Kinderarmut in Deutschland und der OECD
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- Wilhelmine Weiss
- vor 6 Jahren
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1 Ringvorlesung Sozialreformen und soziale Gerechtigkeit Kinderarmut in Deutschland und der OECD Dr. Michael Fertig (RWI Essen)
2 Kinderarmut in Deutschland und der OECD Überblick über Präsentation 1. Mögliche Konsequenzen von Kinderarmut 2. Definition und Messung von Kinderarmut 3. Kinderarmut in Deutschland 4. Deutschland im internationalen Vergleich 5. Schlussfolgerungen
3 1. Mögliche Konsequenzen von Kinderarmut Trotz hohem Wirtschaftswachstum und Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen: Kinderarmut noch nicht verschwunden In OECD-Staaten: 3-25% aller Kinder arm Häufig ist Aufwachsen in Armut verbunden mit: Gesundheitlichen Problemen Lernschwierigkeiten und schlechteren Schulabschlüssen Höherer Wahrscheinlichkeit delinquenten Verhaltens Späterer Arbeitslosigkeit Inwieweit das Aufwachsen in Armut hierfür tatsächlich die Ursache ist, lässt sich nur sehr schwer ermitteln Voraussetzung: Überblick über Stand und Entwicklung von Kinderarmut in Deutschland und im int. Vergleich
4 1. Mögliche Konsequenzen von Kinderarmut Politische Relevanz: Kinder werden in politischer Debatte oft mit einem Armutsrisiko assoziiert Hieraus wird häufig die Forderung abgeleitet, der Staat müsse Familien mit Kindern höhere Unterstützungsleistungen gewähren Debatte beruht aber auf unzureichender Information Untersuchung des RWI in Kooperation mit UNICEF: Beitrag zu informierter Diskussion durch statistisches Porträt von Kinderarmut in Deutschland und deren Entwicklung im Zeitablauf
5 2. Definition und Messung von Kinderarmut Armut = relative Einkommensarmut von Personen unter 18 Jahren Datenbasis: Sozio-Ökonomsiches Panel (SOEP) Repräsentative Befragung von Haushalten in Deutschland Jährliche Durchführung Erhebung von Einkommensinformationen und soziodemographischen Charakteristika Westdeutschland: ; Ostdeutschland: Startpunkt: Haushaltsbruttoeinkommen (real, in Euro des Jahres 2000) bestehend aus Arbeitseinkommen (inkl. EK aus Selbständigkeit) Einkommen aus Kapitalerträgen EK aus privaten und öffentlichen Transfers Renten/Pensionen
6 2. Definition und Messung von Kinderarmut Haushaltsnettoeinkommen = Haushaltsbruttoeinkommen abzüglich Steuern und Sozialabgaben Annahme: Haushaltsnettoeinkommen wird unter allen Mitgliedern des Haushalts gleichmäßig aufgeteilt Berücksichtigung von Größenvorteilen von Mehrpersonenhaushalten durch Anpassungsfaktor (Äquivalenzskala): Wurzel aus der Anzahl der Haushaltsmitglieder Ergibt: Individuelles Netto-Äquivalenzeinkommen jeder Person in einem Haushalt Mit dessen Hilfe wird dann die Armutsgrenze bestimmt Hierfür sind unterschiedliche Definitionen möglich
7 2. Definition und Messung von Kinderarmut Hier: Eine Person unter 18 ist (relativ) arm, wenn ihr individuelles Netto-Äquivalenzeinkommen weniger als 50% des gesamtdeutschen Medianeinkommens (Armutsgrenze) des jeweiligen Jahres beträgt Armutsgrenzen: 1991: ca pro Jahr 2001: ca pro Jahr Alternativen hierzu: 60% des Medianeinkommens Spezifisch west- bzw. ostdeutsche statt gesamtdeutscher Armutsgrenze Beide Alternativen ändern Niveau der Kinderarmut, aber nicht Muster im Zeitablauf
8 2. Definition und Messung von Kinderarmut Auf Basis dieser Informationen wurden folgende Indikatoren zur Kinderarmut geschätzt: Armutsinzidenz: Kinderarmutsraten Armutsdynamik: Eintrittsraten in und Austrittsraten aus der Kinderarmut Armutsdauer: Anzahl der Jahre in Kinderarmut und Wahrscheinlichkeit für Wiedereintritt in Kinderarmut, nachdem sie verlassen wurde Alle Indikatoren jeweils für Ost- und Westdeutschland Personen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit Verschiedene Familientypen (Singles mit und ohne Kind, Paare mit vielen, wenigen und ohne Kindern)
9 3. Kinderarmut in Deutschland Armutsinzidenz: Kinderarmutsrate in Westdeutschland im Laufe der 1980er moderat gesunken und seit Beginn der 1990er in Gesamtdeutschland deutlich gestiegen 2001: 10,2% aller Kinder lebten in relativer Armut (entspricht ca. 1,5 Mio. Personen) Zunahme seit 1991: Ca. 2,5 Prozentpunkte Anstieg nur unwesentlich kleiner bei konstanter Armutsgrenze (z.b. des Jahres 1991) Kinderarmutsrate in Ostdeutschland in den meisten Jahren signifikant höher als im Westen (2001: 12,6% vs. 9,8%) Kinder in nicht-deutschen Haushalten sind seit Mitte der 1990er stärker von Armut betroffen als Kinder in deutschen Haushalten; trifft vor allem auf neuere Einwandererkohorten zu
10 3. Kinderarmut in Deutschland Armutsraten für verschiedene Familientypen unterscheiden sich vor allem im Vergleich von Paaren mit Singles Armutsdynamik: Eintrittsraten in Ost- deutlich höher als in Westdeutschland: Im Durchschnitt der 1990er 4,5% (Ost) vs. 3,5% (West) p.a. Dies ist die treibende Kraft hinter den höheren ostdeutschen Kinderarmutsraten, da die Austrittsraten ungefähr gleich sind (jeweils ca. 47% p.a.) Signifikant unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten sind auch zwischen deutschen und nicht-deutschen Haushalten beobachtbar Armutsdauer: Dauer je Armutsereignis beträgt für Kinder im Schnitt ca. 1,4 Jahre
11 3. Kinderarmut in Deutschland Ca. 60% aller Kinder verlässt die Armut binnen eines Jahres 10% aller Kinder weisen aber auch Armutsdauern von drei und mehre Jahren auf Hierbei existieren keine signifikanten Unterschiede zwischen Ost und West oder zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen Aber: Deutliche Unterschiede zwischen Alleinerziehenden und anderen Haushaltstypen Verweildauer außerhalb der Armut, nachdem diese verlassen wurde, d.h. Wiedereintritt in Kinderarmut variiert ebenfalls deutlich Im Schnitt ist jedes zweite Kind spätestens vier Jahre nach Verlassen der Armut erneut davon betroffen Höchstes Wiedereintrittsrisiko bei Kindern von Alleinerziehenden beobachtbar
12 4. Deutschland im internationalen Vergleich Im Vergleich der OECD-Länder liegt Deutschland im Mittelfeld Niedrigsten Kinderarmutsraten in skandinavischen Ländern; höchste in Mexiko und USA In meisten Ländern Anstieg der Kinderarmut während der 1990er beobachtbar Im Schnitt war dieser Anstieg jedoch geringer als in Deutschland Verbesserung der Situation von Kindern am stärksten in UK, allerdings auf sehr hohem Niveau Deutliche Verschlechterung v.a. in Transformationsländern
13 4. Deutschland im internationalen Vergleich Besonderes interessant am Ländervergleich ist die unterschiedliche Wirkung staatlicher Transferleistungen Diese spielen eine wichtige Rolle für die Bekämpfung von Kinderarmut; ohne sie wäre in allen Ländern die Kinderarmut deutlich höher In Deutschland läge z.b. die Kinderarmutsrate ohne staatliche Transfer bei 18% statt bei 10,2% In Deutschland ist der armutsreduzierende Einfluss staatlicher Transfers zwischen 1991 und 2001 aber deutlich gesunken
14 4. Deutschland im internationalen Vergleich Im Ländervergleich zeigt sich, dass höhere Ausgaben für Familien mit niedrigeren Kinderarmutsraten einhergehen Aber: Vor allem im Mittelfeld werden unterschiedlich hohe Summen ausgegeben, wobei sich die Kinderarmutsraten kaum unterscheiden Die Höhe staatlicher Transfers alleine ist offenbar nicht entscheidend, sondern auch deren Ausgestaltung und Verknüpfung mit anderweitigen Unterstützungsangeboten
15 5. Schlussfolgerungen Anstieg der relativen Kinderarmut in Deutschland im Laufe der 1990er Treibender Faktor: Höheres Eintrittsrisiko in Armut Dürfte vor allem auf Arbeitsmarktentwicklung zurückzuführen sein Am stärksten betroffene Gruppen: Alleinerziehende und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die erst vor wenigen Jahren zugewandert sind Hinsichtlich letzteren bleibt abzuwarten, ob sich deren Einkommenssituation mit einer längeren Aufenthaltsdauer verbessert (Aufholprozess)
16 5. Schlussfolgerungen Debatte um Kinder als Armutsrisiko ist zu pauschal Für Paare lassen sich keine signifikanten Unterschiede in der Betroffenheit von Armut feststellen Alleinerziehende hingegen weisen höhere Armutsraten auf als kinderlose Singles Pauschale Erhöhung der Zuwendungen an Familien mit Kindern keine erfolgversprechende Strategie im Kampf gegen Kinderarmut Auch aus internationalem Vergleich wird deutlich, dass Geld ausgeben alleine nicht notwendigerweise zu niedrigeren Kinderarmutsraten führen muss Stattdessen: Konzentration der Leistungen auf am stärksten Betroffene
17 5. Schlussfolgerungen Parallel: Bessere Unterstützungsangebote v.a. für Alleinerziehende notwendig (Erzielung von Markteinkommen) Langfristig beste Strategie gegen Kinderarmut: Gute Ausbildung der Kinder von heute
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