Unentschieden? Predigt am in der evangelischen Kirche in Traisa Zu Philipper 1, 12-24
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- Mathilde Dresdner
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1 Unentschieden? Predigt am in der evangelischen Kirche in Traisa Zu Philipper 1, Der Boden des Gefängnisses war trocken und steinig. Man hatte das Gefängnis auf einer ehemaligen Müllhalde gebaut, und um den Garten anzulegen, musste ich viele große Brocken ausgraben, damit die Pflanzen Platz zum Wachsen hatten. Zu jener Zeit witzelten einige meiner Kameraden, ich sei im tiefsten Inneren ein Bergarbeiter, denn ich verbrachte den Tag im Steinbruch und in der Freizeit buddelte ich im Gefängnishof. Die Behörden stellten mir Samen zur Verfügung. Anfangs baute ich Tomaten, Chilis und Zwiebeln an, widerstandsfähige Pflanzen, die weder fruchtbaren Boden noch ständige Pflege brauchen. Die ersten Male war die Ernte spärlich, aber das besserte sich bald. Ein Garten war im Gefängnis eines der wenigen Dinge, über die man selbst bestimmen konnte. Einen Samen in die Erde zu legen, ihm beim Wachsen zuzusehen, die Pflanze zu pflegen und dann zu ernten, bot eine einfache, aber dauerhafte Zufriedenheit. (Nelson Mandela, Der lange Weg zur Freiheit, S. 654 f.) Liebe Gemeinde, von wem diese schöne Erzählung über den Gefängnisgarten stammt, sage ich Ihnen später noch. Vorweg möchte ich Sie etwas ganz anderes fragen. Wie finden Sie eigentlich Unentschieden? Ja, ich weiß, es gibt Situationen, da kann Freiburg gegen München ein abgetrotztes 1:1 wie einen Sieg feiern. Aber letztlich ist ein Unentschieden kein Sieg. Ein Punkt gewonnen, zwei Punkte verloren. Turniere gewinnt man so nicht. Und heiraten kann man so auch nicht: Ja, im Prinzip schon, aber ich würde mich gern noch etwas umschauen! Kurzum: Unentschiedene Stimmenthaltungen, alle Optionen offenhalten, lavieren bis zuletzt, das macht nicht wirklich glücklich. Und trotzdem, heute erleben wir einen Menschen, der in wesentlichen Fragen, wie er seine Situation einschätzen soll, unentschieden ist, der hin und her wankt, der die Seiten abwägt, diskutiert und sich schließlich entscheidet. Und das ist nicht so, dass man denkt, es hat gar keine andere Option gegeben. Es geht um Paulus und der Brief an die Christen in
2 Philippi, aus dem diese Worte stammen, hat er im Gefängnis geschrieben. Philipper 1 12 Ihr sollt wissen, Brüder und Schwestern, dass meine Gefangenschaft sogar zur Verbreitung der Guten Nachricht beigetragen hat. 13 Die Beamten am Sitz des Statthalters und alle, die meinen Prozess verfolgt haben, wissen jetzt, dass ich angeklagt bin, weil ich Christus diene. 14 Und gerade weil ich im Gefängnis sitze, sind die meisten Brüder und Schwestern hier am Ort durch den Beistand des Herrn voller Zuversicht und getrauen sich, die Botschaft Gottes nun erst recht und ohne Furcht weiterzusagen. 15 Manche tun es zwar, weil sie neidisch sind und mich 'ausstechen' wollen; aber andere verkünden Christus in der besten Absicht. 16 Sie tun es aus Liebe zu mir; denn sie wissen, dass Gott mich dazu bestimmt hat, vor Gericht die Gute Nachricht zu verteidigen. 17 Die anderen allerdings verbreiten die Botschaft von Christus in unehrlicher und eigennütziger Absicht. Sie wollen mir in meiner Gefangenschaft Kummer bereiten. 18 Aber was macht das? Ob es mit Hintergedanken geschieht oder aufrichtig die Hauptsache ist, dass Christus auf jede Weise verkündet wird. Darüber freue ich mich; aber auch künftig werde ich Grund haben, mich zu freuen. 19 Denn ich weiß, dass meine Gefangenschaft gleichgültig, wie sie endet letztlich zu meiner Rettung führen wird. Das verbürgen mir eure Gebete und Jesus Christus, der mir durch seinen Geist beisteht. 20 Ich hoffe und erwarte voller Zuversicht, dass Gott mich nicht versagen lässt. Ich vertraue darauf: Auch jetzt, so wie bisher stets, wird Christus in aller Öffentlichkeit groß gemacht werden durch das, was mit mir geschieht, ob ich nun am Leben bleibe oder sterbe. 21 Denn Leben, das ist für mich Christus; darum bringt Sterben für mich nur Gewinn. 22 Aber wenn ich am Leben bleibe, kann ich noch weiter für Christus wirken. Deshalb weiß ich nicht, was ich wählen soll. 23 Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich möchte am liebsten aus diesem Leben scheiden und bei Christus sein; das wäre bei weitem das Beste. 24 Aber es ist wichtiger, dass ich noch hier ausharre, weil ihr mich braucht.
3 Es ist, liebe Freunde, sogar ein doppeltes Unentschieden, in dem Paulus sich befindet. Die erste Frage, die ihn umtreibt, lautet: Wenn ich im Gefängnis bin, ist das für die Verkündigung der guten Nachricht hinderlich oder förderlich? Er sieht sich doch als den Heidenmissionar an, der die gute Nachricht von der bedingungslosen Liebe zu den Menschen bringt. Auf seine Reisen und seine Reden, auf seine Kontakte und die Gespräche, die er mit Menschen führt, kommt es an. Und nun sind ihm die Hände gebunden, nun kann er noch einen Brief schreiben, wenige Worte wechseln mit denen, die sich um ihm kümmern, aber viel geht nicht. Was passiert jetzt? 14 Und gerade weil ich im Gefängnis sitze, sind die meisten Brüder und Schwestern hier am Ort durch den Beistand des Herrn voller Zuversicht und getrauen sich, die Botschaft Gottes nun erst recht und ohne Furcht weiterzusagen. 15 Manche tun es zwar, weil sie neidisch sind und mich 'ausstechen' wollen; aber andere verkünden Christus in der besten Absicht. Wenn der Platzhirsch Platz macht, trauen sich die jungen Böcke auf die Lichtung. Ja, Paulus erkennt sogar bei einigen der ganz eifrigen Verkündiger der Sache Jesu eigensinnige Motive: Sie setzen sich von Paulus ab, machen es bewusst anders als er. Drängen sich nach vorne. Aber es ist mehr als eine notgedrungene Einsicht, dass sogar diese eitle Seite den Gewinn nicht ausschließt, der durch diese Situation entstanden ist. Menschen sind ermutigt, selbst, in eigenen Worten von Jesus weiter zu erzählen, sie kommen aus dem Unentschieden heraus, öffnen sich und stellen sich zu dem, der sich für sie entschieden hat. Nun hat sich Paulus in der ersten Frage doch entschieden. Ja, es ist gut, dass es diese vielfältige Verkündigung gibt, die nicht auf seinen Schultern ruht. Aber das hat nun eine sehr persönliche und dringliche Konsequenz. Die zweite Frage, das zweite Unentschieden, in das er nun hinein gerät, lautet: Soll ich bleiben, braucht es mich noch oder kann ich gehen? Ganz hart: Lohnt es sich dann noch zu leben? 21 Denn Leben, das ist für mich Christus; darum bringt Sterben für mich nur Gewinn. 22 Aber wenn ich am Leben bleibe, kann ich noch weiter für Christus wirken. Deshalb weiß ich nicht, was ich wählen soll.
4 23 Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich möchte am liebsten aus diesem Leben scheiden und bei Christus sein; das wäre bei weitem das Beste. Es gibt Menschen, die hören in diesen Zeilen eine Todessehnsucht heraus. Es könnte auch eine große Erschöpfungsdepression sein, die sich auf die Seele gelegt hat. Burn-Out. Wofür bin ich noch gut? Die Jungen machen das doch alles prima. Keiner fragt mehr nach mir. Menschen in solcher Lage diese Verse vorzulegen, könnte geradezu gefährlich sein. Ja, es ist die realistische Lage, eines Menschen in einem orientalischen Gefängnis, dass er sich nicht sicher sein kann, lebend heraus zu kommen. Er muss sich mit der Option des Todes befassen. Nicht allein das Urteil, das ihn erwartet, schon die hygienischen Zustände und die Behandlung im Gefängnis sind lebensbedrohlich. Entscheidend ist deshalb, dass Paulus sich für das Leben entscheidet. Es ist ja Jesus Christus, der ihn mit diesen Menschen, denen er schreibt, verbunden hat. Und so siegt der Ruf ins Leben: 24 Aber es ist wichtiger, dass ich noch hier ausharre, weil ihr mich braucht. Wenn ich nun selbst Einschätzungen eigener Lebenssituationen vornehmen soll, und mich im Unentschieden befinde, was kann ich tun? Wie finde ich zu einer Lösung? Ärgert es mich, dass es anderen noch viel besser geht? Tröstet es mich, dass es anderen noch viel schlechter geht? Das hilft mir kaum weiter. Was ist, wenn das Abiturzeugnis kommt und das ist nicht schlecht, aber nicht die Note, die mir mein Traumstudium eröffnet? Was ist wenn der Ruhestand kommt, vielleicht sogar eine ordentliche Abfindung, aber nicht so hoch wie die meines Bekannten - und außerdem, was soll ich denn nun machen? Was füllt unsere Ehe, wenn die Kinder aus dem Haus gehen? Haben wir eigentlich eine gute Ehe? Es gibt so viele Wege, zu Entscheidungen zu kommen oder sie zu verhindern. Wir können optimistisch oder realistisch sein, mit Blümchen- Filter die Welt sehen oder den Tatsachen-ins-Auge. Ein Garten war im Gefängnis eines der wenigen Dinge, über die man selbst bestimmen konnte. Einen Samen in die Erde zu legen, ihm beim Wachsen zuzusehen, die Pflanze zu pflegen und dann zu ernten bot eine einfache, aber dauerhafte Zufriedenheit. Diese Zeilen stammen aus dem Lebenslauf von Nelson Mandela. Die Erlaubnis, diesen Garten anzulegen, wurde ihm nach vielen Jahren Haft im Gefängnis auf der Insel Robben Island vor Kapstadt gegeben und das war
5 mehr als ein Symbol. Das war für Mandela ein Lebenszeichen, ein Ansporn durchzuhalten und nicht aufzugeben auf dem langen Weg zur Freiheit. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12,24) Paulus hat sich nicht entschieden, weil sich auf einer Liste der Pro-und- Contra-Argumente mehr Zähler beim Pro fanden. Paulus hat sich für das Zutrauen zur Gemeinde und für das Leben entschieden, weil das die Art von Jesus ist, weil Jesus sich längst für ihn entschieden hatte, für ihn, für sein Leben. In dubio pro reo im Zweifel für den Angeklagten, das ist ein guter alter lateinischer Rechtsgrundsatz, wenn man sich nicht entscheiden kann. Genauso wirkt die gute Nachricht: Im Zweifel für das Leben. Kein Unentschieden mehr, weil Jesus sich längst für uns entschieden hat, zu uns kommt, Mensch wird, bei uns ist. Amen. Andreas Klein,
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