Prof. Konrad Stolz. Psychiatriegesetzgebung -Anforderungen des Verfassungsgerichts und der Behindertenrechtskonvention-
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- Kurt Wilfried Stein
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1 Prof. Konrad Stolz Psychiatriegesetzgebung -Anforderungen des Verfassungsgerichts und der Behindertenrechtskonvention-
2 Verfassungsrechtliche Prinzipien Recht auf freie Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) Recht auf körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) Recht auf Freiheit (Art.2 Abs. 2 GG) Anspruch auf Fürsorge (Sozialstaatsprinzip Art. 20 GG) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Rechtsstaatsprinzip Art. 1, 20 GG)
3 Recht auf freie Selbstbestimmung: Recht über die eigene Gesundheit zu bestimmen Recht auf Krankheit Recht auf Selbstschädigung
4 zu Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfGE 22, 180/219 f... denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigenbürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen Voraussetzung: Fähigkeit zur freien Willensbestimmung = freier Wille! (wann ist der Wille frei?)
5 Fürsorglicher Zwang durch Freiheitsentziehung Zwangsbehandlung (nur) bei fehlender Fähigkeit zur freien Willensbestimmung
6 Fürsorglicher Zwang durch Freiheitsentziehung: z.b. BVerfG, BvR2270/96 - Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermagoder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohendegewichtige gesundheitliche Schädigungvon dem Kranken abzuwenden.
7 .Dabei drängt es sich auf, dass dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzbei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt.
8 Freier Wille und fürsorglicher Zwang und Verhältnismäßigkeitsgrundsaatz Freier Wille+ Selbstschädigung Kein Zwang Unfreier( natürlicher ) Wille + nichterhebliche Selbstschädigung Kein Zwang da unverhältnismäßig ( Freiheit zur Krankheit Unfreier( natürlicher ) Wille + erhebliche Selbstschädigung Fürsorglicher Zwang zulässig falls zwingend notwendig und verhältnismäßig
9 Artikel 14 UN-Behindertenrechtskonvention Freiheit und Sicherheit der Person (1) Die Vertragsstaaten gewährleisten, a) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit genießen; b) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Freiheit nicht rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird, dass jede Freiheitsentziehung im Einklang mit dem Gesetz erfolgt und dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt.
10 (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen, denen aufgrund eines Verfahrens ihre Freiheit entzogen wird, gleichberechtigten Anspruch auf die in den internationalen Menschenrechtsnormen vorgesehenen Garantien haben und im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen dieses Übereinkommens behandelt werden, einschließlich durch die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen Freiheitsentziehung psychisch kranker Menschen ist nicht grundsätzlich konventionswidrig, wenn die eigeschränkte Fähigkeit zur Selbstbestimmung und nicht die Behinderung Grund für eine Maßnahme ist und rechtsstaatliche Garantien beachtet werden.(str.)
11 Fürsorglicher Zwang durch Zwangsbehandlung während öffentlich-rechtlicher Unterbringung zivilrechtlicher Unterbringung (durch Betreuer)
12 Öffentlich-rechtliche Unterbringung: 8 UBG BW Heilbehandlung (1). (2) Der Untergebrachte ist über die beabsichtigte Unterbringung oder Behandlung angemessen aufzuklären. Er hat diejenigen Untersuchungs-und Behandlungsmaßnahmen zu dulden, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich sind, um die Krankheit zu untersuchen und zu behandeln, soweit die Untersuchung oder Behandlung nicht unter Absatz 3 fällt.
13 8 II UBG verfassungswidrig (B. v BvR 633/11): 1. Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst ist keine hinreichend deutliche gesetzliche Begrenzung der Möglichkeit der Zwangsbehandlung auf Fälle der fehlenden Einsichtsfähigkeit 2. Krankheitsbedingte Selbstbestimmungsunfähigkeit ist nicht als Voraussetzung für Zwangsbehandlung bestimmt 3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht konkretisiert 4. Verfahrensrechtlich fehlt Bemühen um Freiwilligkeit Ankündigung des Zwangs Überwachung durch Arzt Dokumentation Überprüfung durch unabhängige Dritte
14 Bundesverfassungsgericht zur Zwangsbehandlung BVerfG B.v BvR 882/09: Ist ein Untergebrachter krankheitsbedingt nicht zur Einsicht in die Krankheit fähig, oder kann er krankheitsbedingt die nur mit einer Behandlung gegebene Chance der Heilung nicht erkennen., so ist der Staat nicht durch einen prinzipiellen Vorrang der krankheitsbedingten Willensäußerung verpflichtet, ihn dem Schicksal dauerhafter Freiheitsentziehung zu überlassen. Ein Eingriff, der darauf zielt, die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung des Untergebrachten wiederherzustellen, kann unter diesen Umständen zulässig sein
15 Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit hindert den Betroffenen, seine grundrechtlichen Belange insoweit wahrzunehmen, als es um die Wiedererlangung der Freiheit geht. Weil der Betroffene insoweit hilfsbedürftig ist, darf der Staat -nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit -in diejenigen Grundrechte eingreifen, die der Betroffene allein krankheitsbedingt übergewichtet.
16 Der Gesetzgeber ist daher berechtigt (nicht verpflichtet!), unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgersausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist
17 Definition Zwangsbehandlung B.v BvR 633/11: Eine Zwangsbehandlung, die gegen den Willen des Betroffenen erfolgt, liegt unabhängig davon vor, ob eine gewaltsame Durchsetzung der Maßnahme erforderlich wird oder der Betroffene sich, etwa weil er die Aussichtslosigkeit eines körperlichen Widerstandes erkennt, ungeachtet fortbestehender Ablehnung in die Maßnahme fügt und damit die Anwendung körperlicher Gewalt entbehrlich macht.
18 Überprüfung der Maßnahme (Zwangsbehandlung) durch Dritte in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung (B. v. vom 23. März BvR 882/09) -Richtervorbehalt - Betreuerbestellung - Ombudsperson (auch zur Sicherstellung vorbeugenden Rechtsschutzes) -eventuell mit Einschaltung externen Sachverstandes Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung darf sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfen
19 Zwangsbehandlung und UN-Behindertenkonvention? BVerfG B.v. 23. März BvR 882/09: Die Regelungen der Konvention,.-insbesondere Art. 12 Abs. 2 BRK,.und Art. 12 Abs. 4 Satz 2 BRK., -verbieten jedoch nicht grundsätzlich gegen den natürlichen Willen gerichtete Maßnahmen, die an eine krankheitsbedingt eingeschränkte Selbstbestimmungsfähigkeit anknüpfen.
20 12 UN-Behindertenrechtskonvention. (2) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts-und Handlungsfähigkeit genießen.. (4) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass zu allen die Ausübung der Rechts-und Handlungsfähigkeit betreffenden Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen geeignete und wirksame Sicherungen vorgesehen werden, um Missbräuche zu verhindern. Diese Sicherungen müssen gewährleisten, dass bei den Maßnahmen betreffend die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfungdurch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelleunterliegen. Die Sicherungen müssen im Hinblick auf das Ausmaß, in dem diese Maßnahmen die Rechte und Interessen der Person berühren, verhältnismäßig sein.
21 Zwangsbehandlung bei Fremdgefährdung? B.v BvR 882/09: Als rechtfertigenderbelang (für eine Zwangsbehandlung) kommt insoweit allerdings nicht der gebotene Schutz Dritter vor den Straftaten in Betracht, die der Untergebrachte im Fall seiner Entlassung begehen könnte. Dieser Schutz kann auch dadurch gewährleistet werden, dass der Untergebrachte unbehandelt im Maßregelvollzug verbleibt. Er rechtfertigt daher keinen Behandlungszwang gegenüber einem Untergebrachten, denn dessen Weigerung, sich behandeln zu lassen, ist nicht der Sicherheit der Allgemeinheit vor schweren Straftaten, sondern seiner Entlassungsperspektive abträglich. Auch auf öffentlich-rechtlicher Unterbringung anwendbar??
22 Zwangsbehandlung währen zivilrechtlicher Unterbringung Entwurf zu 1906 BGB. (3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn 1. sie zum Wohle des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, 2. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und wenn der Nutzender ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann ist nicht anwendbar. (3a) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen.
23 Zusammenfassung Anforderungen des Verfassungsgericht und der UN-Konvention Freiheitsentziehungnur bei drohender erheblicher Selbstgefährdung und Einwilligungsunfähigkeit des Patienten Zwangsbehandlung(wenn überhaupt) nur ausnahmsweise bei einwilligungsunfähigen Patienten zur Wiederherstellung der freien Willensbestimmung Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Verfahrensrechtliche Regelungen, insbesondere Überprüfung durch unabhängige Dritte
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