Lauter Sorgen mit der gemeinsamen elterlichen Sorge?
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- Alwin Wagner
- vor 7 Jahren
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1 Lauter Sorgen mit der gemeinsamen elterlichen Sorge? Eine Standortbestimmung Linus Cantieni, Präsident KESB Kreis Bülach Süd Zürcherischer Juristenverein, 2. Oktober 2014 Einführung 1
2 Ein Blick zurück... Revision Jahr 2000 Gemeinsame elterliche Sorge unter 3 Voraussetzungen möglich: 1. Gemeinsamer Antrag 2. Vereinbarung betreffend Betreuung und Unterhalt des Kindes 3. Kindeswohlverträglichkeit trotz steigender Popularität, rasch Reformbestrebungen Begriffsklärung Was heisst eigentlich gemeinsame elterliche Sorge? gemeinsame elterliche Sorge = gemeinsame elterliche Betreuung? 2
3 Die Eckpfeiler der Revision Neu: gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall Grundsatz (Art. 296 Abs. 1 ZGB): «Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter.» Diese Regelung gilt an sich unabhängig vom Zivilstand. 3
4 ...miteinander verheiratete Eltern Grundsatz (Art. 297 Abs. 1 ZGB): «Während der Ehe über die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus.» alte Regelung = neue Regelung...sich in Scheidung befindende Eltern Grundsatz: Scheidung bedeutet grundsätzlich keine Änderung mehr der elterlichen Sorge. Änderung aber, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist in Form von: - alleinige Zuteilung elterliche Sorge an einen Elternteil - allenfalls Anordnung einer Vormundschaft Neu möglich: Unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge werden lediglich die Obhut und/oder die Betreuungsanteile/persönlicher Verkehr geregelt. 4
5 ...nicht miteinander verheiratete Eltern Gemeinsame Erklärung der Eltern mit "Bestätigung": - Bereitschaft gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen; und - sich über Obhut, persönlicher Verkehr, Betreuungsanteile und Unterhaltsbeitrag verständigt zu haben. Zuständig für Entgegennahme der Erklärung: - mit Anerkennungserklärung: Zivilstandesamt - später: KESB am Wohnsitz des Kindes Vor der Abgabe können sich Eltern von der KESB beraten lassen. Uneinigkeit bei nicht miteinander verheirateten Eltern KESB muss auf Antrag des einen Elternteils über die gemeinsame elterliche Sorge entscheiden, wenn sich der andere Elternteil weigert, die Erklärung abzugeben. KESB verfügt gemeinsame elterliche Sorge (gegen den Willen des anderen Elternteils), sofern Kindeswohl gewahrt ist. KESB hat zusätzlich auch die übrigen strittigen Punkte zu regeln (Obhut, Betreuungsanteile/persönlicher Verkehr), nicht aber den Kindesunterhalt. 5
6 Entscheidkompetenzen der Eltern Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn: 1. Die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist; 2. Der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist. Folge: Alles andere muss gemeinsam entschieden werden Bestimmung Aufenthalt des Kindes Grundsatz: Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge entscheiden gemeinsam. Bei Verweigerung der Zustimmung des anderen Elternteils: KESB bzw. Gericht muss Entscheid treffen, wenn: neuer Aufenthaltsort im Ausland liegt Wechsel des Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den anderen Elternteil hat. 6
7 Übergangsbestimmung nichtsorgeberechtigter Elternteil kann sich innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten der Änderung mit Antrag auf Verfügung der gemeinsamen elterlichen Sorge an die zuständige Behörde wenden bei geschiedenen Eltern Antrag nur zulässig, sofern Scheidung weniger als 5 Jahre zurückliegt bei nicht miteinander verheirateten Eltern gilt keine Befristung wenn Eltern einig, Antrag immer möglich Die Brennpunkte der Revision aus Sicht der KESB 7
8 1. Die Erklärung zur ges Die Eltern können eine gemeinsame Erklärung abgeben und bestätigen, dass sie bereit sind, gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen und sich über die Obhut, den persönlichen Verkehr, die Betreuungsanteil und den Unterhaltsbeitrag verständigt haben. keine inhaltliche Überprüfung der Erklärung der (nicht miteinander verheirateten) Eltern keine Pflicht der Eltern (mehr) zur Regelung der Nebenfolgen (Obhut, Betreuungsanteile/persönlicher Verkehr, Unterhalt) keine Regelung für schlechte Zeiten 2. Die Erziehungsgutschriften 8
9 3. Die angeordnete ges Die gemeinsame elterliche Sorge ist auf Antrag eines Elternteils von der KESB (gegen den Willen des anderen Elternteils) zu verfügen, sofern das Kindeswohl gewahrt ist. Was ist hier Massstab? Gemäss Botschaft deckt sich der Massstab mit Art. 311 ZGB (Entzug Sorgerecht) Parlament und Exekutive sehen auch weitere Kindeswohlgefährdungen als Grund für die Verweigerung der ges...was heisst Wahrung des Kindeswohls? Messlatte ist mit Blick auf Art. 311 ZGB hoch anzusetzen Eine konkrete oder mindestens absehbare Kindeswohlgefährdung muss nachgewiesen werden ( qualifizierter Dauerkonflikt ) Kooperationsverweigerung allein kann nicht (mehr) ausreichen, die gemeinsame elterliche Sorge zu verweigern oder abzuändern Paradox: für die Anordnung einer Beistandschaft bedarf es einer Kindeswohlgefährdung! 9
10 4. Die geteilte Zuständigkeit Hat die KESB über die gemeinsame elterliche Sorge zu entscheiden (strittiges Verfahren), regelt sie auch die Obhut die Betreuungsanteile/persönlicher Verkehr (und ab ) die Erziehungsgutschriften nicht aber den Kindesunterhalt...Folge? 1. KESB entscheidet über "ges", Obhut, persönlicher Verkehr 2. Gericht ordnet grundsätzlich vorsorgliche Massnahmen an, wenn Unterhaltsklage nach Art. 279 ZGB eingereicht wurde 3. Sobald Verfahren vor KESB beendet ist, setzt das Gericht den Kindesunterhalt definitiv fest Koordination zwischen Gericht und KESB nötig Änderung de lege ferenda wünschenswert 10
11 6. Entscheidkompetenzen der Eltern Alles was nicht alltäglich oder dringlich ist, müssen die Eltern gemeinsam entscheiden. Gefahr, dass sich Eltern gegenseitig blockieren Problem, dass die KESB ausserhalb einer Kindeswohlgefährdung nicht zuständig ist Lösungsmöglichkeiten (im Kontext einer Kindeswohlgefährdung): Weisungen Zuweisung der Kompetenzen an einen Beistand/Elternteil Zuteilung der elterlichen Sorge an einen Elternteil 7. Wohnortwechsel des Kindes Bei gemeinsamer elterlicher Sorge müssen beide Eltern mit der Verlegung des Aufenthaltsortes des Kindes grundsätzlich einverstanden sein. Praktikabilität der Bestimmung? Sanktionsmöglichkeiten bei Missachtung? 11
12 Fazit Lauter Sorgen mit der gemeinsamen elterlichen Sorge? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 12
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