Zaberns Bildbände zur Archäologie. Hatschepsut. Eine Frau als König von Ägypten. Bearbeitet von Marianne Schnittger

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1 Zaberns Bildbände zur Archäologie Hatschepsut Eine Frau als König von Ägypten Bearbeitet von Marianne Schnittger 1. Auflage Buch. 150 S. Hardcover ISBN Format (B x L): 30 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Geschichte > Alte Geschichte & Archäologie > Altes Ägypten & Ägyptische Archäologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Hatschepsut und die Welt ihrer Götter Ägypten wurde von den Griechen als das frömmste Land der Welt bezeichnet, als das einzige Land, das die Götter auf die Erde zu den Menschen geholt hat. Tatsächlich waren die Ägypter eng mit ihrer Götterwelt verbunden. Für unser Verständnis ist das ägyptische Pantheon sehr komplex, und seine Vielfalt stellt den modernen Betrachter gelegentlich vor Probleme. Nur selten haben die Gottheiten eine klar umrissene Funktion und überraschen immer wieder durch ihre unterschied - lichen Erscheinungsformen und Eigenschaften. Nach ägyptischer Vorstellung schlossen diese einander aber nie aus, widersprachen sich nicht einmal, sondern stellten lediglich die verschiedenen Aspekte einer einzigen Gottheit nebeneinander dar, die in mehreren Rollen auftreten konnte. Im Folgenden werden daher nur Götter erklärt, die Hatschepsut uns, im zweiten Teil, in den Reliefs der Roten Kapelle vorstellt. Dazu gehören vor allem ihr göttlicher Vater Amun und die drei göttlichen Mütter Hathor, Amaunet und Mut. Auch Horus spielt eine besondere Rolle, er erscheint auf den Reliefs in seinem Aspekt als Königsgott. Die Göttin Maat ist das Symbol für Gerechtigkeit und Harmonie im irdischen wie im kosmischen Bereich, an der sich alles Handeln zu orientieren hatte. Wichtig war für Hatschepsut auch das Götter - konsortium der sogenannten Neunheit**, das, wie wir sehen werden, in keinem ihrer großen Tempel fehlt. Abb. 11 Die Spit ze des um ge stürz ten Obe li sken Hat schep suts am Heiligen See im Tempel von Kar nak. Wir sehen Amun-Re in seiner normalen Gestalt mit der hohen Doppelfederkrone. Die Arme des Gottes sind als Ka-Hieroglyphe gestaltet. Im «Ka-Gestus»** einer angedeuteten Umarmung bei der Krönung überträgt Amun Hatschepsut die göttlichen Kräfte als Legitimation für ihr Königsamt. Die dreispaltige Beischrift lautet: «Es spricht Amun-Re, der Herr des Himmels: Ich habe meiner Tochter Maatkare das Königtum der Beiden Länder (und) das Amt des Atum gegeben, so wie sie liebt, möge sie leben»*. Die Til gung des Amun-Na mens in der Amar na zeit unter Ech na ton und die spä te re Restaurierung un ter den Ra mes si den ist deutlich erkennbar. Hinter dem Gott steht die Schutzformel: «Aller Schutz (und) alles Leben ist hinter ihm wie Re ewiglich»*. Darüber ein Lotosblatt auf einem schen-ring** (Sn). Hatschepsuts göttliche Eltern: Amun, Hathor, Amaunet und Mut Amun Die Ursprünge des Gottes Amun (äg. Imen, Jmn), dessen Name von den Ägyptern später als «geheim, verborgen» gedeutet wurde, sind umstritten. Obwohl Amun zusammen mit Amaunet schon in den Pyramidentexten** des Alten Reiches (Pyr. 446) erwähnt wird, ist er im thebani- Hatschepsut in ihrer Zeit 29

3 schen Raum erst zu Beginn des Mittleren Reiches nachweisbar. Zu dieser Zeit wird Amun dem Namen des obersten Sonnengottes Re vorangestellt. Der Aufstieg des Reichsgottes Amun-Re ist von da an untrennbar mit dem Aufstieg Thebens zur späteren Weltstadt verbunden. Im Mittleren Reich entwickelte sich dort der erste Tempel des Gottes, Ipet-sut (Jp.t-s.wt), unter Umständen zu übersetzen als «Der auserwählte Ort», zum mächtigen Reichs - tempel von Karnak (vgl. Abb. 91) und sein weiter flussauf gelegener Tempel Ipet-resit (Jp.t-rsj.t), «Südliches Heiligtum», zum heutigen Tempel von Luxor (vgl. Abb. 37). Amun ist Hatschepsuts göttlicher Vater, der von ihr geliebte und verehrte Gott, dem sie alle ihre Bauten geweiht hat. Ihm ist auch die Rote Kapelle gewidmet, allein auf ihren Reliefs erscheint sein Name mit den zahlreichen Beinamen und Titeln mehr als dreihundert Mal. Amun ist in erster Linie menschen gestaltig und trägt häufig die hohe Doppel federkrone, die ihn auch auf den Darstellungen der Roten Kapelle auszeichnet (Abb. 11). Mindestens genauso oft sehen wir ihn auf Tempel reliefs in Karnak und Luxor in einer zweiten Erscheinungsform, in der Gestalt des ithyphallischen Gottes Min (Abb. 12). Das ist Amun als Schöpfergott, Symbol der Fruchtbarkeit, wie er bei Regenerationsritualen auftritt. Die Rote Kapelle zeigt Amun auffallend oft in dieser Gestalt, er scheint ganze Wände zu dominieren. Meist steht er als Kultstatue auf einem Sockel, vor der Hatschepsut Opferhandlungen vollzieht. Trotz der zweifelsfrei Min zuzuordnenden Ikono grafie lautet der Name dieses Gottes nie Amun-Min, sondern immer Amun oder Amun-Re, der meist mit weiteren Epitheta wie «König der Götter» oder «Herr der Throne der Beiden Länder» versehen wird. Abb. 12 Ein dreistufiges Lattichbeet (in Aufsicht) mit Lattichpflanzen hinter dem Kultbild des ithyphallischen Gottes Amun «Herr der Throne der Beiden Länder, Herr des Himmels, Herrscher von Iunu (Heliopolis), der Leben geben möge». Die Lattichpflanze (Lactuca sativa L.) ist das Symbol des Fruchtbarkeitsgottes Min. In der Roten Kapelle begleitet sie Amun in seiner ithyphallischen, dem Gott Min entliehenen Gestalt, die ihn als Schöpfergott charakterisiert. Auch der Sockel im Sanktuar zeigt dieses Motiv, allerdings als einstufiges Lattichbeet. Vor Amun stand wohl einst Hatschepsut mit einem Strauß aus Lotosblüte, Papyrusdolde und Knospen. Hinter dem Lattichbeet folgen Amuns Worte (an Hatschepsut): «Ich habe dir gegeben die Jahre der Ewigkeit, indem du erschienen bist in der Königsherrschaft über die Beiden Länder [wie] Re». Rote Kapelle, Sanktuar, Südwand, 2. Register, Block Hatschepsut in ihrer Zeit

4 Min Min (äg. Menu, Mnw) ist ein archaischer Gott aus Koptos. Er ist an diesem Ort durch drei Kolossalstatuen belegt, die möglicherweise aus dem späten 4. Jt. v. Chr. stammen und heute in den Museen in Oxford und Kairo aufbewahrt werden. Unverwechselbar kennzeichnen ihn sein ungegliederter aber nicht mumienförmiger Körper und der Phallus. Sein rechter nach hinten hochgestreckter Arm hält die Geißel, seine linke Hand den Phallus. Der linke Arm ist aber nur an rundplastischen Darstellungen zu sehen; im Relief ist er vom Körper verdeckt. Über einer eng anliegenden Kappe trägt er das Stirnband mit dem im Rücken bis zum Boden herabhängenden Bandende und die Doppelfederkrone des Amun. Zu seiner Ausstattung gehören zusätzlich die über seiner Brust gekreuzten schmalen Bänder, wahrscheinlich aus rotem Leder, die ihm als Schmuck und Machtzeichen im Kultbildritual vor der Salbung angelegt werden (Abb. 12). Elemente des Min-Heiligtums In Koptos stand seit vor- und frühgeschichtlicher Zeit ein Min-Heiligtum mit verschiedenen Elementen und Symbolen, die Mins ithyphallische, auf einer Plinthe stehende Gestalt begleiten. Auf den Reliefs der Weißen Kapelle Sesostris I. (12. Dynastie) und der Alabasterkapelle Amenhoteps I. (frühe 18. Dynastie), die im Freilichtmuseum des Karnak-Tempels gegenüber der Roten Kapelle (vgl. Abb. 33) wieder errichtet wurden, lassen sie sich gut studieren und mit denen auf der wenige Meter entfernten, etwa 500 bzw. 150 Jahre später gebauten Roten Kapelle vergleichen. Auch hier erscheint Amun-Re in der Gestalt des Min immer als Kultstatue auf einer Plinthe. Aber von den Elementen des Min-Heiligtums ist nur noch ein ihn begleitendes Attribut wiedergegeben: ein kleiner Schrein mit einer offenen Lotosblüte (vgl. Abb ) oder einem fächerartigen Lotosblatt (vgl. Abb ), oder er erscheint nur vor einem Beet mit Lattichpflanzen (Abb. 12). Amun-Kamutef Zum Aspekt des Amun als Schöpfergott ge hört auch sein komplexer Beiname «Ka mu tef» (KA-mw.t=f ), Stier seiner Mutter. Er ist eng mit der Kö nig si de o lo gie, das heißt der gött li chen Ge burt und dem gött li chen Kö nig tum ver knüpft. Eine mögliche In ter pre ta tion dieses Beinamens lautet: «Stier (= Be gat ter) sei ner (= des Kö nigs) Mut ter» und be zieht sich auf den re gie ren den Kö nig, der sich auf Amun als sei nen gött li chen Va ter be ruft. Gleichzeitig umschreibt er das Prinzip der göttlichen Regeneration. Der Sonnengott vereinigt sich am Abend mit der Himmelsgöttin Nut, die ihn am Morgen wiedergebiert er ist damit zugleich Gemahl und Sohn der Göttin. Das farbige Deckengewölbe der Sargkammer Ramses VI. (KV 9) beschreibt dieses abstrakte Prinzip sehr anschaulich. Nut verschluckt am Abend die Sonnenscheibe. Ihr langgestreckter, sich über die Deckenmitte hinunterbeugender Leib zeigt den Weg der Sonnenscheibe durch ihren Körper bis zur Wiedergeburt am nächsten Morgen. Analog zur Götterwelt sieht Jan Assmann darin «die spezifische Unsterblichkeit des Königtums», in der sich der König in einem «unendlichen Zyklus von Verkörperungen in einem weiblichen Komplement ( ) immer wieder selbst hervorbringt.» Hatschepsut betonte aber nicht nur die Nähe zu ihrem göttlichen Vater, sondern auch ihre Bindung an weibliche Gottheiten, insbesondere an ihre drei göttlichen Mütter. Hatschepsuts enges Verhältnis zu Hathor ist durch die Kultstätten und Bilder ihres Tempels in Deir el-bahari seit langem bekannt. Weniger geläufig ist die Rolle der Göttin Amaunet, die sich in den Bildern der Roten Kapelle offenbart. Der Name der Göttin Mut kann als «Mutter» verstanden werden, zumindest wird das Wort für Mutter genauso geschrieben, und sie ist in dieser Rolle im Amun- Tempel von Karnak und im Mut-Tempel immer wieder dargestellt. Hatschepsut in ihrer Zeit 31

5 Hathor Hathor gehört zu den ältesten Göttinnen Ägyptens und ihr Name (Hut-Hor, «Haus des Horus») ist eng mit dem des Horus verbunden. Ihr Emblem sind die nach außen gebogenen Kuhhörner mit der Sonnenscheibe. Sie ist eine sehr facettenreiche Gottheit, die, anthropomorph oder als Wildkuh dargestellt, in die verschiedensten Rollen schlüpfen kann: Himmels-, Mutter-, Königsgöttin; Göttin der Freude, der Musik, der Sexualität. Im Raum von Deir el-bahari besaß sie von alters her ein Heiligtum, dem bereits die ersten Talfest-Prozessionen galten. Hatschepsut richtete ihr auf der Südseite der mittleren Terrasse eine große Kapelle ein, die vermutlich nicht weit von der ursprünglichen Hathorkultstätte aus früherer Zeit entfernt liegt. Hathor zeigt sich Hatschepsut hier in ihrem liebe - voll-mütterlichen Aspekt, in ihrer Rolle als Mutter des Königs. Im auf der Nordseite der mittleren Terrasse dargestellten Geburtsgeschehen überreicht sie die gerade erst geborene Hatschepsut ihrem Vater Amun. Danach stillt sie das Kind in ihrer Gestalt als göttliche Kuh und verleiht ihr so die göttliche Legi - timation auch von weiblicher Seite. Hathor gilt aber auch als Herrin von Punt, dem Ziel von Hatschepsuts Expedition (siehe S. 50), und wird sich nach deren er folgreichem Abschluss, zusammen mit Amun, an den von dort mitgebrachten Weihrauchbäumen auf der unteren Terrasse von Deir el-bahari erfreuen. Später ist sie in dem auf der Roten Kapelle beschriebenen Krönungsgeschehen präsent und assistiert Hatschepsut beim Ornatswechsel. Abb. 13 Hathor-Kapitell in der Hathor-Kapelle auf der Südseite der mittleren Terrasse des Tempels von Deir el-bahari. Die Göttin mit der dreigeteilten Strähnen - perücke und den Kuhohren trägt als Bekrönung ihr Kultinstrument, das Sistrum, ein rasselndes Musikinstrument. Es erscheint hier in der Form eines Schreins, eines Naos, mit zwei Spiralen, dessen Innenfeld zwei aufgerichtete Uräen mit Kuhhörnern und Sonnenscheibe zeigt. Amaunet Auch Amaunet, Imenet (Jmn.t), ist eine alte Göttin. In der Zeit der Pyramidentexte scheint sie eher die Rolle einer weiblichen Ergänzung zu Amun zu spielen ihr Name ist von seinem grafisch nur durch die Femininendung t unterschieden (Abb ). Erst seit dem Neuen Reich kennen wir ihre Gestalt und ihre Bedeutung im Königskult. Sowohl im Festtempel Thutmosis III., dem Achmenu, als auch in Hatschepsuts Barkensanktuar, der Roten Kapelle, tritt sie bei Krönungs- und Sedfest- Ritualen auf. In Karnak verfügt sie außerdem über einen eigenen Kult sowie eine eigene Priesterschaft. In dieser Zeit wird sie im Großen Amun-Tempel von Karnak noch als Gemahlin Amuns genannt, so auch im Kreis der Großen Neunheit (siehe S. 36). Doch schon wenig später tritt sie gegenüber der beherrschenden Rolle der Göttin Mut in Karnak in den Hintergrund. Im Vestibül der Roten Kapelle offenbart sich jedoch ein besonders enges Verhältnis zwischen Amaunet und ihrer Tochter Hatschepsut. Auf der Südwand stiftet ihr Hatschepsut, wie wir noch sehen werden, eine Prozessionsbarke, auf der Nordwand weiht sie ihr Opfertische. Die Inschriften zu dieser Szene sind sehr aufschlussreich. Im Zwiegespräch mit ihrer göttlichen Mutter ist Hatschepsut ganz Frau. Sie identifiziert sich sprachlich mit ihrer Weiblichkeit, sie benutzt kein einziges männliches Pronomen. Sie nennt sich «der König, sie selbst» (nsw Ds=s). Es ist die einzig mögliche Form, von sich als weiblicher König zu sprechen. Die übrigen Texte der Roten Kapelle wechseln 32 Hatschepsut in ihrer Zeit