Erfahrungsbericht Olsztyn, WiSe 2012/13

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1 Erfahrungsbericht Olsztyn, WiSe 2012/13 Das Wintersemester 2012/13 habe ich im Rahmen des Erasmusprogramms an der Universität Ermland- Masuren in Olsztyn verbracht. Nach der Bewerbung an meiner Heimatuniversität Bremen wurde ich relativ schnell nominiert und konnte früh anfangen mich ein wenig vorzubereiten. Kurz nach meiner Nominierung in Bremen habe ich eine aus Olsztyn mit einem Informationspaket erhalten in dem alle weiteren Schritte erklärt wurden und alle nötigen Dokumente enthalten waren. Da die Universitätshomepage hauptsächlich auf Polnisch ist und nur ein sehr kleiner Teil übersetzt wurde, war es eher schwierig, sich Informationen zu beschaffen. Hier hat mir das International Office aus Olsztyn aber auch sehr schnell und immer ausführlich per weitergeholfen. Da ich mich schon länger für Polen interessiert habe, habe ich schon 1,5 Jahre vor meinem Auslandssemester angefangen Polnisch zu lernen und mich somit schon frühzeitig sprachlich vorbereitet. Dies war vor allem während der ersten Wochen sehr hilfreich und ich kann nur empfehlen sich zumindest sprachlich schon vor der Abreise ein wenig vorzubereiten, denn in Polen spricht kaum jemand Englisch. Sicherlich ist also auch ein EILC-Kurs zur Vorbereitung sehr sinnvoll, kam jedoch für mich aus zeitlichen Gründen nicht infrage. Olsztyn liegt leider sehr entlegen im Osten des Landes und ist von Deutschland relativ umständlich zu erreichen. Es gibt direkte Busverbindungen in viele deutsche Städte, die Fahrten dauern allerdings zwischen 13 und 17 Stunden. Alternativ kann man auch mit der Bahn fahren oder mit dem Flugzeug bis Danzig oder Warschau fliegen. Hier muss man dann allerdings mehrere Male umsteigen und teilweise sind die Preise sehr hoch. Letztendlich sind alle Möglichkeiten umständlich aber zumindest für die An- und Abreise mit mehreren Gepäckstücken kann ich die Reise mit dem Bus empfehlen. Angekommen in Olsztyn musste man in der Rezeption der Studentenwohnheime einige Unterlagen ausfüllen (auf Polnisch, daher unbedingt Übersetzer oder Wörterbuch mitnehmen) und sofort die ersten zwei Monatsmieten und eine Kaution bezahlen. Außerdem braucht man auch ein Passfoto, was dann für den Ausweis für das Wohnheim benötigt wird. Man muss dann auch gleich seinen deutschen Personalausweis abgeben. Diesen bekommt man nach ungefähr einer Woche wieder und mit ihm auch eine Aufenthaltsgenehmigung, so braucht man sich also gar nicht selbst darum zu kümmern. Es ist also ratsam noch einen Reisepass mitzunehmen, damit man noch ein weiteres Dokument hat mit dem man sich in der Zwischenzeit ausweisen kann. Noch aus Deutschland aus kann man sich für einen Platz im polnischen Studentenwohnheim eintragen, das habe ich auch gemacht. Es gibt in Olsztyn Einzel- bis hin zu Vierbett-Zimmern. Ich hatte extra nach einem Einzelzimmer gefragt allerdings wurde mir dann gesagt, dass das für Erasmusstudenten nicht möglich sei, damit diese besser sozial 1

2 integriert sind. Letztendlich bin ich auch froh darüber, denn genauso war es auch. Es gibt 12 Studentenwohnheime auf dem Campus in denen insgesamt ca Studenten wohnen. Mir wurde ein Zimmer im Wohnheim Nr. 9 zugeteilt. Dieses Wohnheim wurde im Sommer 2012 renoviert und war somit neu ausgestattet. Jedes Wohnheim hat eine Rezeption, die rund um die Uhr mit netten Damen besetzt ist. So wird unter Anderem auch verhindert, dass fremde Menschen nachts ins Wohnheim kommen und man fühlt sich sehr sicher. Die Zimmer sind relativ klein und simpel eingerichtet, haben aber ein eigenes Bad, was nicht in allen Wohnheimen der Fall ist. Die Zimmer haben zwei Betten, zwei Schreibtische mit Stühlen, mehrere Hängeschränke, einen Kühlschrank und eine Garderobe. Alle Nebenkosten und Internetanschluss (via Kabel, also mitbringen oder vor Ort kaufen) waren im Preis von 420 Zloty monatlich (also 105 ) enthalten. Es befindet sich eine Küche auf jedem Flur und zwei Wasch- und Trockenräume sind im Wohnheim. Auf unserer Etage waren nur Erasmusstudenten untergebracht, vor allem aus Spanien und Italien. Diese haben nicht nur ein ganz anderes Temperament sondern auch ein anderes Empfinden von Sauberkeit. So kam es also, dass ich die Küche kein einziges Mal während der vier Monate benutzt habe. Generell sind die Küchen mit jeweils 2 Waschbecken, 4 Elektroherden und Herdplatten aber gut ausgestattet. Fast jedes Studentenwohnheim auf dem Campus hat eine eigene Bar oder Diskothek und daher war auch ein Problem, dass mein Zimmer direkt über der Diskothek des Wohnheims war und somit extrem laute Musik fünf Mal die Woche bis 3 Uhr nachts zu hören war oder der Bass so stark, dass die Möbel vibriert haben. Das war etwas schade, denn an sich ist das Wohnheim Nr. 9 wirklich schön gelegen, nur wenige Meter vom schönen Uni See und direkt am Sportplatz und am Supermarkt. Aber generell sind alle Studentenwohnheime auf dem Campus nah beieinander und alle relativ zentral gelegen. Olsztyn hat ca Einwohner, ist also eine relativ große Stadt. Davon bekommt man auf dem Campus in Kortowo allerdings ziemlich wenig mit. An der Stadt ist nur die Altstadt wirklich schön. Besonders sehenswert sind hier: das Schloss, das Hohe Tor, das alte Rathaus und die Kirchen. Man kann hier wunderbar flanieren oder sich in eins der kleinen Cafés und Bars setzen. Im Zentrum von Olsztyn gibt es ein großes Einkaufszentrum mit einigen polnischen Läden aber natürlich auch den typischen internationalen Bekleidungsketten. Im Prinzip kann man hier aber alles Mögliche finden und so manchen Tag verbringen. Olsztyn ist leider keine besonders schöne Stadt, es zieht sich praktisch ein ganzer Ring aus bunt angemalten Hochhäusern um die Stadt, darum ein mehrspuriger Straßenring. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber auch an diesen Anblick. In Olsztyn wird gerade eine Straßenbahnstrecke gebaut, man kommt aber trotzdem hervorragend durch die Stadt, da es ein sehr dichtes Busliniennetz gibt und man pro Fahrt auch nur 35 Cent bezahlen muss. 2

3 Der Campus liegt im Süden von Olsztyn und ist wirklich sehr schön. Er wird auch immer wieder als schönster Campus Polens bezeichnet. Die Gebäude liegen relativ weit verstreut im Wald und um den Kortowskie See. Man kann hier gut spazieren gehen und die Studenten treffen sich am Steg oder am kleinen Strand. Auf dem Campus gibt es einen großen Sportplatz, viele Tennis- und Fußballplätze, ein Fitnessstudio, Friseure, eine Postfiliale, mehrere Bankautomaten, kleine Imbissstände und Snackbars, einen größeren Supermarkt, kleine Kioske und einige Copy-Shops. Man braucht also für das tägliche Leben den Campus gar nicht zu verlassen und findet hier alles was man braucht. Auch befinden sich Lidl, Real und Media-Markt in der Nähe. Olsztyn bietet im Winter relativ wenige Freizeitmöglichkeiten außer dem Einkaufszentrum und Schwimmbädern. Letztendlich hat man aber als Erasmus-Student nicht die volle Arbeitsbelastung und kann die Wochenenden auch zum Reisen nutzen. Von Olsztyn kommt man relativ gut nach Danzig und Warschau. An einem Wochenende bin ich mit meiner Mitbewohnerin auch nach Krakau gefahren. Alle polnischen Großstädte sind sehr verschieden aber auf jeden Fall einen Besuch wert. Auch hier sind die niedrigen Preise ein großer Vorteil und man kommt schon für umgerechnet 10 nach Warschau und wieder zurück. Also innerhalb Polens sollte man so viel Reisen wie möglich, da man so Land und Leute besser kennenlernt und man auch kein Vermögen dafür bezahlt. Auch das tägliche Leben ist in Polen doch wesentlich günstiger. Auch wenn immer gesagt wird, dass Olsztyn eine für polnische Verhältnisse teure Stadt wäre, letztendlich ist es immer noch wesentlich günstiger als in Deutschland. Die schon erwähnte Miete ist die eine Sache, aber auch Lebensmittel sind relativ günstig. Trotzdem hat das Erasmusgeld natürlich nicht den Aufenthalt gedeckt sondern nur die Mietkosten. Es lohnt sich auch nicht wirklich ein neues Bankkonto für den Auslandsaufenthalt anzulegen. Auf dem Campus befinden sich etliche Automaten, aber sowieso nicht passend für irgendeine deutsche Bank. Wenn man immer größere Beträge abhebt kann man einige Gebühren sparen und in den Wohnheimen kann man Bargeld auch sicher aufbewahren. Das International Office in Olsztyn war stets bemüht und hat sich von Anfang an intensiv um die Incomings gekümmert. Zu Beginn gab es eine große Informationsveranstaltung mit Campus-Führung und inklusive Willkommens-Geschenken. In den ersten Wochen wurden dann auch einige Freizeitaktivitäten vom International Office angeboten, wie zum Beispiel ein traditionell polnisches Willkommens-Essen und eine Kanu-Tour. In Olsztyn ist das Erasmus- Programm allerdings noch relativ frisch, deswegen läuft die Kommunikation mit den verschiedenen Fachbereichen manchmal schleppend. Aber die Damen aus dem IO waren immer nett und freundlich und haben auch schnell auf s oder Probleme reagiert. In Olsztyn ist dann auch noch die Studentengruppe ESN sehr aktiv. Hier organisieren polnische 3

4 Studenten verschieden Aktivitäten für internationale Studenten, natürlich unter anderem Partys, aber auch Ausflüge oder Themenabende. Der wichtigste, nämlich der akademische Teil meines Auslandssemesters hat sich am Anfang wirklich schwierig gestaltet. Der zuständige Koordinator im Fachbereich hat mir schon vor Ankunft per Mail mitgeteilt, dass ich meine Kurse erst vor Ort wählen könne und somit bin ich verunsichert und ohne jegliche Informationen über Kurse nach Polen gefahren. Ich hatte mir aus Deutschland aus gleich schon einen Termin mit ihm abgemacht. Der gute Herr spricht leider gar kein Englisch sondern nur sehr gebrochenes Deutsch. Das hat die Kommunikation schon deutlich erschwert. Hinzu kam leider auch noch, dass er vom Englisch-Studiengang in Olsztyn eigentlich keine Ahnung hat, da er Geschichte unterrichtet. Er hat mir dann auch einfach nur die Internetadresse genannt auf der ich die Kurse finden könne. Diese, und auch alle Kursbeschreibungen waren natürlich auf Polnisch und somit hätte er mir diese nutzlose Information auch schon vor Anreise geben können, dann hätte ich sie wenigstens von jemandem übersetzen lassen können. Somit habe ich mir dann Kurse herausgesucht, die mich vom Namen her angesprochen haben und bin dann einfach direkt in die Veranstaltungen und zu den Dozenten gegangen. Das war allerdings auch sehr chaotisch, da mehr als die Hälfte meiner ausgesuchten Veranstaltungen 1. komplett auf Polnisch waren oder sich 2. mit Englisch-Polnischer Übersetzung beschäftigt haben. Daraufhin musste ich dann auch Kurse aus dem 1. und 2. Studienjahr belegen, da ich sonst die erforderten 15CP nicht hätte erreichen können. Damit gab es dann auch noch Probleme, da mein Koordinator nicht einsehen wollte, dass ich nur 15CP erreichen muss und nicht wie üblich 30 pro Semester. Nach ewigen Diskussionen und Verweise auf meine deutsche Studienordnung hat er dann nachgegeben. Ich weiß allerdings bis heute nicht, wie ich dann 30CP hätte erreichen sollen. Nachdem all diese Hürden am Anfang überwunden waren und ich eigentlich schon keine Lust mehr hatte, fingen dann doch endlich meine Kurse an. Generell hat mir die Teilnahme an allen sehr viel Spaß bereitet und die Dozenten waren sehr offen und interessiert. Da es in Polen keine Zulassungsbeschränkung für diesen Studiengang gibt, ist das Niveau in den Veranstaltungen allerdings niedriger als in Bremen. Ich wurde genauso bewertet wie reguläre polnische Studenten und musste Prüfungen schreiben, hatte viele Tests zwischendurch und auch eine bewertete Präsentation. Am Ende des Semesters habe ich mir dann Scheine mit den Noten bei den einzelnen Dozenten abgeholt, die ich dann bei meinem Koordinator abgegeben habe, sodass er das Transcript of Records ausfüllen konnte. In der Erasmus-Begrüßungsveranstaltung habe ich mich auch gleich für einen Polnischkurs für Fortgeschrittene angemeldet. Dieser fand zwei Mal pro Woche statt und hat durch junge und sehr motivierte Dozenten unheimlich viel Spaß gemacht und man hat sehr viel gelernt. Der Kurs wurde mit einem Test abgeschlossen und ich erhielt nach bestandener Prüfung ein A2-Zertifikat. 4

5 Zusammenfassend kann ich einen Aufenthalt an der Universität in Olsztyn nur bedingt weiterempfehlen. Campus und Gegend waren ohne Zweifel sehr schön und das International Office auch immer hilfsbereit, jedoch waren die ersten Wochen unheimlich anstrengend und ich empfand den Aufenthalt an meinen Fachbereich als kräfteraubend und fühlte mich von meinen Koordinator alleine gelassen. Soweit ich weiß, gab es die Probleme an anderen Fachbereichen nicht, somit wäre ein Aufenthalt in Olsztyn im Rahmen eines anderen Studiengangs wahrscheinlich wesentlich angenehmer und entspannter gewesen. Generell ist ein Semester in Polen aber sehr spannend, da unser östliches Nachbarland kulturell ganz anders ist. Wer sich also für einen Aufenthalt in Polen entscheidet, wagt definitiv etwas Außergewöhnliches und erlebt so einige spannende Abenteuer, die man in den üblichen Erasmus-Ländern wahrscheinlich nicht mehr erleben kann. Das schöne Land und die freundlichen, interessanten Leute haben mich definitiv beeindruckt und ich kann nur empfehlen einmal selbst gen Osten zu reisen. 5