Kindesmisshandlung. Aktive Vernachlässigung Verweigerung von Nahrung, Pflege etc.

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2 Systematik Aktive Vernachlässigung Verweigerung von Nahrung, Pflege etc. Passive Vernachlässigung seelische Grausamkeit Sexueller Missbrauch Körperliche Gewalt Shaken-Baby-Syndrome (Schütteltrauma) Battered-child-Syndrome/ non-accidential injury Kinderarbeit, -prostitution etc.

3 Systematik Aktive Vernachlässigung Verweigerung von Nahrung, Pflege etc. Passive Vernachlässigung seelische Grausamkeit Sexueller Missbrauch Körperliche Gewalt Shaken-Baby-Syndrome (Schütteltrauma) Battered-child-Syndrome (non-accidential injury) Kinderarbeit, -prostitution etc.

4 Statistik Lt. Polizeilicher Kriminalstatistik Bund jährlich zwischen 150 und 186 zu Tode misshandelte Kinder in Deutschland ca Kinder werden jedes Jahr Opfer von Misshandlung in Deutschland Lt. Deutscher Kinderchirurgischer Gesellschaft werden in Deutschland jedes Jahr 700 Säuglinge von ihren Eltern oder Lebenspartnern getötet und jeder zweite Knochenbruch im ersten Lebensjahr eine Folge von Misshandlung

5 Statistik Unter 14jährige davon unter 6jährige Unter 14jährige davon unter 6jährige Unter 14jährige davon unter 6jährige Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer v i.r.d. Bundespressekonferenz

6 Statistik Opfer gesamt Misshandlung (Versuch) Misshandlung (vollendet) Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer v i.r.d. Bundespressekonferenz

7 Statistik vollendete Morddelikte vollendete Totschlagsdelikte vollendete fahrlässige Tötungsdelikte Körperverletzungen mit Todesfolge Tötungsopfer gesamt Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer v i.r.d. Bundespressekonferenz

8 Statistik Tötungsopfer gesamt vollendete fahrlässige Tötungsdelikte vollendete Morddelikte vollendete Totschlagsdelikte Körperverletzungen mit Todesfolge Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer v i.r.d. Bundespressekonferenz

9 Aktive Vernachlässigung Der Fall Jessica Schmidt

10 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Jessica Schmidt Mädchen, 7 Jahre Körperlänge cm Körpergewicht kg Jessica Schmidt Körperlänge 105 cm Körpergewicht 9,6 kg g = 8,7 kg

11 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Jessica Schmidt Zusammenfassung I Vernachlässigung: von ableitenden Harnwegen ausgehende Entzündung der rechten Niere (Obduktion, Histologie, Auffindesituation) Bis kurz vor ihrem Tode bei vollem Bewusstsein (Nahrungsaufnahme) - kein deliranter oder komatöser Zustand. Starke Schmerzen durch Kotsteine und Nierenentzündung. Exsikkose (Austrocknung) durch mangelnde Flüssigkeitszufuhr (Obduktionsbefund, Harnstoffwert)

12 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Jessica Schmidt Zusammenfassung II Monate- bis jahrelanger Vitamin D-, Kalzium- und UV-Licht-Mangel (Aufenthalt in abgedunkelter/ völlig verdunkelter Umgebung) - reduzierter Kalksalzgehalt in Röntgen / Knochenpathologie. Keine aufrechte (gehende oder laufende) Fortbewegung auf zwei Beinen möglich. Massive chronische Unter- bzw. Mangelernährung (Obduktion, Graduierung der Protein-Energie-Malnutrition, Röntgen: Standard eines 3-jährigen Mädchens)

13 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Jessica Schmidt Urteil des LG Hamburg: Lebenslange Haft für die Eltern wegen Mordes und Misshandlung Schutzbefohlener

14 Aktive Vernachlässigung Der Fall Nadine Küstritz

15 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Nadine Küstritz

16 Aktive Vernachlässigung: Der Fall Nadine Küstritz Urteil des LG Hamburg: 3 Jahre Haft für beide Eltern wegen fahrlässiger Tötung und wegen Vernachlässigung der 6 Kinder (Mutter verminderte Schuldfähigkeit wegen Persönlichkeitsstörung)

17 Schütteltrauma

18 Schütteltrauma manuelles Schütteln des Kindes an Brustkorb, Extremitäten oder Schultern (Akzelerations-/ Dezelerationstrauma Schütteln mit stumpfem Anstoßtrauma ( shaken impact )

19 Schütteltrauma (Trias) Subduralblutungen (SDB)/ Subarachnoidalblutungen Hirnschaden/ Hirnödem Einblutungen in die Netzhäute, Glaskörper, Optikusnervenscheiden Shaken impact: Trias + Schädelbruch und Kopfschwartenblutung

20 Schütteltrauma : Prognose 20,0% Tod 5,0% apallisches Syndrom 34,2% schwere Behinderungen 25,2% moderate Behinderungen 38,2% motorische Defizite 35,4% Quadriparesen 18,7% Hemiparesen 20,0% Hirnnervendefizite 30,2% epileptische Anfälle 50,7% Mikrozephalus 16,0% Makrozephalus 14,8% Blindheit 45,3% Sehschwächen 38,4% Intellektuelle/kognitive Defizite 10,9% Restitutio ad integrum

21 Schütteltrauma Durch Scherkräfte reißen Brückenvenen ein Subduralblutung

22 Schütteltrauma Im Säuglings-/Kleinkindesalter relativ schwerer Kopf in Bezug zum Körper (im Verhältnis zum Erwachsenen) Nackenmuskulatur noch schwach ausgebildet Dura mater noch fest mit der Tabula interna der Schädelkalotte verwachsen (keine Verschieb- lichkeit gewährleistet)

23 Schütteltrauma: Kasuistik

24 Schütteltrauma: Kasuistik Geschildertes Geschehen: 6 Wochen alter Junge wird plötzlich auf dem Arm des Vaters bewusstlos Vater ruft Notärztin Eltern erwarten Notärztin bereits auf der Straße und übergeben ihr ein totes Kind Notärztin bemerkt Verletzungen am Kind, bringt Kind in Klinik und informiert die Polizei Polizei ruft Rechtsmedizin Sofortobduktion wird empfohlen

25 Schütteltrauma: Kasuistik Zusammenfassung Obduktionsbefunde I: Ausgedehnte Hirnschwellung Abriss nahezu aller oberen Brückenvenen über der rechten Hirnhälfte sowie Abriss einzelner Brückenvenen über der linken Hirnhälfte frische Subduralblutungen sowie Subarachnoidalblutungen ausgedehnte flammenförmige Sehnervenscheideneinblutungen und retinale Blutungen beidseits

26 Schütteltrauma: Kasuistik Zusammenfassung Obduktionsbefunde II: Braunverfärbungen der harten Hirnhaut als Hinweis auf eine ältere Subduralblutung Hautunterblutungen unterschiedlichen Alters als Zeichen für eine mehrfache stumpfe äußere Gewalteinwirkung Aufgetriebene Knorpelknochengrenzen der Rippen unklarer Genese Todesursache: Schütteltrauma

27 Schütteltrauma: Kasuistik Geständnisse der Eltern während der Verhandlung: Wiederholtes Schütteln des Kindes durch den Vater über Wochen. Nach letztem Schütteln sofort Augenverdrehen und Schnappatmung, Eintritt des Todes nach wenigen Minuten. Urteil der Kammer: Vater wegen KV mit Todesfolge 6 Jahre Haft, Mutter wegen Beihilfe durch Unterlassen 3 Jahre Haft

28 Non-accidential Injury

29 Non-accidential injury: Häufigste Verletzungsart ist die Einwirkung stumpfer Gewalt (Schlagen, Treten, Zerren, Verdrehen von Extremitäten, Quetschen, Kneifen, Beißen etc.) Einteilung in ein äußeres Verletzungsmuster (Haut) und ein inneres Verletzungsmuster (Frakturen) Diagnostische Kriterien der Hautverletzungen: Lokalisation, Formung, Gruppierung, Mehrzeitigkeit

30 Non-accidential injury: Lokalisation Sturztypisch Nicht mit einfachem Sturzgeschehen zu vereinbaren

31 Non-accidential injury : Kasuistik Geschildertes Unfallgeschehen: 3-jähriger Junge klettert unbeobachtet in die Wanne, in die gerade heißes Wasser einläuft Freundin des Vaters hört einen Schrei und geht nach 5 Minuten nachschauen Junge liegt bewusstlos im Wasser sie holt den Jungen raus und legt ihn aufs Bett Freunde, die gerade zu Besuch kommen, rufen den Notarzt der Junge wird in ein Brandverletzten- zentrum gebracht

32 Non-accidential injury : Kasuistik Ärzte im Brandverletztenzentrum informieren die Polizei über das atypische Verbrühungs- muster Polizei beauftragt Rechtsmedizin Befunde bei rechtsmedizinischer Begut- achtung: Verbrühungen des Gesäßes, der Oberschenkelhinter-, -außen- und -innenseiten, des Genitals, beider Unter- schenkel und beider Füße, schläfriger Bewusstseinszustand, verwaschene Sprache

33 Non-accidential injury : Kasuistik Nach Rücksprache mit Rechtsmedizin werden CT- und Röntgenuntersuchungen und Augen- hintergrunduntersuchungen durchgeführt Befunde: Bruch der Hinterhauptsschuppe, Kleinhirntonsillenkontusion (ca. 1 Woche alt), posteriorer Territorialinfarkt durch Hirnödem, Einblutungen in den Netzhäuten beider Augen

34 Non-accidential injury : Kasuistik Beurteilung: Aufgrund des Verbrühungs- musters (symmetrisch angeordnete, tief reichende V. mit scharfer Begrenzung am Rücken Höhe des Wasserspiegels) Hinein- setzen des Jungen ins heiße Wasser sowie stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Kopf des Jungen (Fraktur des Schädels) Tage zuvor

35 Non-accidential injury : Kasuistik Geständnis der Freundin des Vaters nach Konfrontation durch die Polizei: Nach Streit mit dem Kind heißes Wasser (knapp 60 C) in Wanne eingelassen und Kind da reingesetzt. Wenige Tage zuvor Kind zu Boden gebracht, den Kopf des Kindes zwischen beide Hände genommen und 5x mit großer Kraft auf den Boden geschlagen. Kind habe sich in der folgenden Nacht wiederholt übergeben und sei in den nächsten Tage ruhiger gewesen

36 Non-accidential injury : Kasuistik Urteil des Landgerichts: Wegen schwerer Körperverletzung mit lebenslanger Entstellung des Opfers 4,5 Jahre Jugendstrafe. Jugend- strafe fand Anwendung, da der psychiatrische Gutachter eine Verzögerung im Reifungs- prozess diagnostiziert hatte

37 Lösungsansätze

38 Lösungsansätze I Kindesmisshandlung Fachaufsicht über Jugendämter Reduktion der Fallzahlen pro Mitarbeiter Evaluation der derzeitigen Maßnahmen Finanzielle Abhängigkeiten der Jugendhilfe revidieren Qualitätsstandards, Qualitätsmanagement, Qualitätskontrollen bundesweit einheitliche Standards

39 Lösungsansätze II Kindesmisshandlung Rechtsmedizinische Schulungen aller beteiligten Verantwortlichen ( Misshandlung als solche erkennen ) Kinderschutzambulanzen einführen Ärztliche Reaktionspflicht einführen Professionelle Leichenschaupflicht bei minderjährigen Verstorbenen Vom reaktiven zum präventiven Kinderschutz ( Babylotse, Familienhebammen, frühe Hilfen, Schreikindambulanzen/-hotlines, bundesweite Kinderschutzhotline)

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