Projektdokumentation Projektgruppe Musik OS Helgolander Straße Ausstellung Das Unsichtbare sichtbar machen
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- Hajo Reiner Baumgartner
- vor 7 Jahren
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1 Die Idee: Projektdokumentation Projektgruppe Musik OS Helgolander Straße Ausstellung Das Unsichtbare sichtbar machen Das Theaterstück Der Junge, der unsichtbar wurde beschäftigt sich mit den auslösenden Faktoren, die zu Gewalt von Jugendlichen an Schulen führen können. Die zentralen Ansätze behandeln dabei Themen wie Wut, Beziehungslosigkeit und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Im Zuge der begleitenden Ausstellung: Das Unsichtbare sichtbar machen soll die Projektgruppe Musik der Oberschule an der Helgolander Straße sich künstlerisch und kreativ mit diesen Themen auseinander setzen. Die Gruppe: Die Projektgruppe Musik besteht aus 7 Schülern des 6. und 7. Jahrgangs. Sie wurden gezielt gefragt und nehmen freiwillig an dem Projekt teil. Zu den Auswahlfaktoren zählte ein generelles Interesse an Kunst und Kultur, sowie Motivation und Kreativität. Außerdem war für die Teilnahme ein Einverständnis der Klassenlehrer und Eltern notwendig, da die Projektwoche 15 Stunden des Regelunterrichtes umfasst und die Schüler den verpassten Stoff selbständig nachholen müssen. Alle Teilnehmer sind Schüler aus Musikprofilklassen, spielen ein oder mehrere Instrumente und haben Erfahrung mit Tonaufnahmen Der Ausgangspunkt: Ausgangspunkt für unsere Arbeit zum Thema Gewalt an der Schule war der Theaterbesuch im Schnürschuh-Theater Bremen am 30. April Die sieben Teilnehmer aus den Jahrgängen 6 und 7 der Oberschule an der Helgolander Straße schauten sich -zusammen mit größtenteils älteren Schülern- an diesem Tag eine Vorstellung von Der Junge der unsichtbar wurde an und nahmen Teil an der Nachbesprechung mit den Schauspielern. Neben Fragen zum Inhalt und zur Ausstattung der Inszenierung war das zentrale Thema der Nachbesprechung die eigene Reflektion über das Entstehen von Wut und Gewaltphantasien. Als die entscheidenden Motive in Bezug auf die Auslöser von Gewalt wurden dabei immer wieder Enttäuschungen, Missverständnisse und Konflikte innerhalb der Familie und innerhalb der gleichaltrigen Bezugsgruppe genannt. Die Projektwoche: Ausgehend von den Erlebnissen im Theater und der Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt an der Schule wurden für die Projektwoche folgende Ansätze formuliert: Warum ist der Junge Nico aus dem Theaterstück Amok gelaufen? Wie entstehen Wut und Gewalt? Was tut man wenn man wütend ist? So wurden die Projekttage in drei Arbeitsbereiche aufgeteilt. Ziel war es, den Themen eine künstlerische Form zu geben mit der Auflage, in Hinblick auf die Ausstellung, am Ende der Woche akustische Beiträge und Exponate entwickelt zu haben, die zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Neben der kreativen Arbeit sollte ein Schwerpunkt des Projektes eine Einführung in die digitale Klangbearbeitung am Computer und das Schneiden von Tonaufnahmen sein.
2 Tag 1: Wie klingt Wut? Zu Beginn des ersten Projekttages haben wir das Theaterstück und die daraus entstandenen Eindrücke zunächst noch einmal Revue passieren lassen. Anfangs haben wir uns die Frage gestellt warum der Junge aus dem Theaterstück frustriert und wütend war und warum er schließlich gewalttätig wurde. Die folgenden Punkte wurden festgehalten: er wurde nicht beachtet die anderen finden ihn gar nichts die Eltern haben ihm nicht zugehört er bekam keine Aufmerksamkeit alle haben durch ihn durch gesehen er ist wütend geworden er ist traurig und frustriert Ziel des ersten Tages war es mithilfe von musikalischen Ausdrucksmitteln das Gefühl von Wut, Frustration und Trauer zu erfassen. Im ersten Teil hat die Gruppe sich dazu in einem der Band- Räume der Schule zusammengefunden um an den vorhanden Instrumenten (Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard, Stimme) kreativ zu musizieren. Die einzige Vorgabe war: Wie klingt Wut? Später wurden die Ideen mit dem Computer aufgenommen und so zusammengeschnitten, dass sie eine musikalische und rhythmische Form ergeben.
3 Im zweiten Teil des Projekttages wurde der musikalische Rahmen ausgedehnt auf das erzeugen von Klängen und Geräuschen. Die Aufgabe der Schüler war es, im Schulgebäude Geräuschquellen oder Gegenstände zu finden, welche für sie ein Ausdruck von Stress, Angst, Wut oder Gewalt sein können. Hierzu bedienten wir uns dem schuleigenen Keller und den dazugehörigen Abstellräumen. Ziel war es, die entstandenen Tonaufnahmen in das Klanggerüst aus dem ersten Teil des Tages zu integrieren. Das Ergebnis sollte ein ca. 5 minütiges Musikstück sein, welches sinnbildlich für das Gefühl von Wut und Frustration ist und als Hintergrundmusik bei der Ausstellung laufen kann. Tag 2: Gewaltige Stimmen Die Vorgabe am zweiten Tag der Projektwoche war es, sich mit verbaler Gewalt auseinander zu setzen. Zunächst wurden Zitate gesammelt, welche die Schüler als verletzend und gewalttätig bezeichnen würden. Wichtig war hierbei, dass alle Zitate aus einem realen Zusammenhang gegriffen sind, sprich: genauso in der Schule, zu Hause oder in der Freizeit von Mitschülern und Freunden gehört und erlebt worden sind. Außerdem wurden die Schüler gebeten, selbst ein paar Sätze und Ausdrücke zu sammeln, welche sie gerne mal loswerden würden wenn sie wütend sind.
4 Ergebnisse: du Legastheniker du Reagenzglasgeburt Bastard du Spasti ich hasse dich, du bist hässlich piss dir nicht in die Hosen wenn ich mit dir spreche du stinkst, ich finde dich widerlich deine eignen Eltern mögen dich nicht verrecke du kleiner Penner, was willst du hier ich würde dir gerne den Hals umdrehen guck nicht, fass mich nicht an du bist dumm du kriegst nicht mal nen Hauptschulabschluss du trägst doch immer noch ne Windel, du Bettnässer du Mutterkind komm her wenn du was willst du Opfer du hast Klamotte aus der Mülltonne du hässliches Gossenkind du Mistkind Im zweiten Teil des Projekttages wurden die entstandenen Beiträge von den Schülern vor einem Mikrofon gesprochen und aufgenommen. Die Aufnahmen sollten später zusammengeschnitten werden zu einer immer wiederkehrenden Ton-Schleife aus verbaler Gewalt mit dem Namen: Gewaltige Stimmen. Diese Tonschleife können sich Besucher der Ausstellung über einen Kopfhörer anhören und auf sich wirken lassen.
5 Tag 3: Keiner hört mir zu Ein wichtiges Motiv, dass im Theaterstück Der Junge der unsichtbar wurde behandelt wird ist das Gefühl, missverstanden zu werden und mit seinen Problemen alleine zu sein. Der wichtigste Austragungsort hierbei war im Stück die Familie. Der Junge Nico wird von seinen Eltern nicht beachtet oder missverstanden wenn er seine Probleme loswerden will. Zu diesem Phänomen sollten die Schüler an diesem Tag alltägliche Probleme sammeln mit denen sie zu kämpfen haben und diese wiederum als einzelne Sätze mit einem Mikrofon ausnehmen. Ergebnisse: ich kann den Hals nicht mehr bewegen ich hab Bauchschmerzen ich krieg beim Sport keine Luft ich brauche Hilfe bei Mathe mein Fuß tut weh die anderen sagen, ich stinke ich glaube ich bin krank ich hab ne 5 in Deutsch die Mädchen sind doof zu mir In einem zweiten Ansatz sollten sie nun typische Reaktionen ihrer Eltern formulieren, welche ihrer Meinung nach von Desinteresse und fehlendem Verständnis zeugen. Ergebnisse: du musst mehr Liegestütz machen frag mal lieber deine Mutter das kommt vom Wachstum nee, ich muss einkaufen können wir das morgen besprechen mach doch mehr Sport immer schön am Ball bleiben ja, ja, ist nicht so schlimm hab ich's nicht gesagt Um die formulierten Sätze der Eltern in einen glaubwürdigen akustischen Zusammenhang zu bringen wurden die Kinder im zweiten Teil des Projekttages mit einem mobilen digitalen Aufnahmegerät durch die Schule geschickt. Dort sollten sie Lehrer darum bitten, die aufgeschriebenen Sätze möglichst glaubwürdig zu sprechen. Später wurden diese Aufnahmen in den Computer eingespeist und weiter verarbeitet. Das Ziel sollte es sein mit dem aufgenommen Material eine Art Frage-Antwort-Spiel per Zufallsprinzip zu entwickeln. Die Umsetzung für die Ausstellung sollte wie folgt aussehen: Die Besucher der Ausstellung haben per Kopfhörer die Möglichkeit des Zugriffs auf zwei CD- Player. Auf der einen CD befinden sich die einzelnen Sätze der Schüler mit ihren Problemen und Fragen. Auf der anderen CD befinden sich die Sätze der Eltern mit Ausflüchten, Ablenkung und Desinteresse. Der Besucher hat nun die Möglichkeit per Zufall jeden Track vom ersten CD-Player mit einem vom zweiten CD-Player zu kombinieren. Es werden immer sinnvolle Kombinationen aus typischen Diskussionen entstehen, die dem Hörer einen Spiegel vorhalten und an reale Situationen aus der eigenen Familie erinnern.
6 Reflexion / Fazit: Insgesamt ist es meiner Projektgruppe gelungen, sich vielschichtig und facettenreich mit dem vorgegebenen Thema zu beschäftigen. Insbesondere im künstlerischen Bereich fiel es keinem der Teilnehmer schwer, Ideen zu artikulieren und Impulse zu setzen. So erwies sich die Arbeit mit Instrumenten und anderen Klangkörpern zur Erstellung der Sound-Kollage Wie klingt Wut als besonders fruchtbar. Der spielerische Umgang mit der eigenen Wut und das Transportieren von Emotionen durch Musik wurde zum zentralen Thema während der Projektwoche. Im Bereich der Selbstreflexion fiel es hingegen vielen Schülern schwer, das Erleben von verbaler Gewalt ernsthaft zu thematisieren. Anscheinend waren die durchschnittlich 13-jährigen Teilnehmer noch etwas zu jung um sich direkt mit der tragischen Hauptfigur des Theaterstückes zu identifizieren. Es dauerte verhältnismäßig lange, im Gespräch mit den Schülern auf Sätze und Ausdrücke zu stoßen, welche von ihnen tatsächlich als verletzend und gewalttätig empfunden werden. So kamen viele Teilnehmer über das bloße Zitieren der neuesten Schimpfwörter unter ständigem Gelächter nicht hinaus. Erst nach längeren Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass es oft die subtilen und ernstgemeinten Kommentare der Gleichaltrigen sind, die wirklich weh tun. Beim Thema Familie ist mir aufgefallen, dass das Elternhaus für viele anscheinend noch einen geschützten Bereich darstellt. So konnten einige Schüler nur sagen, dass dort alles in Ordnung sei, sie genug Freiheiten hätten und ihnen genügend Beachtung geschenkt wird. Nur wenige Teilnehmer konnten Szenen schildern, die auf Desinteresse und Missverständnis seitens der Eltern hindeuten. Insgesamt hatte ich jedoch das Gefühl, dass die Gruppe die zentralen Inhalte aus dem Theaterstück gut reflektiert in der künstlerische Arbeit umsetzen konnte. Insbesondere das Aufnehmen und bearbeiten von Musik und Klängen zum Thema Wut, Gewalt und Frustration erwies sich als idealer Ausgangspunkt für kreative Prozesse. Michael Krummheuer Schulmusikpädagoge und Freischaffender Musiker Wulwesstr Bremen
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