Messung der Astronomischen Einheit nach Aristarch (mit Lösung)
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- Christoph Ritter
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1 Astronomisches Praktikum Aufgaben für eine Schlechtwetter-Astronomie U. Backhaus, Universität Duisburg-Essen Messung der Astronomischen Einheit nach Aristarch (mit Lösung) 1 Einleitung Bis ins 17. Jahrhundert war die Entfernung Erde - Sonne eine astronomische Größe von vielen. Mit der allmählichen Durchsetzung des Kopernikanischen Weltbildes aber und erst recht mit Keplers 3. Gesetz wurde diese Entfernung zum Maßstab für das Sonnensystem und sogar für das ganze Weltall - zur Astronomischen Einheit. Bis dahin hatten alle Astronomen den fast 2000 Jahre alten Zahlenwert von Aristarch von Samos (300?-230?) übernommen. Im 17. Jahrhundert setzten deshalb intensive Bemühungen ein, die Entfernung zur Sonne zu messen, in deren Verlauf die Astronomische Einheit immer größer wurde - und mit ihr das ganze Universum. Es dauerte jedoch noch über 200 Jahre, bis die Sonnenentfernung auf 1% genau gemessen werden konnte. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass auch heute noch kein Versuch für die Schule existiert, mit dem die Entfernung Erde - Sonne leicht bestimmt werden kann. Die Besprechung moderner Methoden, wie Radarecho, beschränkt sich in der Schule auf die Lösung reiner Rechenaufgaben, und auf einen Merkur- oder gar Venusdurchgang kann man nicht warten. Interessante Methoden bestehen darin, aus den Beobachtungsdaten eines Bedeckungsveränderlichen bzw. der Doppler-Verschiebung des Saturnspektrums die astronomische Einheit zu bestimmen. Leider eignen sie sich weniger für alle Klassenstufen als für Astronomiekurse und spezielle Arbeitsgemeinschaften. Einfacher ist es, den Gedankengang von Römer umzukehren und aus der Verfinsterung der Jupitermonde mit Hilfe der bekannten Lichtgeschwindigkeit den Radius der Erdbahn zu bestimmen. 2 Etwas Theorie Am einfachsten zu verstehen jedoch ist die geniale Idee von Aristarch, der die Sonnenentfernung dadurch bestimmte, dass er bei Halbmond den Winkelabstand zwischen Sonne und Mond beobachtete (Abb. 1). Bei Halbmond liegt nämlich in dem Dreieck Erde - Mond - Sonne ein rechter Winkel beim Mond (s. Abb. 1). Wenn man also den Winkel zwischen Mond und Sonne bei Halbmond misst, kennt man in dem Dreieck alle Winkel und damit das Verhältnis der Entfernungen zu Sonne und Mond. Da die Entfernung zum Mond schon in der Antike recht gut bekannt war und auch heute in der Schule relativ einfach zu bestimmen ist, 1
2 Mond Sonne r M r S cosψ = r M rs ψ Erde Abbildung 1: Bestimmung der Astronomischen Einheit nach Aristarch kann in fast allen Klassenstufen die Entfernung Erde - Sonne zeichnerisch oder rechnerisch ermittelt werden. Leider ist über Aristarchs Messungen nichts überliefert. Aus seinem Zahlenwert für dieses Entfernungsverhältnis (18-20) kann man aber schließen, dass er den Winkel zu 87 annahm. Dieser Wert ist jedoch viel zu klein: Er beträgt tatsächlich fast genau 90. Trotzdem wurde Aristarchs Angabe fast 2000 Jahre ungeprüft übernommen, u.a. weil die einzige andere Messmethode, die den Griechen bekannt war (Bestimmung der Sonnenentfernung nach Hipparch aus dem Zusammenhang zwischen Mondentfernung und Durchmesser des Erdschattens auf dem Mond) zufällig zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hatte. Noch Brahe übernahm diesen Zahlenwert, und erst 1650 wurde Aristarchs Messung von Wendelin wiederholt - mit einem völlig anderen Ergebnis: Nun schien die Sonne etwa 250mal so weit entfernt zu sein wie der Mond! In dieser großen Diskrepanz deuten sich gravierende Probleme bei der Messung an: Der genaue Zeitpunkt des Halbmondes ist mit den Augen nur ungenau zu bestimmen - selbst mit einem Fernrohr. Es bleibt kaum etwas anderes übrig, als auf das gesammelte Wissen in astronomischen Jahrbüchern zurückzugreifen. Der Winkel zwischen Mond und Sonne muss offensichtlich sehr genau gemessen werden. Herrmann hat beschrieben, wie man mit zwei Holzlatten den Winkel misst. Einerseits ist der von ihm beschriebene Messvorgang recht aufwendig, da zwei Personen gleichzeitig Sonne bzw. Mond anpeilen müssen. Andererseits kann frühestens ab Klasse 9 die Berechnung des Winkels mit Hilfe der Winkelfunktionen erfolgen. 2
3 3 benötigte Hilfsmittel Literatur D. Vornholz, U. Backhaus: Wer hat recht - Aristarch oder der Sextant?, Astronomie und Raumfahrt 31, 20 (1994) 3
4 Abbildung 2: Aufbau des Sextanten 4 Aufgaben (mit Lösungen) Am 29. April 1993 lag der Zeitpunkt des 1. Viertels laut astronomischem Jahrbuch um Uhr MEZ. Das bedeutete, dass der Mond hinreichend hoch über dem Horizont stehen sollte, um gleichzeitig mit der Sonne zu sehen zu sein. Aus organisatorischen und meteorologischen Gründen liegen leider nur Messwerte aus der Zeit zwischen Uhr und Uhr vor. Mit einem Sextanten wurden in Bremen die folgenden Winkelabstände zwischen Sonne und Mond gemessen: MEZ Winkel MEZ Winkel h min Grad min h min Grad min Tabelle: Winkeldistanzen zwischen Sonne und Mond, gemessen in Bremen am
5 1. Zum im Kalender angegebenen Zeitpunkt für das 1. Viertel beträgt die Winkeldistanz bereits mehr als 90. Welche Gründe können dafür verantwortlich gemacht werden? 1. Viertel und Halbmond beschreiben verschiedene Konstellationen (s. Abb. 3): Bei Halbmond liegt im Dreieck Erde - Sonne - Mond der rechte Winkel beim Mond, beim 1. Viertel jedoch bei der Erde. Zur Zeit des 1. Viertels sollte also der gemessene Winkel genau 90 betragen. Gemessen wurde aber ! Mond 1. Viertel Halbmond i i Sonne ψ ψ Erde Abbildung 3: Unterschied zwischen 1. Viertel und Halbmond Wenn auf der Tagseite der Erde gerade das 1. Viertel eintritt, ist die Winkeldistanz zwischen Sonne und Mond auf der Nachtseite noch deutlich kleiner als 90 (s. Abb. 4). Die Erde ist etwa viermal so groß wie der Mond. Sie erscheint deshalb, vom Mond aus betrachtet, unter einem Winkel von etwa 2. Um diesen Winkel können sich also die von verschiedenen Punkten der Erde aus gemessenen Winkeldistanzen zwischen Mond und Sonne maximal unterscheiden. Die Zeitpunkte für das 1. Viertel differieren deshalb um bis zu 4 Stunden: T d 360 4h Die Folgerung ist naheliegend: Die im Himmelsjahr angegebenen Zeiten beziehen sich auf den Erdmittelpunkt. 2. Stellen Sie die Messwerte grafisch dar und extrapolieren Sie großzügig! Korrigieren Sie dabei die Messwerte um den Nullpunktsfehler des Sextanten von 3. Wann trat in Bremen der Zeitpunkt 1. Viertel ein? Die folgenden Aufgaben können Sie auch mit einem Tabellenkalkulationsprogramm bearbeiten. Ein Tabellenblatt mit den Messdaten kann erbeten werden. 1. Viertel war um Uhr. 3. Diskutieren Sie das entstandene Diagramm! 5
6 Mond i Sonne 2 ψ Erde Abbildung 4: Einfluss der Mondparallaxe 91.0 Distanz [Grad] 1.Viertel in Bremen 1. Viertel (nach Kalender) Uhrzeit (MEZ) 89.0 Abbildung 5: Grafische Darstellung der Messergebnisse (a) Schätzen Sie die Dauer des synodischen Monats ab, der Zeit also, die zwischen zwei Neumonden vergeht. Mit Hilfe der vereinfachenden Annahme eines gleichförmigen Mondumlaufes ergibt sich aus der Steigung der Ausgleichsgeraden (0.532 /h) - aus Messwerten, die innerhalb einer Stunde gewonnen wurden! - die Länge des synodischen Monats zu 28.2d. Dieser Wert ist, verglichen mit dem wahren Wert von 29.5d, erstaunlich gut. (b) Schätzen Sie aus der gemessenen Winkeldistanz zum Zeitpunkt des 1. Viertels die Entfernung des Mondes ab! Aus der Messung ( ) ergibt sich, dass die Mondparallaxe π M mindestens 38.6 betragen muss. Denn zum Zeitpunkt der Messung lag Bremen nicht in der extremalen Position in Abb. 4. Daraus folgt aber: π M 38.6 = r M R E = 1 π M 89. 6
7 Dieser Wert ist nur um 50% zu groß. 4. Nach Computerberechnungen trat in Bremen Halbmond bereits um Uhr MEZ ein. Bestimmen Sie den aus den Messwerten extrapolierten Winkelabstand zu diesem Zeitpunkt und berechnen Sie daraus die Entfernung der Sonne! Nach der linearen Extrapolation der Messungen wäre um diese Uhrzeit ψ = gemessen worden. Damit ergibt sich: r M r S = cos = r S = 372r M. 7
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