Werkstofftechnik. Werkstoffe - Eigenschaften - Prüfung - Anwendung. Bearbeitet von Wolfgang W. Seidel, Frank Hahn

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1 Werkstofftechnik Werkstoffe - Eigenschaften - Prüfung - Anwendung Bearbeitet von Wolfgang W. Seidel, Frank Hahn 8., neu bearbeitete Auflage Buch. 438 S. Hardcover ISBN Format (B x L): 16,2 x 22,9 cm Gewicht: 739 g Weitere Fachgebiete > Technik > Werkstoffkunde, Mechanische Technologie > Materialwissenschaft: Verbundwerkstoffe Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Leseprobe Wolfgang W. Seidel, Frank Hahn Werkstofftechnik Werkstoffe - Eigenschaften - Prüfung - Anwendung ISBN: Weitere Informationen oder Bestellungen unter sowie im Buchhandel. Carl Hanser Verlag, München

3 11 Verbundwerkstoffe 11.0 Überblick Die moderne Technik stellt an die Werkstoffe immer neue und höhere Anforderungen, die die Metalle, Keramiken, Gläser und Kunststoffe nicht mehr ohne Weiteres erfüllen können. Durch die Kombination von zwei oder mehreren Werkstoffen in einem Verbundwerkstoff können die Eigenschaften gezielt auf eine Anwendung hin optimiert werden. Unter Umständen können sogar Eigenschaftskombinationen, die die einzelnen Werkstoffkomponenten nicht aufweisen, erreicht werden. Insbesondere für den Leichtbau, bei dem es auf eine hohe Steifigkeit und Festigkeit bei gleichzeitig niedriger Masse des Bauteiles ankommt, sind die Verbundwerkstoffe eine gute Alternative zu Metallen und Kunststoffen. Deren Anwendung reicht mittlerweile weit über die Fahrzeug-, Luft- und Raumfahrtindustrie hinaus, beispielhaft seien genannt: Schneidkeramiken für die spanende Bearbeitung härtester Stähle, extrem leichte und gleichzeitig steife Fahrradrahmen, Surfbretter und Bootskörper vonrennbooten. Viele Naturstoffe lassen sich als Verbunde auffassen. So ist Holz eine Verbindung aus hochfesten Zellulosefasern in einer Matrix aus Lignin einem vernetzten Kohlenwasserstoff, der die Zellulosefasern verbindet, deren Ausknicken verhindert und sie auf Abstand hält. Im Bauwesen werden seit vielen Jahrhunderten Verbundwerkstoffe eingesetzt. Im Lehmbau wird der Lehm mit Stroh oder organischen Fasern (Hanf, Flachs) verstärkt und sogar Spannbeton lässt sich im weitesten Sinn als Verbundwerkstoff auffassen. In diesem Kapitel werden Sie einen Überblick über die Verbundwerkstoffe, ihre Struktur, die Ziele einer Verstärkung und die Verstärkungsmechanismen erhalten. In den Abschnitten Faserund Teilchenverbundwerkstoffe werden die beiden wichtigsten Gruppen vorgestellt und eine Einführung in ihre Herstellung gegeben Die Struktur von Verbundwerkstoffen Lernziele Der Lernende kann... die Unterschiede zwischen Verbundwerkstoffen und Werkstoffverbunden erläutern, die Verstärkungsarten nennen, die Funktion von Matrix und Verstärkungskomponente erklären, die Vor- und Nachteile von Verbundwerkstoffen im Vergleich zu Metallen, Keramiken und Polymeren bei der Herstellung, der Verwendung und dem Recycling aufführen Übersicht Die Eigenschaften von Verbundwerkstoffen werden nicht nur von der Art und Menge der beiden beteiligten Stoffe (Phasen) bestimmt, sondern auch ganz entscheidend von deren Verteilung und Haftung zwischen den beteiligten Phasen. In dieser Beziehung unterscheiden sich die verschiedenen Verstärkungsarten voneinander.während bei Verbundwerkstoffen die Verstärkungsphase in der Matrixphase verteilt ist, sind die beiden Phasen bei Werkstoffverbunden nicht ineinander vermischt, sondern liegen gefügt nebeneinander vor.

4 11.1 Die Struktur von Verbundwerkstoffen Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde Verbundwerkstoffe sind aus mindestens zwei Werkstoffen zusammengesetzt, die zur selben oder zu unterschiedlichen Werkstoffhauptgruppen gehören. Wie anhand der Beispiele in Tabelle zu sehen ist, sind fast alle Kombinationen von Werkstoffhauptgruppen möglich. Die beiden Komponenten werden als Verstärkungsphase und als Matrix bezeichnet. Dabei ist die Matrix die umgebende, umhüllende bzw. kontinuierliche Phase, also die Grundsubstanz, in die ein anderer Stoff eingebettet ist. Die Verstärkungskomponente ist dagegen chemisch und/oder physikalisch getrennt. Sie ist die verteilte (disperse), in der Regel nicht zusammenhängende Phase. Verbundwerkstoffe sind makroskopisch homogen und mikroskopisch heterogen, bestehen also aus mehreren Phasen (Bild ). Matrix und Verstärkungskomponente werden erst im Laufe des Herstellungsprozesses mechanisch und/oder thermisch gefügt. Das bedeutet, eine ausscheidungsgehärtete Aluminiumlegierung ist kein Verbundwerkstoff, da die festigkeitssteigernden Teilchen sekundäre Ausscheidungen sind. Diese werden durch nachlassende Löslichkeit im Mischkristall gebildet und entstehen nicht durch Fügen. Wie bei den Verbundwerkstoffen entstehen die Werkstoffverbunde erst durch Fügen und bestehen aus mindestens zwei unterschiedlichen Komponenten. In der Regel handelt es sich um Schichten, die aus unterschiedlichen Werkstoffen gefügt wurden. Allerdings sind die Werkstoffverbunde mikroskopisch homogen und makroskopisch heterogen (Bild ). Deren typische Anwendungen sind bspw. auftragsgeschweißte Umformwerkzeuge (z. B. Hartmetallschichten auf Vergütungsstahl) oder Bimetalle (Messing + Stahl), wie sie für Temperaturschalter verwandt werden. Auf die Werkstoffverbunde soll im Rahmen des Buches nicht weiter eingegangen werden. Verbundwerkstoffe bestehen aus mindestens zwei unterschiedlichen Werkstoffen (Komponenten), die zur selben oder zu unterschiedlichen Werkstoffhauptgruppen gehören. Sie werden durch thermisches und/oder mechanisches Fügen gefertigt. Die beiden Komponenten werden als Matrix und Verstärkungsphase bezeichnet. Die Matrix ist die Grundsubstanz, in die ein anderer Stoff (Verstärkungskomponente) eingebettet ist. Sie ist die umgebende, umhüllende bzw. kontinuierliche Phase. Die Verstärkungsphase ist chemisch und/ oder physikalisch durch die Matrix getrennt. Sie ist die verteilte, nicht zusammenhängende, disperse Phase. Bild Verbundwerkstoff der Werkstoff ist makroskopisch homogen und mikroskopisch heterogen Bild Werkstoffverbund der Werkstoff ist mikroskopisch homogen und makroskopisch heterogen

5 Verbundwerkstoffe Tabelle Beispiele für die Kombination verschiedener Werkstoffhauptgruppen für Verbundwerkstoffe Matrix anorganischnichtmetallischer Werkstoff Metall Kunststoff anorganisch-nichtmetallischer Werkstoff Schneidkeramik (ZrO 2 - Teilchen in Al 2 O 3 - Matrix); C-faserverstärkter Kohlenstoff Hartmetalle (W 2 C-Teilchen in Co-Matrix) glasfaserverstärktes Epoxidharz Verstärkung Metall Al 2 O 3 -Partikel in Al-Matrix (Motorenbau) Stahlbeton Ag-W- oder Ag-Ni- Durchdringungsverbunde als Kontaktwerkstoff Stahlcorde in Gummireifen (Radialreifen) Kunststoff Gummi/Kunststoff in Beton oder Asphalt Aramidfasern in Polymerharzmatrix Verbundwerkstoffe lassen sich nach dem verwandten Matrixmaterial unterscheiden in: Polymermatrix-Verbundwerkstoffe (PMC Polymer Matrix Composites) Metallmatrix-Verbundwerkstoffe (MMC Metal Matrix Composites) Verbundwerkstoffe mit nichtmetallisch-anorganischer Matrix (z. B. Keramik, Glas) Bei den PMC werden sowohl Thermo- als auch Duroplaste (s. Abschnitt 10.1) als Matrixmaterial verwandt. Bisher werden duroplastische Harzsysteme (z. B. ungesättigte Polyesterharze (UP), Epoxidharze (EP)) wegen ihrer besseren Verarbeitbarkeit bevorzugt eingesetzt. Allerdings müssen Duroplaste ausreichend lange in der Werkzeugform aushärten, was zu entsprechend langen Fertigungszeiten führt. Außerdem sind mit duroplastischen Harzen getränkte Halbzeuge (z. B. Sheet Moulding Compound SMC mit Harz vorimprägnierte Fasermatte) vor der endgültigen Verarbeitung nur begrenzt haltbar.diese Nachteile weisen thermoplastische Matrizes nicht auf. Nach der Abkühlung sind sie sofort formstabil und lassen sich deshalb schneller verarbeiten. Allerdings müssen sie bei der Verbundherstellung erst aufgeschmolzen werden, was bei der Auswahl geeigneter Verstärkungskomponenten zu bedenken ist.

6 11.1 Die Struktur von Verbundwerkstoffen 311 Zu beachten sind außerdem ihre stark temperaturabhängigen Eigenschaften (s. Abschnitt ). Der Nachteil von Thermoplasten sie neigen zu einer zeit- und temperaturabhängigen, plastischen Verformung (Kriechen, Abschnitt ) lässt sich durch eine günstige Faserverstärkung minimieren. PMC werden in erster Linie dort eingesetzt, wo die Temperatur niedrig ist (T < 260 C, Die Einsatztemperatur ist vom Kunststoff abhängig!) und wo an der Oberfläche weder Reibung noch Verschleiß auftreten. Die Herstellung und Verarbeitung von PMC ist erheblich einfacher und preiswerter im Vergleich zur Herstellung von MMC oder zu Verbunden mit keramischer Matrix. Für MMC kommen im Prinzip alle Metalle oder Metalllegierungen infrage. Tatsächlich werden aber im Wesentlichen die Leichtmetalle Aluminium, Magnesium und Titan sowie deren Legierungen verstärkt. Wirtschaftlich bedeutende Ausnahmen sind lediglich die Werkstoffe für elektrische Kontakte für mittlere und hohe Schaltleistungen auf der Basis von Silber mit Wolfram- oder Wolframcarbidverstärkung sowie Hartmetalle mit einer metallischen Cobaltmatrix mit eingelagerten Hartstoffpartikeln (z. B. WC, TaC, TiC). Die Palette der nichtmetallisch-anorganischen Werkstoffe, die als Matrixwerkstoff eingesetzt werden, reicht von stahlbewehrtem Beton, glas- oder metallfaserverstärkten Gläsern über Oxid- und Carbidkeramik zu Nitridkeramik. Verbundwerkstoffe lassen sich nach den verwandten Matrixwerkstoffen (Polymer, Glas/Keramik, Metall) unterscheiden. Je nach Verstärkungsart werden sie in teilchenverstärkte, lang- und kurzfaserverstärkte Verbundwerkstoffe sowie in Durchdringungs- und Schichtverbunde unterteilt.

7 Verbundwerkstoffe Eine weitere Möglichkeit zur Unterscheidung der Verbundwerkstoffe bietet die Verstärkungsart (Bild ). Hier wird unterschieden in: teilchenverstärkte Verbundwerkstoffe kurzfaserverstärkte Verbundwerkstoffe langfaserverstärkte Verbundwerkstoffe Durchdringungsverbunde Schichtverbunde Bei der Teilchen- und Kurzfaserverstärkung soll die Verstärkungsphase möglichst vereinzelt und gleichmäßig verteilt sein. Dadurch wird eine isotrope Verstärkung erreicht. Bei den langfaserverstärkten Verbunden haben die Fasern üblicherweise eine Vorzugsorientierung (s. Abschnitt ), um definierte richtungsabhängige Eigenschaften zu erzielen. Durchdringungs- und Schichtverbunde stellen eine Besonderheit dar. Eine Unterscheidung von Matrix und Verstärkungskomponenten ist oft nicht ohne Weiteres möglich, eher lässt sich von zwei Matrizes sprechen. Bei einem Durchdringungsverbund Ag-WC für elektrische Hochleistungskontakte liegen beide Phasen durchdrungen, aber kontinuierlich vor, wie zwei ineinander gewebte räumliche Netze. Übung Wasist ein Verbundwerkstoff? Übung Wie unterscheiden sich Verbundwerkstoffe von Werkstoffverbunden? Übung Welcher Unterschied besteht zwischen der Verstärkungskomponente und der Matrix? Übung Nennen Sie die fünf Verstärkungsarten? Übung Warum werden aushärtbare Legierungen nicht zu den Verbundwerkstoffen gezählt? a) b) c) d) e) Bild Verstärkungsarten von Verbundwerkstoffen a) Kurzfaserverstärkung (ungerichtet) b) Langfaserverstärkung (bidirektional verstärkt) c) Teilchenverstärkung d) Schichtverbundwerkstoff e) Durchdringungsverbundwerkstoff