Zeit für Kita-Leitung
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- Innozenz Müller
- vor 6 Jahren
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1 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Baden-Württemberg Qualität in Kindertageseinrichtungen Zeit für Kita-Leitung
2 2 RUBRIK Qualitätsentwicklung in Kitas erfordert Investitionen in Leitungszeit! // Die GEW tritt seit Jahren für eine verpflichtende Leitungszeit ein. Das Geld wäre da! Doch soll es in einen Kinderbildungspass (KiBiPa) fließen. // Gesellschaftliche und gesetzliche Veränderungen, die Einführung der Bildungs- und Orientierungspläne sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse haben dazu geführt, dass sich die Arbeit in Kindertageseinrichtungen (Kitas) in den letzten Jahren stetig verändert hat und immer höhere Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte und Kita-Leitungen gestellt werden. So werden Kitas in immer stärkerem Maße als Allheilmittel angesehen, um viele - auch schwerwiegende Probleme - zu lösen. Die Forderungen reichen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis hin zur nachhaltigen Integration zugewanderter Menschen, vom Ausbau eines Sozialraum-Managements bis hin zum Abbau des Mangels an naturwissenschaftlich und technisch begeistertem Nachwuchs. Vor allem die Leitungsfunktion einer Kindertageseinrichtung hat sich zu einer komplexen und vielschichtigen Aufgabe entwickelt, die mit der Führung eines Unternehmens durchaus vergleichbar ist. Die Kita-Leitung ist verantwortlich für die Sicherstellung der pädagogischen Qualität der Einrichtung und dafür, dass ein fortlaufender Qualitätsentwicklungsprozess entsteht. Daneben sind die täglichen Managementaufgaben zu lösen und ein möglichst reibungsloser Betriebsablauf zu gewährleisten. Dabei bewegt sie sich stets im Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Trägerverantwortlichen, der Fachkräfte und der Eltern. Deshalb: Kita-Leitung geht nicht nebenbei!
3 RUBRIK 3 Bertelsmann-Studie: Kita-Leitung als Schlüsselposition Leitungskräfte spüren Belastung // Die hohe Belastung von Kita-Leitungskräften wird in der Studie Kita-Leitung als Schlüsselposition. Erfahrungen und Orientierungen von Leitungskräften in Kindertageseinrichtungen belegt. // Die bundesweite Befragung von 140 Kita- Leitungen führten Prof. Dr. Iris Nentwig- Gesemann von der Alice Salomon Hochschule Berlin zusammen mit Katharina Nicolai und Luisa Köhler im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durch. Der Studie zufolge sind die Aufgaben- und Anforderungsprofile der Leitungen oftmals unbestimmt und Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in der einzelnen Kita nicht geklärt. Die Wissenschaftlerinnen waren Katrin Schmidt-Sailer leitet eine Kita mit 36 Beschäftigten. Mit ihrem Team ist sie für 146 Kinder und ihre Familien zuständig. Als Leitung einer so großen Einrichtung habe ich einen Managerjob im pädagogischen Bereich. Ich muss die Konzeption und das große Ganze im Blick haben, aber auch die Reparatur der Wasserhähne, da es keinen Hausmeister gibt. Und ich bin Vorbild für die Kolleg/innen, wenn es darum geht mich immer wieder der Vielfalt an Aufgaben zu stellen, Prioritäten zu setzen und mich ständig zu reflektieren. Ich muss hinter dem Konzept stehen und meine Mitarbeiter/innen einbeziehen und wenn nötig motivieren, und erst dann kann ich erwarten, dass die Kolleg/innen auch jedes Kind und jede Familie mitnehmen. Und dafür brauche ich Zeit. Sowas kann nicht neben dem Gruppendienst geleistet werden. überrascht von der Diversität an Leitungsaufgaben, -kompetenzen und -persönlichkeiten. Als weiteres Ergebnis der Befragung lässt sich festhalten, dass sich Leitungskräfte permanent als Verwalter/innen des Mangels erleben und sie ständig in einem Spannungsfeld zwischen ungenügenden strukturellen Rahmenbedingungen und einem steigenden Aufgabenspektrum agieren. Trotzdem bleiben sie am Steuer, stärken ihre Teams und übernehmen die Anwaltschaft für die ihnen anvertrauten Kinder. Deshalb: Kernaufgaben von Kita-Leitungen klar definieren! Cornelia Vogel, Leiterin eines Kinder- und Familienzentrums mit 35 Beschäftigten und 80 Kindern im Alter von 1-14 Jahren und ihren Familen. Als Leitung eines Kinder- und Familienzentrums (KiFaz) habe ich viel mehr an koordinierenden Aufgaben zu bewältigen. Öffentlichkeitsarbeit ist ausgesprochen wichtig, dazu gehört es Netzwerke zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Ich bin kontinuierlich im Gespräch mit Eltern und vielfältigen sozialen Einrichtungen, von der Schule bis zum Jugendamt. Dafür brauche ich Zeit.
4 4 RUBRIK Bertelsmann Stiftung - Sonderauswertung Zu wenig Zeit für Leitungsaufgaben in Kitas // Das Ergebnis der Sonderauswertung des Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme Zu wenig Zeit für Leitungsaufgaben in KiTas zeigt, dass in Baden-Württemberg der Anteil der Kitas ohne ausgewiesene Leitungszeit bei 20 Prozent liegt. Nur Hessen, Berlin und Bremen schneiden schlechter ab. // Kitas ohne Leitungszeit in % 32 1,8 2,8 3,5 4,9 8,4 9,8 10,1 10,5 11,6 14, , ,7 22,9 Zeitanteile für Kita-Leitung in Baden-Württemberg Nur in 19 Prozent der Kitas in Baden-Württemberg steht den Leitungskräften ihre gesamte Arbeitszeit für Leitungstätigkeiten zur Verfügung. 57 Prozent der Kita-Leitungen sind anteilig freigestellt und haben ein kombiniertes Aufgabenprofil: Sie sind zugleich Gruppenleitung, Zweit- bzw. Ergänzungskräfte im Gruppendienst oder übernehmen gruppenübergreifende Tätigkeiten. (März 2015 Bertelsmann Stiftung). 19% 4% 57% 20% keine Person 1 Person anteilig 1 Person vollständig ein Leitungsteam (vollst. o. anteilig) Prof. Dr. Nentwig-Gesemann führt in der Studie Kita-Leitung als Schlüsselposition dazu aus, dass Leitungskräfte, die auch noch im Gruppendienst tätig sind (in Ba.-Wü. sind dies 75,7%), immer wieder zwei Rollen austarieren und reflektieren müssen. Zum einen die der Chefin und Managerin, zum anderen die des Teammitglieds und der Bezugsperson für Kinder und Eltern. Sie stehen dabei wiederkehrend vor der Herausforderung diese beiden Bereiche zu gewichten und u. U. einen davon vernachlässigen zu müssen.
5 RUBRIK 5 KiTas ohne Leitungszeit nach Einrichtungsgröße Fehlende Leitungszeit ist in Baden-Württemberg nicht nur ein Problem kleiner Kitas. 27 Prozent der Leitungskräfte kleiner Kitas steht keine Zeit für Leitungsaufgaben zur Verfügung, dies gilt aber auch für 20 Prozent der mittleren und 12 Prozent der großen KiTas. kleine KiTas (< 8 päd. Tätige) mittlere KiTas (8-12 päd. Tätige) große KiTas (> 13 päd. Tätige) Wöchentliche Leitungsstunden pro tätiger Person in Kitas 2 1,8 Im bundesweiten Durchschnitt verfügen Kita- Leitungen über 2 Wochenstunden pro tätiger Person in Kitas. In Baden-Württemberg sind es 1,5 Stunden. Deutlich wird, dass der Zeitanteil seit Jahren kontinuierlich abnimmt und die steigende Mitarbeiterzahl pro Einrichtung nicht zu einer Erhöung der Leitungszeit führt. Quelle: Bertelsmann Stiftung: Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme // Daten zum Stichtag ,7 1,6 1, Uta Köhler leitet eine Kita mit 25 Kindern und hat eine Mitarbeiterin. Sie ist gleichzeitig Grupplenleitung. Für die Leitungsaufgaben steht ihr keine Leitungszeit zur Verfügung. Wir gehen regelmäßig zu Leiter/ innentreffen, zu Treffen mit Kooperationspartnern, halten Kontakt zum Träger, Schulen, Elternvertreter/ innen und müssen z.b. Datenschutzrichtlinen im Blick haben und Branschutzübungen durchführen. Ich schiebe viele Überstunden vor mir her, die ich nicht abbauen kann. Kernaufgaben von Kita-Leitungen Zu den Kernaufgaben von Kita-Leitungen gehören, so Prof. Dr. Petra Strehmel, sieben Aufgabenbereiche: 1. Die pädagogische Leitung und Betriebsführung, 2. die Führung und Förderung der pädagogischen Mitarbeiter/innen, 3. die Zusammenarbeit im Team, mit Eltern und Kooperationspartnern im Sozialraum, 4. die Organisationsentwicklung mit allen Beteiligten, 5. das Selbstmanagement, (eigene fachliche Positionierung und Fortbildung, Arbeitsorganisation, Zeitmanagement, Reflexion der eigenen Führungsrolle), 6. die Beobachtung von Rahmenbedingungen und Trends und das Ziehen von Schlussfolgerungen für die Einrichtung sowie 7. die strategische Planung für das eigene Leitungshandeln. Quelle: Strehmel, P./Ulber, D. (2014): Leitung von Kindertageseinrichtungen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WIFF-Expeertisen, Bd. 39.
6 6 RUBRIK Die gesetzliche Verankerung der Leitungszeit ist notwendig! In Baden-Württemberg fehlt noch immer die Verankerung einer verbindlichen Leitungszeit im Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG). Geregelt ist nur, wer die Leitung einer Kita übernehmen darf ( 7 KiTaG Abs. 6). Und die Ausführungshinweise des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales in Baden-Württemberg (KVJS) zur Kindertagesstättenverordnung (KiTaVO) weisen unter Bezug auf 47 SGB VIII lediglich darauf hin, dass der Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung dem KVJS den Namen und die berufliche Ausbildung der/des Leiter/in anzuzeigen hat. Weder sind bisher die Kernaufgaben einer Kita-Leitung klar definiert noch ist die Notwenigkeit einer verbindlichen Leitungszeit benannt. Die konkrete Ausgestaltung der Leitungsfunktion und die sogenannte Freistellung vom Gruppendienst liegt somit im Ermessen der Kommunen bzw. der Kita-Träger. Wird diese, so der KVJS, jedoch freiwillig gewährt, muss in demselben Umfang - zur Einhaltung des Mindestpersonalschlüssels - eine Fachkraft für die Arbeit mit den Kindern eingestellt werden. Deshalb: Qualitätsentwicklung erfordert Zeit! Kita-Leitungen brauchen fachliche Begleitung! In Baden-Württemberg gibt es keine Regelung über Fach- und Praxisberatung. Dies liegt ausschließlich in der Verantwortung der Träger. Um dem anspruchsvollen Tätigkeitsproil Rechnung tragen zu können, benötigen Kita-Leitungen bedarfsgerechte Fort- und Weiterbildungen. Diese müssen, so Nentwig-Gesemann, sowohl die Erfordernisse berücksichtigen, die das Management kleinerer oder mittlerer Unternehmen mit sich bringt als auch die Spezifika einer pädagogischen Institution, deren Kernaufgabe in der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern, also personenbezogenen sozialen Dienstleistungen liegt. Zusätzlich bedarf es einer kontinuierlichen Begleitung durch fachliche und kollegiale Beratung, individuelles Coaching und Supervision. Für die Qualifizierung der Kita-Leitungskräfte wird ein eigenes Curriculum empfohlen, das sich am Aufgabenprofil der Kita-Leitung orientiert. Dazu sollten verschiedene Qualifizierungswege möglich sein: einschlägige Studiengänge (Bachelor- und- Masterstudiengänge) Fort- und Weiterbildungsmodule, die in einem Baukastensystem zu Zertifikaten mit Ausweitung und Akkreditierung nach ECTS zu einem Abschluss auf Bachelorniveau zusammengeführt werden können Berufsbegleitende, zertifizierte Fort- und Weiterbildungen insbesondere für erfahrenes pädagogisches Personal bzw. Tätige in stellvertretenden Leitungspositionen. Ute Méon, Leiterin einer Kindertageseinrichtungen mit 85 Kindern und 10 pädagigischen Fachkräften. Sie hat aus eigenem Antrieb berufsbegleitend studiert und sich auf eigene Kosten weitergebildet. Sie ist psychologische Beraterin, Fachwirtin im Sozialwesen sowie staatlich anerkannten Sozialfachmanagerin. Mit meinen Zusatzausbildungen fühle ich mich gut gewappnet für schwierge Situationen. Auswirkungen auf die Eingruppierung haben die Zusatzqulifikationen allerdings nicht.
7 RUBRIK 7 Deshalb fordern wir: Leitungszeit statt KiBiPa! (Kinderbildungspass) // Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag und den Nebenabreden finden sich keine Aussagen bezüglich der finanziellen Mittel, die für die verbindliche Umsetzung des Orientierungsplans und damit in die dringend notwenige Qualitätsentwicklung der Kitas fließen sollen. // Die Landesregierung hat sich aber darauf verständigt, jährlich 84 Millionen Euro in einen Kinderbildungspass (KiBiPa) zu investieren, um Familien im letzten Kindergartenjahr zu entlasten. Damit will sie die frühkindliche Bildung stärken. Wie dies aber erreicht werden soll, wenn die Gelder an die Eltern gehen und nicht in die KiTas investiert werden, ist ein Rätsel. Auch ein zusätzlicher Integrationseffekt kann durch diese Maßnahme bei einer Betreuungsquote von nahezu 100 Prozent wohl kaum erreicht werden. In erster Linie verursacht die Genehmigung und Ausgabe eines solchen KiBiPa zusätzliche Bürokratie und Kosten. Deshalb: Leitungszeit statt KiBiPa! Deshalb setzt sich die GEW entschieden dafür ein, verbindliche Zeitkontingente für Leitungskräfte festzuschreiben. Es darf nicht länger akzeptiert werden, dass in vielen Einrichtungen die gesamte Arbeitszeit von Kita-Leitungen für den Gruppendienst vorgesehen ist. Die GEW fordert mindestens 25% Zeit für Leitungsaufgaben pro Kita-Gruppe und zum Ausgleich für die Arbeit am Kind, die Einstellung von zusätzlichem Fachpersonal. Die Anzahl der Kinder und Mitarbeiter/innen bzw. die individuellen Bedarfe der Kinder und Familien müssen zeitlich ebenfalls berücksichtigt werden. Impressum Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg Silcherstraße 7, Stuttgart, Tel , info@gew-bw.de, Redaktion: Heike Pommerening November 2016
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