1. wie sich die Population der Feldhasen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt

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1 Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / Antrag der Abg. Dr. Friedrich Bullinger u. a. FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Nachweis der Hasenpest in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie sich die Population der Feldhasen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat; 2. seit welchem Datum ihr bekannt ist, dass bei einem toten Feldhasen im Landkreis Schwäbisch Hall die Hasenpest (Tularämie) nachgewiesen wurde; 3. welche gesundheitlichen Bedrohungen für die Bevölkerung infolgedessen aktuell bestehen; 4. welche Vorkehrungen zur Seuchenabwehr sie getroffen hat und wann sie diese im Einzelnen getroffen hat; 5. welche anderen Wild- und Haustiere sich mit Francisella tularensis infizieren könnten; 6. welche Maßnahmen und Informationen sie an Tierhalter der Region herangetragen hat, um das Infektions- und Ausbreitungsrisiko zu minimieren; 7. welche jagdlichen Maßnahmen getroffen wurden, um der Gefahr zu begegnen; Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

2 8. welche Maßnahmen sie im Rahmen des schlanken Verfahrens für Veränderungen (siehe Nebenabreden der grün-schwarzen Koalition, Seite 9) des Jagdund Wildtiermanagementgesetzes und der dazu gehörenden Durchführungsverordnung vorgesehen hat, um den jagdlichen Beitrag zur Tierseuchenabwehr bei nachgewiesenen Tularämie-Fällen zu erleichtern Dr. Bullinger, Hoher, Dr. Schweickert, Reich-Gutjahr, Dr. Goll, Dr. Timm Kern, Haußmann, FDP/DVP Begründung Der Nachweis der Tularämie bei einem toten Hasen im Landkreis Schwäbisch Hall durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsanstalt (CVUA) Fellbach erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen. Stellungnahme Mit Schreiben vom 15. August 2016 Nr. Z(55) /28F nimmt das Ministe - rium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales und Integration zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie sich die Population der Feldhasen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat; Zu 1.: Die Wildforschungsstelle in Baden-Württemberg koordiniert im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz seit vielen Jahren das Projekt WILD um ein aussagekräftiges Maß für den Feldhasenbestand zu haben. Hierbei wird unter anderem die Feldhasendichte durch Scheinwerfertaxation ermittelt (Abb 1.). Im Vergleich zu den Jagdstrecken, zeigen die Zählergebnisse der Scheinwerfertaxation (über 100 Zähreviere im Land verteilt) eine geringere Abnahme der Feldhasenbestände. Der Feldhase wird seit vielen Jahren zurückhaltend bejagt, um die Bestände zu schonen. Daher ist die Aussagekraft der Jagdstrecke als Indikator für den Populationstrend nur eingeschränkt geeignet. Die gegenwärtig vorliegenden Daten legen den Schluss nahe, dass die Feldhasenbesätze auf Grund der starken Lebensraumveränderungen der letzten Jahrzehnte insgesamt stark zurückgegangen sind. Die Bestände scheinen sich jedoch auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Um detaillierte Aussagen zum Populationsstatus des Feldhasen im Land zu treffen, ist ein Ausbau des Monitorings geplant. 2

3 Abb 1.: Mittlere Frühjahrsdichte der Feldhasen ermittelt durch Schweinwerfer - taxation 2. seit welchem Datum ihr bekannt ist, dass bei einem toten Feldhasen im Landkreis Schwäbisch Hall die Hasenpest (Tularämie) nachgewiesen wurde; Zu 2.: Nach der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten sind die Untersuchungsämter sowie Tierärztinnen und Tierärzte verpflichtet, positive Tularämiebefunde bei Hasen und Kaninchen dem zuständigen Veterinäramt mitzuteilen, welches wiederum derartige Befunde dem Bundesministerium per elektronischem Tierseuchennachrichtensytem (TSN) übermittelt. Die übrigen Veterinärbehörden werden gleichzeitig bundesweit über diese Meldungen per Mail informiert. Daher liegen derartige Befunde den Behörden zeitnah vor. Der erste Erregernachweis in Schwäbisch Hall (Gemeinde Oberrot) in diesem Jahr wurde am 12. Mai 2016 im TSN gemeldet, die weiteren Feststellungen erfolgten am 3. Juni 2016 (jeweils ein Fall in den Gemeinden Michelbach und Braunsbach) sowie am 8. Juni 2016 in Sulzbach-Laufen. 3. welche gesundheitlichen Bedrohungen für die Bevölkerung infolgedessen aktuell bestehen; Zu 3.: Bei der Tularämie oder Hasenpest handelt es sich um eine seltene Zoonose, d. h. eine Erkrankung, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Eine Übertragung auf Haustiere ist ebenfalls möglich. Die Tularämie wird durch ein Bakterium namens Francisella tularensis verursacht. Insbesondere wildlebende Nagetiere (Mäuse) sowie Hasen, Wildkaninchen, Eichhörnchen und Wiesel gelten als Erregerreservoir, höhere Verluste treten jedoch nur bei Hasenarten auf. Eine Infektion von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. In den Jahren 2013 bis 2015 wurde diese Erkrankung in Baden-Württemberg bei Feldhasen nur sporadisch mit 4 bis 5 Fällen pro Jahr landesweit festgestellt. Im laufenden Jahr 2016 wurden bereits 14 positive Befunde bei Hasen, davon vier Fälle im Landkreis Schwäbisch-Hall, festgestellt. Von einer seuchenhaften Entwicklung kann jedoch nicht gesprochen werden. Baden-Württemberg ist Endemiegebiet für die selten diagnostizierte meldepflichtige Hasenpest (Tularämie). Die Anzahl der seit 2010 jährlich übermittelten Tularämie-Fälle beim Menschen schwankt zwischen vier und neun Fällen. Im Kreis Schwäbisch Hall wurde in den Jahren 2007 und 2015 jeweils ein Tularämie-Fall beim Menschen registriert. 3

4 Die Ansteckung des Menschen erfolgt durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren, deren Ausscheidungen über Hautläsionen bzw. Schleimhautkontakt oder durch den Verzehr von Fleisch infizierter Tiere. Auch die Inhalation von erregerhaltigem Staub und eine Übertragung durch Stech - mücken und Zecken werden als Übertragungsweg beschrieben. Daher gelten in der Landwirtschaft tätige Personen, Jägerinnen und Jäger, Försterinnen und Förs - ter und Laborpersonal als gefährdet. Die meisten Infektionen beim Menschen sind auf den Kontakt mit infizierten Feldhasen zurückzuführen. Die Inkubationszeit beim Menschen beträgt in der Regel 3 bis 5 Tage. Charakteristisch für die Tularämie sind klassische Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit sowie Muskel- und Gliederschmerzen. In Abhängigkeit von der Eintrittspforte kann das klinische Bild der Tularämie sehr vielfältig sein; es können Hautgeschwüre (nach Hautkontakt mit dem Erreger), Lungenentzündungen (nach Inhalation des Erregers) oder gastrointestinale Erkrankungen (nach oraler Aufnahme von kontaminiertem Wasser oder Lebensmitteln) auftreten. Die Infektion lässt sich wirksam mit Antibiotika behandeln und heilt in den meisten Fällen wieder folgenlos aus. Ergebnisse einer im Jahr 2011 veröffentlichten Seroprävalenzstudie des Landesgesundheitsamtes zeigen für Baden-Württemberg regionale Antikörper-Prävalenzen von 1,2 bis 4,3 Prozent, was auf eine Untererfassung von Tularämie-Fällen über das Meldesystem hinweist. Grundsätzlich ist das Infektionsrisiko für den Menschen jedoch als gering einzustufen. Durch Vorsichtsmaßnahmen kann das Infektionsrisiko weiter reduziert werden. Kranke Hasen zeigen deutliche Krankheitserscheinungen wie Verlust der Scheu und des Fluchtverhaltens und verenden innerhalb von einigen Tagen. Bei der chronischen Verlaufsform sind Abmagerung und Abszesse die häufigsten Erscheinungen. Der Kontakt mit derartigen Tieren ist zu vermieden bzw. sollte nur unter bestimmten Schutzmaßnahmen (z. B. Handschuhe) erfolgen. Auf die weiteren Ausführungen in der Kleinen Anfrage vom 4. März 2009 Drs. 14/4119 Hasenpest Tularämie anlässlich der Tularämiefeststellung im Bodenseekreis wird ergänzend verwiesen. Es haben sich keine neuen Aspekte ergeben. 4. welche Vorkehrungen zur Seuchenabwehr sie getroffen hat und wann sie diese im Einzelnen getroffen hat; Zu 4.: Wichtige Maßnahmen beim Auftreten von Tularämie-Fällen unter Hasen sind die Informationsweitergabe an das zuständige Gesundheitsamt sowie die Aufklärung der Bevölkerung über Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit kranken und toten Wildtieren. Das Veterinäramt Schwäbisch Hall hat im vorliegenden Fall in einer Pressemitteilung am 18. Mai 2016 sowie in Veröffentlichungen in den Gemeindeblättern der betroffenen Gemeinden die Bevölkerung darauf hingewiesen, verendet aufgefundene Feldhasen oder Feldhasen mit fehlendem Fluchtverhalten nicht zu berühren und den Fund unverzüglich dem zuständigen Jagdpächter zu melden. Des Weiteren wurde Hunde haltenden Personen empfohlen, ihre Tiere nicht unkontrolliert frei laufen zu lassen. Entsprechende Hinweise sind auch auf der Homepage des Landratsamtes abrufbar ( [id]=460911&publish). Die Jägerschaft wurde über die Kreisjägermeister in Schwäbisch Hall und Crailsheim zeitgleich informiert. Fälle beim Menschen sind aktuell im Kreis Schwäbisch Hall bislang nicht aufgetreten. Über die Erfassung der nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Erkrankungen wird auch das Auftreten von Tularämie-Fällen beim Menschen in Baden-Württemberg durch die Gesundheitsbehörden überwacht. Informationen zum aktuellen Stand von Tularämie-Fällen beim Menschen in Baden-Württemberg und Hinweise zu Vorsichtsmaßnahmen werden regelmäßig über das Landesgesundheitsamt veröffentlicht. Der letzte Bericht zu Tularämie in Baden-Württemberg erschien im April Speziell zum Schutz vor Übertragungen bei 4

5 Kontakt mit kranken und toten Wildtieren, insbesondere Hasen und Kaninchen, werden Vorsichtsmaßnahmen empfohlen. Jägerinnen und Jäger sollten beim Abbalgen Handschuhe tragen und auffällige Tiere den Behörden für eine Untersuchung melden. Fleisch von Hasen und Kaninchen sollte nur gut durchgegart verzehrt werden. Des Weiteren wird auf Mücken- und Zeckenschutz hingewiesen. Das Auftreten der Krankheit und der Nachweis des Erregers der Tularämie bei Hasen und Kaninchen ist auch nach den tierseuchenrechtlichen Bestimmungen meldepflichtig (Neufassung der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten vom 20. Dezember 2005). Durch diese Meldepflicht besteht ein ständiger aktueller Überblick über das Auftreten der Tularämie in der Hasen- und Kaninchenpopulation. Das nationale Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat auf der Homepage entsprechende Informationen eingestellt ( fb0e208e ). Derzeit besteht keine Notwendigkeit für staatlich angeordnete Bekämpfungsmaßnahmen. 5. welche anderen Wild- und Haustiere sich mit Francisella tularensis infizieren könnten; Zu 5.: In der Literatur sind über 125 verschiedene Tierarten als natürliche Wirte beschrieben. Neben dem unter Ziffer 3 genannten Erregerreservoir wurde der Erreger auch bei Füchsen, Bären und verschiedenen Wildvogelarten (Fasane, Reb - hühner, Wachteln), landwirtschaftlichen Nutztieren (Rinder, Schafe) sowie Haus - tieren festgestellt. Größere Verluste treten jedoch nur bei Hasenartigen und Nagern auf. Die Gefahr für Jagdhunde ist nach Information des nationalen Referenzlabors (FLI) gering, u. a. können bei diesen als Symptome Lymphkotenschwellungen und Appetitlosigkeit auftreten. 6. welche Maßnahmen und Informationen sie an Tierhalter der Region herangetragen hat, um das Infektions- und Ausbreitungsrisiko zu minimieren; Zu 6.: Bereits im Jahr 2008 wurde ein entsprechender Internetbeitrag über die Tularämie am Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart erstellt, welcher regelmäßig aktualisiert wird ( 1&Thema_ID=8&ID=791&Pdf=No&lang=DE). Seit dem Jahr 2012 stellte das Land Baden Württemberg erstmals einen zusammenfassenden Bericht der diagnostizierten Wildtiererkrankungen als sogenannten Wildjahresbericht vor, welcher interessierten Personenkreisen über die Home - pages der jeweiligen Untersuchungsämter zur Verfügung steht ( de/pub/beitrag.asp?id=2310&subid=0&thema_id=11&lang=de). Neben den Untersuchungen von Wildtieren im Rahmen von Monitoringprogrammen auf bestimmte Tierseuchen werden auch gezielte Fragestellungen hinsichtlich möglicher Erkrankungen oder der zugrunde liegenden Todesursachen bearbeitet. Im Jahresbericht 2014 wurde über die Tularämie berichtet, im kommenden Wildjahresbericht 2015 des Landes Baden-Württemberg ist durch das CVUA Karlsruhe ein weiterer Fallbericht zur Tularämie vorgesehen. 5

6 7. welche jagdlichen Maßnahmen getroffen wurden, um der Gefahr zu begegnen; Zu 7.: Das Reservoir von Francisella tularensis beschränkt sich, wie bereits dargestellt, nicht auf Feldhasen und andere Hasenartige. Als Reservoirwirte treten auch freilebende Nagetiere (Eichhörnchen, Bilche, Mäuse, Biber) und bestimmte Zeckenarten auf. Aktuelle Daten zur Prävalenz der unterschiedlichen Wirte mit Francisella tularensis liegen der Landesregierung nicht vor. Es ist zu vermuten, dass aufgrund der deutlich höheren Populationsdichte der übrigen Reservoirwirte im Vergleich zum Feldhasen, diese entscheidenden Einfluss auf Vorkommen und Verbreitung des Erregers nehmen. Von einem endemischen Vorkommen von Francisella tularensis wird ausgegangen. Eine Gefahrenabwehr mit jagdlichen Mitteln scheidet somit aus. 8. welche Maßnahmen sie im Rahmen des schlanken Verfahrens für Veränderungen (siehe Nebenabreden der grün-schwarzen Koalition, Seite 9) des Jagdund Wildtiermanagementgesetzes und der dazu gehörenden Durchführungsverordnung vorgesehen hat, um den jagdlichen Beitrag zur Tierseuchenabwehr bei nachgewiesenen Tularämie-Fällen zu erleichtern. Zu 8.: Die Bestimmungen des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes, der zugehörigen Durchführungsverordnung sowie des Tiergesundheitsrechts beinhalten Regelungen, um im Falle einer Tierseuche, die mit jagdlichen Mitteln bekämpft werden kann, die notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können. Auf die Antwort zu Ziffer 6 und 7 wird verwiesen. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz 6