Kommentar des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands e.v. (VUD)
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1 Kommentar des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands e.v. (VUD) zur Frühgeborenenversorgung in Deutschland Medizinische und betriebswirtschaftliche Aspekte und ihre Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen
2 Herausgegeben vom Vertreten durch Dr. Andreas Tecklenburg und Rüdiger Strehl Alt-Moabit Berlin Tel: 030/ Text: Iris Amann, Ralf Heyder, Kordula Merk, Rüdiger Strehl Redaktion: Kordula Merk Berlin, Oktober Auflage, Version 1
3 Inhalt 0. Zusammenfassung Thema Der Diskussionsstand in den Gremien der Gesundheitspolitik Frühgeborene Indikation, Risikofaktoren für Frühgeburten Mit welchen Gefahren ist eine vorzeitige Geburt verbunden? Unmittelbare Gefahren und Langzeitkomplikationen Welche Risiken und Komplikationen lassen sich durch eine rechtzeitige Diagnose ganz oder in Teilen vermeiden? Erfolgsfaktoren der Versorgung Wie ist die neonatologische Versorgung in Deutschland organisiert? Struktur-qualitative Vorgaben Prozesse Ergebnisqualität Basisorganisation der Neonatologie im Krankenhaus Zusammenhang Konzentration und Wirtschaftlichkeit Exkurs: Gesundheitsökonomische Aspekte Anforderungen und Bedürfnisse von Forschung und Lehre sowie der ärztlichen Weiterbildung Empfehlungen zur Versorgungsstruktur Literatur Danksagung Anhang... 30
4 4 0. Zusammenfassung Die Versorgung von Frauen mit dem Risiko einer frühen Frühgeburt einschließlich ihrer Kinder sollte in spezialisierten Zentren stattfinden. Zentren bieten die organisatorischen Voraussetzungen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit und gewährleisten die notwendige Auslastung der Einrichtung, die es wiederum ermöglicht, Spezialisten zu engagieren und die hochspezialisierte Ausstattung effizient zu nutzen. Medizinische, organisatorische und ökonomische Gründe sprechen in ihrer Gesamtbetrachtung für die Konzentration dieser hochspezialisierten Versorgung. 1. Thema Die Versorgung Frühgeborener stellt einen der beeindrucktesten Fortschritte der modernen Hochleistungsmedizin dar. Wie in vielen Segmenten der Spitzenmedizin gehen mit außerordentlichen Erfolgen im Vergleich zu den Möglichkeiten in der Vergangenheit auch nicht unbeträchtliche Risiken einher. Überzeugende Ergebnisse und minimierte Nebenwirkungen Langzeitkomplikationen sind das Ziel. In der medizinischen Fachwelt und dem steuernden gesundheitspolitischen Umfeld lief in den letzten Jahren und dauert noch eine erbitterte Debatte an, in der versucht wird, den Erfolg neonatologischer Medizin ausschließlich oder überwiegend auf einen Faktor zu reduzieren. Die umstrittene These sieht einen evidenten Zusammenhang von Behandlungserfolg bzw. minimierten Komplikationen und der Zahl der Behandlungsfälle. Entsprechend werden unter Berufung auf die Ergebnisqualität Mindestmengen gefordert oder verworfen. Die folgenden Betrachtungen relativieren diesen Ansatz und vertreten die These, dass die Ergebnisqualität der neonatologischen Versorgung maßgeblich von Parametern der Strukturqualität und einer effizienten Organisation abhängen. Dies schließt Mindestgrößen und Fallzahlen ein, ohne dass ausschließlich die Mengen der Prädiktor für überzeugende Ergebnisse sind. Deshalb wird versucht, einen Überblick über verschiedene Aspekte der Frühgeborenenversorgung zu geben, um diesen komplexen Zusammenhang zu verdeutlichen. Dabei sollen neben den Erkenntnissen aus der Klinik auch weitergehende Aspekte, wie betriebswirtschaftliche Berechnungen für neonatologische Einheiten in Krankenhäusern und die gesundheitsökonomische Perspektive von Folgekosten schwerwiegender Komplikationen angesprochen werden. Wir beschränken uns also nicht auf die Sicht eines Patienten bzw. Falls, sondern versuchen auch eine Gesamtdarstellung des Versorgungssystems aus Sicht der Gesellschaft, also eine Systemsicht mit einzubeziehen. Der Text stellt keinen Beitrag zur internen fach-
5 5 wissenschaftlichen Diskussion dar, sondern liefert in der Zusammenschau unterschiedlicher Teilaspekte Thesen zur Versorgungsorganisation. 2. Der Diskussionsstand in den Gremien der Gesundheitspolitik Als System bezeichnen wir die Akteure im Gesundheitssystem. Dazu zählen neben den als Leistungserbringern bezeichneten Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitsdienstleistern diejenigen, die diese Leistungen finanzieren. Das Gesundheitswesen wird insbesondere von den Krankenkassen finanziert, die ihre Mittel von Angestellten, Beamten und Arbeitgebern, Selbständigen und der öffentlichen Hand erhalten. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen übernimmt es, wichtige Regelungen auszuhandeln, etwa Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen festzulegen oder Qualitätsvorgaben für Anbieter von Gesundheitsleistungen zu definieren. Die Politik hat im Gesundheitswesen also nur in Teilen die Regelungskompetenz, über viele Themen müssen sich die Interessengruppen im sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss, kurz G-BA, verständigen. Die Bundesländer sind allerdings für die Investitionen in Krankenhäuser verantwortlich; an ihnen liegt es außerdem, die Versorgungsstrukturen sicherzustellen. Für die Frühgeborenenversorgung wird seit langem über Mindestmengen in der Versorgung diskutiert, die zu einer Konzentration von vor allem frühen Frühgeburten in spezialisierten Kliniken führen würde. Die Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin hat bereits 2005 Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland verfasst, die Mindestgeburtenzahlen mit einschließen. Der G-BA hat mit dem Jahr 2010 erstmals eine Mindestmengenregelung für die Betreuung von Kindern mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500g eingeführt. Bisher wurde kein Konsens erreicht, der die betriebswirtschaftlichen Kosten (Vorhaltekosten für spezialisiertes Personal und die medizintechnische Ausstattung) in ein adäquates Verhältnis zu bestimmten Versorgungsmengen setzt, wie wir weiter unten zeigen werden (s. S. 21 f). Eine Konzentration von Behandlungen geht mit der Ansammlung von Erfahrung einher. Wenn in Zentren bestimmte Eingriffe häufiger gemacht werden oder Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern öfter vorstellig werden, dann erwirbt das Team vor Ort in der Regel ein immer besseres Wissen über Behandlungen und typische, aber auch seltenere und atypische Verläufe. So ist also eine vorge-
6 6 schriebene Anzahl von bestimmten Behandlungen kein Selbstzweck, sondern Indikator, der für Erfahrung und Wissen stehen soll. 1 Dieser Text soll daher einen Überblick über die medizinische Behandlung geben und eine Einordnung in Bezug auf gesellschaftliche (Folge-) Kosten (Vorhaltekosten, Kosten aufgrund von bleibenden Schäden/Behinderungen etc.) und betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten geben. Dabei muss die perinatale - also um die Geburt herum liegende - Betreuung der Schwangeren mit beachtet werden, da das oberste Ziel zumeist darin liegt, Frühgeburten zu verhindern und das unreife Kind möglichst lange in der Gebärmutter zu halten. In der Regel sollte eine Schwangere mit vorzeitigen Wehen so behandelt werden, dass eine Frühgeburt hinausgezögert oder verhindert wird. Andererseits gibt es auch Fälle, etwa bei einer Unterversorgung des Kindes im Mutterleib, in denen eine frühe Geburt nötig wird. 3. Frühgeborene Was sind Frühgeborene? Als frühgeboren bezeichnet man Neugeborene, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) (von insgesamt 40 Schwangerschaftswochen) zur Welt kommen. Im Gegensatz zu vollständig ausgetragenen Kindern sind Frühgeborene unreif in Ihrer körperlichen (und geistigen) Entwicklung und benötigen daher eine besondere und meist kontinuierliche Betreuung nach der Geburt. Sie wiegen in der Regel weniger als 2.500g. Neben der Unreife können frühgeborene Kinder zusätzlich Erkrankungen oder Schäden aufweisen, die teilweise erst die Frühgeburt verursachen. Es bestehen große Unterschiede zwischen den Frühgeborenen unterschiedlicher Reifegrade. Damit einher gehen große Unterschiede in Bezug auf Komplikationen durch die erlittene Frühgeburt und die Überlebenswahrscheinlichkeit. Frühgeborene werden neben dem (postmenstruellen) Schwangerschaftsalter (in Schwangerschaftswochen) auch nach dem Geburtsgewicht unterschieden. Dabei werden sie in drei Gruppen aufgeteilt: Neugeborene mit extrem niedrigem Geburtsgewicht (unter 1.000g) 1 Das Problem, durch Vorgaben zur Behandlung von unreifen Kindern gerade diese Geburten zu provozieren, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Von einer solchen Vorgabe kann unter Umständen ein Anreiz ausgehen, eine Schwangerschaft früher als nötig zu beenden. Dieses Verhalten wäre allerdings nicht mit der ärztlichen Ethik vereinbar.
7 7 Neugeborene mit sehr niedrigem Geburtsgewicht (1.000 bis 1.500g) und Neugeborene mit geringem Geburtsgewicht (über 1.500g bis 2.500g). Verschiedene Faktoren (z. B. Rauchen in der Schwangerschaft) können dazu führen, dass in der gleichen Schwangerschaftswoche geborene Kinder unterschiedlich entwickelt sind und unterschiedlich viel wiegen. In der Literatur wird nach diesen Gruppen (oder leicht abweichenden Klassifizierungen) unterschieden. Je unreifer und leichter das Frühgeborene ist, desto geringer ist seine Überlebenswahrscheinlichkeit und desto wichtiger ist eine spezialisierte Versorgung. Pro Jahr kommen in Deutschland ca Kinder vor Abschluss der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt, dies entspricht 9% aller Neugeborenen. 7% aller Neugeborenen kommen mit einem Geburtsgewicht von unter 2.500g zur Welt. Weniger als ein Zehntel dieser Kinder (und damit 0,5% aller Kinder in Deutschland) wird vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren und trägt damit ein besonderes Risiko, Komplikationen zu erleiden hatten Kinder bzw. 0,7% der Neugeborenen ein Geburtsgewicht von unter 1.000g, 0,7% der Kinder wiesen ein Geburtsgewicht von 1.000g bis unter 1.500g auf und bei 5,6% der Neugeborenen lag das Geburtsgewicht zwischen 1.500g bis unter 2.500g (BQS 2009; Datenzusammenstellung leicht abweichend von der Definition oben). Für Kinder mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500g weist die Vollerhebung der Krankenhausgeburten für 2008 für lediglich 21,6% der Geburten bzw Kinder eine Spontangeburt aus (BQS 2009). Damit werden Geburten ohne medikamentöse oder operative Eingriffe bezeichnet. Die allgemeine Säuglingssterblichkeit, also das Versterben innerhalb des ersten Lebensjahres eines Kindes, liegt in Deutschland bei unter 0,5% verstarben 3,7% der Kinder mit einem Schwangerschaftsalter von unter 37 Wochen perinatal, also innerhalb höchstens einer Woche nach der Geburt. Von den Kindern, die weniger als 28 Wochen ausgetragen worden waren, verstarben 31,6% bereits in diesem Zeitraum. Bezogen auf das Geburtsgewicht verstarben ,78% der Kinder mit einem Geburtsgewicht von unter 2.500g bis zu einer Woche nach der Geburt. Von den Kindern unter 1.000g Geburtsgewicht verstarben 29% der Kinder bis zum 8. Tag nach der Geburt. 2 Daten des Statistischen Bundesamtes belegen, dass genauso wie in anderen westlichen Industrienationen ca. die Hälfte der 2 BQS Darin sind auch Totgeburten enthalten und die Daten müssen nicht vollständig sein.
8 8 Säuglingssterblichkeit durch die Sterblichkeit von sehr unreifen Frühgeborenen (unter 1.500g Geburtsgewicht) bedingt ist. Eine Gesundheitspolitik, die die Senkung der Säuglingssterblichkeit zum Ziel hat, muss daher in allererster Linie die Versorgung der sehr unreifen Frühgeborenen verbessern. Die Zahl der Frühgeburten steigt seit einigen Jahren an 3 ; allein in den USA stieg ihre Zahl von 9,5% (1981) auf 12,7% (2005) (Goldenberg et al. 2008). Allerdings sank der Anteil an Frühgeburten in den USA erstmals im Jahre 2008 im Vergleich zu Es ist jedoch zu früh, um von einer Trendumkehr zu sprechen, da aktuellere Daten noch nicht vorliegen. Nach Angaben der US-Organisation March of Dimes wurde ein Großteil der Verbesserung durch eine längere Tragedauer von späten Frühgeburten erreicht. 4. Indikation, Risikofaktoren für Frühgeburten In der Literatur werden verschiedene Faktoren der schwangeren Frau als Risiken für eine Frühgeburt diskutiert: Alter der Frau (unter 18 und über 40 Jahre) Allgemeine gesundheitliche Verfassung und Lebensumstände der Frau (Stress, Depression, niedriger sozioökonomischer Status, Über- oder Untergewicht und Bildungsgrad, u.a.) Bestimmte schwangerschaftsbezogene Faktoren (Mehrlingsschwangerschaften, vorangegangene Schwangerschaftsabbrüche oder Frühgeburten, Placenta praevia, kongenitale Anomalien, Schwangerschaften nach künstlichen Befruchtungen u.a.) Erkrankungen in der Schwangerschaft (z.b. Eklampsie, HELLP-Syndrom) Infektionen, Bluthochdruck, Diabetes Nikotin-, Alkohol- und Drogenabhängigkeit Maßnahmen der Pränataldiagnostik Diese Faktoren sind in der Regel bekannt. Ein Zusammenhang zwischen Infektionen der Schwangeren und Frühgeburten konnte festgestellt werden. Um Frühgeburten zu verhindern, können in diesem 3 March of Dimes Factsheet 2009 bzw. Bettegowda et al 2008: Großteil der Zunahme bezieht sich auf Woche und wird durch Zunahme der Kaiserschnitte erklärt.
9 9 Fall Antibiotika verabreicht werden, die für das Kind nicht schädlich sind und auch dadurch das Risiko einer Frühgeburt minimieren. Die Zahl der Frühgeburten steigt seit einigen Jahren an, wobei die Gründe bislang noch diskutiert werden. Zu beachten ist beispielsweise, dass bis vor kurzem z.b. Frühgeborene unter 26. SSW noch als Totgeburten gezählt und nicht behandelt wurden. Diskutiert wird außerdem das steigende Alter von Gebärenden, der häufigere Einsatz der Reproduktionsmedizin und eine bessere Überwachung der Schwangerschaften mit früherem Erkennen von Risiken (Goldenberg 2008). Auch häufiger durchgeführte Wunsch-Kaiserschnitte werden als Grund diskutiert (March of Dimes 2009). Eine Frühgeburt kündigt sich in der Regel durch frühzeitige Wehentätigkeit und/oder einen vorzeitigen Sprung der Fruchtblase an. Begibt sich eine Schwangere dann umgehend in eine geeignete Behandlungsumgebung, können Gegenmaßnahmen getroffen werden oder bei fortgeschrittener Schwangerschaft eine Entbindung riskiert werden (March of Dimes Factsheet 2009). Die Gabe von sogenannten Tokolytika kann die ungewollte Wehentätigkeit unterdrücken (IQWiG Gesundheitsinformation 2008), muss aber aufgrund der Risiken von Spezialisten abgewogen werden. Daher ist die qualifizierte Betreuung von Schwangeren eine wichtige Voraussetzung, um insbesondere frühe Frühgeburten zu verhindern. Kündigt sich eine Frühgeburt an, so kann beispielsweise die Lungenreifung eines Kindes heute schon im Mutterleib durch eine vorgeburtliche Steroidbehandlung beschleunigt werden. Darüber hinaus senkt die Gabe auch die Gefahr von Gehirnblutungen oder einer sogenannte nekrotisierenden Enterokolitis, einer Darmerkrankung (IQWiG Gesundheitsinformation 2008). Schon eine Verzögerung der Geburt um wenige Tage mit gleichzeitiger Medikamentengabe kann die Chancen des Kindes auf ein gesundes Überleben deutlich verbessern. 5. Mit welchen Gefahren ist eine vorzeitige Geburt verbunden? Unmittelbare Gefahren und Langzeitkomplikationen Die Gefahren und Komplikationen einer vorzeitigen Geburt stehen in engem Zusammenhang mit dem Geburtsgewicht des Kindes. Dabei sind die Gefahren umso gravierender, je unreifer bzw. leichter ein Kind bei der Geburt ist. Durch eine frühe Geburt sind insbesondere in Mitleidenschaft gezogenen: Die Atmung (Atemnotsyndrome), der Kreislauf (Asphyxie) und das Herz
10 10 Das Gehirn (Gehirnblutungen, Hirnschäden durch Sauerstoffmangel und durch Entzündungsreaktionen im Körper der Frühgeborenen) Die Immunabwehr (Infektionen, Sepsis, Pneumonien) Die Netzhaut (Retinopathien) Durch geeignete Therapien kann dies unter Umständen verhindert bzw. bekämpft werden. Um die jeweils geeigneten Maßnahmen einleiten zu können, ist es notwendig, 365 Tage im Jahr an 24 Stunden das jeweils spezialisierte Fachpersonal in der Einrichtung vorzuhalten, in der Mutter und Kind betreut werden. Eine enge Zusammenarbeit von spezialisierten Frauenärzten (spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin 4 ) und spezialisierten Kinderärzten (Neonatologie 5 ) ist nötig. Die extreme Unreife gerade sehr früher Frühgeburten führt außerdem dazu, dass ein Saugen und damit eine herkömmliche Ernährung nicht möglich ist. Auch der Verdauungsapparat arbeitet noch nicht richtig. Eine aktuelle Studie zeigt, dass bei einer Nachuntersuchung nach zwei Jahren 60% der vor der 28. Schwangerschaftswoche Geborenen als beeinträchtigt einzustufen sind (21% pathologisch, 39% retardiert). Für die Studie wurden 479 Kinder einbezogen, die vor der 28. Schwangerschaftswoche in Niedersachsen geboren worden waren. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes von zwei Jahren verstarben 26% der Kinder. (Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen 2009). Durchgängig lässt sich festhalten, dass die Beeinträchtigungen von Frühgeborenen umso gravierender sind, je früher sie geboren wurden bzw. je leichter sie bei der Geburt waren. Auch zeigt sich, dass in Nachuntersuchungen bessere Ergebnisse erzielt werden, je weniger Komplikationen (z.b. Hirnblutungen) direkt nach der Geburt aufgetreten waren. Grundsätzlich liegen nur wenige verlässliche Daten über Komplikationsraten von Frühgeborenen vor. Oft müssen Daten angezweifelt werden, da beispielsweise früh nach der Geburt verstorbene Kinder nicht in die Zählung mit aufgenommen werden. So waren in Baden-Württemberg im Jahr 2008 lediglich 52% der verstorbenen (in der amtlichen Statistik lebend geborenen) Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500g in der Neonatalerhebung gemeldet worden (Hummler 2010). Frühgeburten sind zu 75% für die perinatale (zwischen der 24. Schwangerschaftswoche und dem 7. Tag nach der Geburt) Sterblichkeit und über die Hälfte der Erkrankungen von Neugeborenen mit lang- 4 Um die Geburt herumliegende Medizin 5 Neugeborenenkunde
11 11 fristigen Komplikationen verantwortlich. Das Risiko, langfristige Komplikationen oder Behinderungen davon zu tragen, ist bei Frühgeborenen im Vergleich zu regulär ausgetragenen Säuglingen stark erhöht. In den letzten Jahren konnten die Behandlungserfolge jedoch deutlich verbessert werden. Die verbesserten Überlebenschancen von sehr unreifen Frühgeburten werden also nicht um den Preis eines erhöhten Behinderungsrisikos erkauft. Frühgeborene sind häufig von Entwicklungsstörungen sowie körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen betroffen. Genauere Informationen für betroffene Eltern stellt beispielsweise die Selbsthilfegruppe Das frühgeborene Kind e.v. zur Verfügung ( Können Risikoschwangerschaften zuverlässig im Voraus erkannt werden? Wer kann eine zuverlässige Diagnose erstellen? Welche Diagnostik ist notwendig, um Risikoschwangerschaften zu erkennen? Wie hoch ist der Anteil der im Voraus diagnostizierten Frühgeburten an allen Frühgeburten? In Deutschland werden Schwangere in der Regel engmaschig betreut. Die BQS-Bundesauswertung 2008, in der 97,8% der (Lebend-) Geburten in Deutschland erfasst sind, zeigt, dass 89,4% der Mütter sich vor der 17. Schwangerschaftswoche das erste Mal in gynäkologische Betreuung begeben. 90% der Schwangeren besuchten in ihrer Schwangerschaft mindestens fünf der Vorsorgeuntersuchungen ihres Frauenarztes. Diese Betreuungsdichte ist die beste Voraussetzung dafür, dass Risiken für Mutter und Kind frühzeitig erkannt werden können und die behandelnden Frauenärzte die Schwangeren an spezialisierte Zentren vermitteln können, sofern der Bedarf besteht. In der Literatur wird bemängelt, dass es keine zuverlässigen Methoden gäbe, eine Frühgeburt rechtzeitig zu erkennen. Dabei wird herausgestellt, dass durch die Betrachtung von verschiedenen Risikofaktoren deutlich mehr Frauen als potentiell gefährdet identifiziert würden, als letztendlich zu früh gebären (vgl. GBA-Auswertung 2009). Die Risikoklassifizierung ist also grundsätzlich möglich und damit könnten potentiell gefährdete Schwangere auch in die für sie geeigneten Zentren überwiesen werden. Nicht alle dieser Patientinnen werden wirklich eine Frühgeburt erleiden, doch der Großteil der Frühgeburten würde in spezialisierten Kliniken behandelt werden. Es ist die Frage, ob Patientinnen eher verunsichert würden, oder ob sie es als beruhigend empfänden, über ein erhöhtes Risiko aufgeklärt zu werden und Strategien für bedrohliche Entwicklungen (Vorstellung in spezialisiertem Behandlungszentrum) während der Schwangerschaft an die Hand zu bekommen? Erhöhte Risiken erfordern in jedem Fall eine enge Begleitung der Patientinnen. Selbst im dünn besiedelten Neuseeland gelingt es jedoch, dass 87% der Mütter von extremen Frühgeburten in speziellen
12 12 Kliniken betreut werden (IQWiG 2008). Bei der Betrachtung von Risiken für eine Frühgeburt muss beachtet werden, dass damit logischerweise Frauen ohne Symptome oder bekannte Risiken nicht als gefährdet identifiziert werden können. Die Beratung der Schwangeren in Bezug auf die Auswahl einer geeigneten Geburtsklinik liegt beim betreuenden Gynäkologen. Darüber hinaus kündigen sich Frühgeburten zumeist durch eine vorzeitige Wehentätigkeit und/oder einen Blasensprung an. Die Aufgabe der behandelnden Ärzte besteht nun darin, die Situation zu erkennen und die Frau in eine spezialisierte Einrichtung zu überweisen. Kinder mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500g wurden 2008 zu fast drei Vierteln (73,9%) per Kaiserschnitt entbunden; davon fast zwei Drittel als geplanter Kaiserschnitt, ein weiteres Drittel wurde per Kaiserschnitt zu einem Zeitpunkt entbunden, bei dem der Geburtsvorgang beispielsweise durch einen Blasensprung bereits eingesetzt hatte. Im Vergleich dazu wurden ,1% der Kinder mit einem Geburtsgewicht von über 1.500g als spontane, nicht medikamentös oder mechanisch eingeleitete Geburten vollzogen, jeweils 14,6% bzw. 18,8% wurden als sogenannter primärer oder sekundärer Kaiserschnitt entbunden. Die Zahlen machen deutlich, dass zwischen dem Erkennen einer drohenden Frühgeburt und der Versorgung eine gewisse Zeitspanne besteht, die dafür genutzt werden kann, die Frau in eine hochspezialisierte Einrichtung zu verlegen. 6 Es ist fraglich, ob in Deutschland diese Möglichkeiten immer genutzt werden und wurden, wenn gerade für nicht spezialisierte Krankenhäuser ein Anreiz besteht, durch eine frühe Frühgeburt eine durchaus hohe Vergütung zu erhalten, ohne über die Voraussetzungen (in Form von Personal und Ausstattung) für eine optimale Versorgung zu verfügen. Erst seit dem 1. Januar 2006 sind die Kliniken verpflichtet, bestimmte Geburten spezialisierten Zentren zuzuweisen 7. Doch auch heute kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass stets alle Möglichkeiten genutzt werden, die Schwangere mit drohender Frühgeburt noch in ein spezialisiertes Zentrum zu verlegen. 6 Die Erfahrung zeigt, dass in über 90% der Fälle medikamentöse Lungenreifungen erfolgen, die 48 Stunden benötigen und somit anscheinend meist genügend Zeit zwischen Erkennen der Frühgeburt und dem eigentlichen Geburtsvorgang besteht. 7 Es galten Übergangsfristen zum Nachweis der geforderten Strukturmerkmale.
13 13 6. Welche Risiken und Komplikationen lassen sich durch eine rechtzeitige Diagnose ganz oder in Teilen vermeiden? Erfolgsfaktoren der Versorgung Zur optimalen Versorgung von Frühgeborenen müssen Konzepte zur Behandlung, fachlich geschultes Personal und die nötigen Sachmittel wie Arzneimittel und die technische Ausstattung vorhanden sein. Ziel ist es, die unreif geborenen Kinder in ihrer Entwicklung optimal zu unterstützen, so dass die im Mutterleib verpasste Entwicklung nachgeholt werden kann und sich das Kind im späteren Lebensalter nicht oder kaum von seinen Altersgenossen unterscheidet. Die Förderung von Frühgeborenen kann sich je nach den Umständen auf die gesamte Kindheit des Kindes erstrecken, um den Anschluss an Gleichaltrige zu erreichen. In dieser Übersicht soll allerdings schwerpunktmäßig die Betreuung unmittelbar um die Geburt und das sehr frühe Lebensalter diskutiert werden. Für Frühgeborene ist grundsätzlich die Einbeziehung der Eltern in den Behandlungsverlauf wichtig. Neben der Betreuung der Mutter im Zusammenhang mit der Geburt benötigen die Eltern auch eine psychologische Betreuung, um mit der besonderen Situation umgehen zu können. Daneben sind für das Frühgeborene eine enge Überwachung der Körperfunktionen und die zeitige Reaktionen auf bedrohliche Veränderungen zwingend erforderlich, wie es auch auf einer Intensivstation für Erwachsene üblich ist. Die technische Ausrüstung muss also in dem behandelnden Zentrum vorgehalten werde. Dazu zählen in erster Linie auf den unreifen Säugling ausgerichtete Geräte, die die Körperfunktionen überwachen und ggf. auch unterstützen. Neben einem Behandlungskonzept und dem Equipment steht und fällt die Behandlung Frühgeborener mit dem behandelnden Team. Es müssen verschiedene Fachrichtungen zusammenarbeiten, um die optimale Therapie für jeden individuellen Fall konzipieren zu können. Dazu zählen zumindest spezialisierte Frauen- und Kinderärzte, die ihre Behandlungskonzepte eng abstimmen müssen, denn wenn der Gynäkologe beispielsweise eine Geburt für unausweichlich hält, muss der Neonatologe umgehend Konzepte für die (Weiter-) Behandlung des Frühgeborenen treffen. In besonderen Fällen ist es außerdem sinnvoll, beispielsweise mit Kinderkardiologen, Neuropädiatern, Kinderradiologen, Kinderchirurgen oder sonstigen weiteren Fachleuten zusammen zu arbeiten. Assistenz- und Pflegekräfte sollten ebenfalls Erfahrungen in der speziellen Versorgung von insbesondere sehr unreifen Frühgeborenen aufweisen. Das behandelnde Personal muss besondere Aufmerksamkeit walten lassen und vor allem die Signale, sowohl an Geräten ablesbare als auch über den Körper des Kindes vermittelte, richtig deuten. So betreut auf der Intensivstation in der Regel eine Pflegekraft nur ein bis maximal drei Frühgeborene.
14 14 In der Literatur werden verschiedene Faktoren diskutiert, die sich günstig auf das Überleben und die Entwicklung von Frühgeborenen auswirken: Durch die Diskussion um Mindestmengen wurde breiteren Schichten bekannt, dass man einen positiven Zusammenhang zwischen der Menge an Behandlungen an einem medizinischen Standort und dem Erfolg der Behandlung beobachten kann. Der Zusammenhang wird damit erklärt, dass Ärzte und Pfleger Routine in der Versorgung dieser speziellen Patientengruppe haben. Negativ auf die Entwicklung wirken sich zum Beispiel Transporte von Frühgeborenen kurz nach der Geburt aus. Daher sollten die Schwangeren konsequenterweise bereits in der Klinik versorgt werden, die auch über eine Neu- bzw. Frühgeborenenstation verfügt. Negativ wirken sich generell Komplikationen wie Hirnblutungen nach der Geburt aus. 7. Wie ist die neonatologische Versorgung in Deutschland organisiert? Struktur-qualitative Vorgaben Seit dem 1. Januar 2006 gilt in Deutschland eine besondere Struktur zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen, die zum Jahresbeginn 2010 aktualisiert und konkretisiert wurde. Die geburtshilflichen Einrichtungen sind in vier Kategorien eingeteilt: Perinatalzentren Level 1 stellen die höchste Versorgungsstufe dar. Hier müssen folgende Kriterien erfüllt sein: Die Leitung der Neugeborenen-Intensivstation obliegt einem Arzt mit dem Schwerpunkt Neonatologie, sein Stellvertreter verfügt über denselben Schwerpunkt, die Geburtshilfe wird von einem Arzt mit dem Schwerpunkt Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin geleitet, der Vertreter hat ebenfalls diesen Schwerpunkt. Entbindungsbereich, OP und Neugeborenen-Intensivstation sind im gleichen Gebäude untergebracht, um Schädigungen durch Transporte zu minimieren. Es sind mindestens sechs Intensivtherapieplätze vorhanden. Im Intensivbereich und in der geburtshilflichen Versorgung muss eine 24-Stunden-Präsenz von ärztlicher und pflegerischer Versorgung sichergestellt sein, ein Neonatologe sollte darüber hinaus ständig erreichbar sein. Mindestens 40% der Pflegekräfte sollen eine Weiterbildung im Bereich Pädiatrische Intensivpflege abgeschlossen haben. Pro Schicht sollte mindestens eine dieser Spezialkräfte eingesetzt werden. Die technische Ausstattung der Intensivtherapieplätze und der Station ist genau definiert, auch die Erreichbarkeit bestimmter Einrichtungen ist genau vorgeschrieben.
15 15 Im Kreißsaal ist eine 24-Stundenpräsenz einer Hebamme gewährleistet, eine zweite Hebamme ist in Rufbereitschaft. Ein gynäkologischer Facharzt, Schwerpunktbezeichung Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin, muss jederzeit erreichbar sein. Weiterhin muss das Zentrum als Stätte für die ärztliche Weiterbildung in den Bereichen Neonatologie und Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin anerkannt sein. Es sollte für unvorhersehbare Situationen über einen Neugeborenennotarzt verfügen, der seine Dienste nicht anbieten darf, um planbare Risikogeburten in anderen Kliniken zu ermöglichen. Es soll auf Dienstleistungen und Konsiliardienste aus den Bereichen allgemeine Kinderheilkunde, Kinderchirurgie und kardiologie, Neuropädiatrie, Ophthalmologie, Mikrobiologie, Humangenetik, Labor, bildgebenden Diagnostik und der entwicklungsdiagnostischen Nachsorge zurückgegriffen werden können. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Leistungen und Dienste, die die Anwesenheit des Kindes erfordern, im Zentrum erfolgen können. Das Zentrum ist zur Teilnahme an verschiedenen Datenerhebungen (Perinatal- und Neonatalerhebung, Neo-KISS, entwicklungsneurologische Nachuntersuchung) verpflichtet. Im Rahmen seines Qualitätsmanagements stellt es mindestens ab dem 14. Tag nach der Aufnahme regelmäßige Fallkonferenzen sicher. In diesen Zentren sollen Frühgeborene mit erwartetem Gewicht von unter 1.250g und/oder einem Alter von unter 29 Schwangerschaftswochen entbunden werden, darüber hinaus Zwillinge unter 33 Schwangerschaftswochen sowie alle weiteren Mehrlinge. Auch bei pränatal diagnostizierten Erkrankungen der Mutter, die mit einer Gefährdung des Fötus einhergehen, bzw. bei bereits diagnostizierten Fehlbildungen des Kindes sollen die Geburten in Level 1 Perinatalzentren stattfinden. Die Behandlung des Frühgeborenen muss bis mindestens 28 Tage nach dem errechneten Geburtstermin einem Facharzt mit dem Schwerpunkt Neonatologie obliegen. In Perinatalzentren Level 2 müssen die Stellvertreter der ärztlichen Leitungen nicht über die oben genannten Schwerpunkte verfügen. Es bestehen mindestens vier neonatologische Intensivtherapieplätze, deren technische Ausstattung genau definiert ist. Es besteht eine 24-Stunden Präsenz an Ärzten und Pfleger in der Geburtshilfe und der Frühgeborenenstation. Mindestens 30% der Pflegekräfte haben eine Weiterbildung in der Pädiatrischen Intensivpflege abgeschlossen, von denen möglichst mindestens eine
16 16 pro Schicht eingesetzt wird. Das Zentrum ist verpflichtet, Schwangere und Neugeborene, die bestimmte Kriterien erfüllen, in Zentren des Level 1 zu überweisen (s. Angaben unter Perinatalzentrum Level 1). In Perinatalzentren Level 2 sollen Kinder mit einer voraussichtlichen Reife von g und/oder 29 bis 32 Schwangerschaftswochen entbunden werden, außerdem Zwillinge zwischen der 29. und 33. Schwangerschaftswoche. Gebärende mit insulinpflichtigem Diabetes und fetaler Gefährdung und mit schweren schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen sollen in diesen Zentren entbinden. Zentren mit perinatalem Schwerpunkt verfügen über eine Geburts- und eine Kinderklinik. Der die Neugeborenen betreuende Arzt soll über mindestens drei Jahre Erfahrung in der Neonatologie verfügen und Kinder- und Jugendmediziner sein. Es soll eine Möglichkeit zur Beatmung der Kinder bestehen, ferner soll auf Radiologie, Sonographie, Echokardiographie, EEG und Laborleistungen zugegriffen werden können. Es besteht eine 24- Stunden-Präsenz eines Kinderarztes, außerdem muss ein Arzt der Kinderklinik innerhalb von 10 Minuten im Kreißsaal oder der Neugeborenenstation anwesend sein. Spezielle Vorgaben bezüglich der Qualifikation des Pflegepersonals oder der Hebammen bestehen nicht. Fallkonferenzen sind ab diesem Level nicht mehr vorschrieben. Das Zentrum ist verpflichtet, Schwangere und Neugeborene, die bestimmte Kriterien erfüllen (s. oben), in Zentren der Level 1 oder 2 zu überweisen. In Zentren mit perinatalem Schwerpunkt können Kinder ab 1.500g Geburtsgewicht und zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche entbunden werden, sowie Kinder mit einer fetalen Wachstumsretardierung (Wachstumsverzögerung). In Geburtskliniken ohne (perinatale) Kinderklinik sollen nur noch Schwangere nach der 36. Schwangerschaftswoche und ohne zu erwartende Komplikationen entbinden. Mit dem Jahr 2010 wurde ergänzend eine Mindestmenge von 14 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250g für Perinatalzentren Level 1 und von 14 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von zwischen g für Perinatalzentren Level 2 pro Jahr vorgeschrieben. Fachleute halten diese Zahlen für zu gering, um in Behandlungsteams die nötige Erfahrung für die Versorgung zu generieren und zu halten 8. Doch bereits die Einführung dieser geringen Mindestmenge 8 Es würde nur ungefähr jeden Monat ein Kind mit extrem geringem Geburtsgewicht entbunden.
17 17 wurde von der Lobby kleinerer Kliniken massiv bekämpft. Am 17. Juni 2010 hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Erhöhung der Mindestmenge für die Frühgeborenen unter einem Geburtsgewicht von 1.250g auf 30 Behandlungsfälle ab Jahresbeginn 2011 beschlossen, die Mindestmengenvorgabe für die Perinatalzentren Level 2 dafür gestrichen. 9 Die Anträge für höhere Mindestmengen wurden vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und von Patientenvertretern eingebracht. Deutschland ist trotzdem noch weit davon entfernt, die Betreuung von bestimmten Risikoschwangeren 10 und (extreme) Frühgeburten in Zentren zu konzentrieren. Auch ist die Kontrolle der Perinatalzentren nicht eindeutig geregelt. Die Einstufung erfolgt heute durch die Kliniken selbst. Seit Bekanntgabe der höheren Mindestmengenvorgabe versuchen kleinere Einrichtungen, bei den zuständigen Landesministerien Ausnahmegenehmigungen zu erwirken. Einige Bundesländer haben sich auch bereits dahingehend geäußert, Ausnahmen zu ermöglichen. Leider werden so sinnvolle Vorgaben zur Qualitätssicherung unterminiert. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Versorgungsstrukturen in den nächsten Jahren verändern. 8. Prozesse Wie kann die optimale Versorgung der Frühgeborenen organisiert werden? Wie muss die Zusammenarbeit organisiert sein? Die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachärzte, Hebammen und (Fach-) Pflegekräfte sowie gegebenenfalls weiterer Berufsgruppen wird in sogenannten Fallkonferenzen besprochen. Diese Konferenzen finden regelmäßig über die Dauer der Behandlung statt. Dabei sitzen die beteiligten Fachleute zusammen und besprechen das weitere Vorgehen in der Behandlung eines konkreten Falls, in Bezug auf Frühgeburten also der Schwangeren mit drohender Frühgeburt bzw. des Neugeborenen. Da perinatal, also um die Geburt herum, die isolierte Betrachtung von Mutter oder Kind nicht sinnvoll ist, ist die Zusammenarbeit von Gynäkologen der speziellen Geburtshilfe und Kinderärzten mit Schwerpunkt Neonatologie / Neugeborenenkunde nachvollziehbar. Alle Fachkräfte werden über den aktuellen Sta- 9 Es hatte sich gezeigt, dass es sehr schwierig für Kliniken ist, Geburten mit einem Geburtsgewicht dieser schmalen Bandbreite zu erreichen. Das voraussichtliche Geburtsgewicht lässt sich außerdem nicht so genau voraussagen. 10 Kliniken scheuen sich, die Betreuung von Schwangeren mit pränatal diagnostizierten Erkrankungen, die eine Notfallversorgung unmittelbar nach der Geburt notwendig machen, abzugeben, da sie möglicherweise zur Auslastung ihrer Kapazitäten auf die Fälle angewiesen sind.
18 18 tus des Patienten, kritische Vorkommnisse, Gefahren bei der Versorgung etc. informiert und sie bringen ihr jeweiliges Fachwissen ein. Im Rahmen der Qualitätssicherung der neonatologischen Versorgung ist die Durchführung von Fallkonferenzen für Frühgeburten für Perinatalzentren vorgeschrieben. Es ist sicherzustellen, dass die Weiterentwicklung des Kindes bestmöglich unterstützt wird, so dass das Kind einen Entwicklungsstatus erreicht, der immer weniger Überwachung und Unterstützung nötig macht und die kindliche Entwicklung schließlich immer weniger äußere Hilfen benötigt. Den nachhaltigsten Kontakt werden die Kinder mit den (Fach-) Pflegekräften auf der Station haben, denn es werden nur jeweils ein bis höchstens drei Kinder von einer Kraft pro Schicht intensiv betreut. Die Aufgaben der Versorgung liegen zunächst in der Überwachung der Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf), der Ernährung und der Verdauung. Eine Herausforderung liegt darin, die Anzeigen und Signale der unterschiedlichen Überwachungsgeräte sowie die körperlichen Reaktionen zu interpretieren und dann die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen bzw. weitere Fachkräfte wie die ärztlichen Mitarbeiter hinzuzuziehen. Das Ineinandergreifen der interprofessionellen Versorgung ist also essentiell für den Behandlungserfolg, da einerseits eine klare Aufgabenverteilung existiert, die einzelnen Mitarbeiter aber die Schnittstellen zu den anderen Arbeitsbereichen kennen müssen und die Zusammenarbeit ohne Reibungsverluste ablaufen sollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit funktioniert, ist umso höher, je besser das gesamte Team eingespielt ist. Nach der Geburt ist auch die Einbeziehung der Eltern in die Behandlung wichtig. So profitieren die Kinder beispielsweise vom sogenannten Känguruhen, bei dem die Kinder aus ihren Brutkästen (Inkubatoren) genommen werden und ein Haut-zu-Hautkontakt auf der Brust von Mutter oder Vater hergestellt wird. Stärker als in anderen Bereichen der Medizin muss das Behandlungsteam also auch die Zusammenarbeit mit den Angehörigen organisieren und auch deren Bedürfnisse im Blick haben. 9. Ergebnisqualität Wie wird Ergebnisqualität in Bezug auf die Frühgeborenenversorgung definiert und gemessen? In der Medizin haben sich Untersuchungen nach bestimmten Zeitabschnitten etabliert, die beispielsweise darüber Auskunft geben, wie lange ein Krebspatient nach einer Behandlung überlebt. Analog dazu wird der Entwicklungsstand von Frühgeborenen in ihrem weiteren Leben erhoben. Seit Einführung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss im Jahre 2006 müssen sich die Perinatalzentren an der
19 19 sogenannten Perinatal- und Neonatalerhebung und dem sogenannten Neo-KISS, einer Erhebung zur Überwachung von Infektionen auf neonatologischen Intensivstationen, beteiligen. Leider ist die Finanzierung der für die Überprüfung der Versorgungsqualität dringend notwendigen Untersuchungen der Kinder bis ins Schulalter hinein nicht klar geregelt. Behält man die Einschränkungen bezüglich der Datenqualität vor Augen (vgl. S. 10), kann gemessen werden, welche Komplikationen bei den Kindern aufgetreten sind und wie die Entwicklung der Frühgeborenen verläuft. Bestimmte Parameter der Entwicklung bei Frühgeborenen eines ähnlichen Reifegrades, die in verschiedenen Kliniken behandelt wurden, können zum Beispiel ausgewertet und die Behandlungsqualität der Kliniken so miteinander verglichen werden. Ebenso ist dies mit bestimmten Komplikationen oder gar dem Versterben der Neugeborenen möglich. Kennzahlen zur Beurteilung der Qualität der neonatologischen Versorgung können nach folgenden unterschiedlichen Ergebnissen betrachtet werden: D1: Mortalität (Death) Die Verringerung der Mortalität bei Frühgeborenen, also des Anteils der verstorbenen Kinder, ist das übergeordnete Ziel der neonatologischen Versorgung. Es stehen im Rahmen der Neonatalerhebung 11 verschiedene Kennzahlen zur Verfügung (Bezug Reifealter): o Anzahl der Kinder o Mortalität in Abhängigkeit von weiteren Faktoren, z. B: Geburtsgewicht, Mehrlinge, Geschlecht, OP, Aufnahmetemperatur o Häufigste Todesursachen o 28-Tage-Mortalität, Einjahres-Mortalität D2: Gesundheitliche Einschränkungen (Disease) Ziel der Behandlung ist es, die ab S.14 diskutierten Gefahren und Risiken einer Frühgeburt zu vermeiden. In der Neonatalerhebung bzw. Neo-KISS werden gesundheitliche Einschränkungen (z.b. Infektionen, Hirnblutungen, Atemnot) dokumentiert. D3: Körperliche und/oder kognitive Einschränkungen (Disability) Ziel ist es, den Frühgeborenen eine normale körperliche und geistige Entwicklung zu ermöglichen, um Entwicklungsstörungen und in der Folge Behinderungen zu vermeiden. Hierzu wird 11 In die Neonatalerhebung gehen Frühgeborene ein, die auf einer pädiatrischen Intensivstation aufgenommen worden sind.
20 20 in der Neonatalerhebung z.b. ein Hörscreening vorgenommen und die körperliche Entwicklung eingestuft. Seit 2006 sind vom G-BA Nachuntersuchungen im Alter von zwei Jahren vorgeschrieben. D4: Beeinträchtigung des Wohlbefindens (Discomfort) Dieser Parameter kann nicht genau quantifiziert werden und wird daher nicht gemessen. D5: Unzufriedenheit (Dissatisfaction) Die Zufriedenheit der Eltern, vor allem der Mütter frühgeborener Kinder mit neonatologischer Behandlung und den Umgang mit Folgeerkrankungen und beschwerden ist von eigenständiger Bedeutung. Im Rahmen der Neonatalerhebung werden deshalb Liegezeiten, Entlassungsgründe- und umstände erfasst. Daneben spielen Sterbebegleitung, psychosoziale Betreuung, Aspekte der Unterbringung und Hilfen zur Situationsverarbeitung eine Rolle. 10. Basisorganisation der Neonatologie im Krankenhaus Organisatorisch ist die neonatologische Versorgung nicht einheitlich geregelt. Der G-BA verwendet den Organisationsbegriff Perinatalzentrum (vgl. S. 14), knüpft hieran eine Reihe von strukturellen Vorgaben in der Personalausstattung, der räumlichen Situation, der apparativen Ausstattung, bleibt aber hinsichtlich der innerbetrieblichen Organisation im Übrigen auf Einzelaspekte beschränkt. So macht er Vorgaben zur Leitung der Neugeborenenbehandlung und der Geburtshilfe, zum Schichtdienst und zu Annexaufgaben (Weiterbildung, Teilnahme an Qualitätssicherungsverfahren). Vielmehr findet sich in seinen Vorgaben zur Organisation der Früh- und Neugeborenenversorgung nicht. Damit wird eine entscheidende Weichenstellung offen gelassen: Kann nur eine separate, eigenständige neonatologische Fachabteilung diese Strukturvorgaben erfüllen, die der G-BA mit dem Konstrukt Perinatalzentrum verbindet oder ist dies auch möglich in der Organisationsform von Mitbehandlungen durch Allgemein- oder Spezialpädiatrischen Units? Insbesondere die Mitversorgung im Rahmen von gemischten pädiatrischen Intensivstationen ist in der Praxis nicht selten anzutreffen. Der Begriff des Zentrums umfasst ansonsten getrennte Aufgaben (etwa Früh- und Neugeborenenversorgung, Geburtshilfe etc.), fasst sie zusammen und schafft so einen Mehrwert gegenüber einer getrennten Organisation mit bloß koordinierter Zusammenarbeit. Das Ausmaß der organisatorischen Konzentration im Verhältnis zu den ursprünglichen Organisationseinheiten ergibt
21 21 sich nicht automatisch. Der G-BA lässt diese Frage gänzlich unberührt. Seinen Vorgaben ist nicht zu entnehmen, ob die Einhaltung seiner Strukturvorgaben zwingend mit einem bestimmten Organisationsmodell der Neonatologie etwa einer eigenständigen neonatologischen Fachabteilung verbunden sein muss. Er spricht zwar von einer neonatologischen Intensivstation, behandelt aber nicht die Frage der organisatorischen Zuordnung. Damit bleibt die wesentliche Organisationsfrage durch den G-BA unbearbeitet. Wenn man die eher aufreihend angeführten Struktur- und Prozessqualitätskriterien zusammenschauend bewertet, so vage sie teilweise gehalten sind, spricht vieles für die Option einer eigenständigen Organisationseinheit Neonatologie. Insbesondere Fachpersonal der unterschiedlichen Berufsgruppen mit einschlägigen, nachgewiesenen neonatologischen Kenntnissen und Fähigkeiten steht sieben Tage für jeweils 24 Stunden nur zur Verfügung, wenn die Neonatologie organisatorisch verselbständigt mit einer dieser Personalausstattung entsprechenden Mindestgröße versehen ist. Alles andere macht auch betriebswirtschaftlich wenig Sinn. 11. Zusammenhang Konzentration und Wirtschaftlichkeit Eine angemessene Versorgung benötigt in der Neonatologie eine hochspezialisierte Infrastruktur. Deren Vorhaltung ist teuer. Um sie wirtschaftlich zu betreiben, muss sie gut ausgelastet werden. Wenn sich Häuser mit geringen Fallzahlen in medizinisch anspruchsvollen, ressourcenintensiven Bereichen betätigen, dann ist das für das Gesundheitssystem insgesamt wirtschaftlich von Nachteil. Diese Häuser müssen ggf. teure Infrastruktur vorhalten, die sie nicht voll auslasten können. Außerdem fehlen die in diesen Häusern gebundenen Fälle an anderer Stelle zur optimalen Auslastung der Kapazitäten. Deshalb sind Mindestmengen unabhängig von der Betrachtung ihrer Auswirkungen auf die medizinische Ergebnisqualität sinnvoll. In einem Gesundheitssystem, das wegen zunehmender Unterfinanzierung unter erheblichem Effizienzdruck steht, ist die Konzentration von Leistungen auch wirtschaftlich notwendig und sogar ethisch geboten. Man könnte annehmen, dass es bei anspruchsvollen, kostenintensiven Leistungen auch ohne Mindestmengenvorgaben zu einer Konzentration kommt, weil sich wegen der hohen Infrastrukturkosten kleine Mengen für ein Krankenhaus wirtschaftlich nicht lohnen. Diese marktwirtschaftlich eigentlich zu erwartende Selbstregulation gibt es aber unter anderem aus folgenden Gründen nicht: - Marketing, Image, Reputation: Gerade besonders schwierige oder aufwändige Leistungen werden oft auch deshalb erbracht, um sich zu profilieren und die eigene Leistungsfähigkeit
22 22 (bzw. der Stadt oder des Landkreises) gegenüber Patienten, Einweisern oder auch potenziellen Mitarbeitern, die man für die Einrichtung gewinnen will, darzustellen. Hierfür wird auch eine Unterdeckung der Kosten in Kauf genommen. - Subventionseffekte: Durch andere Geldquellen z.b. gezieltes Fundraising, Vereinstätigkeiten wie Freunde der Klinik. oder kommunale Zuschüsse können sich nicht selbst tragende Einrichtungen finanzieren. - Verbundeffekte: Spezialisierte, aufwändige Leistungen können oft im Verbund mit anderen Leistungen einer Abteilung erbracht werden. Beispiele dafür sind die Endoprothesen als Teil des Leistungsspektrums der Orthopädie oder die Brustkrebs-OP als Teil des Leistungsspektrums einer Gynäkologie. Hat eine Abteilung Probleme, ihre Kapazitäten mit Standardleistungen auszulasten und so die nötigen Erträge zu erwirtschaften, dann können auch kleine Fallzahlen bei spezialisierten, aufwändigen Leistungen wirtschaftlich interessant sein, denn diese sind meist überdurchschnittlich gut vergütet. Dieses Mischleistungssystem ist unter Qualitätsgesichtspunkten aber nicht immer sinnvoll. So sollte beispielsweise in der Neonatologie eine eigenständige, spezialisierte Infrastruktur vorhanden sein, die von der restlichen Pädiatrie und Geburtshilfe entkoppelt ist. - Qualitätsstandard-Effekte: Für eine angemessene Versorgung bei aufwändigen, spezialisierten Leistungen muss eine spezialisierte Infrastruktur vorgehalten werden. Reichen die Fallzahlen nicht aus, um mit dieser Infrastruktur kostendeckend zu arbeiten, dann ist der Rückzug aus der Leistungserbringung nicht die einzige Handlungsalternative. Fehlen strukturqualitative Mindeststandards, dann können z.b. durch Stellenkürzungen, eingeschränkte Experten-Präsenz oder durch Leistungserbringung mit weniger qualifiziertem Personal die Infrastruktur ausgedünnt und dadurch die Kosten gesenkt werden. Die Folge sind sinkende Qualitätsstandards. Dies zeigt, dass das betriebswirtschaftliche Sinnvolle nicht immer dem entspricht, was aus Sicht des Gesamtsystems sinnvoll wäre. Die finanziellen Anreize des Krankenhausvergütungssystems alleine reichen nicht aus, um die notwendige Konzentration anspruchsvoller, teurer Leistungen herbei zu führen. Notwendig sind ergänzende Vorgaben der Krankenhausplanung, um spezialisierte Versorgungsangebote zu fördern.
23 23 Hiermit verbunden ist insbesondere die Fragestellung nach der personellen Bereitstellung und Auslastung. Wie viele Fälle sind erforderlich, um unter Einhaltung insbesondere der strukturqualitativen Personalvorgaben (vgl. S. 14ff.) die Kapazitäten auszulasten? Mit der im Jahr 2010 gültigen Vorgabe des G-BA von 14 Fällen pro Jahr wäre gerade eine einschlägig qualifizierte Pflegekraft pro Schicht in der Neonatologie ausgelastet. Ein neonatologischer Facharzt kann bei dieser Fallzahl im Schichtdienst nicht einschlägig ausgelastet werden. Für den qualifizierten ärztlichen Dienst sind mit einer Mindestbesetzung (1 Frühschicht, 1 Spätschicht, 1 Nachtschicht) für die Intensivstation insgesamt 5,6 neonatologische Facharztstellen erforderlich, die erst ab 42 Fällen pro Jahr ausgelastet wären. Dieser Arzt/Schicht ist organisatorisch und forensisch in vollem Umfang an die Betreuung der Intensiveinheit gebunden. Dies schließt die erforderlichen Personalbedarfe auf dem Baby-Notarztwagen und im Kreißsaal aus, wo inzwischen ca. 40% der Fälle die Präsenz des Neonatologen erfordern. 12. Exkurs: Gesundheitsökonomische Aspekte Kosten neonatologischer Fälle sind in der Regel nicht auf den akutstationären Krankenhausaufenthalt beschränkt. Die Versorgung von Frühgeborenen verursacht weitere Kosten, die von der Gesellschaft getragen werden müssen. Hierzu zählen die Kosten, die mit der Behandlung unmittelbar zusammenhängen, indirekte Kosten durch die Vorhaltung neonatologischer Versorgungsstrukturen (vgl. S. 14 ff.), Folgekosten, die bei Schädigung der Frühgeborenen auftreten, und entgangenes Humankapital. Die Gesundheitsökonomie versucht auch die letztgenannten Punkte, die teilweise mit großem Leid in den betroffenen Familien einhergehen können, in Geldeinheiten auszudrücken. 12. Zu den möglichen Folgekosten von Frühgeburten zählen zunächst die Therapiefolgekosten: ambulante Weiterbehandlung, Reha-Maßnahmen, Kosten einer lebenslangen Medikation, Hilfsmittel (z.b. Schienenanpassungen, Sehhilfen und Hörgeräte), Krankenhausleistungen (z.b. im Zusammenhang mit orthopädischen Operationen), Unterbringungskosten in Pflegeheimen, mit Lernen und Arbeiten verbundene Kosten (z.b. Maßnahmen der Frühförderung, Beschäftigungstherapie, subventionierte Arbeit, etc.), Kosten für den Lebensunterhalt und für Renten sowie für Sonstiges (z.b. Zuschüsse und Kuren). 12 Damit soll keinesfalls eine Rechnung über Kosten und Ertrag eines Menschen aufgemacht werden, sondern volkswirtschaftliche Zusammenhänge ins Verhältnis gesetzt werden.
zuletzt geändert am veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009 S in Kraft getreten am 1. Januar 2010
Anlage 1 zur Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen vom 20. September 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005 S. 15 684, in Kraft getreten am 1.
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