DIE GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG IM SPANNUNGSFELD

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1 DIE GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG IM SPANNUNGSFELD zwischen dem Recht auf Erkrankung und dem Recht auf Fürsorge Fachtagung für Leitungskräfte, Fachkräfte und Mitarbeiter/-innen in Einrichtungen und Diensten der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie am 15./16. Mai 2013 in Freiburg

2 Dateienübersicht Ordnungsnummer Referent/in Beitrag 00 Übersicht und Programmablauf 01 Dr. Klaus Obert Einführung: Die geschlossene Unterbringung im Spannungsfeld 02 Prof. Dr. med. Wolfgang Meier Vortrag: Geschlossene Unterbringung im Spagat zu den Forderungen der Sozialpsychiatrie und der UN-Behindertenrechtskonvention 03 Axel Bauer Vortrag: Aktuelle Rechtslage der geschlossenen Unterbringung 04 Prof. Dr. med. Undine Lang Vortrag: Psychiatrische Praxis zwischen Patientenautonomie und Sicherheit 05 Jürgen Baur, Klaus Masanz 06 Dr. Martin Zinkler Vortrag: Praxis eines geschlossenen Wohnheims Vortrag: Gemeindenahe Psychiatrie und geschlossene Unterbringungen

3 PROGRAMM Mittwoch, 15. Mai 2013 Tagesmoderation: Dr. Klaus Obert, Mitglied im CBP-Fachbeirat Psychiatrie 13:00 Uhr Anmeldung 13:30 Uhr Begrüßung Wilfried Gaul-Canjé, CBP-Vorstandsmitglied Heidrun Helldörfer, Vorsitzende des CBP-Fachbeirates Psychiatrie Einführung Dr. Klaus Obert, Mitglied im Fachbeirat Psychiatrie 13:45 Uhr Geschlossene Unterbringungen im Spagat zu den Forderungen der Sozialpsychiatrie und der UN-Behindertenrechtskonvention Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Präsident Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie u. Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde 14:30 Uhr Aktuelle Rechtslage der geschlossenen Unterbringung Axel Bauer, Richter am Amtsgericht Frankfurt 15:15 Uhr Pause 16:00 Uhr Psychiatrische Praxis zwischen Patientenautonomie und Sicherheit Prof. Dr. med. Undine Lang, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel 16:45 bis Podiums- und Plenumsdiskussion 17:45 Uhr Auf dem Podium sind eingeladen: - Rainer Höflacher, Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden- Württemberg, Teningen - Markus Epper, Gesetzlicher Betreuer, Trier - Eva Straub, Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e.v., Gaimersheim Moderation: Prof. Dr. med. Wolfgang Schwarzer, Mitglied im CBP- Fachbeirat Psychiatrie

4 18:30 Uhr Abendessen im Gasthaus Martin s Bräu Donnerstag, 16. Mai 2013 Tagesmoderation: Uta Fürstenberg, Mitglied im CBP-Fachbeirat Psychiatrie 09:00 Uhr Praxis eines geschlossenen Wohnheims Jürgen Baur, Rehabilitationszentrum Rudolf-Sophien-Stift ggmbh, Stuttgart und Klaus Masanz, BruderhausDiakonie 10:15 Uhr Pause 10:45 Uhr Gemeindenahe Psychiatrie und geschlossene Unterbringungen Dr. Martin Zinkler, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Am Klinikum Heidenheim 11:30 Uhr Podiums- und Plenumsdiskussion Auf dem Podium sind eingeladen: - Rainer Höflacher, Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden- Württemberg, Teningen - Eva Straub, Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e.v., Gaimersheim - Friedrich Walburg, Dienste für seelische Gesundheit Evangelische Gesellschaft Stuttgart Moderation: Dr. Klaus Obert, Mitglied im Fachbeirat Psychiatrie 12:30 Uhr Abschlussworte Heidrun Helldörfer, Vorsitzende des CBP-Fachbeirates Psychiatrie 12:45 Uhr Imbiss und Ende der Tagung

5 Die geschlossene Unterbringung im Spannungsfeld Zwischen dem Recht auf Erkrankung und dem Recht auf Fürsorge Fachtagung am 15. / 16. Mai 2013 in Freiburg Geschlossene Unterbringungen, ganz gleich ob nach UBG oder nach BGB, beschäftigen uns in der Sozialpsychiatrie nicht erst seit heute. Sie sind Gegenstand vieler kontroverser Debatten seit ihren Anfängen. Die Frage nach der Öffnung der Psychiatrie auf allen Ebenen (praktisch wie theoretisch) ist ein zentraler Gegenstand der Praxis wie der Theorie der sozialpsychiatrischen Debatte. Zur Planung der heutigen Veranstaltung zitiere ich eine kurze Passage aus der Tagungsankündigung: Eine wesentliche Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention besteht in der bedingungslosen Anerkennung der Menschenwürde aller Menschen, unabhängig von Art und Intensität ihrer Erkrankung und/oder Behinderung. Diese gesetzliche Absicherung von Inklusion und Selbstbestimmung bestätigt und untermauert auch die sozialpsychiatrischen Grundsätze. Durch die Vorgaben der UN-BRK treffen wir auf eine grundsätzliche Infragestellung freiheitsbeschränkender Maßnahmen. Die rechtliche und ethische Perspektive benennt allerdings nur die eine Seite der Medaille. Latente Forensifizierung und die zwischenzeitlich mehr und mehr auftauchende Diskussion um die Schaffung geschlossener Wohnplätze für psychisch kranke Menschen ist eine andere Seite der Medaille. Die Vertreter und Verfechter der Sozialpsychiatrie taten und tun sich immer noch schwer mit geschlossenen Unterbringungen, mit Zwang, Gewalt, Fremdbestimmung, Entzug von Verantwortung. Wahrscheinlich ist dies auch gut so, um für die ethischen Hintergründe sensibel und wachsam zu bleiben. Der Umgang mit Gewalt, Zwang, Ausgrenzung, Aussonderung einerseits und die Würde des Menschen, der Respekt vor dem Anderssein, Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichberechtigung andererseits begleiten sozialpsychiatrisches Handeln seit es die Sozialpsychiatrie gibt - und selbstverständlich nicht erst seit diesem Zeitpunkt - und können nicht einfach abgeschüttelt werden. Ich kenne die Debatten seit Beginn meiner Arbeit in der Psychiatrie Ende der 70er Jahre auf einer forensischen Station in einem Landeskrankenhaus. Verstärkt und intensiviert habe ich versucht, die Debatte in meiner sozialpsychiatrischen Umgebung mit zu gestalten, gestärkt und gefördert durch den fast einjährigen Aufenthalt in Triest und in Arezzo, die Protagonisten der italienischen Psychiatriereform mit der Überwindung der Anstalt und der Überwindung des traditionellen psychiatrischen Paradigmas. Die Thematik von offen und geschlossen begleitete meine gesamte berufliche Laufbahn in Stuttgart mit dem Auf- und Ausbau eines vielschichtigen Netzes an sozialpsychiatrischen Hilfen, hin zu einem sehr gut funktionierenden Gemeindepsychiatrischen Verbund. Selbstkritisch zu bewerten und nicht einmal historisch zu rechtfertigen ist die Tatsache, dass die Forensik lange Zeit fast aus dem Blickfeld der Sozialpsychiatrie geraten ist und ebenso die Menschen, die in geschlossenen Pflegeheimen und anderen Einrichtungen gemeindefern untergebracht waren und noch sind. So

6 begann z.b. die freiwillige Selbstverpflichtung durch uns Träger der Sozialpsychiatrischen Hilfen in Stuttgart so richtig erst Ende der 80er Jahre. Vorher wurden die chronisch psychisch kranken Menschen de facto alle außerhalb der Stadt untergebracht. Stuttgart hatte nur eine psychiatrische Abteilung ohne Langzeitbereich. Die normativen Vorgaben der Sozialpsychiatrie selbst waren es, selbstverständlich neben anderen Faktoren, welche diese skandalös zu nennende Ausgrenzung glücklicherweise wieder zu einem zentralen Punkt der fachöffentlichen Debatte gemacht haben. Die konsequente Umsetzung der regionalen Versorgungsverpflichtung als richtungsweisende Leitlinie und Vorgabe so richtig erst im Bericht der Expertenkommission 1988 formuliert bedeutet, dass niemand gegen seinen Willen außerhalb seiner Region untergebracht wird und psychisch kranke Menschen aus der Forensik wieder in ihre Herkunftsregion zurückkehren sollen. Die ernsthafte und seriöse Umsetzung der Leitlinie regionaler Versorgungsverpflichtung führte notwendigerweise zur Rückkehr aus der Forensik und der Unterbringung nach 1906 in die Sozialpsychiatrie Die Ziele und Leitlinien der Sozialpsychiatrie, präziser, die praktische wie theoretische Auseinandersetzung mit der Tagungsthematik gelten gleichermaßen für die Krankenkassen bezogenen Leistungen wie für die Eingliederungshilfe. Folgende Gegensatzpaare treffen auf alle Bereiche zu: Zwang Fremdbestimmung Gewalt verhandeln Defizitorientierung Verantwortung entziehen therapeutischer Nihilismus Freiheit Autonomie, Selbstbestimmung demokratisches, gleichberechtigtes Aushandeln behandeln Ressourcenorientierung Zumutung von Verantwortung Zuversicht und Hoffnung Gemäß der holzschnittartig vorgetragenen Gedanken haben wir auch das Tagungsprogramm aufgebaut. Heute Nachmittag geht es um die Behandlung der grundlegenden Fragen psychiatrischen Handelns, bezogen auf die Tagungsthematik und ihre rechtlichen Grundlagen und Hintergründe. Der morgige Tag steht dann eindeutig im Blick auf die Praxis geschlossener Unterbringungen nach 1906 im Kontext der gemeindenahen regionalen sozialpsychiatrischen Versorgung, d.h., innerhalb der gemeinsamen Verantwortung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes.

7 Ich bedanke mich schon im Voraus bei allen Referentinnen und Referenten, die mit Sicherheit zu einer spannenden und inhaltsreichen Tagung auf hohem Niveau beitragen werden. Herzlichen Dank schon von dieser Stelle. Bedanken will ich mich gleichermaßen bei der Vorbereitungsgruppe, bei Uta Fürstenberg, Professor Wolfgang Schwarzer, Wolfgang Michaely und vor allem bei Corinna Tröndle von der Geschäftsstelle des CBP. Wir beginnen mit dem Vortrag von Herrn Professor Dr. Maier. Herr Maier ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie Psychosomatik und Nervenheilkunde und ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum in Bonn. Frau Dr. Hauth musste kurzfristig absagen und konnte ebenso kurzfristig Herrn Professor Maier gewinnen. Herr Maier, Wir freuen uns, dass Sie heute zu uns sprechen. Dr. Klaus Obert Caritasverband für Stuttgart e.v. Fachbeirat Psychiatrie im CBP

8 PROF. DR WOLFGANG MAIER Präsident der DGPPN Geschlossene Unterbringungen im Spagat zu den Forderungen der Sozialpsychiatrie und der UN- Behindertenrechtskonvention Fachtagung Die geschlossene Unterbringung im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Erkrankung und dem Recht auf Fürsorge am 15./16. Mai 2013 in Freiburg ZWANG UND PSYCHIATRIE: STARKE ÖFENTLICHE WAHRNEHMUNG Von Susanne Rytina Zwang in der Psychiatrie: Das letzte Mittel Wenn nötig, dürfen psychiatrische Einrichtungen Patienten einsperren, ans Bett binden oder gegen ihren Willen mit Medikamenten versorgen. Was solche Zwangsmaßnahmen bewirken, ist aber noch relativ schlecht erforscht genau wie die Frage, wie oft sie eigentlich eingesetzt werden. Von Annika Joeres Zwangseinweisungen: Für verrückt erklärt In Deutschland müssen jährlich etwa Menschen gegen ihren Willen in die Psychiatrie. Ihre Betreuer können deren Zurechnungsfähigkeit nur selten beurteilen. 1

9 PSYCHIATRIE IM ZWIESPALT Kurative Medizin bei psychischen Erkrankungen Gefahrenabwehr bei fremd- und selbstschädigendem Verhalten Patientenorientierte Ethik versus Polizeirecht INHALT 1. Aktuelle Situation: Zwangsweise Unterbringung in Europa 2. Aktuelle ethische und rechtliche Entwicklungen 3. Wie können Zwangsunterbringungen verhindert werden? Erwartungen von PychKGs 4. Fallbeispiele 2

10 HÄUFIGKEIT VON ZWANGSMAßNAHMEN Etwa 10 % der stationär behandelten Patienten sind nach BGB und PsychKG untergebracht: 2011 etwa Patienten nach BGB und nach PsychKG laut Schätzungen werden etwa 10% der etwa Menschen, die nach dem BGB und PsychKG untergebracht sind, während ihrer Unterbringung zwangsbehandelt. der Bundesregierung liegen keine Zahlen zur medikamentösen oder operativen Behandlung von psychisch erkrankten Menschen ohne ihre Zustimmung vor (Drucksache 17/10712, S. 8). Steigende Unterbringungsraten pro Einwohner, gleichbleibende Ablehnungsraten ( , bundesweit) Unterbringungsrate Erhebungsjahr Gesamtunterbringungsraten Unterbringungsraten nach 1906 Abs. 1 BGB Unterbringungsraten nach PsychKG (FGG 70, 1 Abs. 3) Unterbringungsraten nach 1846 BGB Raten für Unterbringungsähnliche Maßnahmen ( 1906 Abs. 4 BGB) Ablehnungsrate Unterbringung nach 1906 Abs. 1 BGB (Valdes-Stauber J, Deinert H, Kilian R, Forschr Neurol Psychiat 2012; 80: ) 3

11 UNTERBRINGUNGEN UND UNTERBRINGUNGSÄHNLICHE MAßNAHMEN IN DER PSYCHIATRIE Deutliche Abhängigkeit von Rechts- und Behandlungspraxis in den Bundesländern Abschätzung ohne Heime (nach Salize, Spengler, Dreßing 2005) EINFLUSSFAKTOREN AUF HÄUFIGKEIT UND DAUER VON ZWANGSMAßNAHMEN (V.A. UNTERBRINGUNG) IN DER PSYCHIATRIE IN EUROPA Wenig verfügbare Betten, Bettenabbau Schlechte gemeindepsychiatrische Versorgungsnetze Unzureichende Personal- und Ressourcenausstattung Diagnosezusammensetzung (Einschluss F0) und Ort der Behandlung (verstärkt im Pflegeheim) Möglichkeit von Behandlungsverfügungen Home Treatment Angebote Incentives: regelmäßiges Audit, Benchmarking, Qualitätssicherung, Beratung Zunahme, Abnahme von Zwangsmaßnahmen 4

12 SUBJECTIVE DISTRESS COMPARED BETWEEN FOUR TYPES OF COERCIVE INTERVENTIONS ON THE COERCION EXPERIENCE SCALE (CES) Georgieva et al SUBJEKTIVES ERLEBEN UND NACHTRÄGLICHES BEWERTEN VON ZWANGSWEISER UNTERBRINGUNG 1 Monat (3 Monate) nach Beendigung der zwangsweisen Unterbringung halten Betroffene die Maßnahme Deutschland Europa für falsch 36% (30%) 45% (37%) für richtig 64% (70%) 55% (63%) (Priebe et al. 2010) Besonders negativ werden zwangsweise Unterbringungen bewertet von Frauen, Alleinstehenden, Jüngeren und Patienten mit Schizophrenie (Priebe et al. 2010) Zwangsweise Unterbringung Niederlande wird aversiver erlebt als zwangsweise Medikation (Georgieva et al. 2012) Besonders aversiv wird dabei die Demütigung (Humiliation) empfunden 5

13 SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS VERGLEICHSSTUDIEN IN EUROPA Steinert et al Use of coercive measures may be based much more on culture, traditions, and policies than on medical or safety requirements Georgieva et al Seclusion (Isolierung) and mechanical restraint are less justified than involuntary medication as a coercive intervention (based on subjective judgement of afflicked patients) Unterbringung und Zwang können also in Grenzen vermieden werden und sollten es auch Solche Maßnahmen sind aber nicht umfassend vermeidbar! Siehe hierzu zwei nachfolgende Beispiele: 6

14 Fallbeispiel 1 Mitte 40jährige Patientin kommt per Polizeieinsatz bei akut schizomanischer Symptomatik in stationärer Behandlung. Patientin arbeitet seit vielen Jahren in eigener Praxis als psychologische Psychotherapeutin. Seit einigen Wochen ist es zu folgenden Vorfällen gekommen: Verbale Aggression gegenüber eigener Patienten, Kauf einer Wohnung im anderen Stadtbezirk, promiskes Sexualverhalten ohne Schutz, zuletzt Auftritt bei der Landespsychotherapeutenkammer, Bedrohung der Angestellten mit Küchenmesser, um Unterlagen von Kollegen herauszupressen. Psychosymptomatik: Extrem gesteigerter Antrieb, manisch-dysphorische Stimmungslage, Wahnwahrnehmung in Bezug auf Menschen in ihrer Umgebung, Wahn in Bezug auf psychologische Kollegen, die ihr Testpatienten in die Praxis geschickt haben. Nach mehrfachen Versuchen vertrauensbildende Gespräche zu führen, Krankheitsaufklärung, keine Einsicht in die Erkrankung, Angriff auf behandelnde Ärztin und Pflegepersonal. Zweimalige Zwangsinjektionen von Zyprexa akut sowie nachdrücklich orale Einnahme. Nach zwei Wochen freiwillige Einnahme regelmäßige Gespräche, nach 6 Wochen Entlassung in Tagesklinik, nach 6 Monaten wieder Eingliederung in den Beruf. Nachträglich wurden von Patienten eingeleitete Zwangsmaßnahmen nachhaltige begrüßt Fallbeispiel 2 64 Jahre alter Bauingenieur in Cortisonbehandlung entwickelt eine Cortison-induzierten Psychose schwerer Selbst- und Fremdgefährdung keine Krankheitseinsicht Nichtbehandlung: nach Absetzen der Behandlung mit Cortison kann die Symptomatik über mehrere Wochen fortdauern Bei einer adäquaten antipsychotischen (Zwangs-)Behandlung klingt sie in Stunden bis Tagen ab Konflikt zwischen den medizinethischen Grundprinzipien Respekt vor der Autonomie des Patienten, Handeln zum Wohle des Patienten, Vermeidung von Schaden. 7

15 RECHTSGRUNDLAGEN FÜR ZWANGSWEISE UNTERBRINGUNG UND/ODER ÄRZTLICHE ZWANGSMAßNAHMEN IN DER PSYCHISTRIE Betreuungsrecht ( 1906 BGB) Psychiatrie Kranken/Hilfe Gesetze (Länder) Rechtfertigender Notstand ( 34 StGB) Maßregelvollzugsgesetze (Länder) THESEN ZUM NEUEN BETREUUNGSGESETZ Den Persönlichkeitsrechten der betroffenen Patienten sowie der Behandlungsindikation zur Abwehr eines drohenden erheblichen Gesundheitsschadens wird das Gesetz gleichermaßen gerecht Behandlungen gegen den natürlichen Willen sind eine Ultima Ratio-Option und nur nach Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten zulässig Maßnahmen dürfen nur in Übereinstimmung mit einer Vorausverfügung des Betroffenen im einsichtsfähigen Zustand bzw. mit dem zuständigen Betreuer und unabhängigen Gutachter getroffen werden Ein wichtiger Fortschritt ist die Zweigleisigkeit des Verfahrens: Ärztliche Zwangsmaßnahmen können nur im Rahmen einer gerichtlich vorgenommenen Unterbringung nach Betreuungsrecht erfolgen Behandlungsvereinbarungen, Patientenverfügungen sowie dialogische Strukturen werden vom Gesetzgeber aufgewertet 8

16 UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkungen mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen, gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können (Art. 2) Die Achtung des Menschen, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen sowie seine Unabhängigkeit (Art. 3) Die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft (Art. 3) Dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Freiheit nicht rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird, dass jede Freiheitsentziehung in Einklang mit dem Gesetz erfolgt und, dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt (Art. 14) Niemand darf der Folter oder grausamer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden (Art. 15) BVERFG ZUR ZWANGSBEHANDLUNG BESCHLUSS VOM (2 BVR 882/09) Die medizinische Zwangsbehandlung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar Im Einzelfall kann ein solcher Eingriff gerechtfertigt sein Die Eingriffsvoraussetzungen müssen gesetzlich geregelt sein Eine Zwangsbehandlung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein Untergebrachter krankheitsbedingt nicht zur Einsicht in die Krankheit fähig ist Lehnt ein Patient nach Wiedererlangung seiner freien Selbstbestimmung die Behandlung seiner Krankheit ab, ist eine eingeleitete Zwangsbehandlung unzulässig Gefährlichkeit bzw. Gefahrenabwehr (Fremdgefährdung) stellen grundsätzlich keine rechtfertigenden Gründe für eine Zwangsbehandlung nach Betreuungsrecht dar. 9

17 ENTSCHEIDUNG DES BVG VOM BVG betont zwar die Freiheit zur Krankheit, führt aber gleichzeitig aus, dass bei krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit zur Wiederherstellung der Selbstbestimmungsfähigkeit eine Zwangsbehandlung gerechtfertigt sein könnte. Eine Zwangsbehandlung sei möglich, aber nur als Ultima Ratio nach erfolglosen Aufklärungs- und Motivationsversuchen, bei deutlich überwiegendem Nutzen und auf begrenzte Dauer. Die Zwangsbehandlung muss verhältnismäßig sein. GESETZLICHE ENTWICKLUNGEN BETONEN PATIENTENAUTONOMIE 2006 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), 2009 von Deutschland ratifiziert Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom und Entscheidung des Bundesgerichtshof vom erhebliche Rechtsunsicherheit für Ärzte und Patienten Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, ( , m. W. v ) schafft juristische Klarheit im Rahmen des Betreuungsrechts - Zwangsbehandlung bei Eigengefährdung- PsychKGs der Länder müssen geprüft und revidiert werden (regeln tlw. Zwangsbehandlungen, Maßnahmen auch bei Fremdgefährdung) 10

18 ÄNDERUNG DES 1906 BGB ZU ÄRZTLICHEN ZWANGSMAßNAHMEN Zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen Voraussetzung keine Einsichtsfähigkeit/Einwilligungsfähigkeit Abs. 3: Widerspricht eine ärztliche Maßnahme den natürlichen Willen des Betreuten, so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn 1. der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, 2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, 3. sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, 4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und 5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. METHODISCHES PROBLEM: PRÜFUNG DER EINSICHTSFÄHIGKEIT Für die Beurteilung, ob ein Patient in Hinblick auf den medizinischen Eingriff nach seiner natürlichen Einsichtsfähigkeit Bedeutung, Tragweite und Risiken erfassen und seinen Willen hier nach bestimmen kann, haben sich folgende Kriterien herausgebildet: Der Patient muss über die Fähigkeit verfügen, einen bestimmten Sachverhalt zu verstehen (Verständnis). Der Patient muss die Fähigkeit besitzen, bestimmte Informationen auch bezüglich der Folgen und Risiken in angemessener Weise zu verarbeiten (Verarbeitung). Der Patient muss die Fähigkeit besitzen, die Informationen auch im Hinblick auf Behandlungsalternativen, angemessen zu bewerten (Bewertung). Der Patient muss die Fähigkeit haben, den eigenen Willen auf der Grundlage von Verständnis, Verarbeitung und Bewertung der Situation zu bestimmen (Bestimmbarkeit des Willens). Methodischer Entwicklungsbedarf 11

19 GRUNDPRINZIPIEN DES GEÄNDERTEN 1906 BGB ärztliche Zwangsmaßnahme setzt gerichtlich verfügte Unterbringung in einer stationären psychiatrischen Behandlung voraus Die Einwilligung des Betreuers in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein Vorausverfügter Wille des (einwilligungsfähigen) Patienten hat stets Vorrang und schließt ggfs. ärztliche Zwangsmaßnahme (nicht aber Unterbringung) aus WELCHE PATIENTEN SIND BETROFFEN? Personen mit schweren psychischen Erkrankungen mit vorübergehender Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit, z. B. schwere Depressionen, Manien, Schizophrenien, Essstörungen Mit typischerweise dauerhafter Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit, z. B. fortgeschrittene Demenz Personen mit geistiger Behinderung, z. B. mit schwerem herausfordernden Verhalten auch in Kombinationen mit zusätzlichen psychischen Erkrankungen Personen mit neurologischen und anderen Erkrankungen, die die Funktion des Gehirns beeinträchtigen Mit vorübergehender Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit, z. B. delirante Syndrome, postoperativ auftretende psychische Störungen Mit typischerweise dauerhafter Einschränkung der Einfühlungsfähigkeit, z. B. frontale traumatische Hirnschädigung, Schlaganfälle 12

20 WORAUF BEZIEHT SICH ÄRZTLICHE ZWANGSMAßNAHME (BETREUUNGSRECHT, BGB) 1. Diagnostische Maßnahmen 2. Medikamentöse Behandlung 3. Andere Therapiemaßnahmen, wie z. B. Elektrokrampftherapie 4. Ernährung von Patienten mit schweren Essstörungen gegen ihren geäußerten Willen 5. Pharmakologische Behandlung, körperliche Begleiterkrankung, z. B. Thromboseprophylaxe KONGRESS November 2013 // ICC Berlin Von der Therapie zur Prävention Prädiktive Psychiatrie Das soziale Gehirn Alternative Versorgungsmodelle für psychische Erkrankungen internationale Perspektive Deadlines Thematische Symposien 8. April 2013 Freie Vorträge 28. Juni 2013 Poster 28. Juni 2013 Kongresspräsident Prof. Dr. med. Wolfgang Maier Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25, Bonn Wissenschaftliches Sekretariat Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Julie Holzhausen Reinhardtstr. 27 B, Berlin Tel.: +49 (0) Anmeldung Aktueller Kongress Flyer auf

21 EINWILLIGUNGSFÄHIGKEIT UND UNTERBRINGUNG BZW. ÄRZTLICHE ZWANGSMAßNAHMEN: GEGENWÄRTIG GESICHERTE RECHTSLAGE Einwilligungsfähigkei t Patientenverfügung Einwilligungsunfähigkeit ohne einschlägige Patientenverfügung Zwangsweise Unterbringung (PsychKG) möglich zur Gefahrenabwehr bei Fremd- und Selbstgefährdung möglich bei Gefahrenabwehr unter def. Bedingungen möglich bei Gefahrenabwehr unter def. Bedingungen Ärztliche Zwangsmaßnahmen (Betreuungsrecht) nicht möglich bei Ablehnung nicht möglich bei ablehnender Vorausverfügung unter engen Bedingungen möglich (nicht bei Fremdgefährdung) BEI NICHTBEHANDLUNG Mechanische Sicherungsmaßnahmen mittels Isolation und Fixierung tragen nicht zur Gesundung oder Heilung des Patienten bei und sind ebenso Eingriff in die persönliche Freiheit (juristisch: Freiheitsberaubung aber keine Verletzung körperlicher Integrität ) Akute schwere psychische Erkrankungen gehen zu Lasten des Betroffenen selbst und der Familien Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen werden von der Möglichkeit zur Wiedererlangung in die Selbstbestimmungsfähigkeit und der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen (UN- Behindertenrechtskonvention) Konflikt zwischen den medizinethischen Grundprinzipien Respekt vor der Autonomie des Patienten, dem Handeln zum Wohle des Patienten, der Vermeidung von Schaden, unterlassene Hilfeleistung und Recht auf Behandlung des Patienten 14

22 Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Zweck und Art der Hilfen 1. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten 2. Die Wiedereingliederung in die Gemeinde zu erleichtern und zu fördern 3. Die selbstständige Lebensführung beeinträchtigende und die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahme entbehrlich zu machen oder zu verkürzen 4. Psychisch kranken Menschen nahe stehende Personen sollen entlastet, unterstützt und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei den Hilfen erhalten und gefördert werden, dies gilt auch für Kinder psychisch Kranker. PRIMÄRE PRÄVENTION VON ZWANGSMAßNAHMEN I Verbesserung der Dichte und Qualität gemeindepsychiatrischer Versorgung Beratungsstellen und Leitlinien Verbesserung der Qualität und Angebote zur supportiven, gesprächstherapeutischen Intervention Einführung von Deeskalationstrategien, Antiaggressionstraining Trialogforen Besuchskommissionen Konzept der offenen Intensivstationen Begutachtung und einsehbare Dokumentation 15

23 PRIMÄRE PRÄVENTION VON ZWANGSMAßNAHMEN II Professionalität, kommunikative Kompetenz, Empathiefähigkeit und Zeit für Ärzte und Pfleger Vertrauensaufbau und pflege im Umgang mit Patienten Abbau von vermeidbaren Zwangsmaßnahmen durch Gestaltung der Aufnahmestationen Einsatz niedriger Dosierungen bei der Pharmakotherapie Stärkere Einbeziehung von Sozio- und Psychotherapien Behandlungsvereinbarungen Bereits bei der Aufnahme klären, wer die Vertrauensperson des Patienten ist, die hinzugezogen werden muss, wenn er untergebracht wird Installierung von Deeskalationsmaßnahmen und deren systematische Schulung Vorhalten von ausreichend Personal bzw. Finanzierung von Vorhaltekosten und Erhalten des Personalschlüssels im neuen Entgeltsystems (PEPP) Ansprechpartner von außen, der die Voraussetzungen für eine Unterbringung und die Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung überprüft (z.b. Krankhausseelsorger) NOTWENDIGE HILFEN IM VORFELD Ausbau ambulanter akuter Hilfs- und Versorgungsangebote, z. B. sozialpsychischer Dienst, z. B. flächendeckend ausreichend akute komplexe Behandlung zu Hause, Home Treatment Abschließen von Behandlungsverträgen und Patientenverfügungen Ausreichendes und qualifiziertes Personal auf den psychiatrischen Stationen Bauliche Maßnahmen, die entängstiegende Atmosphäre vermitteln Stationäre Maßnahmen dürfen nicht aus Kostengründen zu früh abgebrochen werden (PsychEntgeltsystem) verbesserte Qualität des psychiatrischen Hilfesystems stationär und ambulant hinsichtlich der Vorbeugung schwerer krisenhafter Verläufe und ihrer Behandlung und ihrer Verankerung in den Landesgesetzen über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychisch Kranken 16

24 WEITERE EMPFEHLUNGEN FÜR DIE KLINISCHE PRAXIS Alle Maßnahmen müssen sich an Qualitätsstandards orientieren, die anerkannten Behandlungsleitlinien folgen Bei Fixierung ist eine ständige unmittelbare und persönliche Betreuung in Sicht- und/oder Sprechkontakt zu gewährleisten, soweit der Untergebrachte nicht ausdrücklich einen gegenteiligen Willen äußert Bei Isolierung hat eine kontinuierliche Überwachung durch Sichtfenster zu erfolgen keine Videoüberwachung Das Angebot der Nachbesprechung einer Zwangsmaßnahme sollte verpflichtend sein. Die Wirksamkeit von Patientenverfügungen soll formuliert werden, aber auch mögliche Einschränkungen in der Akutsituation Höchstmögliche Transparenz zur beruhigenden Dokumentation als auch bei der gemeinsamen Besprechung von Behandlungsplänen und zielen. MEMORANDUM DER DGPPN ZUR PATIENTENAUTONOMIE Grundprinzipien sind der Respekt vor der Autonomie des Patienten, dass Handeln zum Wohle des Patienten, dabei ist die individuelle Würde des Patienten stets zu achten Angemessene Aufklärung Patienten in schwierigen Phasen beizustehen, intensive Gespräche Maßnahmen unter Anwendung von Zwang sind nur dann ethisch zulässig, wenn sie das letzte Mittel darstellen, d. h. nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind Die Maßnahmen müssen in Bezug auf die Gefahr, die es abzuwenden gilt, verhältnismäßig sein Immer Orientierung an den subjektiven Wünschen und Vorstellungen der Betroffenen Aber auch Anspruch der Betroffenen auf Schutz und Behandlung 17

25 AKTIVITÄTEN DER DGPPN Gründung der Task Force Patientenautonomie und Selbstbestimmung : Memorandum der DGPPN zur Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit psychischen Störungen ( ) Stellungnahmen Was freier Wille für Zwangspatienten bedeutet Zwangsbehandlungen Bundesverfassungsgericht zwingt Ärzte zu unterlassener Hilfeleistung Unklare Gesetzeslage nach BGH-Urteil: Zunahme von körperlichen Zwangsmaßnahmen befürchtet Psychiater fordern dringend gesetzliche Regelung von Zwangsmaßnahmen : Zwangsmaßnahmen: Verfahren transparent gestalten Gründung der Task Force Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie : Positionspapier zu autonomer und natürlicher Wille in Vorbereitung THESEN I 1. Priorität für Selbstbestimmung und Autonomie (inklusive bindende Kraft von Patientenverfügungen) 2. Schwere psychische Erkrankungen können die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und freien Willensbildung tiefgreifend beeinflussen 3. Psychiatrische Behandlung führt zur Abwendung erheblichen gesundheitlichen Schadens und zur Wiedererlangung der Fähigkeit, selbst frei Entscheidungen zu treffen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (jedoch bedarf die Sondersituation bei Demenzen ggfs. gesonderter Regelungen) 4. Zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen sind Maßnahmen im Vorfeld zu verbessern (intensive ambulante Krisenbehandlungen) 18

26 THESEN II 5. Ärztlich gestellte Indikation zu Zwangsbehandlungen nur wenn unabwendbar und verhältnismäßig 6. Ärztliche Zwangsmaßnahmen können für Patienten traumatisierend sein (therapeutische Nachbehandlung regelhaft erforderlich) 7. Revision der PsychKGs ist notwendig 8. Bundeseinheitliches Register von Zwangsunterbringungen und Behandlungen bezogen auf alle Krankenhäuser sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen ist zu schaffen Fallbeispiel 22jähriger Mann, Student der Physik, wird von der Polizei zur stationären Aufnahme gebracht, nachdem er mit einer Machete durch den Bezirk Prenzlauer Berg gelaufen ist, auf Autos geschlagen hat, Menschen bedroht hat, inklusive eine junge Mutter mit ihrem Kind und die Herausgabe des Kindes erpressen wollte. Psychische Symptomatik: Antrieb gesteigert, kaum noch geschlafen, akustische Halluzinationen, teils beschimpfend, teil Befehle erteilend, Wahnsystem (der Bezirk ist besetzt von Geheimdienstagenten, die weniger zahlungskräftige Einwohner aushorchen, dennozieren und verdrängen wollen). Seine Aktion begründete er später mit kommentierenden und befehlenden Stimmen, die ihn als Erretter des Bezirks hervorgehoben haben, das Kind wollte er kidnappen, um die Bevölkerung und die Politik auf die Situation aufmerksam zu machen und damit den Bezirk zu retten. Nach Fixierung wegen ausgeprägter körperlicher Aggressivität, mehreren Gesprächsversuchen, Defixierungsversuchen, dreimalige Zwangsmedikation, danach 5 Tage Reizabschirmung in Isolierung, Medikamentengabe oral ebenfalls mit Nachdruck, Abklingen der akuten Symptomatik nach 4 Wochen, ausgeprägtes depressives antriebsloses Zustandsbild, weitere tagesklinische ambulante Behandlung, Aufgabe des Studiums der Physik, Beginn einer Lehre als Bankkaufmann. 19

27 Fallbeispiel Eine 28jährige Frau erkrankt zwei Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes und entwickelt die wahnhafte Vorstellung, alles sei sinnlos, sie trage die Schuld an vielen Nöten dieser Welt, sie selbst habe verschuldet, dass das Kind behindert sei, da sie in der Schwangerschaft nicht danach gelebt habe. Sie wähnt das Essen vergiftet, isst daher kaum noch und kündigt an, sich durch einen Sprung von der Brücke das Leben zu nehmen und ihr Kind mitzunehmen, um es nicht dem sinnlosen Leben zu beantworten und im Stich zu lassen. Sie hält sich für nicht krank, lehnt jede Behandlung ab, ist misstrauisch auch dem Ehemann und der Familie gegenüber. Nach Aufnahme macht sie einen Fluchtversuch von der schützenden Station, kann aber wieder zurückgebracht werden. Nach drei Tagen intensiven Gesprächsangeboten berichten sie Einzelheiten über ihre auswegslose Situation. Nach dem letzten Gespräch wird sie im Zimmer vorgefunden, als sie sich mit einem Schal versucht, am Fenster zu erhängen. Die Frau leidet an einer postpartalen wahnhaften Depression und neigt offensichtlich raptusartig zur Selbsttötung. Fallbeispiel Nach dem Strangulationsversuch wird sie per PsychKG untergebracht und noch am gleichen Tage zwangsmediziert, darüber hinaus erhält sie eine 1:1-Betreuung. Nach ca. 14 Tagen beginnt die Stimmung aufzuhellen, die Patientin ist weniger misstrauisch, intensive psychotherapeutische Gespräche beginnen. Nach einer weiteren Woche wird das Baby mit aufgenommen und eine Mutter- Kind-Behandlung durchgeführt. Nach insgesamt 6 Wochen verlässt die Patientin völlig remittiert mit dem Kind das Krankenhaus. 20

28 Verbleibende Unsicherheiten Wie weit reicht die Rechtsgrundlage des rechtfertigen Notstandes? Ist ein akuter psychotischer Erregungszustand ein derartiger Notfall oder nicht, weil die Gefahr auch mittels einer Fixierung beseitigt werden könnte? Ist ein rechtfertigender Notstand noch gegeben, wenn eine Medikation es ermöglichen würde, den Patienten nach zwei Stunden zu entfixieren, während er ohne Medikamente auf noch nicht absehbarer Zeit in der Fixierung verbleiben müsste? Begibt sich ein Arzt, der jegliche Zwangsbehandlung ablehnt, nicht in den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung? ÄRZTLICHE ZWANGSMAßNAHMEN Unterschiedliche Definitionen in PsychKG der Bundesländer NRW: 20, 1: Besondere Sicherungsmaßnahmen Beschränkung des Aufenthalts im Freien Unterbringung in einem besonderen Raum Fixierung (Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Hilfsmittel) Rheinland-Pfalz: 17, 2: Besondere Sicherungsmaßnahmen die Wegnahme oder das Vorenthalten von Gegenständen, die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, die Absonderung in einem besonderen Raum, die Fixierung, die Ruhigstellung durch Medikamente, soweit die dabei eingesetzten Medikamente nicht bereits der Behandlung der Grunderkrankung dienen. 21

29 Fachtagung der CBP Mai Aktuelle Rechtslage der geschlossenen Unterbringung Axel Bauer w. a. Richter am Betreuungsgericht Frankfurt/Main Diktion des Freiheitsentzuges Betreuungsrechtliche Diktion 1906 I BGB: Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist statt geschlossene Unterbringung Diktion der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach PsychKGs: Einweisung in eine Klinik oder sonstige geeignete Einrichtung oder Zurückhaltung dort gegen den Willen des Betroffenen 1

30 Bedeutung des Unterbringungsbegriffes Maßgeblich für den Begriff der freiheitsentziehenden Unterbringung ist, ob - eine Fremdplatzierung (Unterbringung) - im Rahmen eines freiheitsentziehenden Settings statt findet. Nicht notwendig: geschlossene Türen! Unterbringungsbegriff Freiheitsentziehende Unterbringung im Sinne des Gesetzes (BGB oder PsychKG) auch möglich in offenen Einrichtungen mit Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderung des unkontrollierten Entweichens der Bewohner/Innen! 2

31 Unterbringungsähnliche Maßnahmen Weitere freiheitsentziehende Maßnahmen in offenen Einrichtungen, die einzelnen Bewohnern durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise (z.b. Trickschlösser) über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entziehen, vgl 1906 IV BGB. Richtervorbehalt bei FE Bei freiheitsentziehender Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen: Richtervorbehalt des Art 104 I GG Anordnung oder Genehmigung des FE, der über 48 Std hinaus fortdauert, nur mit richterlicher Prüfung und Entscheidung! Bei unterbringungsähnlichen Maßnahmen: Richterentscheid spätestens nach 3 Tagen! 3

32 Systematik freiheitsentziehender Unterbringung FE nach BGB: - Erwachsene nach 1906 BGB Zuständigkeit: BetrG - Kinder/Jugendliche nach 1631b BGB Zuständigkeit: FamG FE nach PsychKGs - Erwachsene und Kinder/Jugendliche Zuständigkeit: BetrG Systematik freiheitsentziehender Unterbringung Maßregelvollzugsgesetze der BLänder - Straftäter Zuständigkeit: Strafgericht 4

33 Systematik der Gefahrenabwehr 1906 BGB: - Betreuungsrechtliche Gefahrenabwehr nur bei Eigengefahren! 1631b BGB: Eigen- und Fremdgefahren PsychKGs: Eigen- und Fremdgefahren! Unterbringung auf dem Prüfstand Zwei Entscheidungen des BVerfG aus 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Zwangsbehandlung nach - Unterbringungsgesetz (PsychKG) Ba-Wü - MaßregelvollzugsG Rheinland-Pfalz veranlassten eine Überprüfung der Rechtslage auch der betreuungsrechtlichen Unterbringung nach 1906 BGB (hier vor allem Abs 1 Nr. 2) 5

34 Aktueller Stand der Gesetzeslage der geschlossenen/freiheitsentziehenden Unterbringung nach Inkrafttreten der Reform der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung zum Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Zwangsbehandlung Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen vom 20. Juni 2012 (Az. XII ZB 99/12 und Az. XII ZB 130/12 ) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben: Nach Grundsätzen BVerfG aus 2011 zu UBG Ba-Wü und MaßregelVG Rheinland-Pfalz fehle eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Regelung für eine betreuungsrechtliche Behandlung gegen den natürlichen Willen des Patienten! 6

35 Konsequenzen der BGH-Rspr. - Auf Betreuungsrecht gestützte Zwangsbehandlung von Betroffenen, die krankheitsbedingt die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, war nicht mehr möglich. - Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen konnte dazu führen, dass Betroffene ohne eine solche Behandlung einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden nehmen. Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme Der Deutsche Bundestag hat in seiner 217. Sitzung am 17. Januar 2013 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses - Drucksache 17/ den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme - Drucksache 17/11513 angenommen. Art. 6 Satz 1 des Gesetzes: InKrafttreten des ReformG am

36 Inhalte der Neuregelung A. Änderungen des BGB ( 1906) B. Änderungen des Verfahrensrechts (FamFG) A. Änderungen 1906 BGB; hier Absatz 1 Nr. 2 (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. 8

37 Änderungen 1906 II BGB (2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen. Dh: Früherer Absatz 3 wird wortgleich in Absatz 2 mit aufgenommen! Voraussetzungen freiheitsentziehender Unterbringung nach BGB FE durch Unterbringung nach 1906 I Nr 1 BGB nur zur Abwendung - von Lebensgefahren bei Selbsttötungsabsicht - erheblicher Gesundheitsgefahren aber nur bei Eigengefahren! Nicht zur Abwendung von reinen Fremdgefahren! (Anwendungsbereich des PsychKG) 9

38 1906 I Nr 1 und 2 BGB Abs 1 Nr 1: Unterbringung nur zur freiheitsentziehenden Verwahrung! Unterbringung zur Diagnostik und ärztlichen Behandlung nur über Absatz 1 Nr 2 BGB in der Fassung des neuen Zwangsbehandlungsrechts! Wortlaut des 1906 I Nr 1 (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, (Text ist seit 1992 unverändert) 10

39 Voraussetzungen der reinen Verwahrunterbringung Verwahrunterbringung nach 1906 I Nr 1 BGB ohne ärztliche Behandlung: - Lebensgefahr oder erhebliche gesundheitliche Eigengefahr - nicht zur Abwehr von Fremdgefahren (dann PsychKG-Unterbringung) Ausschluss freier Willensbestimmung als Unterbringungsvoraussetzung - Ausschluss der freien Willensbestimmung, dh die Fähigkeit zur Bestimmung des Willens muss von der Krankheit bzw Behinderung massiv beeinträchtigt sein. Betroffener muss krankheitsbedingt außer Stande sein, seinen Willen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BayObLG BtPrax 1993, 139; BGH BtPrax 2012, 161, 162; NJW 1978, 992, 994; BayObLGZ 78, 301) 11

40 Voraussetzungen der reinen Verwahrunterbringung Unterbringung muss zur Gefahrenabwehr geeignet und im engeren Sinne verhältnismäßig sein Realisierung der Eigengefahr muss nicht unmittelbar bevorstehen (keine Gefahr im Verzuge), aber zumindest konkret und ernstlich drohen keine rein präventive Unterbringung ohne aktuell/zeitnah drohende Gefahren zulässig! Abgrenzung BGB-/PsychKG- Unterbringung Anders PsychKG-Unterbringung: verlangt akut drohende, unmittelbar bevorstehende Realisierung der Gefahrenlage! 12

41 Alternative Gefahrenabwehr Unterbringung nach BGB muss in engerem Sinne erforderlich sein, weil Alternativen zu Gefahrenabwehr nicht existieren oder nicht ausreichen: Das verantwortbare Lebensrisiko muss ohne Freiheitsentzug auskommen! Beispiele: Weglaufen bei Desorientiertheit, Sturzgefahren und Verwahrlosung; Chronifizierung der psychischen Erkrankung Im Zweifel für die Freiheit Bei Weglaufen bei Desorientiertheit, bei Sturzgefahren, bei Verwahrlosung und Chronifizierung der psychischen Erkrankung reichen Vermutungen oder Befürchtungen einer erheblichen Gesundheits- oder Todesgefahr nicht aus! Fallkonferenzen zur Feststellung der Tatsachen, die eine konkrete und ernstliche Gefahr begründen! 13

42 Im Zweifel für die Freiheit Im Zweifel: Für die Freiheit und gegen den Freiheitsentzug und gegen den Wunsch nach Absicherung vor dem Haftungsrisiko! Voraussetzung: Konzepte für den Umgang mit riskanten Verhaltensweisen von Bewohnern Im Zweifel für das in Fallkonferenzen erarbeitete verantwortbare Risiko Unterbringung nur als ultima ratio und bei Ausschluss der freien Willensbestimmung Eigen-Gefahr nicht anders als durch Unterbringung abwendbar (ultima ratio- Prinzip) Leben ist Risiko und gehört zur Würde des Menschen! (Art 1 GG) Zur freien Willensbestimmung fähige Erwachsene dürfen nicht untergebracht werden, auch nicht, wenn sie ihr Leib und Leben durch unvernünftig erscheinende Verhaltensweisen gefährden! 14

43 Genehmigungsbedürftigkeit unterbringungsähnlicher Maßnahmen im Rahmen genehmigter geschlossener Unterbringung Auch bei bereits genehmigter freiheitsentziehender Unterbringung ist eine weitere gerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn der Betroffene über die geschlossene Unterbringung hinaus durch mechanische Vorrichtungen wie Bettgitter oder durch Medikamente weiteren Einschränkungen der körperlichen Bewegungsfreiheit unterworfen werden soll (vgl BayObLG BtPrax 1993, 139; OLG Düsseldorf BtPrax 1994, 29). Unterbringung zur ärztlichen Behandlung: Abs 1 Nr 2 nf 2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. 15

44 1906 III 1 Nr. 1 und 2 BGB nf: Zwangsbehandlung im Rahmen stationärer Unterbringung (3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn 1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, 2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen (wird ausgeführt!!!) 1906 III 1 Nr. 3 und 4 BGB nf 3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach Absatz 1 zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen (!) gesundheitlichen Schaden abzuwenden, 4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und 16

45 1906 III Nr. 5 BGB 5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. Beachte: Je schwer wiegender der ärztliche Eingriff, umso deutlicher muss der Nutzen für den Betreuten überwiegen! Die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten eines Schadens bei Unterlassung des Eingriffes und der Nebenwirkungen sowie des Nutzens des Eingriffes sind dabei mit zu berücksichtigen. BVerfG zu Nutzen der Zwangsbehandlung Im Hinblick auf bestehende Prognoseunsicherheiten und sonstige methodische Schwierigkeiten des hierfür erforderlichen Vergleiches ist es verfassungsrechtlich akzeptabel, wenn in medizinischen Fachkreisen ein deutliches Überwiegen des Nutzens des Eingriffes gefordert wird (so auch Gesetzesbegründung). Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Behandlung mit mehr als einem vernachlässigbaren Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist! (BVerfG BtPrax 2011, 116 zu MaßregelvollzugsG R-Pf.). 17

46 1906 III Satz 2 BGB nf 1846 BGB ist nur anwendbar, wenn der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert ist. Konsequenz in Eilfällen: Betreuungsgerichtliche Anordnung der Zwangsbehandlung nicht zulässig, wenn eine Betreuung mit Betreuer noch nicht existiert; dann nur Zwangsbehandlung nach PsychKG! Alternative: Betreuerbestellung im Wege dringender einstweiliger Anordnung für Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge und gleichzeitige Anordnung der Zwangsbehandlung! Folge aus 1906 III 2 BGB nf: Betreuungsgerichtliche Anordnung nur zulässig, wenn der bereits bestellte Betreuer ausnahmsweise tatsächlich verhindert ist! Änderungen des 1906 III-V BGB (3a) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen. (4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. (5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach Absätzen 3 und 4 setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1, 3 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. 18

47 Übersicht: 1. Definition der ärztlichen Zwangsmaßnahme 1. Ärztliche (Zwangs)Maßnahme: - Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlung, oder ärztlicher Eingriff ( 1906 I Nr. 2) Behandlung von Anlass- und Begleiterkrankung werden identisch geregelt. - Gegen den natürlichen Willen des Betroffenen ( 1906 III BGB nf): Einwilligungsunfähigkeit wird vorausgesetzt. Physischer Widerstand nicht erforderlich. Wird Wille nonverbal durch physischen Widerstand geäußert, steht der natürliche Wille entgegen. Verbale oder nonverbale Willensäußerung nicht möglich: keine Zwangsmaßnahme. Es sei denn, eine valide Patientenverfügung isd. 1901a BGB liegt vor und steht der Maßnahme entgegen! Mutmaßlich entgegenstehender Wille isd 1901a II BGB beachtlich! Wird Einwilligung durch unzulässigen Druck erzwungen: Zwangsmaßnahme, keine Genehmigungsfähigkeit (vgl 1906 III Nr. 2 BGB; vgl BVerfG: weite Auslegung) Übersicht: 2. Änderungen Änderungen 1906 BGB: - Zwangsbehandlung nur im Rahmen freiheitsentziehender (stationärer) Unterbringung, 1906 I Nr. 2 ivm Absatz 3 - Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen - Zwangsbehandlung nur bei erheblicher Gesundheitsgefahr - Unter 5 eng auszulegenden Voraussetzungen u.a. Überzeugungsversuch, als ultima ratio und bei enger Nutzenabwägung, die deutliches Übergewicht des Nutzens voraussetzt. 19

48 Konsequenz für Vorsorgevollmacht und Beratung dazu Der schriftliche Text der Vollmacht muss eine Zwangsbehandlung nach 1906 III BGB nf ausdrücklich erwähnen, soll die Vollmacht die Zwangsbehandlung umfassen! Wichtig für die Beratung durch BtVereine und BtBehörden!!! B. Unterbringungsverfahren ohne Zwangsbehandlung Regelungen der 312ff FamFG in der neuen Fassung des zum in Kraft getretenen Zwangsbehandlungsrechts (zu Änderungen unter C.) FamFG gilt für BGB- und PsychKG- Unterbringung! 20

49 Verfahrensgarantien Regelmäßige Bestellung eines Verfahrenspflegers, 317 FamFG: Begründungspflicht bei Nichtbestellung! Fachärztliche Begutachtung durch einen Arzt für Psychiatrie; zumindest muss der Arzt Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie haben, 321 FamFG; Verfahrensgarantien: Begutachtung bei vorläufiger Unterbringung und FEM nach 1906 IV BGB soll ein einfachärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen reichen, 331 S 1 Nr 2, 321 II FamFG Starke verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Substandard der Begutachtungsanforderungen wegen des starken Grundrechtseingriffes 21

50 Verfahrensgarantien Bei Unterbringung über 4 Jahre hinaus: Gutachter darf nicht identisch mit Vorgutachtern und Vorbehandlern und darf nicht in der Einrichtung tätig sein, in der der Betroffene untergebracht ist!, 329 II Satz 2 FamFG. Richterliche Anhörung des Betroffenen, 319 FamFG Unterbringungsbeschluss Unterbringungsbeschluss mit zwingender Befristung, 323 Nr 2 FamFG; Befristung/Dauer: 1 Jahr, höchstens 2 Jahre Im E.A.-Verfahren (vorläufige Unterbringung): 6 Wochen, 333 FamFG 22

51 C. Änderungen Verfahrensrecht: Zwangsbehandlung 312 FamFG Unterbringungssachen Unterbringungssachen sind Verfahren, die 1. die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung und die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ( 1906 Absatz 1 bis 3a des Bürgerlichen Gesetzbuchs) eines Betreuten oder einer Person, die einen Dritten dazu bevollmächtigt hat ( 1906 Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),. 2. die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach 1906 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder 3. eine freiheitsentziehende Unterbringung und eine ärztliche Zwangsmaßnahme eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker betreffen. Auf die ärztliche Zwangsmaßnahme finden die für die Unterbringung in diesem Abschnitt geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich. 321 FamFG Einholung eines Gutachtens (1) Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringung erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein. Problem bei Unterbringung und Zwangsbehandlung nach 18 IV PsychKG NRW und 17 HFEG (Hessen): In diesen Eilverfahren kommt eine Zwangsbehandlung regelmäßig in Betracht, ohne dass die Personenidentität Sachverständiger und behandelnder Arzt im Regelfall zu vermeiden wäre! Aber: Zwangsbehandlung ist nur Folge der Anordnung der Unterbringung! 23

52 323 FamFG Inhalt der Beschlussformel (1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme auch 1. die nähere Bezeichnung der Unterbringungsmaßnahme sowie 2. den Zeitpunkt, zu dem die Unterbringungsmaßnahme endet. (2) Die Beschlussformel enthält bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung auch Angaben zur Durchführung und Dokumentation dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes. Problem: Wie konkret ist z.b. die Zwangsmedikation nach Art und Dosis des Medikamentes zu beschreiben? Möglichst genau, aber mit dem Risiko häufiger Abänderungen! 329 FamFG Dauer und Verlängerung der Unterbringung (1) Die Unterbringung endet spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, wenn sie nicht vorher verlängert wird. (2) Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist. (3) Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung mit einer Gesamtdauer von mehr als zwölf Wochen soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist. Beachte: Die Fristen für die Unterbringung und die Zwangsbehandlung laufen unterschiedlich! Wichtig für Fristenüberwachung durch Gericht, Betreuer und Kliniken. 24

53 331 FamFG Einstweilige Anordnung Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme anordnen oder genehmigen, wenn 1. dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht, 2. ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt, und über die Notwendigkeit der Maßnahme vorliegt; in den Fällen des 312 Nummer 1 und 3 muss der Arzt, der das ärztliche Zeugnis erstellt, Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben und soll Arzt für Psychiatrie sein, Beachte: Eindeutige Verschärfung der Anforderungen an die Qualifikation des Arztes! Bisher reichte ein allgemeinärztliches Zeugnis aus! Zu befürwortende Neuregelung für Zwangsmaßnahmen nach 1906 BGB und PsychKG! 3. im Fall des 317 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und 4. der Betroffene persönlich angehört worden ist. Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von 319 Abs. 4 zulässig. 333 FamFG Dauer der einstweiligen Anordnung (1) Die einstweilige Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Anhörung eines Sachverständigen durch eine weitere einstweilige Anordnung verlängert werden. Die mehrfache Verlängerung ist unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zulässig. Sie darf die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreiten. Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens ( 322) ist in diese Gesamtdauer einzubeziehen. (2) Die einstweilige Anordnung darf bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Bei mehrfacher Verlängerung darf die Gesamtdauer sechs Wochen nicht überschreiten. Beachte: Unterschiedlicher Lauf von Fristen für Unterbringungen nach 1906 I und III BGB! 25

54 Änderungen der gerichtlichen Praxis Bloße Unterbringung und Unterbringung mit Zwangsbehandlung: zwei unterschiedliche Verfahren Änderungen in der Haltung der Gerichte zu Zwangsbehandlungen Änderungen, welche Personen in welchen Lebenslagen zwangsbehandelt werden Änderungen in der Antragsbegründung durch Betreuer und Vollmachtnehmer Änderungen der Inhalte von Vollmachten Vordrucke Vorgehen Verfahrenssicherungen Zwei unterschiedliche Verfahren: 1. Unterbringung mit FE und 2. und Zwangsbehandlung Freiheitsentziehende Unterbringung ohne Zwangsbehandlung Freiheitsentziehende Unterbringung mit Zwangsbehandlung haben verschiedene Verfahrensvoraussetzungen. Zwangsbehandlung erfordert: - Stets Verfahrenspfleger, 312 S. 3 FamFG - Sachverständiger soll nicht behandelnder Arzt sein, 321 I Satz 5 FamFG 26

55 Konsequenzen der verschiedenen Verfahren Betreuer muss vor Antragstellung zur Genehmigung der Unterbringung Erforderlichkeit einer Zwangsbehandlung prüfen Bei Zweifeln: Antrag auf Genehmigung einer Zwangsbehandlung! Umstellen der freiheitsentziehenden Unterbringung in eine solche mit Zwangsbehandlung erfordert ggfls Nachbessern im Verfahren (Verfahrenspfleger zwingend; externer Sachverständiger)! Änderungen in der Haltung der Gerichte zu Zwangsbehandlungen Gerichte mit ausufernder Praxis der Zwangsbehandlung müssen sich umstellen: Bisherige extensive Auslegung des 1906 I Nr. 2 BGB mit Zwangsbehandlung schon bei bloßer Krankheitsuneinsichtigkeit ( Non-Compliance ) und einfacher Gesundheitsgefahr ist schon nach Wortlaut des 1906 I Nr. 2 BGB unzulässig geworden! Verzicht auf Verfahrenspfleger ist in jedem Falle unzulässig! ( 312 Satz 3 FamFG n.f.) 27

56 Änderungen in der Haltung der Gerichte zu Zwangsbehandlungen Gerichte, die 1906 I Nr. 2 BGB auch bislang schon restriktiv ausgelegt und Zwangsbehandlungen nur bei Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden genehmigt hatten, werden durch die Neufassung des 1906 I Nr. 2 und Absatz 3 BGB in ihrer Position gestärkt; aber auch sie müssen ggfls verfahrensrechtlich nachbessern (z.b. Einholung externer Gutachten) Änderungen des mit Freiheitsentzug untergebrachten und mit Zwang behandelten Personenkreises Laut Gesetzesbegründung stellt Änderung des Abs. 1 Nr. 2 ausdrücklich klar, dass die Freiheit des Betreuten nur aus besonders gewichtigen Gründen zu seinem Wohl angetastet werden darf. Unterbringung zur Durchführung einer ärztlichen Maßnahme muss danach zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens notwendig sein. Absatz 3 Satz 1 über die Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betreuten (Zwangsbehandlung) knüpft an diese engen Voraussetzungen eines drohenden (erheblichen!) Gesundheitsschadens an (vgl Absatz 3 Nr. 3!) 28

57 Zwangsbehandlung von Anlassund Begleiterkrankung Laut Gesetzesbegründung unterscheidet die Regelung des 1906 III BGB nf nach wie vor nicht zwischen Behandlung der Anlass- oder der Begleiterkrankung! Bedenklich bezüglich der Anlasserkrankung (z.b. die der Betreuerbestellung zugrunde liegende Psychose), wenn die Psychose wegen der Gefahr der Chronifizierung oder wegen der Gefahr der Nichtbehandlung von somatischen Begleiterkrankungen behandelt werden soll. Frage: Wann liegt eine Chronifizierung überhaupt vor? Chronifizierung als erheblicher Gesundheitsschaden? Problem: Zwangsbehandlung zur Wiederherstellung der sog. Compliance, um eine Begleiterkrankung behandeln zu können. Neuregelung diskutiert Zwangsbehandlung der Anlasserkrankung nicht aus! Gefahr eines Flickenteppiches unterschiedlicher Rechtsprechung! Sonderproblem: Medikamentöse Behandlung der Anlasserkrankung Lt. BVerfG in BtPrax 2011, 116, sind u.a. wegen der Abhängigkeit von Nebenwirkungen von der Verabreichungsdauer besondere Anforderungen an die Zulässigkeit medikamentöser Zwangsbehandlung zu stellen; diese ist ggfls jederzeit abzubrechen, wenn sie sich bei negativem Behandlungsverlauf als nicht mehr verhältnismäßig erweist. 29

58 Änderungen in der Antragsbegründung durch Betreuer und Vollmachtnehmer Betreuer muss in Antragsbegründung nicht nur den ohne Behandlung drohenden erheblichen Gesundheitsschaden sondern auch darlegen, ob ein ernsthafter Versuch unternommen worden ist, den Betreuten von der Erforderlichkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen ( 1906 III Nr. 2 BGB). Versuch der Überzeugung des Betreuten durch Information Versuch der Überzeugung des Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme setzt nach BVerfG (BtPrax 2011, 116 und 255) voraus: - Ankündigung der ärztlichen Maßnahme und - eine den Verständigungsmöglichkeiten des Betroffenen entsprechende Information über Ziel, Inhalt und Wirkungen/Nebenwirkungen und Alternativen der ärztlichen Maßnahme - Ohne Zeitdruck und ohne unzulässige Nötigung zur Akzeptanz der Behandlung! (BVerfG BtPrax 2011, 115). 30

59 Vorherige Bemühung um eine auf Vertrauen gegründete, im Rechtssinne freiwillige Zustimmung des Betreuten Formulierung der Überschrift vgl BVerfG BtPrax 2011, 255 = zu bad-württ. UBG Wer (Betreuer oder Arzt) unternimmt den Versuch der Überzeugung des Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung? Wortlaut des 1906 III Nr. 2 ( wenn zuvor versucht wurde ) lässt beide Lösungen zu; soweit Betreuer die fachkundige Hilfe des Arztes zur sachgerechten Information des Betreuten benötigt, wird der Versuch der Überzeugung auch gemeinsam mit dem Arzt erfolgen. Dokumentation des Überzeugungsversuches Betreuer kann z.b. einen schriftlichen Vermerk des Arztes über die vom Arzt erfolgte Ankündigung und die Information über den Inhalt der ärztlichen Maßnahme mit dem Unterbringungsantrag zur Akte reichen Oder bei Selbstvornahme durch den Betreuer ein eigenes Dokumentationsblatt des Betreuers zur Akte reichen. Was ist für den im Gesetzeswortlaut nicht vorkommenden Faktor Zeit beim Überzeugungsversuch zu verlangen? 31

60 Kurzübersicht: Änderungen des Verfahrens Freiheitsentziehende Unterbringung ohne und mit Zwangsbehandlung: 2 verschiedene Verfahrensarten! Akutfälle: 1846 BGB nur bei bereits bestehender Betreuung; sonst nur PsychKG-Anordnung zulässig Genehmigung der Zwangsmaßnahme erfordert stets: - Gesonderte Begründung des Antrages u.a. zum Überzeugungsversuch - Verfahrenspfleger - Externen Gutachter - Kürzere Fristen des Genehmigungsbeschlusses als bei Freiheitsentzug ohne Zwangsbehandlung - Pflicht zur Benennung der konkreten Zwangsmaßnahme und Dokumentation durch den Arzt im Beschlusstenor Verfahren bei der Zwangsbehandlung (FamFG) Entscheidung des Betreuers Zwangsbehandlung als Unterbringungsmaßnahme Vorherige gerichtliche Entscheidung Bestellung eines Verfahrenspflegers Persönliche Anhörung des Betroffenen Sachverständiger soll nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein (nach 12 Wochen auch einrichtungsunabhängig) Beschluss enthält Angaben zur Durchführung und Dokumentation Dauer: höchstens 6 Wochen, es sei denn Verlängerung Rechtsmittel des Betroffenen 32

61 Verfahren der einstweiligen Anordnung Entscheidung des Betreuers Dringende Gründe für das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen Dringendes Bedürfnis für sofortiges Tätigwerden Ärztliches Zeugnis durch Arzt der Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie Bestellung eines Verfahrenspflegers Persönliche Anhörung des Betroffenen Dauer: 2 Wochen/6 Wochen Ende Alles Weitere wird die zukünftige Praxis weisen! Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 33

62 Psychiatrische Praxis zwischen Patientenautonomie und Sicherheit Prof. Dr. Undine Lang Ordinaria und Klinikdirektorin Erwachsenenpsychiatrische Klinik Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

63 «Innovative Psychiatrie versteht sich auch als Bürgerrechtsbewegung, deren Selbstverständnis sich in einer veränderten Realität im Psychiatriealltag spiegelt und auf Emanzipation und Partnerschaft zielt.» (Gesundheitsministerkonferenz 2007) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

64 Hohe Stigmatisierung von psychiatrischen Patienten durch Psychiater Nordt et al Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

65 Stigmatisierung von psychiatrischen Patienten durch Psychiater Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai 2013 Nordt et al

66 DiagnosenabhängigeStigmatisierung psychiatrischer Patienten in Australien: Reavley et al. 2011, Aust J Psychiatry Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

67 Stigmatisierung von psychiatrischen Akutpatienten Doppelmandat der Psychiatrie therapeutischer Zweck, wirkt aber auch ordnungspolitisch Gratwanderung zwischen Empowerment und Laissez-Faire Fehlende wissenschaftliche Evidenzbasierung Identität durch Kontrollmechanismen zerstört, Patienten in soziale Kontexte gezwungen [Goffman 1961] offene Allgemeinkrankenhäuser bis zu 50% der Patienten schwere hirnorganische Psychosyndrome, Delirien (7-52%), Depressionen (bis zu 40%) und Demenzen (ca. 42%) [Sampson et al. 2009, Bucht et al. 2009] 23% der Patienten moderates Suizidrisiko, 5% der Patienten sind als akut suizidal einzustufen [Feirreira et al. 2007] Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

68 Ad hoc Anzahl der Untersuchungen zu Shared Decision Making/ informed consent in Pubmed SharedDecision Treffer in Informed Treffer in Making Pubmed Consent Pubmed Demenz Schizophrenie Depression Schmerz Schwangerschaft Prostatakrebs Brustkrebs Krebs Depression 752 Schizophrenia 471 Krebs 5286 Surgery Schmerz 1823 Schwangerschaft 3598 Dementia 769 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

69 Keine Evidenz für die derzeitig angewendeten Unterbringungspraktiken und Zwangsmassnahmen (Cochrane Review 2006) Muralidharan S. Fenton M Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

70 Hohe Variabilität von Zwangsmaßnahmen auf 32 Akutstationen in Norwegen 0-88% der Patienten auf Akutstationen werden isoliert Zwangsmedikation Fixierung Isolation Husum et al. 2010, BMC Health Serv. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

71 Prozentualer Anteil von Patienten, die von Zwangsmaßnahmen betroffen sind in Deutschland Klinik 1 Klinik 2 Klinik 3 Klinik 4 Klinik 5 Klinik Zinkler et al Steinert et al Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

72 Steinert et al. 2007, Zinkler et al Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

73 Keine Assoziation zwischen rechtlichem und faktischem Unterbringungsstatus Diagnose Anzahl Patienten Untergebracht Geschlossen Rittmannsberger et al. 2004, Eur Psych Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

74 Geschlossene Unterbringung hängt von der Tradition ab und nicht vom Patienten und. auch nicht vom Personalschlüssel Rittmannsberger et al. 2004, Eur Psychiatry Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

75 Deutlich reduzierte Zwangsmaßnahmen und Entweichungen nach Türöffnung am Beispiel Charité Mitte Lang et al EJP Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

76 UPK Basel: Effekt von zwei geöffneten Stationen auf vom Team erlebte Sicherheit, therapeutischen Halt und Patientenzusammenhalt Blaesi et al., eingereicht Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

77 UPK Basel: Variablen der Ausstattung, Belegungsvariablen, Stellensituation Blaesi et al., eingereicht Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

78 UPK Basel: Effekt von zwei Stationsöffnungen auf Patientenvariablen Blaesi et al., eingereicht Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

79 Effekte der Türöffnungen aller Stationen insgesamt in der Universitätsklinik in Basel Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

80 Rückgang der Isolationen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

81 Rückgang der Zwangsmedikationen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

82 Rückgang der Verlegungsquoten Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

83 Reduktion der Zwangsmaßnahmen durch Umwandern der geschlossenen Akutstation Steinert et al. BMC Psychiatry

84 54 Suiziden/ Aufnahmen ,43% der Patienten Entweichung (1,54% vs. 1,41%) Herda et al. mündliche Kommunikation Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

85 Türöffnungen sind keine Nichtbehandlung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

86 Hammann et al Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

87 Zwangsmassnahmen bei bis zu 66% betroffenen Patientinnen und Patienten (Fisher 94, Sebit 1998, Cannon 2001, Needham 2002, Sailas and Fenton 2003, Sailas und Wahlbeck 2005, Steinert et al. 2007) Tätlich-aggressive Übergriffe 10% psychiatrischer Aufnahmen (Steinert et al. 1991, Spießl et al. 1998, Ruesch et al. 2003, Ketelsen et al. 2007) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

88 Gruppe Massnahme Outcome Fisher 2003 Monitoring von Zwangsmassnahmen Aggression Forster etal Goren etal Hahnetal.2006 Hellerstein et al Selbstverteidigungstraining, das Team wurde mit der Erfahrung von Restraintsituationen konfrontiert, Gründe für Aggression erörtert, reduzierte Regeln und Gesetze, verbesserte die Kommunikation, Weiterbildung über Ethik, Aggression und Aggressionsverhalten, Debriefing und Erkennen und Prävention von Aggression Ursache von Ärger, Aggressionstheorien, die Verwendung nicht verbaler Botschaften, die Verwendung nichtkörperlicher Interventionen und Selbstverteidigung sowie Abbruchstrategien Hurlebaus et al Coping Agreement Questionnaire Zuversicht, Skills Zuversicht, Skills Zwangsmassnahmen Zuversicht, Skills Aggression Übergriffe Ilkiw et al Weiterbildung Selbstfürsorge INTACT Programm, das aus Zwangsmassnahmen gesetzlichen Grundlagen, Aggressionszirkeln, Aggressionsmanagement, Dokumentation von Vorkommnissen und Selbstfürsorge nach einem Vorfall Infantino et al Deeskalation, Abbruch, Kontrolle Aggression Übergriffe Jambuthan, Bellaire 1996 Aggressionskontrolltechniken, verbaler Deeskalation, Zwangsmassnahmen Abbruchmöglichkeiten Jonikas et al Krisenmanagementtraining Zwangsmassnahmen Kalogjera et al Krisenmanagement, Feedbackrunde Zwangsmassnahmen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

89 Gruppe Massnahme Ergebnis Martin 1995 Körpertraining Aggression Martin et al Problemlöseprogramm Zwangsmassnahmen Mc Cue et al Stressmanagement, Deeskalation Aggression Zwangsmassnahmen Meehan et al Deeskalation, Weiterbildung Aggression Übergriffe Morales et al Haltung Team Zwangsmassnahmen Needham, 2004, Monitoring, Aufklärung Aggression Zuversicht, 2005 Skills Nijman et al Informationsblatt für Patienten, warum die Tür geschlossen Aggression ist, eine Prozedur für verbale Interventionen, Paterson et al theoretisches Wissen über Gewalt, Techniken einen Übergriff zu verhindern, Abbruchmöglichkeiten, Zuversicht, Skills Philips, Rudestam Diskussionen mit dem Team Zuversicht, Skills 1995 Pollard et al Haltung, Monitoring, Diskussion Zwangsmassnahmen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

90 Gruppe Massnahme Ergebnis Allen et al Decision Making Prozesse Zuversicht, Skills Ashcraft, Anthony 2006 wertschätzend und nicht mehr regelorientiert, individualisiert, Aggression Übergriffe Bisconer et al Dokumentation Zielvereinbarungen, Zwangsmassnahmen Björkdahl etal Bowers et al. 2006, 2008 Calabro etal Pflege in das ambulante Setting einbezogen, Dokumentation verbessert Bröset Violence Checklist Haltungen und Einschätzungen positive Würdigung, Emotionen den Patienten gegenüber zu regulieren Recovery Models, ressourcenorientierte Behandlung, Wertlegung auf Prävention und den Ansatz, den Patienten so viel Kontrolle als möglich Rollenspielen, ActingOuts, Reduktion von Umweltfaktoren für Gewalt und Angstmanagement Zwangsmassnahmen Zwangsmassnahmen Zwangsmassnahmen Canatsey et al Stimuli zu entziehen Aggression Corrigan et al Problemlösetraining Aggression Donat,2003 Donovan etal Verhaltenskonsil, erhöhte Pflegepersonalschlüssel und hob die Qualität der Behandlungspläne ABCD-Regel: Autonomie, Dazugehörigkeit (Belonging), Kompetenz (Competence) und Hilfsbereitschaft (Doing for others). Zwangsmassnahmen Zwangsmassnahmen Aggression Zuversicht, Skills

91 Deeskalation durch Vermeiden von Eskalation kein Zugang zu Nahrungsmitteln (Zusperren der Küche), Eingrenzen Essenszeiten, kein Zugang zu Zigaretten, kein Ausgang, kein Besuch, keine Möglichkeiten zu telefonieren, richterliche Anhörungen, keine transparenten Sprechzeiten der Ärzte, seltene Gesprächsangebote, fehlende Reaktion auf Patientenwünsche, Abnahme von Besitz (Gürtel, Pass, etc.), Durchsuchungen etc. Patientenaufnahme in engen Räumen unter hoher Personalpräsenz, keine psychologischen Einzelgespräche, kein Sportangebot, kein Zugang zum Garten, keine ergotherapeutischen Angebote keine Rückzugsmöglichkeit, freiheitsbeschränkende Maßnahmen wie Wecken, Beschränkung der Fernsehzeiten Nachtruhe Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

92 Anlässe für Gewaltereignisse und Zwangsmedikationen reflektieren und vermeiden Bowers et al. 2009, Iss Ment Health Nurs Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

93 Personal: Kontrolle Tür zu: Ausgänge regeln Aufstehzeiten Therapieteilnahme Medikamenteneinnahme Besuchszeiten Freizeitgestaltung Kleidung Hygiene Patientin/Patient: Rebellion Rauchen im Zimmer Zündeln Entweichung Bedrohung Aggressive Übergriffe Essenzeiten und Aktivitätszeiten sind Trigger für Aggressionen [Flannery et al. 1991, Kennedy et al. 1995] Interaktion zwischen Pflegepersonen und Patienten sind Trigger für Aggression [Lanza et al. 1991, Rasmussen et al. 1996] Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

94 Reduktion der Struktur auf Akutstationen Zusammenhang zwischen reglementierenden Interaktionen von Pflegeteam mit Patienten und aggressiven Übergriffen [Roper und Anderson 1991, Hewison 1995, Finnema et al. 1996, Muir-Cochrane und Harrison 1996, Whittington und Wykes 1996] aggressives Verhalten bei Patienten als Reaktionen auf Restriktionen des Settings [Lanza 1988, Nijman et al. 1997] Zusammenhang zwischen einer Erzwingung von Regeln und den darauffolgenden Übergriffen von Patienten feststellen [Morrison 1989, 1994] erhöhte Konfliktbereitschaft beim Pflegeteam wenn eine autoritäre Atmosphäre herrscht [Watkins 1979, Lutzen 1990] Restriktionen führen zu aggressivem Verhalten bei Patientinnen/Patienten (Lanza 1988, Nijman et al. 1997) freier Zugang zu Essen und Getränken Fernsehgerät im Raucherraum: Reduktion der Aggressivität und des Bedarfes an Tranquilizern (Alexander 2006) Eine geringe emotionale Verfügbarkeit des Personals und wenig therapeutisches Engagement intensiviert Trotzreaktionen gegen Regeln (Alexander 2006) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

95 Anlässe für Gewalt auf geschlossenen Stationen geschlossene Stationstür, richterliche Anhörung Atmosphäre, Umgang Verweigerung von Wünschen, Durchsetzung Stationsregeln Applikation von Zwangsmaßnahmen, Aufforderung zu Aktivitäten subjektive Hoffnungslosigkeit, Ungerechtigkeiten, resignative Einstellungen Nebenwirkungen von Medikamenten Duxbury et al. 2006, Ilkiw-Lavalle und Grenyer 2003, Abderhalden et al. 2006, Richter 1999, Whittington & Richter 2006, Abderhalden et al Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

96 Erhöhte Gewalt auf geschlossenen Stationen Konzentration von Patienten, von denen aggressives und gewalttätiges Verhalten befürchtet wird [Lion et al. 1976, Gebhardt und Radtke 2003] Korrelationen zwischen Überbetten und Gewaltereignissen [Lion et al. Lanza et al. 1994, Palmsternia et al. 1991] Neben der Türschliessung und fehlendem Platz (keine Bufferzone) spielen jegliche Restriktionen bei der Entwicklung von Gewalt eine Rolle [Lanza 1988, Nijman et al. 1997] Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

97 Zwangsmaßnahmen in der Schweiz und in Deutschland Martin et al. 2007, BMC Psychiatry Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

98 Hohe Korrelation zwischen Zwangsmaßnahmen und PTSD Risiko Bergk et al. 2010, BMC Psychiatry Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

99 Wir brauchen eine individualisierte, personalisierte Aufnahmepolitik Suizidale depressive Patientin Älterer verwirrter Patient Intoxikierter Patient Zwangsernährung bei Essstörung Depressionsstation Innere Medizin/Geriatrie Anästhesie Geschlossene Aufnahmestation Narzisstischer Patient Borderline Patientin Psychotherapie: Warteplatz/KIS Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

100 Wir brauchen eine stärkere Patientenorientierung Patientin/ Angehörige Ärztin/ Patient Arzt Effektivität Medikamente Eigenes Management Nebenwirkungen Arzt Caring tone of voice Nebenwirkungen der Medikamente Eigene Vor-Erfahrungen Haltung gegenüber Medikamenten Krickert et al. 2006, Schiz Res Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

101 Denn, das größte Behandlungsrisiko ist eine fehlende Beziehung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

102 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Prof. Dr. med. Undine Lang Chefärztin Erwachsenen - Psychiatrische Klinik Basel Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Mai

103 Ein Bericht aus der Praxis/j Das Haus Maybachstraße -eine Einrichtung der Eingliederungshilfe in Stuttgartam in Freiburg i.b. Fachtagung des CBP e.v. von Jürgen Baur (RRSS) + Klaus Masanz (BHD) Inhaltsverzeichnis/j Begriffe: Unterbringung, Aufnahme, Zugang Charakteristika der Bewohnergruppe Tagesablauf Wochenplan - Angebote Wirkfaktoren: Was hilft? Hypothesen zur Ursachenforschung: Warum kommen Menschen in eine geschlossene Einrichtung? 1906er Plätze im GPV Stuttgart Handlungsempfehlungen GPV Steuerungsgremium

104 Geschlossene Wohnheime/J Die ungeliebten Kinder der Sozialpsychiatrie 1906 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. (2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen. 2

105 1. Die Unterbringung/J Dem gesetzlichen Betreuer obliegt das Recht der Unterbringung. Dazu benötigt er die Zustimmung des Betreuungsgerichts. Dazu erfolgt eine fachärztliche Begutachtung zu den wichtigsten Kriterien. Nach einer Anhörung eines Richters unter Hinzuziehung eines Verfahrenspflegers erfolgt der Beschluss zur Unterbringung. Das Verfahren entspricht dem bei einer Verlängerung der Unterbringung. 3

106 1.1. Die Aufnahme im Wohnheim/J Voraussetzung für die Aufnahme in unserem Haus ist das Vorliegen eines Unterbringungsbeschlusses. Darüberhinaus erfolgt zuvor eine Eingabe in die Hilfeplankonferenz in Stuttgart. Eine Ablehnung eines Klienten kann nur erfolgen, wenn stichhaltige Gründe vorliegen (z.b. massive Fremdgefährdung). 2. Charakteristika der Bewohnergruppe (n=38) Erhebungszeitraum vom /K 2.1. Geschlechterverteilung: weiblich: 14 (36,8%) männlich 24 (63,2%) 2.2. Familienstand: ledig: 31 (81,5%) geschieden: 5 (13,2%) verheiratet: 2 (5,3%) 4

107 2.3. Alter und Altersgruppen/K a. Alter: männlich: 36 Jahre weiblich: 43 Jahre; Mittel: 39 J. b. Altersgruppen: Jahre: 17 (46%)! Jahre: 11 (29,7%) Jahre: 9 (24,3%) 2.4. Woher kam die Bewohnergruppe (n=38) vor der Aufnahme? /K wohnte in einer eigener Wohnung: 8 21% wurde von der Primärfamilie versorgt: 4 10,5% psychiatrisches Pflegeheim: 14 36,8% fernab der Herkunftsgemeinde (z.b. Odenwald, Murr - hardter,- Mainhardter,- Welzheimer Wald, Ellwanger Berge usw.) wohnte in einer 67er Einrichtung: 4 10,5% wohnte in einer 53er Einrichtung : 8 21% 12 Bewohner (31,6%)=knapp 1/3 wohnten zuvor im eigenen Wohnraum! 10 5

108 2.5. Nationalität Migrationsanteil und transkulturelle Bedeutung /K (Referenzwerte: Land B-W: 19,3% - Stgt.: 39 %) deutsch: 14 36,8% polnisch, rumänisch, ungarisch: 8 21,1 % türkisch: 4 10,5% serbisch-bosnisch-kroatisch-kosov.: 5 13,2% GUS Staaten: 3 7,9% andere (Südeuropa) 4 10,5% Haus Maybachstraße: 24 63,2% (Sprache, kultursensibler Umgang!) 2.6. Schulbildungsniveau/K Schulabschluss: a. Förderschulabschluss: 4 (10,5%); b. Hauptschulabschluss: 21 (55,2%); Referenzwert: 26,3% c. Mittlere Reife: 5 (13,1%) Referenzwert: 31% d. Abitur: 6 (15,8%) Referenzwert: 35,7% e. ohne Abschluss: 2 (5,2%) Die Symptome wirken bereits in der letzten Schulphase (Prodromalstadium): Das Bildungsniveau ist niedriger als erwartet und als möglich! 6

109 2.7. Ausbildungsniveau/K Vergleich: Land B-Wü.: Lehrabschluss: 46%; Studium:16% Berufsausbildung: abgeschlossene Lehre: 11 (28,9%) abgebrochene Lehre: 5 (13,2%) ohne Ausbildung: 17 (44,7%) abgebrochenes Studium: 3 ( 7,9%) abgeschlossenes Studium: 2 ( 5,3%) Ohne qualifizierte Berufsausbildung: 25 (65,8%) In der Altersgruppe von Jahren (92,9%)! 3. Diagnosen nach ICD 10 -GM/K Schizophrene Psychosen F.20-29: 28 (73,7%) Persönlichkeitsstörungen F 60.2+F60.3: 7 (18,4%) (aus F.60-F.69) Affektive Psychosen F 30, F 31: 3 (7,9%) (aus F. 30-F.39) 7

110 3.1. Komorbidität (Mehrfachnennungen) /K -intellekt. Beeinträchtigung+ Psychosen: 6 15,8% -Sucht +Persönlichkeitsstörung/Psychose:24 44,7% +chronisch-somatische Erkrankung: 20 52,6% +Gehbehinderung infolge Suizidversuch: 4 10,5% 30 (78,9 %) mit Mehrfachdiagnosen 3.2. Bedeutung von Suchtabhängigkeit in der Vorgeschichte und aktuell (Mehrfachnennung) Alkoholabhängigkeit/ Missbrauch früher/ heute: 12/6 THC früher /heute: 18/8 Morphium (Heroin, Subutex..): 11 Bekannter polytoxikomaner Konsum: 11 Bedeutsam für die aktuelle Behandlung: Ehemals/aktuell in der Substitution: 4/1 Unregelmäßige Atemalkoholkontrollen: 6 Fortlaufende Drogenkontrollen: 9 8

111 4. Strafvollzug Maßregelvollzug (n=38) /K bekannte Fremdgefährdung (AföO): 22 57,9% Haftvollzug (Deliktgruppen: Körperverletzung, Verstoß gegen das BtMG ): 10 26,3% Maßregelvollzug nach 63 StGB: 6 15,8% Das ist eine Frage nach der juristischen Bewertung von Eigen- und/oder Fremdgefährdung dieser Patientengruppe! 5. Kontakt mit der GP, der Wolo-Hilfe oder der Jugendhilfe? (Mehrfachnennungen möglich) /K Kinder- Jugendhilfe/ Jugendpsychiatrie:10 (26,3%) Gemeindepsychiatrisches Zentrum: 35 (92,1%) ABW nach 53 SGB XII : 16 (42,1%) stat. Wohnen nach 53 SGB XII: 9 (23,6%) Berufliche Rehabilitation/RPK: 4 (10,5%) Wohnheim nach 67 SGB XII: 13 (34,2%) Sozialhotel-Notunterkünfte, Straße: 16 (42,1%) high/heavy-user - schwierige Patienten - Trans- System-Prüfer 9

112 6. Tagesablauf in einem geschlossenen Wohnheim/J Sicher spielt hier die Geschlossenheit eine maßgebende Rolle und so müssen wir versuchen, möglichst viele Angebote in unseren Räumlichkeiten anzubieten, um auch den Menschen, die keinen Ausgang haben, möglichst viele Möglichkeiten zu bieten Angebote im und außerhalb des Hauses Maybachstraße/J Arbeit- und Beschäftigungsangebote: WfB - RSS, Heimzeitung Terrassenpflege, Balkonmöbelprojekt, Renovierungen bis hin zu Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Hauses; Entspannungsgruppe (Autogenes Training); Koch,- Sportgruppe,- Kreativ,- Musikgruppe; Freizeit: Ausflüge, kulturelle Veranstaltungen Urlaub ; niederschwellige Suchtgruppe in Kooperation mit der Suchtberatung des Klinikums; Angehörigenberatung; Gespräche mit Angehörigen Diagnoseübergreifende Psychoedukation nach Jensen und Sadre-Chirazi-Stark (Gesundheit & Co). 10

113 11

114 6.3. Geschlossen heißt aber auch, /J dass bei uns auch einige Menschen außerhalb arbeiten gehen; dass sie noch Kontakt zur Familie haben und dort auch Zeit, bis hin zum gesamten Wochenende verbringen können; dass sie eigene Formen der Freizeitgestaltung auch außerhalb des Wohnheims entwickelt haben! Dass fast alle eine Ausgansregelung mit den gesetzlichen Betreuern und dem Haus vereinbart haben. 12

115 7. Wirkfaktoren im Sinne von best-practice : Was hilft? /K Respekt und ein würdevoller Umgang zwischen Personal und BewohnerInnen; trotz Schlüsselmacht! Balance finden, zwischen Förderung von Verselbständigung und Schutz vor Eigengefährdung! Individuelle Tages- und Wochenstruktur; Angebote und Arbeit- und Beschäftigung, im Haus externe Arbeit; Ansatz der Zumutbarkeit und des Erprobens (auf Seiten des Personals, der BewohnerInnen, der Betreuer, der Polizei ); Information, Wissensvermittlung, Psychoedukation 7.1. Weitere Wirkfaktoren Volume II/K Diskussion/Erkenntnis, welcher Unterschied besteht zwischen dem bisher Erlebten und dem Strukturgebenden im Haus! Re-vitalisierung von Angehörigenkontakte, Besuche aktiv vereinbaren, Kulturelle Teilhabe rausgehen, sich bewegen Kooperation, Vernetzung im GPV-Stuttgart und an den Übergängen: Arbeit, Wolo-Hilfe, Suchtkrankenhilfe und der Sozialverwaltung (z.b. Sozial-und Wohnungsamt) Transparenz-Kontrolle durch eine regionale HPK, durch das Fallmanagement, Sozialamt, durch die Beschwerdestelle 13

116 8. Entlassung und Vorbereitung /J Kurz nach dem Einzug besteht ein rascher Wunsch nach Entlassung! Ein gelingender Übergang/Auszug ver- und aushandeln, ohne dabei zu überfordern! Wie könnte eine geeignete Anschlussperspektive aussehen? (Aushandlungsprozess) Entlasskriterien definieren: Was muss ich können, um auszuziehen? (Entlassplanung) 8.1. Erfahrungen mit Entlassungen /J Wunsch nach schneller Entlassung, aber auch Druck wg. Ablauf der Unterbringung besteht; sehr gute Einbindung des Haus Maybachstrasse in die sozialpsychiatrischen Strukturen in Stuttgart Erkenntnis, dass vieles, was in den Strukturen des geschlossenen Wohnheims klappt, nicht ohne weiteres in andere Strukturen übertragen werden kann! Bewohner wollen nicht weiter in stationären Rahmen bleiben, aber auch lange Wartelisten in stationären Wohnheimen Überwiegend finden die Entlassungen in das betreute Wohnen statt! 14

117 8.2. Bilanz der Entlassungen -Ernüchterung oder Realität?- /J Absolut 14 bei 26 Plätzen in 18 Monaten 5 ins Bewo (davon 2 zurück, 3 noch im Bewo) 2 in eig. Wohnraum (davon 1 inzwischen in AWG) 2 in Einrichtung für obdachlose Menschen 1 in Türkei 1 in Forensik 1 zu Eltern 1 in anderes Wohnheim 1 verstorben 8.3.Anmerkungen zur Beendigung /J Verstehen wir uns als ein Haus, in dem Menschen eher für eine kurze Zeit einen Platz finden und möglichst schnell wieder ausziehen sollen. Hoher Veränderungsdruck (für alle Beteiligten) in kurzer Zeit auch wegen der zeitlichen Befristung durch den Beschluss. Diskussion hinsichtlich fakultativ geschlossen/offen (wieviele Menschen bleiben freiwillig? Unterschiedliche Erfahrungen mit unterschiedlichem Klientel). Welche Verhaltensweisen innerhalb eines geschlossenen Wohnheims rechtfertigen weitere Unterbringungengleichzeitig Vermutung, es geht (noch) nicht außerhalb 15

118 9. Hypothesen: Warum kommen Menschen in geschlossene Einrichtungen? /K voraus geht i.d.r. ein Inititialereignis, schwerer Suizidversuch / Eigengefährdung: z.b. lebensbedrohlicher Zustand, in Kombination mit einem verwahrlosten Wohnraum; es folgt eine lange KH Behandlung (3-9 Mon.), es wirkt ein Entlassungsdruck, Mangel an Nachsorgeoptionen besteht; Es geht i.d.r. eine lange, schwere und komplexe Krankheits- und Leidensgeschichte voraus; Grad der Compliance bzw. Adhärenz zwischen Behandler- Patient driftet gravierend auseinander! 9.1. Warum kommen Menschen in geschlossene Einrichtungen? /K Die Patientengruppe konnte/wollte Hilfen im GPV nicht aufrecht erhalten! Wurden alle möglichen Alternativen durchdacht? Es wurde keine Nachsorgeoption für tragfähig bewertet; Handlungs- und Zeitdruck wirkt! Patientengruppe hat i.d.r. schlechte Erfahrungen mit der Psychiatrie gemacht, haben Gewalt, Zwang erfahren 16

119 1906 BGB Plätze im GPV -Stuttgart im Zeitraum Jahr Anzahl der Träger Anzahl der Einrichtungen Anzahl der Plätze Anzahl der gesamten Plätze im GPV Stuttgart 2002 (EVA - Stuttgart) 2011 (Projekt: BHD & RRSS) (RRSS) Entwicklung der 1906er Plätze der Eingliederungshilfe im GPV-Stuttgart im Zeitraum

120 10. Empfehlungen für die Zukunft /K Hohe Priorität für diejenigen, die in ihrer Primärfamilie versorgt werden/ bzw. mit Wohnraum! Antrag nach 1906 BGB verantwortet nicht nur der BetreuerIn allein! Prüfung von Alternativen/ Entscheidung durch einen regionaler Fachausschuss ; bestehend aus HPK, Facharzt, Angehörige Flexible und niederschwellige Hilfen auch in der Eingliederungshilfe anbieten, z.b. in Kooperation mit der Wohungsnotfallhilfe (Hotel-Plus Konzept) Empfehlungen /K Engere sozialadministrative Vernetzung von Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe ; Evaluation: Wer wandert aus dem GPV ab? Heimplätze der Eingliederungshilfe dicht ins GPV System integrieren; Im GPV einen flexibler Umgang mit den Wartelisten bei der Personengruppe 1906 vereinbaren, um Trans-Institutionalisierungen in gemeindeferne Einrichtungen zu vermeiden; Aufsuchend-aktive Miteinbeziehung und Revitalisierung der Angehörigen in den Behandlungsprozess; ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema 1906 in den eigenen Pflichtversorgungsregionen führen! 18

121 Jetzt ist wirklich Schluss! /K Anerkennung und Lob für die Fachöffentlichkeit und die Verwaltung der Stadt Stuttgart/ Sozialamt, die sich für dieses Wohnprojekt, für diese Gruppe StuttgarterInnen einsetzen und bei der Planung beteiligt waren! Diese Einrichtung lebt durch 2 Träger! Trägerübergreifende Einrichtungen als ein Zukunftsmodell mit Pioniercharakter? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! und Ihr Zuhören! Kontaktdaten: Haus Maybachtraße, Maybachstrasse 32 in Stuttgart Heimleitungen: Jürgen Baur & Klaus Masanz; juergen.baur@eva-stuttgart.de klaus.masanz@bruderhausdiakonie.de 19

122 Gemeindenahe Psychiatrie und geschlossene Unterbringung Martin Zinkler, Freiburg am

123 Franco Basaglia Denn wenn der Kranke fragt, wann er nach Hause entlassen wird, muss der Arzt in einen Dialog mit ihm eintreten. In diesem Dialog gibt es nicht länger Subjekt und Objekt, sondern zwei Menschen, die zu Subjekten geworden sind. Wenn wir diese Logik des Widerspruchs zwischen zwei Menschen nicht akzeptieren, sollten wir lieber Bananen verkaufen, als Ärzte sein (1979)

124 Übersicht Psychiatrie in Heidenheim Teilhabeplanung im Landkreis Gemeindeferne Unterbringung Offene klinische Psychiatrie am Allgemeinkrankenhaus Geschlossene Plätze im Landkreis GPV und Hilfeplanung Perspektiven

125 Psychiatrie in Heidenheim Vor 1972: eine Nervenarztpraxis (heute 6 Neurologen/Psychiater) 1972: Sozialpsychiatrischer Dienst 1994: Tagesklinik 1995: Psychiatrische Abteilung am Allgemeinkrankenhaus 2010: Teilhabeplanung für Menschen mit chronischer psychischer Erkrankung und wesentlicher seelischer Behinderung im Landkreis 2013: 16 geschlossene Plätze in der sozialen Wiedereingliederung

126 Teilhabeplanung im Landkreis Einwohner im Landkreis, in der Stadt Heidenheim Im Landkreis: 42 Personen im Wohnheim (St. WE-hilfe) 38 Personen im ABW 10 Personen im BW in Familien 55 Personen in der Werkstatt für Psychisch Behinderte 37 Personen im Tageszentrum 50 Personen Soziotherapie

127 Teilhabeplanung im Landkreis gemeindeferne Unterbringung Außerhalb des Landkreis: St. WE-hilfe: 56 Personen (davon 25 in Bayern) Hilfe zur Pflege: 34 Personen Empfehlung für diese Personen ein Angebot im Landkreis zu machen

128 Offene stationäre Behandlung im Landkreis Psychiatrische Abteilung am Allgemeinkrankenhaus: 79 Betten, 14 TK Plätze, Institutsambulanz Keine geschlossenen Stationen Akutaufnahmen, auch die mit gerichtlichen Unterbringungen oder von der Polizei gebracht werden, erfolgen auf allen Stationen Subspezialisierung nur für Abhängigkeitserkrankungen

129 Offene stationäre Behandlung im Landkreis 1300 stationäre Aufnahmen im Jahr, davon etwa 5% mit gerichtlichen Unterbringungen 2011: 50 Patienten, die von Zwangmaßnahmen betroffen waren (2012: 55 Patienten), 50% davon ältere Patienten mit Verhaltensstörungen bei demenziellen Erkrankungen. Vollversorgung für den Landkreis, keine Weiterverlegungen wegen aggressivem Verhalten.

130 Geschlossene Unterbringung im Landkreis 16 Plätze, Beginn Juli 2013, Trägerschaft EVA Heidenheim (Vorbild: Stuttgart-Freiberg) Vorgaben: Im gerade neu gegründeten GPV In der Stadt Trennung von Wohnen und Tagesstruktur Klein Möglichkeit für gemeindefern untergebrachte Personen nach Heidenheim zurückzukehren Aufnahmen aus dem Landkreis oder aus den angrenzenden Landkreisen, aber nicht überregional

131 Geschlossene Unterbringung im Landkreis

132 GPV und Hilfeplanung GPV seit Juli 2012 Hilfeplanung seit Dez 2012 GPV-Koordinator am Landratsamt Mitglieder: Träger von SPDi, ABW, BWF, Soziotherapie, stat WE, WfpB, Wohnungslosenhilfe, Klinik, Psychiatrie-Erfahrene Hilfeplankonferenz monatlich: Hilfspläne für 6-10 Personen werden vorgestellt Noch nicht etabliert: unabhängige Beschwerde-und Informationsstelle

133 Offene Fragen -Perspektiven Wie viele Personen möchten zurückkehren (alle wurden angeschrieben, ebenso die Betreuer und die zuständigen Institutsambulanzen) Zu viele, zu wenige Plätze Offene Tür in der neuen Einrichtung (nach Hospitation in der Klinik) Wie reagiert die Öffentlichkeit Modellprojekt Regionalbudget Psychiatrie

134 Vielen Dank! TURANDOT Oper in 3 Akten von Giacomo Puccini PREMIERE Freitag, 5. Juli 2013, 20 Uhr

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