Bodo Ramelow Thüringer Ministerpräsident Grußwort. Mittwoch, 10. Dezember 2014, Uhr Weimar, Seminargebäude der Weimarhalle
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- Norbert Meyer
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1 Entwurf: Dr. Rudolph Mitzeichnung: Dr. Hahn Es gilt das gesprochene Wort! Bodo Ramelow Thüringer Ministerpräsident Grußwort VERLEIHUNG DES MENSCHENRECHTSPREISES DER STADT WEIMAR Mittwoch, 10. Dezember 2014, Uhr Weimar, Seminargebäude der Weimarhalle Meine sehr verehrten Damen und Herren 1, ich möchte mich den herzlichen Willkommensgrüßen des verehrten Herrn Oberbürgermeisters anschließen und ich freue mich, heute bei Ihnen bei dieser festlichen Stadtratssitzung anlässlich der Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar zu Gast zu sein und ein kurzes Grußwort an Sie richten zu dürfen. Gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung in eigener Sache: Sicherlich haben Sie alle gehört, dass das Amtsgericht Dresden die Aufhebung meiner Immunität als Abgeordneter des Thüringer Landtages beantragt hat. Ja, ich habe an den Protesten in Dresden gegen den größten Neonaziaufmarsch in Europa teilgenommen. Und ich halte an meiner Überzeugung fest, dass friedliche Proteste gegen Demonstrationen, auf denen rechtsextreme, rassistische und antisemitische Inhalte verbreitet werden, nicht kriminalisiert werden dürfen. Zivilcourage ist kein Verbrechen und ich lasse die Zivilgesellschaft nicht kriminalisieren. Deshalb habe ich auch die Einstellung des Verfahrens gegen die Akzeptanz 1 Herr OB Wolf wird die Gäste ausführlich und umfangreich begrüßen, deshalb die gewählt Form der Begrüßung.
2 1 eines Strafbefehls abgelehnt. Ich habe den Richtern in Dresden keine Ratschläge zu geben, aber ich empfehle ihnen die Lektüre eines Buches von John F. Kennedy mit dem Titel Zivilcourage. Und deshalb ist es für mich heute wirklich ein besonderer Tag hier in Weimar zu Gast zu sein, denn der Menschenrechtspreis der Stadt Weimar steht für eine engagierte Bürgerschaft. Eine Bürgerschaft, die sich nicht nur dem biblischen Spruch Suchet der Stadt Bestes 2 verpflichtet fühlt, sondern die weit über die Grenzen der Stadt hinaus denkt und handelt. Ein breites Bürgerbündnis setzt seit vielen Jahren Bunte Vielfalt gegen braune Einfalt. Es bildet damit einen wichtigen Teil der Zivilgesellschaft, die ihre Stimme gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus erhebt. Dieser Geist des heutigen Weimar ist das Credo einer Zivilgesellschaft, die im Geiste der Humanität als eine der wichtigsten Traditionen dieser Stadt global denkt und handelt. Dieses Credo lautet: Alle Menschen werden Brüder, weil alle Menschen Brüder sind. Dieser universale Geist, einst von Weimar mit den Ideen von Goethe und Schiller, vor allem aber auch von Herder, hinaus in die Welt getragen, fragt nicht nach der Hautfarbe und nach dem Glauben, sondern nur nach dem Bekenntnis zum Menschsein, das sich aus dieser geistigen Haltung im Handeln zum Menschlichsein verwirklicht. Zum heutigen Menschlichsein gehört in erster Linie eine aktive Willkommenskultur für Flüchtlinge, die als Opfer von gewalttätigen Auseinandersetzungen, von Bürgerkrieg und Vertreibung Asyl in unserem Land suchen und finden wollen. Das Wort ASYL geht sprachgeschichtlich darauf zurück, einen Zufluchtsort, eine Unterkunft, ein Obdach suchen bzw. finden. Und in der Advents- und Weihnachtszeit sei daran erinnert, dass in diesem Sinne Maria und Josef vor 2000 Jahren die bis heute wohl bekanntesten Asylbewerber waren. Denn sie suchten auch ein Obdach, eine Unterkunft und eine Bleibe. Sie fanden Zuflucht in einem Stall, einem Stall voller Wärme in einer kalten Welt. 2 Suchet der Stadt Bestes, Jeremia 29,7. Unter diesem Motto standen 1989 die Dienstags-Demos in Weimar und die Bildung des ersten frei gewählten Stadtrates. 1
3 2 Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich in den letzten 2000 Jahren nicht viel verändert hat. Viele Menschen, die im Warmen sitzen, sind nicht bereit, diese Wärme mit Hilfesuchenden und Notleidenden zu teilen. Ihre Willkommenskultur besteht darin, die Türen verschlossen zu halten, wo doch eines unserer schönsten Weihnachtslieder lautet: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Gegen diese Haltung der menschlichen Verhärtung müssen wir mit dem Ungehorsam der Zivilgesellschaft rebellieren. Wir müssen mit unseren Aktionen gegen Angstbilder und Rassismus vorgehen. Denn unsere Gesellschaft hat kein Flüchtlingsproblem, es hat ein Rassismusproblem. Unsere gelebte Willkommenskultur, die Kultur der Zivilgesellschaft, richtet sich gegen diese Un-Kultur der Ablehnung. Diese Un-Kultur wird jeden Montag in Dresden auf den PEGIDA-Demonstrationen auf die Straße getragen. Diese als Anti-Islam- Bewegung getarnten "Patriotischen Europäer Gegen die Islamisierung Des Abendlandes" schüren bewusst Vorurteile und Ängste und verbinden beides mit ausländerfeindlicher Hetze. Es ist unsere Aufgabe als Demokraten ein Klima zu verhindern, das mit seinem Menschenhass stark an die beginnenden 1990er Jahre erinnert. Diese Menschverachtung und Ausländerfeindlichkeit war der Nährboden für die Verbrechen und die abscheulichen Morde der NSU. Und es ist erschreckend, dass im Jahr 2014 mehr Übergriffe auf Flüchtlingsheime zu verzeichnen sind als zusammengenommen in den Jahren 2012 und Dieser Entwicklung müssen wir als Demokraten und als Zivilgesellschaft entgegentreten. Deshalb habe ich vor rund zwei Stunden mit großer Freude hier in Weimar an einer Pressekonferenz für Thüringen in Aktion! Nothilfe für syrische Flüchtlingsfamilien teilgenommen. Und mit noch größerer Freude habe ich die Schirmherrschaft über diese Aktion übernommen. 2
4 3 Unser Ziel ist es, für Flüchtlinge aus Syrien, aber nicht nur aus Syrien, die Türen und die Tore unseres Landes weit offen zu halten. Wir wollen sie begrüßen als unsere Brüder und Schwestern, als Menschen in Not, denen wir nicht nur helfen wollen, sondern denen wir unsere Hand zur Begrüßung reichen. Dies ist nicht nur in der Weihnachtszeit Christenpflicht, dies ist zu jederzeit und überall ein Zeichen der Humanität und des mitmenschlichen Umgangs. Alle Menschen werden Brüder - dieses Signal ging einst von Weimar aus in die ganze Welt. Und dieses Schiller-Zitat bestimmt auch noch heute unser Handeln. Wir werden als Landesregierung jetzt in der kalten Jahreszeit Asylbewerber nicht abschieben. Wir werden sie nicht aus der Wärme entlassen und hinaus in die Kälte jagen. Nein, unsere Flüchtlingspolitik will eine Hilfe sein für Asylbewerber in Not, die auf ihrer Flucht alles verloren haben und oftmals nicht mehr als ihr nacktes Leben retten konnten. Zu unserer Willkommenskultur gehört zuallererst, dass die Flüchtlinge nach all der Not und nach all den Entbehrungen spüren sollen, dass sie in unserem Land willkommen sind. Zu unserer Willkommenskultur gehört auch, dass wir Flüchtlinge nicht diskriminieren, deshalb gehört die Gutscheinregelung abgeschafft. Flüchtlinge sind mündige Bürger, die selbständig und eigenverantwortlich handeln sollen. Zu unserer Willkommenskultur gehört auch, dass wir Flüchtlingen zu einem verbesserten Zugang zu unserem Gesundheitswesen verhelfen wollen. Zur Willkommenskultur gehört auch, dass wir Möglichkeiten schaffen werden, dass Flüchtlinge und ihre Familienangehörige Sprachkurse, Kitas und Schulen besuchen können. Nur so kann eine erfolgreiche Integration gelingen. Integration kann aber nur gelingen, wenn wir den Asylbewerbern auch einen sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt und zu unseren sozialen Sicherungssystemen gewähren. Das Recht auf Arbeit ist ein Menschenrecht. Deshalb werden wir als Thüringer Landesregierung auch Maßnahmen auf den Weg bringen, dass Menschen hier bei uns, die von längerer Arbeitslosigkeit betroffen sind, wieder in Arbeit kommen. In Lohn und Brot, wie es so schön heißt, denn Lohn und das tägliche Brot sind auch ein Menschenrecht. 3
5 4 Die Verleihung des Menschrechtspreises der Stadt Weimar und die vielen Aktionen der Weimarer Zivilgesellschaft darunter die Aktion Weimar hilft sind Zeichen eines vorbildlichen bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements. Hier wird nicht nur von Seiten der Stadt, sondern vor allem auch durch viele private Initiativen eine warmherzige Willkommenskultur vorgelebt. Dies hat gerade hier in Weimar und in Thüringen eine gute und lange Tradition zu den wohl bekanntesten deutschen Flüchtlingen, die in unserem Land Asyl fanden, gehören Friedrich Schiller in Weimar und Martin Luther auf der Wartburg. Wir wollen heute Flüchtlinge aus aller Welt ebenso herzlich willkommen heißen, wie diese beiden namhaften Geister einst in unserem Land willkommen waren. Thüringen ist und bleibt ein weltoffenes Land! *** 4
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