Pressemitteilung. Bodoni-Schriftoriginale dienen als Basis einer neuen, digitalen Schriftkomposition

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1 Pressemitteilung cbtm Linotype Gianotten ein innovatives typografisches Projekt: Bodoni-Schriftoriginale dienen als Basis einer neuen, digitalen Schriftkomposition Bad Homburg, 30.Oktober In über fünfjähriger Arbeit entstand mit der Schriftfamilie Linotype Gianotten die nach Expertenmeinung wohl gelungenste Neufassung des Schriftklassikers Bodoni. Der Schriftgestalter Antonio Pace griff bei dieser neuen Version der klassizistischen Antiqua auf die Stempeln von Giambattista Bodoni im Museum in Parma zurück und setzte die rund 200 Jahre alten Vorlagen in die Welt der modernen digitalen Computertechnologie um. Eine konsequente Gestaltung und die organische, schnörkelose Konstruktion der Einzelzeichen verleihen der neuen Schriftfamilie eine zeitgemässe, gut leserliche Anmutung. Linotype Gianotten umfasst 12 Schriftschnitte für Macintosh und Windows-PC und ist zum Preis von 340,00 DM (173,62 EURO) zzgl. Versandkosten ab sofort erhältlich. Antonio Pace (links), Henk W.J. Gianotten»Meine Bodoni sollte unter besonderer Berücksichtigung der heutigen Produktions- und Reproduktionsverfahren entstehen«, erläutert der Schriftentwerfer Antonio Pace. Der gebürtige Italiener, der seit über 20 Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, verfügte über das notwendige Einfühlungsvermögen, die mediterane, klassizistische Schriftgestaltung des Originals für das Computerzeitalter zu transformieren. Denn, so Pace,»viele Probleme mit bestehenden Postscript-Schriften haben ihren Ursprung darin, dass diese Adaptionen aus früheren digitalen Verfahren und Systemen darstellen«. Eine Besonderheit, die Pace dem klassizistischen Bodoni-Modell abgewinnen konnte, ist der Entwurf einer Leseschrift. Ein Novum, denn bislang eignen sich bisherige Bodoni- Interpretationen nicht für Fließtext. Der Manuale Tipografico, das Hauptwerk von Giambattista Bodonis, ließ für Antonio Pace aber andere Rückschlüsse zu.»die Basis für meinen Entwurf stellen die Schriften aus dem Manuale dar, die auf Mengensatz ausgerichtet waren, wie vor allem die Lettura, die Seite 1 von 7

2 Leseschrift «. Es war allerdings nicht möglich, diese kleinen Schriftgrade aus den Anfängen des industriellen Buchdrucks so zu reproduzieren und zu vergrössern, dass daraus nachempfindbare Vorlagen werden. So hat sich der gesamte Entwurfs- und Herstellungsprozess der Linotype Gianotten weniger an der ganzen Gestalt von Buchstaben orientiert, sondern vielmehr am Charakter einzelner Elemente, die den Gesamteindruck des Originalsatzes und am geplanten Verwendungszweck. Eine spezielle Bodoni für einen spezifischen Verwendungszweck zu planen, ist laut Pace der beste Weg, um Authentizität zu erreichen. Die Linotype Gianotten besticht durch eine ruhige Gesamtwirkung im Satz, die sich positiv auf die Lesbarkeit auswirkt. Die Schriftfamilie besteht bisher aus sechs geraden, fünf kursiven Schnitten und aus einer Kapitälchen- sowie Mediävalziffern-Version. Die Stärke der Schnitte nimmt harmonisch und leicht abgestuft zu, so dass Auszeichnungen im Satz möglich sind, ohne das Schriftbild zu verzerren. Für diese klassizistische Schrift wurde der Name zu Ehren des großen Engagements von Henk W.J. Gianotten gewählt. Der Holländer italienischer Abstammung, der sich selbst als Typelover bezeichnet, wird dadurch von Antonio Pace und dem Schrifthaus Linotype Library gewürdigt, da er sich in fast 40 Berufsjahren um die Typografie und die Vermarktung von Qualitätsschriften verdient gemacht hat und dafür über die holländischen Grenzen hinaus bekannt ist. Linotype Library ein Unternehmen der bietet neben modernster Fonttechnologie eine der weltweit größten Schriftbibliotheken mit Originalschnitten. Derzeit sind mehr als PostScript und TrueType-Fonts für Mac und PC erhältlich, die durch den Linotype FontExplorer, ein Browser- und Navigationssystem, optimal einsetzbar sind. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter Oder rufen Sie an bzw. faxen Sie uns: Telefon+49 (0) Telefax+49 (0) Seite 2 von 7

3 Hohe Schriftästhetik für digitale Medien Persönliche Anmerkungen des Schriftgestalters Antonio Pace zur Entstehung und Konzeption seiner Schriftfamilie Linotype Gianotten Eine neue Bodoni? Gibt es nicht bereits genug davon? Ist die Zeit Bodonis nicht endgültig vorbei? So lauten Fragen, denen man sich wohl stellen muss, wenn man sich heute daran macht, eine weitere Schrift im Bodoni-Stil zu entwerfen. Um es vorwegzunehmen: Es gibt auf diese Fragen durchaus befriedigende Antworten. Es gibt aber auch ein Ereignis, das im Hinblick auf die Entstehung der Linotype-Gianotten- Familie den wichtigsten Anstoss vermittelte organisierte die Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, an der ich damals als Studierender des Fachbereichs Visuelle Kommunikation eingeschrieben war, eine Exkursion nach Parma, das nicht nur Heimat hervorragender kulinarischer Produkte, sondern vor allem auch die Giuseppe Verdis und Giambattista Bodonis ist. Unser Ziel war das Bodoni-Museum. In den Ausstellungsräumen des Museums eröffnete sich ein für uns damals überraschend vielfältiger typografischer Schatz. Antonio Pace Bereits damals setzte mein späteres Vorhaben ein: eine eigene Bodoni zu kreieren. Die Betrachtung bestehender Bodoni-Schriften für die heutige Verwendung mehrte meine Beweggründe in technischer und ästhetischer Hinsicht, einen eigenen Weg in der Bodoni-Welt zu beschreiten, wohl wissend, keine bahnbrechenden Neuerungen herstellen zu können (aber wie oft hat es sie in der Geschichte des Schriftentwurfs wirklich gegeben?). Es war allerdings auch schnell klar, dass es noch Platz für eine weitere Bodoni-Interpretation geben würde, die sich an einem der vielen möglichen Ansätzen rund um die Bodoni-Originale orientieren könnte. Meine Bodoni sollte unter besonderer Berücksichtigung der heutigen Produktions- und Reproduktionsverfahren entstehen; viele Probleme mit bestehenden Postscript-Schriften haben ihren Ursprung darin, dass diese Adaptionen aus früheren digitalen Verfahren und Systemen darstellen. Seite 3 von 7

4 Ein weiterer Grund, der mich bewogen hat, dieses Projekt anzugehen, ist natürlich auch der meiner Herkunft: Als Italiener, der mittlerweile 22 Jahre in Deutschland lebt, aber mit einer starken und aktuellen Verwurzelung in Italien, habe ich die Verpflichtung gespürt, einerseits eine professionelle Bindung mit meinem Geburtsland herzustellen, andererseits die Vorteile der Bi-Kulturalität zu nutzen, in der ich hier aufgewachsen bin. Dies hat auch Auswirkung auf meine momentane beruflich Situation gehabt: Mein Büro in Frankfurt ist in einem internationalen Agenturen-Netzwerk mit italienischen Wurzeln namens AReA eingebunden, das auf strategische Design-Leistungen, im Speziellen auf die Entwicklung von visuellen Identitäts-Systemen spezialisiert ist. Die Schriftfamilie Linotype Gianotten im Detail Wie gesagt, ist entscheidend dass diese Schriftfamilie ihre Ursprünge direkt im Bodoni-Museum in Parma hat. Wenn man auf der Basis von Bodoni-Originalen aktuelles Schriftmaterial herstellen will, muss man einige Grundentscheidungen im Vorfeld treffen. Das Werk Bodonis ist, stilistisch gesehen, zweigeteilt. Denn darin ist eine deutliche Entwicklung vom Barock hin zum Klassizismus erkennbar. Nicht nur persönliche Vorlieben waren für mich ausschlaggebend, den klassizistischen Weg zu gehen, sondern auch die Gewissheit, dass eine klassizistische Schrift, dank ihrer stilistischen Definition, Strenge und Eleganz, eine breite und immer aktuelle Verwendung versprechen würde. Seite 4 von 7

5 Ausserdem war 1994 gerade eine neue Bodoni-Interpretation von ITC auf den Markt gekommen, die dem barocken Einfluss entsprungen war. Der Vorteil der barocken Variante liegt allerdings im runden, warmen Schriftbild. Viele scheuen den Einsatz klassizistischer Schriften aufgrund ihrer extremen Konstruktion, die oft Kälte hervorruft. Daher war, von Beginn an, eines meiner Ziele, ohne den klassizistischen Rahmen zu verlassen, diese Kälte zu vermeiden. Hauptsächlich schlägt sich dies im Abrunden von Übergängen innerhalb der Gestalt einzelner Zeichen nieder sowie in der Kehlung aller Serifen (was durchaus den meisten Bodoni-Originalen nachempfunden ist). Eine Besonderheit, die ich versucht habe, dem klassizistischen Bodoni-Modell abzugewinnen, ist der Entwurf einer "Leseschrift. Aus gutem Grund sagt man, dass sich alle Bodoni-Interpretationen für Fließtext nicht eignen. Der Manuale Tipografico, das Herzstück des Lebenswerks Bodonis, zeigt aber etwas anderes. Die Basis für meinen Entwurf stellten somit die Schriften aus dem Manuale dar, die auf Mengensatz ausgerichtet waren, wie vor allem die Lettura, die Leseschrift. Es ist allerdings nicht möglich, diese kleinen Schriftgrade aus den Anfängen des industriellen Buchdrucks so zu reproduzieren und zu vergrössern, dass daraus nachempfindbare Vorlagen werden. So hat sich der gesamte Entwurfs- und Herstellungsprozess der Linotype Gianotten nicht so sehr an der ganzen Gestalt von Buchstaben orientiert, sondern eher am Charakter einzelner Elemente, die den Gesamteindruck des Originalsatzes und am geplanten Verwendungszweck. Eine spezielle Bodoni für einen spezifischen Verwendungszweck Seite 5 von 7

6 zu planen, ist im übrigen der beste Weg Authentizität zu erreichen. Denn das Lebenswerk Bodonis zeigt nichts anderes so deutlich, als das Bestreben, Schriften auf wechselnde Reproduktions- und Wahrnehmungsbedingungen hin zu adaptieren. Um die Lesbarkeit vor allem im Sinne einer ruhigen grafischen Gesamtwirkung des Satzes zu steigern, habe ich einige Maßnahmen getroffen und diese auf alle Alphabete der Linotype Gianotten übertragen: Die Gemeinen sind, im Verhältnis zu Versalien und Kegel, wesentlich höher als bei bekannten Interpretationen. Die Haarlinien, herausragendes Merkmal klassizistischer Schriften, sind, ebenso wie die Serifen, stärker als gewohnt. Die Serifen sind gekehlt und etwas kürzer, die Übergänge abgerundet. Einige Eingriffe, wie die Kehlung der Serifen auch bei Kleinbuchstaben, machen heute nur Sinn dank der mittlerweile sehr guten Reproduktionsqualität von Fonts. Insgesamt sind dies Überlegungen, die dazu geführt haben, dass die Linotype Gianotten eine ruhige Gesamtwirkung im Satz ausstrahlt und somit auch als gut lesbar gelten kann. Das erste Ergebnis dieses Projekts war, 1995, ein Schriftschnitt namens Bodoni Nuovo, als Arbeitsnamen für die erste Fassung der Schriftfamilie entstand Linotype Pace Bodoni. Das Endprodukt heißt nun Linotype Gianotten. Dies ist auf Anregung der Linotype Library zu Ehren Henk Gianottens geschehen, der in der Welt der Typografie weit über die Niederlande hinaus bekannt ist. Die Linotype Gianotten besteht bisher aus sechs geraden, fünf kursiven Schnitten und aus einer Kapitälchensowie Mediävalziffern-Version. Die Stärke der Schnitte nimmt harmonisch und leicht abgestuft zu, so dass Auszeichnungen im Satz möglich sind, ohne das Schriftbild zu verzerren. Andere Bodoni-Interpretationen, wie die Bauer Bodoni, weisen zwischen Regular und Bold beispielsweise so starke Unterschiede in Stärke und Design auf, dass dies, bei simultaner Verwendung beider Schnitte, den Eindruck vermittelt, es handele sich um zwei verschiedene Schriften. Die Linotype Gianotten stellt zwar ein ästhetisch und technisch reifes Produkt dar, sie muss aber nicht zwangsläufig das Ende dieses Projekts bedeuten. Es ist denkbar, diese Basis für die Erstellung von auf Spezialanwendungen ausgerichtete Schriftpakete zu nutzen, wie Headline-Satz Seite 6 von 7

7 oder grafisch-architektonische Anwendungen. Einen weiteren Bereich könnte die Integration einiger personalisierter Schnitte als wichtige typografische Bestandteile des visuellen Identitäts-Systems eines Unternehemens darstellen. Einen ersten bedeutenden Schritt in diese Richtung stellt die Schrift dar, die für Display-Anwendungen im Rahmen der Mailand-Town-Identity entstanden ist: Grundsätzliche Veränderungen an der Gianotten Light haben zu einer Logo-Schrift geführt, die so eigenständig ist, dass diese als visuelles Element im künftigen Erscheinungsbild der Stadt Mailand nicht mehr wegzudenken wäre. Antonio Pace, Frankfurt am Main, im Oktober 2000 Seite 7 von 7