Interview mit Ian Mosedale 26. Januar 2015, 14 Uhr Military Court Centre BFG, Sennelager

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1 Interview mit Ian Mosedale 26. Januar 2015, 14 Uhr Military Court Centre BFG, Sennelager Herr Mosedale, Sie sind Leiter des britischen Militärgerichts. Mit wie viele Fälle haben Sie es hier innerhalb eines Jahres zu tun? IAN MOSEDALE: Mit unter 200. Jeder Fall hat zwischen 40 und 50 Verhandlungstage. Manche Verhandlungen gehen über drei Wochen, manche dauern nur einen Tag. Das kommt darauf an, worum es geht. Was für Vorfälle werden vor diesem Gericht denn verhandelt? MOSEDALE: Ausschließlich Kriminalfälle. Das einzige, was wir nicht machen, sind Mordprozesse. Wir hatten mal einen Totschlag-Fall, wir haben Betrugsfälle, verhandeln alle Arten von sexueller Belästigung - was in den meisten Fällen Männer an Frauen begehen, allerdings nicht immer. Wir haben einen Fall, wo die Angeklagte eine verheiratete Frau ist und der Geschädigte ein minderjähriger Junge. Dies ist ein Kriminalgericht. Was wir nicht machen sind Scheidungsprozesse, wir verhandeln auch keine Geschäftsverträge oder ähnliches. Wir verhandeln nur Kriminalfälle. In wie viel Prozent der Fälle wurden die Angeklagten im vergangenen Jahr schuldig gesprochen? MOSEDALE: Ich würde sagen, vermutlich an die 50 Prozent. Um die Frage detailliert zu beantworten, müsste ich die Zahl nachgucken. (Nachgereichte, genaue Angabe für 2014: In 78 von 133 Fällen) Seit wann gibt es dieses Militärgericht? MOSEDALE: Das Gebäude wurde im September 2009 eröffnet. Und was genau ist Ihre Aufgabe hier im Militärgericht? MOSEDALE: Ich habe eine administrative Rolle. Ich bin kein Anwalt und auch kein Richter, was einer der großen Unterschiede zwischen dem britischen und dem deutschen System ist. Ich würde mich selbst als eine Art Eventmanager beschreiben, weil jede Verhandlung und jede Anhörung ein Event ist. Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass all diejenige, die da sein müssen, auch erscheinen. Wenn das bedeutet, dass Zeugen in Australien sind, dann muss ich sie entweder hierher bekommen oder über eine Videokonferenz dazu schalten können. Und wie bekommen Sie die Leute aus dem Ausland hier hin, wenn sie wirklich persönlich vor Ort sein müssen? MOSEDALE: Wir organisieren ihre Flüge. Und die Kosten dafür trägt das Militärgericht? MOSEDALE: Ja, das wird aus unserem Budget bezahlt. Wie viel Kontakt haben Sie denn zu der deutschen Justiz? MOSEDALE: Nicht sehr viel. Wir hatten gegenseitige Besuche und haben uns mal das Landgericht in Paderborn angesehen, im Gegenzug sind die deutschen Justiziare auch zu uns gekommen, um sich die Unterschiede anzusehen. Es sind die Richter, die hauptsächlich daran interessiert sind, sich die Unterschiede anzuschauen. Auf der anderen Seite habe ich aber auch einen deutschen Mitarbeiter, der für den Kontakt zur deutschen Staatsanwaltschaft zuständig ist, wenn zum Beispiel deutsche Zeugen vernommen werden müssen. Wenn ein Soldat eine deutsche Frau hat, die mit auf Militärgelände lebt, kann es trotzdem sein, dass sie nach wie vor über die deutsche

2 Staatsanwaltschaft herbestellt werden muss. In wie viele Fälle sind Deutsche im Schnitt involviert? MOSEDALE: Das schwingt hin und her. Es kann sein, dass wir einen Fall nach dem anderen bekommen, wo Deutsche involviert sind und dann kann es zwei Monate geben, da sehe ich hier gar keine Deutschen. Was passiert, wenn ein Deutscher einen Soldaten auf deutschem Boden zusammenschlägt? Wo landet das? MOSEDALE: Die Entscheidung, ob ein Fall vor unserem Gericht landet liegt ausschließlich bei der deutschen Justiz. Wenn ein Vorfall auf Kasernengelände passiert, steht es beinah schon fest, dass der Fall hier landen wird. Wenn etwas draußen auf den Straßen passiert, geht es automatisch an die deutsche Justiz. Die Entscheidung, wo der Fall dann landet liegt bei der Staatsanwaltschaft. Es gab einen Fall vor ein paar Monaten, wo eine britische Militärpolizistin einen Deutschen wegen Vergewaltigung angezeigt hat. Der Prozess hat am Paderborner Landgericht stattgefunden. Wenn draußen etwas in dieser Art passiert, kann das auch komplett an uns vorbeigehen. Wenn also etwas außerhalb der Kasernen passiert, dann liegt die Entscheidung immer bei der deutschen Staatsanwaltschaft. Dieser Prozess der Entscheidung hat bereits stattgefunden, bevor mich ein Fall erreicht. Vor Ort hat unsere Militärpolizei den Kontakt zur deutschen Polizei. Wie genau der Hergang bei der Entscheidung, wo der Fall landet aussieht, weiß ich nicht genau. Im Militärgericht entscheidet eine Jury, die aus Soldaten besteht. Warum sitzen Soldaten in der Jury und keine Zivilisten? MOSEDALE: Es gibt zwei Seiten im Militärgericht. Es gibt das Court Martial und es gibt das Service Civilian Court. Court Martial behandelt Soldatenfälle. Das Service Civilian Court behandelt Fälle von Zivilisten, die Mitglieder der Streitmacht sind, also Alle, die zu uns gehören, aber nicht im Militär sind. Das könnte zum Beispiel eine Lehrerin sein, eine verheiratete Frau, meine Kinder oder ich selbst. Im Civilian Court ist die erste Station wie das Amtsgericht. Es ist ein echter Richter, der dort sitzt und kein Schöffe. In diesem Court gibt es keine Soldatenjury - hier trifft der Richter die Entscheidungen. Die Beweismittel bekommt der Richter erst nach der Anhörung. Wenn der Richter den Angeklagten für schuldig befindet, trifft dieser auch das Urteil. Der Angeklagte, der für nicht schuldig befunden ist, wird gefragt, ob er in diesem Gericht bleiben möchte, oder ob es an das Court Martial übergeben werden soll. Wenn das gewollt ist, geht es an das Court Martial, aber unter diesen Umständen wird die Jury aus Zivilisten bestehen. Wir hatten einen Fall hier im November, für den eine solche Jury aus England hergekommen ist. Im Militär wiederum ist die unterste Gerichtsebene der befehlshabende Offizier der Einheit. Der Soldat erscheint also vor dem befehlshabenden Offizier. Diesem ist es aber nur erlaubt mit bestimmten Straftaten umzugehen. Wenn es um eine Schlägerei geht, ist das in Ordnung. Wenn es um schwere Verletzungen geht, kann er nicht entscheiden. Wenn es um sexuelle Belästigung geht, darf er auch nicht - solche Fälle müssen dann direkt an das Court Martial übergeben werden, welches dem Landgericht gleich käme. Wenn er dort als schuldig befunden wird, wird er durch den Richter und ein Gremium aus Offizieren verurteilt. Der Richter ist dafür zuständig, den Prozess zu managen und sicherzustellen, dass alles im legalen Rahmen verläuft. Der Richter entscheidet jedoch nicht über schuldig oder unschuldig. Aber warum gibt es diese Unterscheidungen zwischen einer Jury aus Zivilisten und einer Jury aus Soldaten überhaupt? MOSEDALE: Das geht auf Gesetzesgrundlagen aus 2006 zurück. Weil die Regierung diese Entscheidung getroffen hat. Es ist nicht immer so gewesen. Das alte Court Martial System sah anders aus. Früher war der Richter ein Militäroffizier, bevor die Regierung das Court Martial umgestellt hat, als Reaktion auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (2002), wonach das alte System als ein Verstoß gegen die Menschenrechte eines Soldaten erachtet

3 wurde. Die Menschenrechte eines Soldaten? MOSEDALE: Ja. Haben Soldaten denn andere Menschenrechte als der Rest der Bevölkerung? MOSEDALE: Ein Soldat geht Vorschriften und Konditionen ein, die ein normaler Zivilist nicht eingeht. Das Militär hatte schon immer ein militärisches Gericht. Ich denke, dass das im deutschen System nicht unbedingt anders ist. Ich glaube auch die Bundeswehr hat so etwas wie das Court Martial. Aber in einem militärischen Fall hat es immer eine militärische Jury gegeben. Zum Beispiel haben wir hier bald einen Prozess, der sich um etwas dreht, was in Afghanistan stattgefunden hat. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass eine Jury, die aus Soldaten besteht, die Bedingungen in Afghanistan bzw. die Umstände in einem militärischen Umfeld kennen und verstehen. Und das beeinflusst dann die Entscheidung? MOSEDALE: Das kann passieren. Nicht auf das grundsätzliche Urteil, aber auf das Strafmaß. Also geht es darum die Täter zu verstehen und wer versteht die Opfer? MOSEDALE: Ich würde sagen, dass die Jury in der Lage ist beide Seiten zu verstehen. Es kann auch anders herum sein: Dass ein Zivilist sagen würde Okay, das war nicht so schlimm und die Soldatenjury würde sagen, Sorry, aber das ist gegen unsere Grundsätze und Werte. Okay, im ersten Moment klingt das, als würde die Soldatenjury eher sagen, Okay, wir waren auch in Afghanistan, wir wissen wie schlimm es da unten ist und verstehen, warum du den Typen wegen seines dummen Spruchs zusammenschlagen musstest. MOSEDALE: Ähm, nein (lacht). Das ist dann also nicht die Intention. MOSEDALE: Nein. Wie fällt die Jury denn ihr Urteil, müssen die Jurymitglieder einstimmig entscheiden oder zählt die Mehrheit? MOSEDALE: Es zählt die Mehrheit. Daher besteht die Jury immer aus 3, 5 oder 7 Leuten. Das genaue Abstimmungsergebnis wird nicht bekanntgegeben. Der Präsident der Jury wird gefragt, ob sie eine Entscheidung getroffen haben und dieser sagt ja und schuldig oder nicht schuldig. Ich würde das genaue Ergebnis nicht wissen. Der Richter würde es vielleicht wissen, ich jedoch nicht. Und der nächste Schritt wäre dann, dass der Richter die Juroren darüber aufklärt, in welchem Rahmen das Strafmaß anzusiedeln ist. Beispielweise würde er sagen, nein zwei Jahre Gefängnis wären zu viel, legal sind in diesem Fall nur sechs Monate, oder ähnliches, richtig? MOSEDALE: Ja. Das Court Martial folgt den Gesetzen von England und Wales. Es gibt verschiedene Kategorien von Schäden. Die Festlegung des Strafmaßes folgt den britischen, militärgerichtlichen Gesetzen. In Zivilprozessen werden ziemlich genau die gleichen Gesetze befolgt, wie hier (in Deutschland). Was passiert, wenn jemand für schuldig erklärt wird? MOSEDALE: Wenn jemand für schuldig befunden ist, kann ihn das Court Martial direkt verurteilen. Das hängt vom jeweiligen Fall und dem Individuum ab. Wenn es zum Beispiel um einen Minderjährigen-Fall geht minderjährig nach Court Martial Grundlagen, wenn der Betroffene zum Beispiel 19 ist, wäre er noch minderjährig und wenn er alleine ist, keine Kinder hat und derjenige noch keine Eintragungen hat, es also das erste Mal ist, dass er gerichtlich in

4 Erscheinung tritt, dann kann es passieren, dass das Strafmaß direkt gefällt wird. Wenn es zum Beispiel ein Major oder hochrangiger Offizier ist, der verheiratet ist und vier Kinder hat und das Urteil damit Auswirkungen auf dessen Familie hat, kann es einen Vorverurteilungsbericht geben. Ein Bewährungshelfer schaut sich dann die genaue Situation des Angeklagten an. Der Bewährungshelfer ist nicht Teil des Gerichtes. Er würde Interviews führen, um einen Gesamteindruck von den Lebensumständen des Betroffenen zu bekommen. Wenn zum Beispiel Kinder betroffen sind, dann wird der Bewährungshelfer auch da den Kontakt herstellen und einen Bericht schreiben, in dem ein Vorschlag für das zu treffende Strafmaß hervorgeht. Das dauert normalerweise bis zu drei Wochen. Wenn das Opfer minderjährig ist, dann gibt es Kurse von der Sozialeinrichtung, die normalerweise 17 bis 18 Wochen dauern. Das Strafmaß kann dann nach sechs Monaten bekannt gegeben werden, damit die Interviews des Bewährungshelfers nach dem Absolvieren des Kurses geschrieben werden können. Eine Art der Bestrafung ist ein vorübergehender Abzug aus dem Militär. Welcher Sinn steckt dahinter? MOSEDALE: Korrekt. Der Ort an den sie geschickt werden, nennt sich Military Corrective Training Centre. Es ist also ein Trainingscenter und kein Gefängnis. Es ist nur möglich jemanden für maximal zwei Jahre in dieses Trainingscenter zu schicken, derjenige darf also zu maximal zwei Jahren verurteilt worden sein. Es gibt zwei Quartiere. Das eine ist A wing. Wenn ein Soldat zu, sagen wir sechs Monaten, verurteilt wird, verliert er seine Freiheit und wird wie im Gefängnis nicht bezahlt. Sie gehen in dieses Vollzeit-Trainingslager, um dort zu einem besseren Soldaten zu werden, als Vorbereitung darauf, wieder zurück in die Armee zu kommen. Wenn jemand jedoch entlassen wird, geht es ins D wing, welches ein exzellentes Wiedereingliederungsprogramm hat. Heißt das, es ist egal was passiert, ein Soldat wird immer am eheste in das Trainingscamp geschickt, um der Armee nicht wirklich verloren zu gehen? MOSEDALE: Das Trainingslager ist auch in England, in Colchester das ist das Hauptlager. Wir haben derzeit auch drei kleinere in Deutschland, wegen der Vereinbarungen mit dem Aufnahmeland. Eins ist in Gütersloh, eins in Paderborn und eins in Fallingbostel. Diese Einrichtungen können Soldaten jedoch nur für 16 Tage aufnehmen. Wenn sie zu sechs Monaten verurteilt sind, müssen sie also rüber nach Colchester. Für die Armee ist das natürlich immer noch besser, als sie komplett rauszuschmeißen, damit sie wieder an der Front einsetzbar sind. MOSEDALE: Das ist der Grund, weshalb sie dorthin geschickt werden und nicht ins Gefängnis. Es ist nicht möglich in der Armee zu sein, wenn man im Gefängnis war. Es kann aber auch vorkommen, dass sich die Armee, je nachdem was passiert ist, für die Entlassung eines Soldaten ausspricht. Fakt ist, wer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, ist raus aus der Armee. Wie unabhängig ist die Staatsanwaltschaft vom Militär? MOSEDALE: Das Military Court Service ist unabhängig von der Befehlskette. Die Staatsanwaltschaften gehören jedoch zum Militär und treffen die Entscheidung, ob sie mit dem Fall fortfahren. Der Leiter der Staatsanwaltschaften ist jedoch ein Zivilist. Das ist also missverständlich. Die Staatsanwälte sind alles Militäranwälte. Es gibt aber keine Verbindung zur Jury. Wenn du zur Universität gehst und einen Abschluss in Rechtswissenschaften machst und in einer Kanzlei für sagen wir sechs Monate arbeitest, und entscheidest, dass das nichts für dich ist und zur Armee willst, dürftest du in den nächsten 15 Jahren nicht als Juror im Militärgericht in Erscheinung treten. Weil du einen juristischen Hintergrund hast und juristische Praxis hattest. Wenn du einen Abschluss hast, aber nie als Jurist gearbeitet hast, ist es für dich möglich in der Jury zu sitzen. Was sind die Voraussetzungen dafür, einen Soldaten strafrechtlich zu verfolgen? MOSEDALE: Wenn es einen Vorfall gab, wird entweder die hier stationierte Militärpolizei oder

5 die deutsche Polizei, oder eine Kombination aus beiden den Fall bearbeiten. Der Vorfall wird dem befehlshabenden Offizier der Einheit gemeldet. Der wird den Polizeibericht haben, Zeugen befragen und die Beweise zusammentragen. Wenn der Fall einen deutschen Zivilisten betrifft, muss er den Fall abgeben, weil es nicht in seiner Macht liegt, einen deutschen Zivilisten in den Zeugenstand zu bitten. Ich kann einen deutschen Zeugen herbestellen, aber ein befehlshabender Offizier kann das nicht. Sobald also ein Deutscher betroffen ist, muss er den Fall an unser Gericht abgeben. Wenn der Fall aber in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, trifft er die Entscheidung über schuldig oder unschuldig. Wenn er für unschuldig entscheidet, wird der Fall fallen gelassen. Wenn er für schuldig plädiert, kann er das Strafmaß in seinem, ihm möglichen, Rahmen verhängen. Alles andere landet hier bei uns. Wenn der Offizier mit dem Fall umgeht, holt er sich eine Rechtsberatung bei der Legal Division Branch einem Team aus Anwälten, in Herford. Er wird fragen, was er mit dem Fall tun soll, was das angemessene Strafmaß wäre, etc. Wenn er den Fall abgeben muss, geht es an die Service Prosecuting Authority in Deutschland, in Bielefeld, was ein weiteres Team von Anwälten ist. Die sind komplett unabhängig von der Legal Division Branch. Die schauen sich dann den Fall an und entscheiden, ob sie den Fall leiten oder nicht. Dass bedeutet, dass wenn sie feststellen, dass der Fall von hoher Bedeutung für die Öffentlichkeit ist und im Interesse des Militärs verhandelt werden sollte, er an das Court Martial übergeben wird. Oder sie sagen, Nein, es gibt nicht genügend Beweismaterial, wir werden das Verfahren einstellen. Dem Soldaten wird dann ein Schreiben zugestellt, aus dem hervorgeht, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Was passiert, wenn jemand verurteilt wird. Hat er die Möglichkeit Berufung einzulegen, bzw. in nächster Instanz vor einem anderen Gericht nochmal zu klagen? MOSEDALE: Ja, dann geht es zum Court Martial Appeal Court, das ist das UK s court of appeal in London, im Royal Court of Justice. Wenn wir von einem Soldaten sprechen, der im Court Martial für schuldig befunden wurde und der Berufung einlegen möchte, geht es an das Court Martial Appeal Court. Meinen Sie die Opfer? Ja. Wo können die Opfer nochmal versuchen zu klagen? MOSEDALE: Sehr schwierig. Wenn die Service Prosecuting Authority entscheidet, dass der Fall fallen gelassen wird, bekommt das Opfer ein Schreiben, in dem steht, dass zu wenige, stichhaltige Beweise vorliegen, um den Fall aufzunehmen. Wenn der Fall verloren ist, ist er verloren? MOSEDALE: Wenn der Fall verloren ist, ist er verloren, ja. Wer finanziert die Prozesse? MOSEDALE: Die Prozesse werden aus Steuergeldern finanziert. Es ist also nicht so, dass die Kosten des Verfahrens der als schuldig Verurteilte trägt oder der Kläger, der den Prozess verloren hat, wie es in Deutschland möglich wäre? MOSEDALE: Nein. Aber in Deutschland kann man sich auch rauskaufen, oder? (lacht). Das erinnert mich aber auch an einen der größten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem britischen System. Im britischen System hat der Angeklagte das absolute Recht, sich selbst zu vertreten. Da gibt es aber eine spezielle Technik. Er muss den Leuten Fragen stellen. Er kann nicht sagen, als du in den Raum kamst, hast du das und das gemacht, sondern er muss fragen, Was hast du gemacht, als du in den Raum kamst? Er kann keine Aussagen treffen. Wenn sich ein Angeklagter aber entscheidet, sich vertreten zu lassen, kann er entweder privat mit seinem Anwalt kommen, was bedeutet, egal ob er gewinnt oder verliert, er muss den Anwalt bezahlen, oder sie nehmen einen Anwalt von der Arm Forces Criminal Legal Aid Authority. Der gestellte Anwalt bekommt einen Teil seines Geldes vom Gehalt des Angeklagten. Wenn der Angeklagte für schuldig befunden wird, verliert er dieses Geld. Wird er freigesprochen, bekommt er das Geld zurück plus Entschädigung. Wenn er Euro gezahlt hat und sein Anwalt hat gekostet, dann bekommt

6 er zurück, plus Entschädigung. Okay, und wie sah das System vor der Zentralisierung aus? MOSEDALE: Vorher galt das Armed Forces Act von Damals gab es einen Posten für einen permanenten Präsidenten des Court Martial. Diesen Posten gab es in jedem Court Martial Centre. Dieser Militäroffizier hat sich die meisten Fälle zusammen mit einem Gremium angehört. Ein ziviler Richter war dann anwesend, wenn es zivilrechtliche Fragen zu klären gab, oder wenn es zum Beispiel um sexuelle Übergriffe ging, denn das fällt nicht ins Militärrecht sondern ins Zivilrecht. Der Richter war aber mehr in beratender Funktion anwesend, als er das heute ist. Das System wurde 2002 jedoch als Unrecht eingestuft. Daraufhin wurde das ganze System umgestellt. Früher gab es zum Beispiel hier in Deutschland fast an allen Standorten ein eigenes Court Martial eins in Gütersloh, eins in Osnabrück, eins in Hohne und eins in Bielefeld und heute gibt es nur noch dieses eine. In 2009 wurden die alle geschlossen und dieses Gericht wurde eröffnet. Der Unterschied zum heutigen System ist, dass der Richter, der Zivilist ist, Vorrang hat. Bei dem Stichwort sexuelle Übergriffe musste ich gerade noch einmal an den Fall der Militärpolizistin denken. Der Angeklagte war Deutscher und der Fall ist vor dem Landgericht gelandet. Warum ist der Fall nicht hier gelandet, wenn hier auch Vergewaltigungen verhandelt werden? MOSEDALE: Weil der Angeklagte Deutscher ist und mit deutschen Angeklagten nur deutsche Gerichte umgehen dürfen. Wie genau die Entscheidungen getroffen werden, müssten Sie nochmal bei der deutschen Staatsanwaltschaft nachfragen. Das werde ich, denn mir stellt sich die Frage, warum auf die Täter und nicht auf die Opfer geschaut wird? MOSEDALE: Das war ein deutscher Zivilist. Dieses Gericht hier handelt im Rahmen der Gesetze von England und Wales, daher liegt es bei der deutschen Gesetzgebung, wenn etwas außerhalb der Kasernen durch einen Deutschen verübt wird. Wenn es ein Soldat ist, der Mitglied des britischen Militärs ist, liegt die Restriktion aufgrund des Truppenstatuts bei uns. Und dennoch erscheint es unfair. Diese Militärpolizistin ist Mitglied des britischen Militärs und sie wird durch ihre eigenen Gesetze nicht geschützt, das gleiche gilt im umgekehrten Fall. Wenn ich von einem britischen Soldaten vergewaltigt werde, habe ich unter Umständen also keinen Schutz durch die Rechtsprechung meines Landes, obwohl es auf deutschem Boden passiert ist. Ich bin der Meinung, ich sollte in meinem Land ein Recht darauf haben, dass dieser Fall vor einem deutschen Gericht verhandelt würde. Genau wie diese Frau sich sagen wird, Okay, ich bin Britin und ich arbeite für das Militär, warum geht das nicht an mein Gericht? MOSEDALE: Das ist eine Frage, die über meinen Wissensstand hinaus geht, die ich leider nicht beantworten kann, weil ich das nicht weiß. Mhm, Sie sagten die Entscheidung, wo ein Fall landet, liegt bei der deutschen Justiz. MOSEDALE: Ja. Kann es sein, dass die Übertragung möglichst vieler Fälle, die mit Soldaten zu tun haben, dazu dient Geld zu sparen, denn Prozesse kosten Geld, richtig? MOSEDALE: Das könnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Ich habe einen Richter mal sagen hören, es gibt keinen Preis für Gerechtigkeit. Für die Gerechtigkeit ist nichts zu teuer, genau wie ich jemanden herfliegen lasse, wenn der Richter entscheidet, dass er keine Videokonferenz will, sondern einen Zeugen persönlich verhören möchte. Ich habe diesen Zeugen aus Australien nach Paderborn einfliegen lassen. Ich kann leider absolut nichts dazu sagen, wie die deutsche Justiz ihre Entscheidung trifft.

7 Das ist in Ordnung, ich werde das auf der deutschen Seite nachfragen. MOSEDALE: Ich denke es kommt darauf an, wo etwas passiert. Es gab zum Beispiel einen Fall im Mai 2014, über den Ihre Zeitung meines Wissens nach auch berichtet hat, wo eine Deutsche auf das Kasernengelände gekommen ist. Eine deutsche Frau, die einen Soldaten, mit dem sie in einer Beziehung war, auf Kasernengelände besucht hat und von ihm vergewaltigt wurde? MOSEDALE: Ja, auf sehr grausame Art und Weise. Was wurde da entschieden? MOSEDALE: Er hat 10 Jahre Gefängnis bekommen. Ich dachte Militärdienst und Gefängnis geht nicht zusammen? MOSEDALE: Doch, er kann ins Gefängnis. Das Gericht hat eine Vielzahl von Möglichkeiten. Wenn es um einen schweren Vergewaltigungs-Fall geht und er schuldig gesprochen wird, wird er nicht in ein Trainingslager geschickt, sondern aus dem Militär geworfen. Also sind das die härtesten Fälle, für die ein Soldat ins Gefängnis geht. Es muss schon Vergewaltigung oder Mord sein? MOSEDALE: Nein, man kann auch für schwere Betrugsfälle oder Körperverletzung im Gefängnis landen. Das andere ist, dass die Trainingslager nur für Soldaten sind. Da kann man keinen Offizier hinschicken. Wenn ein Offizier in Haft geht, muss er die Armee verlassen. Er geht dann ins Gefängnis, auch wenn er nur zu sechs Monaten verurteilt wurde. Wenn ich nun als Deutsche einen Fall hier vor diesem Gericht habe, wie gut oder schlecht darf/muss mein Englisch sein? MOSEDALE: Was wir anbieten, ist das deutschen Zeugen ein Dolmetscher gestellt wird. Es sei denn der deutsche Zeuge lehnt das ab. Es kann sinnvoll sein einen Dolmetscher zu haben, auch wenn man fließend Englisch spricht, weil es einem mehr Zeit gibt auf die Fragen zu antworten. Ich würde es immer jedem empfehlen einen Dolmetscher an der Seite zu haben. Gibt es einen Fall, in den ein deutsches Opfer verwickelt war, der Ihnen aus irgendeinem Grund im Gedächtnis geblieben ist? MOSEDALE: Ich denke der Fall im Mai Wir hatten mal einen Totschlag-Fall, der bestimmt schon zwei Jahre her ist. Bei einem Skiurlaub wurde dort jemand getötet. Dafür mussten deutsche Zeugen und Polizisten herkommen. Nach und nach werden die Soldaten ja aus Deutschland abgezogen. Wie lange wird das Militärgericht noch hier sein? MOSEDALE: Ich gehe davon aus, dass wir mindestens bis 2018 hier sein werden, weil das die Zeit ist, zu der alle weg sein sollen, wenn diese Frist nicht verschoben wird. Das Problem mit dem Gericht ist, dass wenn es einen Vorfall gibt, es bis zu neun Monaten dauern kann, bis ermittelt wurde, Zeugen geladen und verhört wurden. Das könnte dazu führen, dass das Gericht länger hier sein wird, als die Armee. Wenn deutsche Zeugen verhört werden, werden sie über die deutsche Staatsanwaltschaft geladen. Wir können aber nicht veranlassen, dass Deutsche nach England fliegen, um dort verhört zu werden. Alles was in 2018 passiert, muss verhandelt werden. Damit die Fälle verhandelt werden können, bei denen es deutsche Zeugen oder Opfer gibt, müssen diese Prozesse hier stattfinden. Ob es dann hier in diesem Gebäude stattfindet oder irgendwo anders, weiß ich nicht. Das Personal besteht hier aus fünf Leuten. Vier Briten, mich eingeschlossen und einem deutschen Zivilisten. Wie lange sind Sie persönlich schon hier tätig?

8 MOSEDALE: Ich bin seit Oktober 2010 hier. Und was ist Ihr Hintergrund? Was haben Sie vorher gemacht? MOSEDALE: Ich war 30 Jahre Militäroffizier. Ich bin 2005 in Rente gegangen, habe in verschiedenen Zentralen als Personalleiter gearbeitet für fünf Jahre und dann diesen Job angenommen. In Ihrer Position darf man also kein Anwalt oder Richter sein, aber zum Militär gehören? MOSEDALE: Ich gehöre, wie alle Mitarbeiter hier, nicht zum Militär. Ich habe hier einen Posten, der von einem Zivilisten besetzt sein muss, welcher aber einen militärischen Hintergrund haben darf. Wann geht man im Militär in Rente? MOSEDALE: Ich bin kurz vor meinem 55. Geburtstag in Rente gegangen.