystem nachrüsten. Die Café 30 benimmt sich wie ein größeres Schiff, krängt zwar und baut Ruderdruck auf. Doch ist sie in Drückern jederzeit zur Räson zu bringen. Die Segelleistung stellt auch anspruchsvolle Crews zufrieden, ohne dass man freilich von einem kleinen blauen Wunder sprechen muss. Mit 43 Grad am wahren Wind läuft das Boot 6,3 Knoten. Auf Raumschots-Kurs erreichen wir unter Spi bis zu 7,6 Knoten in flachem Wasser. Das sind Werte über dem Durchschnitt der Neun-Meter-Klasse, aber genau jenes Maß an Spritzigkeit soll die Café 30 ja auch bieten. Manchmal scheinen die Kräfte, die man aufwenden muss, um das Schiff zu steuern, etwas groß zu sein, die Pinne zu kurz. Bei heftigem Ziehen neigt sie sogar zum Hochklappen Abfallen fällt dann schwer. Doch das, sagt Biehl, kommt noch in Ordnung. Der Ruderschaft soll etwas weiter achtern montiert und die Pinne verlängert werden. Sonst stimmt fast alles. Cockpitgestaltung und Ergonomie sind außergewöhnlich durchdacht. So hat die Werft im achteren Teil des Cockpits, der hinter der Travellerschiene beginnt, viel Bewegungsspielraum geschaffen, indem sie die Bänke wegließ. Die Zweiteilung ist ein klares Alleinstellungsmerkmal der Café 30. Cruiser/ Racer dieser Größe haben sonst durchgehende Bänke im Cockpit. Das zwingt die Rudergänger bei Lage zu einer wenig effizienten Haltung. Oft fehlen dort Leisten oder Sicken für das Abstützen der Füße; der Mann an der Pinne hat so keinen wirklich sicheren Sitz. Hier jedoch steht zum einen mehr Raum zur Verfügung, zum anderen gibt es aber auch mehr ZEICHNUNG: A. HOPPENHAUS 72

4 Café 30 Test Filigran: Der Fußblock fürs Achterstag ist mit Spectra an den Heckkorb gespleißt Flach: Trotz Rollanlage bleibt die Lücke zwischen Segelhals und Deck klein Weit: Im Großsegel tragen kurze Zwischenlatten die starke Ausstellung Möglichkeiten, sich in einer halb stehenden Position zu verkeilen. Das Süll wurde achtern abgeflacht. Das erschwert zwar das Sonnenbaden vor Anker, aber dafür wurde die Café 30 auch nicht konzipiert. Außerdem fällt in einem freien Cockpit der Zugriff auf das alles bestimmende Achterstag leichter. Dieses wird am Heckkorb belegt. Ein Kaskadensystem aus entmanteltem Spectra/Dyneema-Tauwerk holt es. So ist die gesamte Mastbiegung und der Vorstagdurchhang mittels einer Vier-Millimeter-Leine leicht und präzise kontrollierbar. Backstagen gibt es keine. Modernes Rigg Das stark überrundete Großsegel (Option) ist vor allem dazu da, um das Nichtvorhandensein einer großen Genua zu kompensieren. Zwar ist auch die auf Wunsch lieferbar. Doch im Verbund mit dem mächtigen Groß erscheint sie durchaus verzichtbar. Das bestätigt wieder einmal die Effizienz moderner 9/10-Riggs ohne Backstagen und ohne weit überlappende Genua. Ich konfiguriere die Boote aber nach Kundenwunsch, sagt Biehl. Insofern haben wir natürlich auch Pläne für ein Großsegel mit fast geradem Achterliek und für eine etwas größere Rollgenua in der Schublade. Viele Eigner achten ja auf die klassischen Cruising-Eigenschaften einer Yacht. Dass der konventionellere Segelplan ebenfalls eine gute Balance des Schiffes garantiert, haben Biehl und Segelmacher UK Sails bereits ausprobiert. Ein hübsches Detail: Auf dem Testschiff war ein Fockroller der Firma Bartels aus Süddeutschland montiert. Ganz aus Edelstahl gebaut, kommt er ohne eine Trommel für die Einrollleine aus. Stattdessen nimmt lediglich ein flacher Klemmkranz den Raum zwischen Segelhals und Deck ein. Und dieser Klemmkranz wird von einer Endlosleine gedreht, deren Schlaufe bis achtern zum Cockpit reicht. Für kleine Schiffe ist diese Edelstahllösung ausgesprochen elegant. So lässt sich die Fock sehr tief anschlagen, ein Druckausgleich zwischen Deck und Unterliek findet nicht statt. Internationale Wertarbeit Woher aber kommt dieses Schiff mit den hübschen Linien, der guten Performance und dem eigenwilligen Namen? Die Werft, die für den Bau verantwortlich zeichnet, steht in Tschechien. Jedoch sei die Café 30 deswegen längst kein tschechisches Boot, so Biehl. Vielmehr ist es das Produkt einer grenzüberschreitenden Kooperation, in der auch das renom- Glatt: Trotz ihres hohen Rumpfes wirkt die Café 30 am Wind schier und effektiv U 73

5 Geräumig: Um die Dinette im Salon passen locker vier Knapp: Die Achterkammer ist sehr schmal mierte deutsche Konstruktionsbüro Judel/ Vrolijk & Co. eine Rolle spielt. Das zeichnete Anfang der neunziger Jahre in Zusammenarbeit mit dem polnischen Admiral s-cup-konsortium MK Café ein modernes Sportboot, die Café 24. Auch wenn es zwischenzeitlich um das Boot still geworden ist, blieb die kleine Café bis heute aktuell, zuletzt gebaut von Mikulas Maritime in Tschechien. Zusammen mit Werftchef Petr Mikulas legte der erfahrene amerikanische Designer Henry Martinak dort eine 30-Fuß- Yacht auf, die mit der Café 24 nur den Namen gemein hat eben die Café 30. Knut Biehl hat das Projekt seit den ersten Zeichnungen verfolgt. Er spezifiziert die Boote für den deutschen Markt, der sich gewaltig von dem osteuropäischen unterscheide. Einzelne Teile gliedert er sogar aus, kauft sie ein oder lässt sie auf eigene Rechnung speziell herstellen. Das größte Einzelteil dabei wird zukünftig der gesamte Innenausbau sein. Der soll, weil sich die Bestellungen für die neue Kleine häufen und Mikulas Maritime an Kapazitätsgrenzen stößt, dem- 74

6 Café 30 Test Personen. Die funktionale Pantry wirkt als Raumteiler nächst auch von DG Yachtbau (Degerö Yachts) in Schleswig gefertigt werden. An der Schlei, wo auch Designer Marc Oliver von Ahlen sitzt, der den Kiel für das Schiff modifiziert hat. Diesen galt es für hiesige Gewässer zu verlängern, neu zu profilieren und im Gewicht zu ändern. FOTOS: YACHT/N. KRAUSS Angemessener Wohnraum Was sich wie ein fast virtuelles Bootsbau- Projekt anhört, fühlt sich an Bord qualitativ sehr stimmig und kein bisschen kompromissbehaftet an. Der Ausbau wirkt kompetent. Selbst die kleinen Schapps sind innen mit Holz ausgekleidet, die Passungen stimmen. Ein einlaminierter Rahmen nimmt Rigg- und Kielkräfte auf. Für einen Bilgenbrunnen in Form eines Edelstahlkastens, der nach dem Entformen zwischen Rumpf und Kiel laminiert wird, hat sich Biehl bei der Werft stark gemacht keine Selbstverständlichkeit. Die Aufteilung unter Deck ist rundweg gelungen, was auf 30 Fuß nicht ohne weiteres gelingt. Der Sekundärbereich falle sogar größer aus als bei vergleichbaren Schiffen, betont Biehl. Er meint den Raum zwischen Pantry und Navigation, 1,84 Meter hoch und ausreichend breit zum Arbeiten, Spi-Packen und Kochen trotz der geringen Breite des Rumpfs. Positiv fallen die Salonsofas auf, die durch viel Sitztiefe auch als Kojen taugen. Mit rund Euro segelfertig ist die Café 30 sicher kein Schnäppchen. Aber Konzept wie Qualität rechtfertigen den Preis. Und das Gefühl, ein besonderes Boot zu segeln, gibt s gratis dazu. Matthias Beilken Weitere Informationen zu den Themen Tests und Sie unter: 75