Familienrecht und Kindesschutz neue Entwicklungen Fachtagung des Kantons Bern
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- Insa Schäfer
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1 Familienrecht und Kindesschutz neue Entwicklungen Fachtagung des Kantons Bern Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Thomas Geiser Biel/Bienne, 15./16. Februar 2017 Inhaltsübersicht 1. Gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Wirkungen 2.1 Entstehung des Kindesverhältnisses Betreuung/persönlicher Verkehr Obhut und Wohnsitz/Aufenthaltsort 2.3 Unterhalt 3 Kindesschutz 3.1 Aufgaben 3.2 Zuständigkeit 3.3 Verfahren 4 Folgerungen 1. Gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Wirkungen Ø Die Gesellschaft ist pluralistischer geworden. Ø Scheidungen sind häufiger und damit auch Patch- Work-Familien mit Halb- und Stiefgeschwistern. Ø Ehe hat Monopol als Rechtsform für Zusammenleben verloren. Konkubinate sind häufig. Ø Gleichgeschlechtliche Paare sind akzeptiert, auch mit Kindern. Ø Gesellschaft geht davon aus, dass Geschiedene weiter in Kinderbelangen zusammenwirken können. Ø Alleinerziehende Väter und Mütter sind keine Seltenheit. Ø Kinder soll aus dem Zivilstand der Eltern kein Nachteil entstehen. 1
2 2.1 Entstehung des Kindesverhältnisses Ø Embryonenspende und die Leihmutterschaft Ø Verbot kann nicht verhindern, dass im Ausland so ein Kind entsteht. Ø Bundesgericht sieht darin u.u. eine Ordre-Public-Widrigkeit. Ø Besser wäre diese Fälle als Adoptionen zu behandeln. Dann wäre die Anerkennung aus Zuständigkeitsgründen nicht möglich gewesen. Ø Stiefkinderadoption ist neu auch bei eingetragenen Partnern und Konkubinaten möglich. Ø Einzeladoption ist einmal mehr vereinfacht worden. Ø Gemeinsame elterliche Sorge war schon immer möglich. Ø Seit Scheidungsrechtsrevision auch nach Scheidung und für unverheiratete, aber mit Vetorecht. Ø Neu nun auch gegen den Willen eines Elternteils möglich. Ø Wann ist Zuteilung von Alleinsorge noch möglich? Insbesondere können ein schwerwiegender elterlicher Dauerkonflikt oder die anhaltende Kommunikationsunfähigkeit eine Alleinzuteilung des Sorgerechts gebieten, wenn sich der Mangel negativ auf das Kindeswohl auswirkt und von einer Alleinzuteilung eine Verbesserung erwartet werden kann. Dabei ist allerdings die Erheblichkeit und Chronizität des Konflikts oder der gestörten Kommunikation notwendig und der Konflikt darf nicht nur punktuell sein. Das bedeutet konkret: Ø Blosse Behauptung eines Dauerkonfliktes genügt nicht. Ø Massgeblich ist Kindeswohl. Ø Es geht nicht um Sanktionen für Fehlverhalten eines Elternteils. Ø Zuweisung zum andern Elternteil ist zu prüfen, wenn einer sich als nicht kooperativ erweist. Ø Das ist aber nur möglich, wenn dadurch Situation verbessert wird. Auch Zwischenlösung ist möglich: Ø Gemeinsame Sorge belassen Ø Einzelne Kompetenzen dem einen oder anderen Elternteil zuweisen 2
3 Gesetzgeber hat Anliegen verkannt. Störend ist die Hierarchisierung der Elternbeziehungen. Väter wollen mit den Müttern gleichberechtigt sein. Dafür genügt aber gemeinsame Sorge nicht. Keine Zuteilung der Kinder sondern Neuorganisation der elterlichen Aufgaben! Betreuung/persönlicher Verkehr Ø Auch bei gemeinsamer Sorge sind Kinderbelange zu regeln. Ø «Betreuung» ist nicht neu aber hat an Bedeutung gewonnen. Ø Abgrenzung zur faktischen und rechtlichen Obhut. Ø Neben Betreuung gibt es kein Besuchsrecht. Ø Betreuung bedeutet auch Übernahme von Erziehungsverantwortung. Ø Beide Eltern erbringen Sach- und Dienstleistungen Obhut und Wohnsitz/Aufenthaltsort Ø Geteilte Obhut ist bei gemeinsamer Sorge immer zu prüfen. Ø Wichtiger Betreuung konkret regeln und auf Regelung der Obhut und eines Besuchsrechts verzichten. Ø Zuständigkeit für Wohnsitz regeln! Wohnsitz/Aufenthaltsort: Zügelartikel Ø Aufenthaltsbestimmungsrecht ist zwingend Teil der elterlichen Sorge. Ø Entzug des Aufenthaltsrechts ist eigentlich nicht vorgesehen, muss aber als Kindesschutzmassnahme möglich sein. Ø Haben beide elterliche Sorge ist Verlegung mit Folgen für den andern oder ins Ausland nur mit Zustimmung des andern oder Behörde/Gericht möglich. Ø Was heisst "Aufenthalt"? Ø Kriterien für Zustimmung: Ø Kindeswohl ist massgeblich Ø Ausgehend ist von Situation mit Wegzug des entsprechenden Elternteils. 3
4 2.3. Unterhalt Ø Achtung neue Tendenz: Ø Gemeinsame Sorge und alternierende Betreuung Ø Folglich keine Hierarchisierung der Elternbeziehungen Ø Beide erbringen Sachleistungen und Dienstleistungen Ø Neue Regelung des Betreuungsunterhalts: Ø Berechnung unklar. Ø Wer bezahlt wem Betreuungsunterhalt? Ø Betreuungsunterhalt steht Kind und nicht Elternteil zu! Ø Beim Tod des Schuldners, keine Witwenrente für geschiedene Witwe! 2.3. Unterhalt Ø Eigener Sozialhilfewohnsitz des Kindes, wenn die Eltern getrennt leben. Getrennte Rechnung! Ø Einschränkungen der familienrechtlichen Unterstützungspflicht, wenn wegen Kinderbetreuung Bedürftigkeit. Ø Nachforderung von Unterhalt wenn nachträglich Besserung der Verhältnisse. 3. Kindesschutz 3.1 Aufgaben Ø Bisherige Aufgaben bleiben unverändert. Ø Gemeinsame elterlich Sorge Ø Verurkundung des Willens einschliesslich der Beratung bezüglich: Ø Zivilrechtlicher Wirkung Ø Sozialversicherungsrecht Ø Steuerrecht Ø Etc. Ø Entscheid, wenn nicht einig. Achtung: Häufig auch Frage des Unterhalts. Dann ist aber Gericht zuständig. Ø Beistandschaften für Vaterschaftsfeststellungen, trotz Streichung von Art. 309 ZGB. 4
5 3. Kindesschutz 3.2 Zuständigkeit Ø Mit Sorgerechtsrevision Koordinationsproblem, wegen Unterhalt beim Gericht, rest bei KESB. Ø Mit Unterhaltsrevision Kompetenzattraktion beim Gericht. 3.3 Verfahren Ø Kompetenzen der Kindesvertreter im gerichtlichen Verfahren auf alle Kinderbelange ausgedehnt. Ø Bemessungsgrundlagen für Unterhalt sind im Dipso festzuhalten. Ø Mit Betreuungsunterhalt m.e. immer Interessenkonflikt zwischen betreuendem und Kind. Folglich immer Beistandschaft für Vertretung im Prozess. 4. Folgerungen 1. Kinder sind nicht wie eine Sache zuzuteilen. Es sind vielmehr die familiären Aufgaben neu zu gestalten. 2. Konkrete Regelung der Betreuung. 3. Keine Hierarchisierung der Elternbeziehungen. 4. Wenn möglich, keine Zuteilung de Obhut sondern wenn nötig Zuteilung von Entscheidkompetenzen. 5. Beachtung der öffentlich-rechtlichen Folgen einschliesslich Steuer- und Sozialversicherungsrecht. 6. Revisionen sind wenig koordiniert und kohärent. 5
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