Psychische Krisensituationen in der Praxis
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- Sara Esser
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1 Psychische Krisensituationen in der Praxis Symposium Vereinigung Zürcher Z Internisten 2. März M 2006 Dr. med. Urs Hepp, Leitender Arzt Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG) Externer Psychiatrischer Dienst Baden Urs.Hepp@pdag.ch Dr. med. Daniel Sroka FMH Allgemeinmedizin Uetikon am See
2 Wer definiert den Notfall? Wir als behandelnde ÄrztInnen Viel häufiger: Patienten (indem sie eine NF-Institution in Anspruch nehmen) Angehörige Polizei Behörden Andere Kliniken/ Ärzte
3 Notfall oder Krise? Notfall hohe Dringlichkeit Gefahr in Verzug akuter Handlungsbedarf (Minuten/Stunden) Arzt in der aktiven Rolle Patient in der passiven Rolle Individuumzentriert definierte Notfalldienste Krise weniger hohe Dringlichkeit rascher Handlungbedarf (24-48h) geteilte Verantwortung Individuum- und systemorientiert verschiedene Anlaufstellen
4 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Einer der häufigsten Gründe für Beizug des Notfallpsychiaters ist drohende Selbst-/ Fremdgefährdung Einbezug des Notfallpsychiaters meist auf Intervention Dritter (Angehörige, Polizei, andere Notfallärzte) Häufiger Grund für Einweisung gegen den Willen der Betroffenen Oft mit grossem Druck verbunden
5 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Selbstgefährdung/ Suizidalität Einweisung scheint oft einzige Möglichkeit zum Schutz der Patienten Cave: Einweisungen schützen nur bedingt vor Suizid Suizide in Klinik relativ häufig Suizidgefahr am höchsten, kurz nach Entlassung aus Klinik Eine Zwangseinweisung kann therapeutische Beziehung schwer belasten und die Betroffenen daran hindern, in einer erneuten Krise Hilfe zu suchen
6 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Selbstgefährdung/ Suizidalität Nach Möglichkeit zusammen mit Patienten nach Lösungen suchen Nicht jeder suizidale Patient muss hospitalisiert werden Stationäre Kriseninterventionen Ambulante engmaschige Kriseninterventionen Einbezug von HA, Angehörigen, Sozialdiensten etc. Wenn Einweisung notwendig, dann offen deklarieren (Rechtsmittelbelehrung bei FFE)
7 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Fremdgefährdung Oft Auftrag von Behörden/ Polizei Cave: Oft wird versucht gewalttätige Menschen zu psychiatrisieren Falls psychische Störung Ursache der Fremdgefährdung (z.b. psychotische Störung), ist der NF-Arzt zuständig Falls keine psychische Störung Ursache der Fremdgefährdung, ist die Polizei zuständig ( nicht jeder gefährliche Mensch ist psychisch krank ) Oft ist die Situation jedoch nicht a priori klar einzuordnen (z.b. bei Persönlichkeitsstörungen)
8 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Fremdgefährdung Das wichtigste ist die eigene Sicherheit Keine heroischen Taten Wenn man selber ausser Gefecht ist, nützt man niemandem mehr Danach Sicherheit Dritter Erst als Drittes Sicherheit der Patienten
9 Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung Fremdgefährdung Frühzeitig Hilfe anfordern Polizei Oft (nicht immer!) bewirken Überzahl und/oder Uniformen bereits eine Entspannung der Situation Klare Verteilung der Kompetenzen Z.B. wenn Polizei gerufen wird, ist diese für die Sicherheit zuständig und entscheidet über die Wahl der Mittel, die dafür zum Einsatz kommen
10 Einschätzung der Suizidalität 1. Wunsch nach Veränderung: Haben Sie in letzter Zeit daran gedacht, dass Sie so nicht mehr leben wollen? 2. Todeswünsche: Haben Sie daran gedacht, dass Sie sterben wollen? 3. Suizidideen: Ist Ihnen der Gedanke gekommen, sich etwas anzutun? 4. Suizidpläne: Haben Sie konkrete Pläne, sich etwas anzutun?
11 Einschätzung der Suizidalität 5. Suizidmethode: Wüssten Sie, wie Sie sich etwas antun würden? 6. Parasuizidale Handlungen: Haben Sie schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen? 7. Familienanamnese: Sind in Ihrer Familie Suizide oder Suizidversuche vorgekommen?
12 Interventionen Diagnostik So weit wie in der NF-Situation möglich Organische Störungen ausschliessen, besonders bei Erstmanifestation Atypischen Manifestationen
13 Interventionen Medikamentöse Interventionen (1) Möglichst nicht schaden Cave Medikation bei Intoxikationen (Atemdepression, kardiale NW) Schädelhirntrauma (neurologische Beurteilung erschwert) Benzodiazepine Vorteil : kaum Kontraindikationen; antagonisierbar (Flumazenil/ Anexate ) Nachteil: Atemdepression, v.a. in Kombination mit Alkohol Neuroleptika Vorteil : kaum Atemdepression Nachteil: kardiale NW bei anticholinergen Substanzen; EPS; keine Antagonisten
14 Interventionen Medikamentöse Interventionen (2) Beachte T max und T ½ Bei p.o. und i.m. Applikation vergeht viel Zeit bis zum Wirkungseintritt Andere Massnahmen müssen die Zeit bis zum Wirkungseintritt überbrücken Medikation ist immer vom Setting abhängig NF-Station mit Intubationsmöglichkeit/ Intensivmedizin Psychiatrische Klinik mit viel personellen Ressourcen, aber beschränkter somatischer Überwachung Arztpraxis mit wenig personellen Ressourcen/ Überwachungsmöglichkeiten
15 Medikamentöse Interventionen (3) Per oral: z.b. Lorazepam (z.b. Temesta ) p.o./ sublingual (expidet Form wirkt gleich schnell) 1-2.5mg (bis 2.5mg/3h; max. 10mg/24h) T max 2-3h; T 1/ h Parenteral: Interventionen z.b. Midazolam (Domicum ) i.m. 5-10mg (Cave: Antikoagulierte Patienten) T max 30 Min.; T 1/ h
16 Interventionen Medikamentöse Interventionen (4) Ältere Patienten mit Verwirrung/ Agitation Peroral: Haloperidol (z.b. Haldol ) 0.5-2mg p.o. (2mg/ml: 5-20 Trpf) bis 10mg/24h T max 3-6h; T 1/ h Parenteral: 2-5mg i.m. mögliche NW: Extrapyramidales Syndrom (> Biperiden/ Akineton 2mg p.o./i.m.)
17 Therapeutische Interventionen Auftragsklärung Druck abbauen (Woher kommt Druck? bin ich bereit diesen Druck anzunehmen?) Oft präsentieren die Patienten sehr viele Probleme, es müssen aber nicht alle sofort gelöst werden. Wenn ein Problem gelöst wird, tritt oft bereits eine grosse Entspannung ein. Auch in der NF-Situation sind erste therapeutische Interventionen möglich Z.B. Panikstörungen Interventionen
18 Therapeutische Interventionen Arten der Intervention Stationär Freiwillig (Klinik/ Kriseninterventionszentrum) FFE Ambulant Interventionen Institution TherapeutInnen in Praxis Krisenintervention durch Hausarzt/ überbrückende Termine bis amulantes Setting geklärt
19 Interventionen Therapeutische Interventionen Arten der Intervention Zusammenarbeit mit anderen Institutionen Z.B. Frauenhäusern Sozialdiensten etc. Abmachungen für den Fall erneuter Krisen Telefon Kontakte NF-Station/ KIZ/ NF-Psychiater/ HA
20 Rechtliche Rahmenbedingungen In der NF-Psychiatrie ist es besonders wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen
21 Rechtliche Rahmenbedingungen In der Notfallpsychiatrie arbeitet man häufig an Schnittstellen: Medizin-Recht Medizin-Gesellschaft Körper-Psyche Als Notfallarzt hat man (z.t. von Gesetzes wegen) sehr viel Macht
22 Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE) Voraussetzungen (Art. 397a ZGB): Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann. Dabei ist auch die Belastung zu berücksichtigen, welche die Person für ihre Umgebung bedeutet. Die betroffene Person muss entlassen werden, sobald ihr Zustand es erlaubt.
23 Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE) Zuständigkeit (Art. 397b ZGB): Zuständig für den Entscheid ist eine vormundschaftliche Behörde am Wohnsitz oder, wenn Gefahr im Verzuge liegt, eine vormundschaftliche Behörde am Aufenthaltsort der betroffenen Person. Für die Fälle, in denen Gefahr im Verzuge liegt oder die Person psychisch krank ist, können die Kantone diese Zuständigkeit ausserdem anderen geeigneten Stellen einräumen.
24 Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE) Kanton Zürich ( 117d, Einführungsgesetz zum ZGB): Zur ärztlichen Einweisung sind die in der Schweiz praxisberechtigten Ärzte mit eidgenössischem oder gleichberechtigtem Diplom zuständig. Der einweisende Arzt darf nicht Arzt des aufnehmenden Krankenhauses sein. Er muss die betroffene Person persönlich untersuchen, anhören und ihr den Entscheid mit der Rechtsmittelbelehrung schriftlich eröffnen und kurz begründen.
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