Predigt zu Matthäus 5, 7
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- Gert Franke
- vor 7 Jahren
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1 Predigt zu Matthäus 5, 7 Liebe Gemeinde, Gott ist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte (Psalm 103,8). Ja, die Liebe des himmlischen Vaters ist unbegreiflich. Daran halten wir fest, obwohl Menschen oft so unbegreiflich unbarmherzig sind. Was für ein Wahnsinn, wenn in Pakistan oder anderen islamischen Ländern die Hilfe christlicher Organisationen nicht zugelassen wird und Mitarbeiter sogar getötet werden! Das kann nicht im Sinne Gottes sein. Es fällt schwer zu glauben, dass sich an diesen Verhältnissen etwas könnte. Doch zugleich wird die Sehnsucht nach einer barmherzigeren Welt immer größer. Eine zutiefst menschliche Sehnsucht, die Jesus schon zu seiner Zeit inmitten eines gnadenlosen, römischen Machtapparats ansprach. Die fünfte Seligpreisung lautet: Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. Was will Jesus mit dieser Seligpreisung erreichen? Will er solche Kampagnen provozieren, wie kürzlich von Microsoft-Gründer Bill Gates und Investment-Guru Warren Buffet angestoßen? Die beiden gehören zu den reichsten Menschen dieser Welt und sie wollen nun Milliardäre dafür gewinnen, ihr Vermögen wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen. Vierzig 1
2 Milliardäre sollen schon zugesagt haben. Nun könnte man kritisch vermuten, dass es sich lediglich um einen großen PR-Gag handelt. Doch Bill Gates und Waren Buffet scheinen es ernst zu meinen. Gates hat eine Stiftung, in die er regelmäßig viel Geld steckt. Und Buffet will 99% seines Vermögens einer Stiftung vermachen. Hierzulande war von einem neuen sozialen Gewissen die Rede. So wurde beispielsweise von Software-Milliardär Dietmar Hopp ein höherer Spitzensteuersatz gefordert. Ungewöhnlich! Herbert Grönemeyer sagte es pointiert: Diejenigen, die leichter viel Geld verdienen, müssen auch leichter mehr Geld geben. Tja, was denkt ihr? Ist es das, was Jesus mit der fünften Seligpreisung beabsichtigt? Sicher wird ihm das gefallen vorausgesetzt es bleibt nicht bei medienwirksamen Versprechungen. Wir können uns vieles vornehmen, doch wenn wir unsere barmherzigen Absichten nicht in die Tat umsetzen, werden wir weder glücklich noch selig! Gott will, dass wir uns nicht um uns selbst drehen, sondern mitfühlen, mitleiden und unbedingt mithelfen, wenn er uns braucht und er braucht uns. Schon im Alten Testament spricht Gott ganz deutlich: Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer (Hosea 6,6). In unserem deutschen Wort Barmherzigkeit stecken die Worte Herz und Erbarmen. Im Hebräischen 2
3 leitet sich Barmherzigkeit von dem Wortstamm für Mutterschoß ab (rhm). Der Mutterschoß, die Gebärmutter ist Ausgangsort menschlichen Lebens. Wie eine schwangere Frau kurz vor der Geburt an nichts anderes denken kann, als daran ihr Kind zur Welt zu bringen, so konzentriert sich für Gott alles darauf, dass Barmherzigkeit zur Welt kommt. Leider haben viele Menschen, auch viele Christen, ein anderes Gottesbild verinnerlicht. Da ist ein innerer Richter, der ständig über alle Regungen unseres Herzens urteilt, verurteil gerecht und ja auch gnädig. Vom Kopf her ist uns das klar. Aber können wir das fühlen, was wir glauben? Wer aber mit sich selbst unbarmherzig ist, wird es schwer haben, Erbarmen und Herz zu zeigen. Tatsächlich geht es darum, aus echtem Mitgefühl heraus zu handeln. Es ist so, dass derselbe hebräische Wortstamm mit der Bedeutung Mutterschoß auch die Bedeutung Eingeweide haben kann. Die Eingeweide stehen für die innersten und auch für die verwundbaren Gefühle. An verschiedenen Stellen der Evangelien wird davon berichtet, dass Jesus sich über Menschen erbarmte, weil er ein tiefes Mitgefühl in seinem Innersten verspürte angesichts von aussätzigen Menschen (Mk. 1,41), angesichts seines Volkes, das wie Schafe ohne Hirten umherirrte (Mt. 14,14), angesichts einer verzweifelten Witwe, die ihren einzigen Sohn verloren hatte (Lk.7,13) um nur einige 3
4 Beispiele zu nennen. Das heißt, Barmherzigkeit muss von Herzen, aus dem Innersten heraus motiviert sein. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk. 15,20) wird der Vater von Gefühlen geradezu überwältigt, woraufhin er seinem verloren geglaubten Sohn entgegenläuft, ihm um den Hals fällt und ihn küsst. So ist Gott. Gott ist das Schicksal der Menschheit nicht gleichgültig es dreht ihm vielmehr den Magen um, wenn er sieht, was sich Menschen gegenseitig antun. Und das Schlimme dabei ist ja, Gott hat alles dafür getan, damit sich daran etwas ändert. Wenn Jesus sagt: Glückselig die Barmherzigen, dann gebraucht er noch einmal ein anderes Wort für Barmherzigkeit. Bei dem griechischen Wort ελεος liegt der Akzent darauf, gerade auch für diejenigen ein Herz zu haben, die sich von Gott weit entfernt haben. Es kann, es darf uns nicht unberührt lassen, wenn Menschen sich von Gott abwenden. Sie mögen noch so humanistisch geprägt sein und viel Gutes tun. Doch was ihnen fehlt, ist diese Erfahrung der liebevollen Zuwendung eines mitfühlenden Gottes, der sich wie ein Vater über seine Kinder erbarmt. In der Psychologie spricht man heute vom inneren Kind. Jeder trägt in sich ein verletztes Kind, das lächerlich gemacht worden ist und zu wenig beachtet wurde. Dieses innere Kind sehnt sich danach, sich in Gottes Barmherzigkeit, wie im Mutterschoß zu bergen. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch diese 4
5 Sehnsucht in sich trägt und sie nur gestillt werden kann, wenn wir spüren, wie barmherzig Gott wirklich ist und wir seine Barmherzigkeit verinnerlichen. Nun gibt es im Neuen Testament einige Geschichten, die davon erzählen, was ja eigentlich nicht sein kann: a) Da berichtet Jesus gleichnishaft von einem Mann, der überfallen wird und schwer verletzt ist, und was passiert?! Diejenigen, die sich für besonders fromm halten, gehen einfach vorbei und machen einen großen Bogen um den armen Kerl, der dort am Boden liegt (Lk. 10). Manchmal legt Gott einem die Not wirklich vor die Füße. Und wahrscheinlich sind auch wir schon häufig an solchen Situationen vorbeigegegangen, weil wir glaubten, es gäbe Wichtigeres zu tun. Doch für Gott gibt es nichts, was wichtiger wäre, als Barmherzigkeit zu üben ganz egal, wer da in Not ist! b) Eine andere Geschichte erzählt davon, dass Jesus mit Zöllnern und Sündern gemütlich zusammen gegessen hat, was die Pharisäer grundsätzlich ablehnten. In diesem Zusammenhang sagte Jesus: Nicht die Gerechten brauchen den Arzt, sondern die Kranken (Mt. 9,12). Obwohl die selbstgerechten Pharisäer eigentlich auch einen Arzt gebraucht hätten, ging Jesus immer zu denen, die nicht glauben konnten, dass Gott sie 5
6 liebt. Es kann also nicht sein, dass wir als Christen kaum noch Kontakte zu Menschen haben, die Gottes Liebe gar nicht kennen. Die Menschen, denen wir tagtäglich begegnen, dürfen uns nicht egal sein! c) In noch einer anderen Geschichte zitiert Matthäus in seinem Evangelium den alttestamentlichen Propheten Hosea mit den Worten: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Da halten sich die Jünger einfach nicht an das heilige Sabbatgebot. Weil sie Hunger haben, gehen sie an einem Sabbat in ein Kornfeld und reißen dort einige Ähren ab. Das aber ist nach jüdischem Gebot verboten (Mt. 12,2). Obwohl Jesus das natürlich weiß, verteidigt er das Verhalten seiner Jünger. Ja, Jesus erlaubt es, dass wir uns ggf. über gute Gebote hinwegsetzen dürfen. Oft erlauben wir uns das selbst nicht ähnlich, wie die Pharisäer. Doch Jesus hat uns zur Freiheit berufen. Es geht immer darum, den Menschen zu sehen. Und wenn die guten Gebote Gottes in einer konkreten Situation nicht dem Menschen in seiner Not dienen, dann dürfen wir uns darüber hinwegsetzen. Tja, wir sind verunsichert, weil wir befürchten, dass damit biblische Gebote außer Kraft gesetzt werden könnten. Diese Sorge hatte Jesus nicht. Nein, das wichtigste Gebot ist es, Gott und den Nächsten zu lieben. d) Noch eine vierte unglaubliche Geschichte möchte ich erwähnen. Da erzählt Jesus in einem Gleichnis von einem König, der einem seiner Verwalter 6
7 seine Schulden, die in die Millionen gehen, ohne Bedingungen an ihn stellen, erlässt. Nun sollte man denken, dass dieser Mann verstanden haben müsste, was Barmherzigkeit bedeutet. Doch was macht er?! Als einer seiner Untergebenen ihn anfleht: Hab noch etwas Geduld, ich will ja meine Schulden, die ich bei dir habe, begleichen!, lässt er ihn gnadenlos ins Gefängnis werfen (Mt. 18,21ff). Natürlich könnte man sich über solch ein Verhalten furchtbar aufregen. Doch Vorsicht. Wie oft kommt es vor, dass auch wir nicht so handeln, wie Gott an uns gehandelt hat? Diesen unbarmherzigen Verwalter kenne ich doch irgendwie! An dieser Stelle möchte wieder einen Grundsatz aus dem Programm Leben finden zitieren: Ich prüfe alle meine Beziehungen und bemühe mich um Wiedergutmachung bei allen, denen ich geschadet habe. Nun denken wir ja immer gleich, die anderen sind schuld. Doch das gilt es zu prüfen. Im Lukasevangelium finden wir parallel zur Bergpredigt die sogenannte Feldrede. Da heißt es: Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist (Lk. 6,36). Bedenkt, unser Vater im Himmel hat seinen Sohn gesandt, obwohl wir Menschen so unbarmherzig sind. Es gibt also keine Ent-schuldigungen für uns. 7
8 Allerdings dürfen wir nicht unbedingt erwarten, dass Menschen barmherziger mit uns sind, weil wir ihnen etwas Gutes getan haben. Nein, diese fünfte Seligpreisung Glückselig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden können wir nicht auf das beziehen, was wir in dieser Welt erleben. Die Verheißung dieser Seligpreisung erfüllt sich aber ganz sicher im Glauben an einen barmherzigen und gnädigen Gott, der sich unser erbarmt, wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt. Wenn wir bis in die Eingeweide hinein spüren und verinnerlichen, wie barmherzig Gott ist, werden wir aus dieser Motivation heraus weitergeben, was wir selbst empfangen haben das macht die Welt, in der wir leben, etwas barmherziger und uns wird es glücklich und auch selig machen. AMEN 8
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