Ausschreibungen: Patienten ohne Wahl! Gesund durch die 9 Monate

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1 Ausschreibungen: Patienten ohne Wahl! Gesund durch die 9 Monate Winter 2014

2 Liebe Leserinnen und Leser, wussten Sie, dass nur fünf Prozent aller Kinder am 280. Tag der Schwangerschaft geboren werden? Und dass die Wahrscheinlichkeit einer Geburt an diesem Tag damit trotzdem höher als an jedem anderen Tag ist? Neben interessanten Zahlenspielen haben wir uns mit verschieden ausgeprägten Leiden bei der Schwangerschaft beschäftigt. Die gute Nachricht bei Symphyse, Ischias und Venenbeschwerden: Oft können die Gesundheitsexperten mit Produkten aus dem Sanitätshaus helfen. Aufrecht leben Der Preis bestimmt! So lautet der Titel unseres aktuellen Gesellschaftsthemas. Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik stellt klar: Richtig mobil zu sein setzt voraus, dass der Rollstuhl immer richtig angepasst und eingestellt ist. Doch durch die Ausschreibungspraxis gesetzlicher Krankenkassen scheinen die Voraussetzungen für eine individuelle Betreuung im Sanitätshaus Ihrer Wahl nicht mehr gegeben. Ausgeschrieben wird in ganz Deutschland. Die Folge: Immer mehr Patienten mit eingeschränkter Mobilität klagen über lange Lieferzeiten, qualitativ minderwertige Mobilitätshilfen und schlechte Beratung. Gerhard Marx, stellvertretender Landesinnungsmeister in Hessen und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirats Technische Orthopädie, hat eine Petition gegen die Ausschreibung von Rollstühlen in die Wege geleitet, an der auch Sie teilnehmen können. 54 Welt- und 64 Europarekorde Diese stattliche Zahl an Spitzenleistungen werde ich in meiner Sportlerkarriere wohl nie erreichen. Sowohl auf dem paralympischen Podium als auch auf der großen Leinwand macht Kirsten Bruhn eine tolle Figur. Mit ihrer einzigartigen Karriere erregte die 45-Jährige so großes Aufsehen, dass ihr 2012 eine wichtige Rolle im Dokumentarfilm Gold Du kannst mehr als Du denkst zukam. Eine spannende Persönlichkeit. Viel Spaß beim Lesen, bleiben Sie in Bewegung! Ihr Markus Rehm Handicap International setzt sich weltweit in über 60 Ländern mit mehr als 300 Projekten für Menschen mit Behinderung ein. Die Programme fördern deren Autonomie und echte Integration in die Gesellschaft für ein aufrechtes Leben. Überreicht und bezahlt von... Mehr Informationen unter:

3 4 Intro Künstliches Feingefühl Crux statt sinnvolle Krücke Hilfsmittelkauf im Internet Orthopädie-Techniker versorgt Storch mit Prothese Kicken wie die Profis schmerzfrei in die Verlängerung 6 Portrait Rekordverdächtig: Kirsten Bruhn brachte Gold auf den Lehrplan 9 Bewegung Spitzen-Quartett: Ringen um die Rollstuhltennis-Krone in Rio Rehacare: Sport zieht! 11 Gesellschaft Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung: Der Preis bestimmt der Patient bleibt auf der Strecke Per Klick gegen Rollstuhl-Ausschreibungen 16 Gesundheit 9 Monate in Zahlen Zusammenhalten hilft 5 Fragen an die Venenspezialistin Venen unter Druck 24 Redaktionstest Schlafen wie auf Wolke 7 26 Recht Zuzahlungsfrei? Was die Krankenversicherung während der Schwangerschaft leistet 27 Menschen Interview mit Georg Fraberger: Die Seele muss frei sein 30 Handfest Handwerk am Knie 32 Service Rätselspaß I Gewinnspiel I Adressen Vorschau I Impressum Titelfoto: istockphoto.com/ pojoslaw

4 Intro Künstliches Feingefühl Amerikanische und schwedische Forscher entwickelten Handprothesen mit viel Fingerspitzengefühl. Dabei nutzten sie neuartige Verschaltungen zwischen den Prothesen und den vorhandenen Nerven im amputierten Arm der Patienten. Die Wissenschaftler konnten so deren Gespür für Gegenstände deutlich verbessern. Das amerikanische Team verwendete eine elektronische Manschette, mit der sogenannte Neuroprothesen an das Nervensystem des Trägers angeschlossen wurden. Drei solcher Manschetten im Arm reichten aus, um einem Patienten Gefühle an 19 verschiedenen Stellen seiner künstlichen Hand zu übermitteln. Ein Patient konnte im Experiment Wenn Menschen Gliedmaßen verlieren, kann ihnen mit einer Prothese oft geholfen werden. Dennoch blieb dabei der Tastsinn verloren bisher zumindest. Forschern gelang nun erstmalig die Entwicklung einer Handprothese, mit der sich sogar Weintrauben und Kirschen abzupfen lassen, ohne die Früchte zu zerquetschen. damit etwa unterscheiden, ob er einen Wattebausch oder Sandpapier berührt. Außerdem verbesserte sich die Feinmotorik. So ließ sich mit der Prothese eine Weintraube von einer Rispe abpflücken, ohne sie zu zerquetschen. Es gelang damit auch, eine Kirsche unbeschädigt von ihrem Stiel abzuzupfen. Die Nutzer der neuen Prothesen berichteten außerdem von verringertem Phantomschmerz im fehlenden Arm und von einem deutlichen Gefühl der Verbundenheit mit den künstlichen Gliedmaßen. Sie gaben an, erstmals seit dem Unfall ihre Hand zu spüren. Die Gruppe schwedischer Forscher verfolgt einen anderen Ansatz: Sie entwickelte eine Armprothese, die im Knochen des Oberarms verankert ist und im Inneren des Arms direkt an Muskeln und Nerven anschließt. Diese enge Verbindung zwischen Körper und Prothese ermöglicht dem Patienten eine größere Beweglichkeit, eine einfachere Handhabung des künstlichen Arms und eine erhöhte Empfindsamkeit. Crux statt sinnvolle Krücke Hilfsmittelkauf im Internet Vor der Bestellung und Lieferung von Produkten wie Bandagen, Kompressionsstrümpfen oder Inkontinenzhilfen über das Internet warnt die Verbraucherzentrale NRW. Was meist schnell und unkompliziert scheint, entpuppt sich jedoch oft als Crux statt sinnvolle Krücke. Foto. Izabela Habur/ istockphoto.com Kunden verlieren auf dem virtuellen Gesundheitsmarkt leicht die Orientierung. Denn webweit werden nicht nur geprüfte Qualitätswaren, sondern auch Lifestyle- und selbst deklarierte Gesundheitsprodukte als medizinische Hilfsmittel angeboten, warnt die Verbraucherzentrale. Sie rät, Hilfsmittel bei körperlichen Einschränkungen nicht ohne ärztliche Absprache zu bestellen. Medizinische Hilfsmittel, wie etwa Einlagen, Kompressionstrümpfe, Prothesen oder Rollstühle, müssten individuell angepasst werden, damit sie keine gesundheitlichen Schäden verursachten.

5 Foto: DPA/Picture Alliance Orthopädie-Techniker versorgt Storch mit Prothese Merlin hat dank raffinierter Orthopädie-Technik ein neues Bein: Tierarzt Ralf Schweda und Orthopädie- Techniker Alf Reuter passten einem schwer verletzten Storch eine feste Prothese an. Der vier Monate alte Jungvogel kam schwer verwundet in eine Auffangstation für Greifvögel. Eine Tierärztin musste dem Schwarzstorch einen Teil des rechten Beines amputieren. Damals dienten noch Lockenwickler als erste Prothesenattrappe. Orthopädie-Techniker und Tierarzt nahmen sich des Tiers an und tüftelten an einer dauerhaften Prothese und an einem Befestigungssystem. Dann wurde das Tier erneut operiert drei Titandrähte wurden durch den Knochen gezogen, um die Prothese später daran befestigen und verschrauben zu können. Doch der Weg dahin war lang und steinig: Ein Druckgeschwür am gesunden Bein und Wundheilungsstörungen am operierten Stumpf verhinderten, dass die Prothese dauerhaft eingesetzt werden konnte. Mittlerweile ist alles verheilt, und Merlin steht wieder mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Die neue Prothese besteht unter anderem aus einer hochfesten Aluminiumlegierung und Karbonfasermaterial. Am Ende der Prothese befindet sich ein Gummistopfen, auf dem Merlin steht. Dieser Stopfen dient als Stoßdämpfer, sagt Reuter. Die Prothesenform folgt in erster Linie der Funktion das ist Reuter ganz wichtig. Ihm ging es nicht um eine kosmetische Prothese, sondern um eine, die dem Storchenleben in jeder Hinsicht gerecht wird. Deshalb hat sie auch einen Stopfen am Ende: Mit einer künstlichen Kralle könnte das Tier an Wurzeln hängen bleiben das wollten die Tüftler auf jeden Fall vermeiden. Foto: Greifvogelauffangstation Malsfeld Kicken wie die Profis schmerzfrei in die Verlängerung Foto. Leipziger Messe / Tom Schulze Der Fußballprofi Christoph Metzelder hat eine Einlagenkollektion entwickelt, die sowohl Cityeinlagen für elegante und Businessschuhe als auch Aktiveinlagen für Sportund Freizeitschuhe umfasst. Nach jahrelangen Schmerzen, bedingt durch eine Entzündung der Sehnenplatte in der Fußsohle und die darauffolgende OP, erhielt er individuelle Einlagen und sagt heute: Ohne meine Einlagen hätte ich nach der OP wahrscheinlich nie wieder so hochklassig kicken können. Ich habe meine Schmerzen im Zaum gehalten, und mein Fuß stand einfach stabiler. Er weiß aus eigenem Erleben, dass vielgeschundene Fußballerfüße eine besondere Sorgfalt und Individualität, aber auch Stabilität benötigen. Dies gab den Ausschlag für die Entwicklung einer Christoph-Metzelder-Einlagenkollektion. Die Einlagen der Metzelder-Kollektion können im Sanitätsfachhandel erworben werden. Hier werden sie auch speziell an die Fußprobleme des Sportlers angepasst. Auf diese Weise versorgt, steht der schmerzfreien Jagd auf das Tor nichts mehr entgegen. 5

6 Portrait Rekordverdächtig Kirsten Bruhn brachte Gold auf den Lehrplan An Talenten mangelt es ihr sicher nicht: Sowohl auf dem paralympischen Podium als auch auf der großen Leinwand macht Kirsten Bruhn eine tolle Figur. Seit einem Motorradunfall 1991 ist die Ausnahme-Schwimmerin wegen einer inkompletten Querschnittlähmung auf den Rollstuhl angewiesen, sportlich startete sie ab 2002 trotzdem voll durch und gewann mehrfach alle bedeutenden Wettbewerbe. Mit ihrer einzigartigen Karriere erregt die 45-Jährige so großes Aufsehen, dass Filmproduzent Andreas Schneider sie 2012 zu einer von drei Protagonisten des Dokumentarfilms Gold Du kannst mehr als Du denkst auserkor. Inzwischen hat Bruhn die Schwimmbrille an den Nagel gehängt und leistet deutschlandweit Inklusions-Arbeit. In jedem steckt etwas Außergewöhnliches: Die Karriere von Gold-Protagonistin Kirsten Bruhn übertraf alle Erwartungen. Foto: Wittmershaus/DGUV

7 Geboren als jüngstes von fünf Kindern im schleswigholsteinischen Eutin, wurde Kirsten Bruhn mit gerade einmal drei Jahren buchstäblich ins kalte Wasser geworfen : Schon Vater, Mutter und Geschwister waren Leistungsschwimmer oder Wasserballspieler, die Leidenschaft für den schwerelosen Sport liegt in der Familie. Mit zehn Jahren schwamm auch Bruhn auf Leistungsniveau, Erfolge erzielte sie dabei sowohl im Junioren- als auch im Senioren-Bereich. Beruflich peilte die Schwimmbegeisterte 1991 ein Studium in Design und Grafik an, doch alles kam anders. Bei einem Sommerurlaub auf der griechischen Insel Kos verunglückte Bruhn auf einer Serpentinenabfahrt als Beifahrerin auf einem Motorrad. Der Sturz verursachte einen Bluterguss, der auf die Nerven des Rückenmarks drückte: Bruhn erlitt eine inkomplette Querschnittlähmung und war von da an auf den Rollstuhl angewiesen. Allein die anschließende Rehabilitation dauerte zwei Jahre, den Schwimmsport setzte Bruhn in dieser Zeit nur fort, um fit und beweglich zu bleiben. Erst elf Jahre später schlug ihr eine Schwimmkameradin vor, bei einem Wettkampf des Deutschen Behindertensportverbandes an den Start zu gehen. Die Neumünsteranerin konnte sich über ein gutes Abschneiden freuen, gab sich erneut dem Leistungssport hin und kletterte bloß zwei Jahre später zum ersten Mal auf den höchsten Podiumsplatz. Bei den Paralympischen Spielen 2004 in Athen sicherte sich Bruhn nicht nur die Goldmedaille über 100 Meter Brust, sondern auch Silber über 100 Meter Rücken und 50 Meter Freistil sowie Bronze über 100 Meter Freistil. Balsam für Bruhns Seele: Als ich dort auf dem Podium die deutsche Nationalhymne hörte, wurde die bis dahin schlimmste Situation meines Lebens die Ursache für einen der schönsten Momente in meinem Leben, erinnert sich die 45-Jährige. Ein Erfolg reihte sich an den nächsten, und zwischen 2004 und 2013 gewann Bruhn wirklich jeden Titel. Diese Leistungen wurden vor den Paralympischen Spielen in London 2012 sogar zur künstlerischen Inspiration. Gemeinsam mit dem blinden Marathonläufer Henry Wanyoike aus Kenia und dem australischen Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley wurde Bruhn Protagonistin des Films Gold Du kannst mehr als Du denkst. Die Dokumentation begleitete die drei Spitzensportler ein Jahr lang auf ihrem Weg zu den Londoner Paralympics sportlich wie auch privat: Es gab eine sehr emotionale Situation, in der ich in meinem früheren Zimmer im Unfallkrankenhaus Hamburg/Boberg meine Erinnerungen an den Unfall und die Momente danach schildern musste. Jetzt muss das Thema Inklusion thematisiert werden. Tipps von Kirsten Bruhn zur Hilfsmittelversorgung Das A und O bei einer optimalen Hilfsmittelversorgung ist die Kommunikation. Da es schwierig ist, die verschiedenen Hilfsmittel zu probieren, ist der Austausch mit dem Orthopädie-Techniker, dem Arzt und der Krankenversicherung wichtig. Man muss sich auch ähnliche Versorgungen bei anderen Patienten ansehen. Neuversorgungen oder Reparaturen durch einen Orthopädie-Techniker sollten stets schnell und sorgfältig erfolgen. Im Umgang mit der Krankenkasse ist eine gute Vorbereitung wichtig. So ist es beispielsweise sinnvoll, den Sachbearbeitern der Krankenversicherung anhand von Belegen und Bildern die Hilfsmittel zu zeigen, die man benötigt. 7

8 Foto: Lindoerfer/DGUV Das Wasser ist ihr Element. Es war eine Zeitreise zurück in die Ängste und Schmerzen, das negative Gefühl von damals kam noch einmal hoch. Premiere feierte die Doku auf der Berlinale 2013, im März 2014 strahlte auch die ARD den Streifen aus. Ein lohnendes Erlebnis, findet Bruhn: Ansonsten klappte es super: Ich musste schließlich einfach ich selbst sein. Das kann ich sehr gut. In diesem Jahr hat Kirsten Bruhn ihre außergewöhnliche Laufbahn beendet. Zwar steigt sie nicht länger ins Becken, ihr Einsatz für den Behindertensport geht aber weiter. Schon seit längerer Zeit ist das Multitalent Botschafterin des Weißen Rings und des Deutschen Roten Kreuzes, zugleich arbeitet sie jetzt im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB): In meiner Tätigkeit dort geht es vor allem darum, Opfern von Unfällen und Patienten zu zeigen, dass man auch nach traumatischen Erlebnissen und mit Einschränkungen in der Mobilität Optionen und Möglichkeiten hat. Moderne Technik eröffnet hier neue Wege: Sehr wichtig sind da heutzutage die sozialen Netzwerke, weiß Bruhn, denn sie zeigen den Betroffenen: Hey, da ist jemand, dem es ähnlich geht wie mir. Immer noch eine wichtige Rolle spielt dabei Gold, den Bruhn zur Sensibilisierung an Universitäten, Schulen und anderen Institutionen vorführt: Zusammen mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist es den Produzenten sogar gelungen, dass der Film in Hamburg fest ins Schulsystem aufgenommen wurde. Jetzt muss das Thema Inklusion nach Lehrplan thematisiert werden eine sehr nachhaltige Botschaft. Doch nicht nur das, selbst an den dortigen Polizeischulen ist Gold mittlerweile Pflicht. Das ist ein wirklicher Meilenstein, freut sich Bruhn. Solche Inklusions-Arbeit liegt voll im Trend und zeigt Wirkung: Ich habe den Behindertensport in den Jahren 2002 bis 2014 hautnah erlebt und konnte auf jeden Fall eine steigende Akzeptanz bemerken. Zwar nimmt nicht unbedingt die mediale Präsenz zu, aber der Grad an Professionalität bei Verbänden, Organisatoren und anderen Beteiligten hat sich stetig weiterentwickelt. Genau deshalb will Kirsten Bruhn auch in den kommenden Jahren an der Steigerung gesellschaftlicher Feinfühligkeit mitwirken: Bald habe ich einen Termin an der Sport-Uni Köln. Über die Universitäten könnten sich der Film und seine Botschaft noch weiter verbreiten. Vielleicht steht Gold mit Kirsten Bruhn dann sogar in ganz Deutschland auf dem Stundenplan. TC Ich musste einfach ich selbst sein: Das kann ich sehr gut. Aus dem Medaillenschrank: Paralympisches Gold 2004, 2008 und 2012, zu dem acht Silber- und Bronzemedaillen, 65-fache Deutsche Meisterin, sechsfache Weltmeisterin und achtfache Europameisterin, 54 Welt- und 64 Europarekorde Movens

9 Bewegung Spitzen-Quartett Ringen um die Rollstuhltennis-Krone in Rio Voriges Jahr Platz eins der Weltrangliste, bei den Paralympics in Rio 2016 heiße Kandidatin auf Gold. Solche Erfolge sind für Sabine Ellerbrock bloß Zahlen: Sie will Potenziale ausschöpfen und die eigenen Grenzen testen. Nach einer Routine-OP und einer Folgeerkrankung versteifte sich der Fuß der Bielefelder Lehrerin in einer Sichelform, Bewegungseinschränkungen und jahrelange Schmerzen waren die Folge. Zur Linderung der Symptomatik und als Anknüpfung an ihre frühere Leidenschaft begann die 38-Jährige mit Rollstuhltennis und stürmte schon bald die Ranglisten. Doch zwischen ihr und einem Podiumsplatz in Rio stehen drei starke Konkurrentinnen. M: Frau Ellerbrock, was macht für Sie den Reiz an Rollstuhltennis aus? Ellerbrock: Nach meiner Operation habe ich generell eine Sportart gesucht und mir damals die verschiedenen Möglichkeiten angesehen. Der Tennisverband hat als Erster auf meine Schreiben reagiert. Das Spielen hat viel Spaß gemacht, durch das Training bekam ich endlich Bewegung, und nach kurzer Zeit hatte ich die Schmerzen so weit im Griff, dass ich wieder arbeitsfähig war. Schon bald trat ich bei Turnieren an. Was sind Ihre Erwartungen an die Teilnahme in Rio 2016? Eine Medaille bei den Paralympics ist ein großes Ziel von mir, ich habe viel darauf ausgerichtet. Aber es wird nicht einfach, denn mittlerweile ist die Weltspitze sehr eng zusammengerückt. Aktuell entscheiden sich die Siege vor allem unter vier Leuten: der Japanerin Yui Kamiji, den beiden Niederländerinnen Jiske Griffioen und Aniek van Koot und mir. Doch die Nummer eins ist letztlich nur eine Zahl. Ich möchte die Zeit so gut wie möglich nutzen, um meine Potenziale auszuschöpfen. Und wo sehen Sie sich im Moment, gerade im Vergleich mit Ihren Konkurrentinnen? Im letzten Jahr habe ich mich noch nicht als Nummer eins gefühlt, weil ich einfach zu viele Defizite hatte. Die anderen haben den sportlichen Vorteil, zum Teil schon seit zehn Jahren auf Rädern zu spielen. Mein Körper erinnert sich noch an die alten Bewegungen. Wechselt man vom gewöhnlichen Tennis, braucht es einfach Zeit, sich daran zu gewöhnen. Zu Fuß darf man den Gegner nie aus den Augen verlieren und muss möglichst schnell sein. Im Rollstuhltennis hat man zwar das gleiche Ziel, muss aber oft mit rückwärtigem Blick arbeiten und hat den Gegner zwischenzeitlich nicht im Fokus eine ganz andere Herausforderung an Koordination und Reaktion. Spielt hier auch die orthopädie-technische Ausstattung eine Rolle? Das Material muss ab einer gewissen Spielstärke topaktuell sein, ansonsten bin ich nicht konkurrenzfähig. Ist ein Einsteiger-Rollstuhl beispielsweise mit Euro schon teuer, kostet meiner rund Er unterscheidet sich von einem gewöhnlichen nicht nur durch ein deutlich geringeres Gewicht, sondern auch durch den Sturz der Laufräder sowie zusätzliche Stützräder vorne und hinten. So wird eine größere Wendigkeit erreicht und ein Kippen des Rollstuhls vermieden. Insgesamt ist es eine Individualanfertigung, erstmals verwende ich einen Schalensitz aus Karbon, der in Holland hergestellt wurde. AM Foto: Ellerbrock 9

10 Foto: Messe Duesseldorf/ctillmann Gelebte Inklusion beim Showdown Showdown ist Aktion pur für Sehende und Blinde. Rehacare: Sport zieht! Immer mehr Rehacare-Besucher zieht es ins Sport-Center als aktiven Mittelpunkt der Fachmesse. Mehr als jeder Fünfte informiert sich beim Behindertensportverband Nordrhein-Westfalen (BSNW) über Behindertensport, inklusiven Sport und Gesundheitsvorsorge. Auch Movens schaute sich in der Sporthalle um. Die Aktionen an der großen Spielplatte erinnern an eine Mischung aus Tischtennis und Airhockey. Das Spiel Tischball auch Showdown genannt lässt sich aufgrund seiner Schnelligkeit und Dynamik am ehesten mit diesen beiden Sportarten vergleichen. Damit liegt Showdown voll im Trend. Diese Spiele ermöglichen Spaß auf Augenhöhe. Auf dem Markt gibt es inzwischen für etliche Handicaps solche Spiele, die wirklich sinnvoll sind und viel Spaß machen, bestätigt Kirsten Abel, Pressesprecherin des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik, den Trend zur spielerischen Inklusion. Showdown ist für Blinde und Sehbehinderte entwickelt worden, kann aber auch von Sehenden gespielt werden. Wegen der Chancengleichheit ist jeder Spieler verpflichtet, eine Dunkelbrille zu tragen. Gespielt wird mit einem Holzschläger und einem Kunststoffball, in welchem sich kleine Metallkugeln befinden, sodass die Ball-Bewegungen akustisch wahrnehmbar sind. Ziel des Spieles ist es, den Ball ins gegnerische Tor zu befördern. Leochrima: Laufrad mit Hilfsmotor Foto: Capitain Flottes Nahverkehrsmittel: Laufrad mit E-Antrieb. Viel los war am Stand von Josef Ilting. Dessen Firma entwickelt Elektro-Laufräder für Menschen mit und ohne Prothesen ab 16 Jahren. Der Clou an der Sache ist der kleine Hebel für das Daumengas: Der Benutzer kann während der Fahrt die Füße auf das Trittbrett stellen, entkoppelt sich somit vom Boden und kann jetzt mit der eigentlichen Balanceübung beginnen. Oder einfach Meter machen. Movens-Tester Tani Capitain probierte das Modell Leochrima aus und war begeistert: Das Rad ist wendig, hat trotzdem sehr solide Laufeigenschaften und vermittelt ein stabiles Fahrgefühl. Perfekt für die Fahrt zwischen den einzelnen Messehallen oder die Nahversorgung im Stadtteil. Durch ein manuell angebrachtes Seiten-Trittbrett können Prothesenträger bei Bedarf ihr Ersatzbein einfach abstellen und den Motor arbeiten lassen. Die Räder sollen noch in diesem Jahr in Produktion gehen und über kooperierende Sanitätshäuser vertrieben werden Movens

11 Ausschreibungen Foto: Gerhard Seybert/Fotolia.com Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung Der Preis bestimmt! Der Patient bleibt auf der Strecke twa Menschen in Deutschland sind auf Rollstühle E angewiesen. Hinzu kommen tausende Patienten, für die neben Rollstühlen auch Rollatoren und andere Mobilitätshilfen nicht nur Beweglichkeit, sondern auch Teilhabe am sozialen Leben und soziale Unabhängigkeit bedeuten. Hier zeigt sich schnell, welche Folgen schlechte Qualität und unzureichender Service haben. Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik bestätigt: Richtig mobil zu sein setzt voraus, dass der Rollstuhl immer richtig angepasst und eingestellt ist. Nur unter diesen Voraussetzungen werden effiziente und ergonomische Fahrtechniken sichergestellt. Anpassungen und Einstellungen des Rollstuhls müssen regelmäßig kontrolliert und aktualisiert werden. Denn veränderte Körperproportionen oder auch bessere Fähigkeiten im Umgang mit dem Rolli stellen neue Anforderungen an diesen. Durch Ausschreibungen gesetzlicher Krankenkassen scheinen diese Voraussetzungen aus dem Bewusstsein der Verantwortlichen gerückt zu sein. Immer mehr Patienten mit eingeschränkter Mobilität klagen über qualitativ minderwertige Mobilitätshilfen, schlechte Beratung und lange Lieferzeiten, unsachgemäße oder keine Anpassung der Sitzschalen und dadurch immer häufiger Sekundärschäden wie Dekubitus und Unfälle mit den Mobilitätshilfen. Die Einschränkung der Wahlfreiheit bei der Wahl des Sanitätshauses hat zudem zur Folge, dass Reparaturen am Rollstuhl jetzt deutlich länger dauern können als früher. Betroffene sprechen von wochenlangen Wartezeiten, denn das Sanitätshaus um die Ecke darf nicht mehr versorgen bzw. reparieren. Damit werden Patienten mit eingeschränkter Mobilität in zahlreichen Fällen dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben. 11

12 Movens lässt zwei Experten mit ihrer Meinung über Ausschreibungen zu Wort kommen. Dr. Rainer Abel und Gerhard Marx sitzen der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirates Technische Orthopädie vor. Hier entwickeln sie in einem Gremium aus namhaften Ärzten, Physiotherapeuten, Orthopädie-Technikern und Reha-Technikern Qualitätsstandards der Versorgung. Katastrophale Auswirkungen auf die Patienten Ausschreibungen sind in der Regel dazu da, standardisierte Qualität auf dem Markt möglichst günstig einzukaufen. Bei Großaufträgen mit geringem Dienstleistungsanteil mag das funktionieren, und es können wirtschaftlich vernünftige Lösungen entstehen. Man hat versucht, dieses Modell auf die Hilfsmittelversorgung zu übertragen, und nicht nur die Erfahrungen haben gezeigt, dass dies katastrophale Auswirkungen auf die Patienten hat. Es leidet nachweislich die Versorgungsqualität, führt zu finanzieller Zusatzbelastung der Patienten, und die psychische Belastung der Angehörigen steigt. Da jede Ausschreibung auf Massenabfertigung angelegt ist, steigt die Wahrscheinlichkeit von Nicht-Versorgungen von Patienten, die kurzfristig Hilfe benötigen, da die Lieferzeit sich stark verlängert und keine schnelle wohnortnahe Versorgung möglich ist. Dieser Zustand ist nicht nur für die Patienten unerträglich. Die Auswirkungen bei Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich sind dabei durchaus dokumentiert und die Problematik durch Studien belegt. So hat das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), Zentrum für angewandte Forschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, im Auftrag der AOK Hessen eine Studie* über die Versorgungsqualität mit Anti-Dekubitus-Systemen erstellt. Diese Anti-Dekubitus-Systeme wurden einer Ausschreibung unterzogen, die laut der Studie fatale Ergebnisse lieferte. Die Versorgung der Patienten fand faktisch ohne Beratung, ohne örtliche Begutachtung und durch billigste Einheitsversorgung statt. Unter diesen Bedingungen besteht die Gefahr, dass Patienten, die eigentlich gut behandelbar wären, sehr schnell Schäden durch Nichtversorgung oder Versorgungsverzögerung erleiden. Bei der nun durch die DAK ausgeschriebenen Reha-Versorgung erwarten wir ähnliche Konsequenzen. Es handelt sich bei einem Rollstuhl nicht einfach um ein Produkt, das jeder gleichermaßen nutzen kann. Der Rollstuhl muss individuell passen. Wenn er es nicht tut, leidet der Patient. So einfach ist das. Hier sollte die Politik wirklich einmal aufwachen und Probleme nicht zulasten der Patienten immer wieder auf die lange Bank schieben. Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich sind weder sinnvoll noch zweckmäßig, und damit widersprechen sie der Intention des Gesetzes. Denn im Gesetz steht: Dabei haben sie [die Krankenkassen, Anm. d. Red.] die Qualität der Hilfsmittel sowie die notwendige Beratung der Versicherten und sonstige erforderliche Dienstleistungen sicherzustellen und für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Gerhard Marx, Orthopädie-Techniker-Meister, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirats Technische Orthopädie * Endbericht.pdf Der Rollstuhl muss passen. Wenn er es nicht tut, leidet der Patient. 12 Movens

13 Ausschreibungen: Hauptsache billig! Leistungskontrolle ist notwendig Mit Inkrafttreten der Gesundheitsreform haben sich die Rahmenbedingungen der Hilfsmittelversorgung in Deutschland grundlegend verändert. Mit der Reform von 2008 wurde den Kassen die Möglichkeit von Ausschreibungen eingeräumt. Seitdem wurde das Gesetz mehrfach nachgebessert. Denn Erfahrungen und Wirkungen zeigten, dass die Zweckmäßigkeit der Ausschreibungen oftmals gar nicht gegeben war. Bei allen bislang erfolgten Ausschreibungen legten die Krankenkassen immer den Preis als das wichtigste, wenn nicht sogar das einzige, Zuschlagskriterium fest. Die Erfahrung zeigt deutlich: Die Qualität der Versorgung leidet. Hilfsmittel, die zum Ausgleich einer häufigen Einschränkung notwendig werden, zum Beispiel ein Rollstuhl zum Ausgleich einer Gehbehinderung, bieten sich naturgemäß für eine standardisierte Versorgung an. Das Bündeln solcher Versorgungen mit Hilfe von Ausschreibungen verspricht zunächst durchaus mehr Kompetenz bei der Versorgung und vermutlich auch günstigere Einkaufspreise für die Kostenträger. Dies wäre auch im Sinne der Versicherten und Betroffenen. Leider hat sich bei den im klinischen Alltag erlebten Ausschreibungen gezeigt, dass sie offenbar ganz wesentlich über den Preis, nicht den angebotenen Service, entschieden worden sind. Für die von uns betreuten Patienten haben sich zum Teil erhebliche Nachteile ergeben. Individuelle Anpassungen wurden oft von den Leistungserbringern verweigert, vom verordnenden Arzt verfasste Mängelbeschreibungen unbeantwortet gelassen. Spezielle Nachbesserungen sprengen für diese Anbieter das Budget. Ein weiteres Problem besteht darin, dass bei weit auseinanderliegenden Standorten der Versorger kaum eine heimatnahe Versorgung der Patienten zu gewährleisten ist. Die Hilfsmittelübergabe ist oft sogar durch eine Spedition oder eine Versandfirma erfolgt. Zusammenfassend stehen wir als Kliniker Ausschreibungen und Bündelungen von Versorgungsaufträgen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, fordern jedoch, dass sie eine Leistungskontrolle, die notwendige Individualität der Versorgung und einen garantierten Vor-Ort-Service für die Betroffenen beinhalten. PD Dr. Frank Rainer Abel, Chefarzt der Klinik für Orthopädie der Klinikum Bayreuth GmbH, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirats Technische Orthopädie Ausschreibungen sind weder sinnvoll noch zweckmäßig. Keine Wahl! Sie haben keine Wahlfreiheit mehr. Wer die Ausschreibung verliert, darf nicht mehr versorgen. Egal wie gut er Sie bislang beraten und versorgt hat. Ausschreibungsgewinner können in ganz Deutschland verteilt sein, eine wohnortnahe Versorgung für diese Hilfsmittel entfällt. Sie erhalten Ihr Hilfsmittel möglicherweise durch einen Paketdienst. Ausschreibungen senken das Preisniveau und führen in der Regel dazu, dass die Qualität der Hilfsmittelversorgung sinkt. Sehr wahrscheinlich erhalten Sie damit künftig Ihre gewohnten Hilfsmittel nur noch dann, wenn Sie eine private Zuzahlung an den Ausschreibungsgewinner leisten. Illustrationen: PrintingSociety/Fotolia.com

14 Per Klick gegen Rollstuhl-Ausschreibungen Gerhard Marx, stellvertretender Landesinnungsmeister der Landesinnung Hessen für Orthopädie-Technik und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirats Technische Orthopädie, hat eine Petition gegen die Ausschreibung von Rollstühlen in die Wege geleitet. Eine Petition ist ein offizielles Gesuch an die Bundesregierung. Im Falle der Rollstuhl-Ausschreibung richtet sie sich direkt an den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Jeder Bürger kann sich an einer Petition beteiligen. Natürlich haben auch alle Mitgliedsbetriebe die Möglichkeit, diese Petition auf ihre Firmen-Webseite zu stellen und über Facebook bzw. Twitter für eine noch größere Verteilung zu sorgen. Wenn mindestens Personen diese Petition unterstützen, wird über sie voraussichtlich im Petitionsausschuss öffentlich beraten, der Petent wird zu dieser Beratung eingeladen und erhält Rederecht. Wer sich also der Forderung Keine Ausschreibung von Rollstuhlversorgung anschließen möchte, kann dies sofort und problemlos tun: ausschreibung-von-rollstuehlen-verbieten Bin selbst Rollstuhlfahrer und bin für eine unabhängige Versorgung, die nicht von Gier und Geldtreiberei gezeichnet ist. Alexander Albert, Bad Schönborn Ich bin gegen Ausschreibungen, weil Weil ich Rollstuhlfahrerin bin. Aus eigener leidvoller Erfahrung mit meiner Krankenkasse kann ich vom Ausschreibungsverfahren nur abraten. Das ist wie Maßkleidung bestellen und Teile aus der Kleiderkammer bekommen ohne Größenangabe! Um billig liefern zu können, muss auch billige Ware verwendet werden, das ist zwangsläufig so. Das heißt, der Kunde leidet darunter. Schlechte Qualität, keine freie Wahl des Leistungserbringers. Von wegen die liebe Oma Elfriede kann zum Sanitätshaus neben an, wo sie jahrelang so gut beraten wurde! Nein, sie wird jetzt von einem womöglich 100 Kilometer weit entfernten Sanitätshaus versorgt. Persönlichen Kontakt gibt es dann kaum noch, weil die Entfernung viel zu groß ist. Wie soll man sich da als Patient wohl und beraten fühlen? Eileen Hartmann, Frankenheim Ellen Knafla, Ellwangen Mehr Kommentare unter: ausschreibung-von-rollstuehlen-verbieten Illustrationen: PrintingSociety/Fotolia.com

15 Schwangerschaft 9 Monate in Zahlen < 5 % Mehr als 82 % der Kinder, die 2004 geboren wurden, wogen zwischen und Gramm. Gut 10 % wogen mehr. 419 der Kinder kamen mit weniger als 500 Gramm lebend zur Welt. Eine Schweizer Studie von 2006 besagt: Nur gut 5 % der Kinder werden genau am 280.Tag der Schwangerschaft geboren. Die Wahrscheinlichkeit lag damit aber deutlich höher als an jedem anderen Tag der Schwangerschaft. 9 Monate Dieser Durchschnittswert bezieht sich auf den Zeitraum vom ersten Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt. Allerdings: Der Fötus ist 2 Wochen jünger. Denn der Eisprung findet etwa 14 Tage nach dem Beginn der Periode statt, und die Eizelle kann danach maximal 24 Stunden lang befruchtet werden. { 2013 < 2.5 kg > 2.5 kg 2013 wurden in Deutschland Kinder geboren. Das waren mehr als 2012, jedoch weniger als halb so viele wie im geburtenstärksten Jahr: 1964 wurden auf dem heutigen Bundesgebiet Kinder geboren. 82 % 18 % 16 Movens

16 Seit 1972 sterben in Deutschland mehr Menschen, als geboren werden. 2,6 % 2,2 % 2013 waren die beliebtesten Vornamen Mia und Ben. 2,66 % aller Mädchen erhielten den Namen Mia, 2,22 % der Jungen den Namen Ben. Die beiden Namen führen die Statistiken in 12 von 16 Bundes ländern an. 17 % aller 2013 geborenen Kinder tragen einen der zehn beliebtesten Namen ihres Jahrgangs. Insgesamt wurden 2013 mehr als verschiedene Jungenund Mädchennamen vergeben jeweils. 32 % Fast der Kinder kamen 2013 in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. In den Niederlanden waren es 2011 nur 14,3 %, in der Türkei 42,7 %. Der OECD-Schnitt lag 2011 bei 25,8 %. Auch innerhalb Deutschlands sind die Unterschiede groß: Am niedrigsten war der Wert 2013 in Dresden: 16,9 %, am höchsten im pfälzischen Landkreis Landau: 50,7 %. Mia Ben Emma Leon Marie Thea Luca Die zusammengefasste Geburtenziffer lag 2012 bei 1,38 Kindern je Frau. 1,38 Quellen: Destatis, Eurostat, Illustrationen: istockphoto.com/theresatibbetts Grum_l - Fotolia.com istockphoto.com/jfelton 17

17 Zusammenhalten hilft Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Muskel-Skelett-Leiden, die im Laufe einer Schwangerschaft auftreten. Die gute Nachricht: Oft können Gesundheitsexperten helfen. Entscheidend ist die richtige Diagnose, denn die Ursachen sind sehr unterschiedlich. Früher oder später leidet fast jede Frau an Rückenschmerzen, während sie ein Kind austrägt. Wie stark sie ausfallen, ist allerdings sehr unterschiedlich. Das liegt auch daran, dass das Schmerzempfinden von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Fakt ist, dass mit dem Gewicht des Fötus die Belastung des Rückens der Mutter wächst. Und das kann wehtun. Wie viele Frauen tatsächlich während einer Schwangerschaft Rückenschmerzen bekommen, ist unklar. Manche Studien sprechen von ein bis zwei Dritteln. Andere schätzen, dass neun von zehn Schwangeren betroffen sind. Und: Es kommt immer häufiger vor, dass Schwangere über Rückenschmerzen klagen, sagt Ulrike Harder, die seit mehr als 30 Jahren Hebamme ist. Als Hauptgrund macht sie mangelnde Fitness aus. Bei rund der Hälfte der Frauen treten die Schmerzen bereits zwischen dem fünften und siebten Schwangerschaftsmonat auf. In dieser Zeit vervielfacht das Ungeborene sein Gewicht von rund 150 auf Gramm. Am Ende der Schwangerschaft wiegt das Kind noch einmal doppelt bis dreimal so viel (s. S ). Außerdem nimmt die Frau selbst zu: Während der neun Monate sind es durchschnittlich 13 bis 14 Kilogramm, manchmal auch deutlich mehr. Foto: Spektramed GmbH Foto:??? Gelockerte Muskeln und Bänder Hinzu kommt, dass sich der Körperschwerpunkt nach vorne verlagert, weil ein Teil des Fötus vor dem Becken der Frau liegt. Das belastet den mittleren und oberen Teil des Rückens. Bei vielen Frauen kippt auch das Becken nach vorne, wodurch sich die natürliche Krümmung der Wirbelsäule im Lendenbereich verstärkt. Die Schwangere fällt also in ein Hohlkreuz. Und noch ein Faktor spielt eine Rolle: Hormone weichen in der Schwangerschaft Muskeln und Bänder auf,

18 Was hilft bei Rückenschmerzen in der Schwangerschaft? Was der eine als leichtes Zwicken wahrnimmt, raubt dem anderen den Schlaf und treibt einem Dritten die Tränen in die Augen. damit der Körper das Kind besser aufnehmen kann. Außerdem erleichtert das bei der Geburt den Durchtritt des Kindes durch das Becken der Mutter. Aber: Umso mehr Gewicht lastet auch auf Knochen und Gelenken. Symphyse, Ischias und Co. Dabei weicht auch der Beckenring auf, oder besser gesagt: die Bänder am Kreuz-Darmbein-Gelenk, das die Wirbelsäule mit dem Becken verbindet, und die Symphyse, also die knorpelige Verbindung der beiden Hälften des Schambeins. Das Problem dabei ist, dass sich die Beckenknochen leichter gegeneinander verschieben. Dadurch können Reizungen im Beckenring entstehen, die bis in den unteren Rücken und die Beine ausstrahlen. Ganz ähnliche Schmerzen entstehen, wenn durch das Hohlkreuz, in das viele Schwangere fallen, ein Nerv eingeklemmt oder gereizt wird, der durch die Lendenwirbel verläuft. Der bekannteste von ihnen ist der Ischias-Nerv. Wenn er gereizt ist, können Schmerzen oder Taubheitsgefühle über das Gesäß bis hinunter in die Füße ausstrahlen. Achtung Verwechslungsgefahr! Da die Symptome so ähnlich sind, schwanken die Schätzungen, wie häufig der Auslöser von Rückenbeschwerden eine Symphysenlockerung ist, sehr stark und reichen von 0,02 bis 10 Prozent. Hebamme Harder kennt die Problematik: Symphysenschmerzen werden häufig nicht erkannt und stattdessen für originäre Rückenschmerzen gehalten. Dabei sei die Diagnose gar nicht so schwer, findet Harder, die seit 20 Jahren auch andere Hebammen schult. Ein erstes Anzeichen ist der typische Watschelgang, den man oft bereits bemerkt, wenn eine Frau die Praxis betritt. Für die professionelle Diagnose eines Symphysenschadens Akute Therapie: > Kommt der Schmerz originär aus dem Rücken: flach hinlegen, Becken kreisen oder hin und her kippen, eventuell Hochlagerung der Beine. > Ist die Ursache eine Symphysenlockerung: Symphysengurt oder Stützmieder, indische Brücke, Vierfüßlerstand. > Manuelle Therapie durch Chiropraktiker, Physiotherapeuten oder Osteopathen. Haltungsschule: > Becken nach hinten kippen, um Hohlkreuz zu verhindern, Knie lockern und Wirbelsäule strecken (Scheitel nach oben ziehen), Haltung im Sitzen und Stehen beibehalten. Sinnvoll ist die Begleitung durch speziell geschulte Hebammen oder Physiotherapeuten. Fitness: > Rücken trainieren, bevor Schmerzen auftreten, vor allem durch Yoga, Zumba, Schwimmen, Fitness - studio. Ulrike Harder rät: Körperliche Fitness kann Schwangerschaft und Geburtsvorgang erleichtern. Viele Sportarten kann man auch noch in der fortgeschrittenen Schwangerschaft treiben. > Eine ausführliche Beratung und Anpassung im Sanitätshaus dauert ca. 20 bis 40 Minuten. Wichtig ist, dass der Gurt richtig passt.... Sie verstehen, wie Sie den Gurt genau anlegen müssen.... Sie den Gurt auch ohne Hilfe an- und ablegen können. Symphyse und Symphysengürtel Die Symphyse auch Schambeinfuge genannt ist die vordere Verbindung des rechten und linken Beckenknochens. Sie befindet sich in der Mitte des Schambeins. An dieser Stelle sind die rechte und die linke Schambein hälfte über eine aus Bändern bestehende Brücke miteinander verbunden. Ein Symphysengürtel ist ein unelastisches und festes beckenumschließendes Band, das von innen gepolstert ist. Der Gürtel besitzt in der Regel großflächige Klett - verschlüsse und kann somit individuell angepasst werden. Foto: Spektramed GmbH 19

19 Symphysenschmerzen werden häufig nicht erkannt und stattdessen für originäre Rückenschmerzen gehalten. bedarf es allerdings etwas mehr: Der Spalt zwischen den Schambeinhälften vergrößert sich. Wenn eine Frau nur ein Bein belastet, kann sogar eine Stufe entstehen. Das kann man von außen gut ertasten. Bildgebende Verfahren wie Röntgen, Magnet- oder Computertomographie können die Diagnose nach der Geburt zwar zusätzlich sichern, sind aber wesentlich teurer und meist nicht notwendig. Während der Schwangerschaft werden sie ohnehin nur in Notfällen eingesetzt, weil sie den Fötus stark belasten können. Richtige Therapie wählen Eine korrekte Diagnose ist wichtig, um die richtigen Gegenmaßnahmen zu treffen. Kommt der Schmerz direkt aus dem Rücken, hilft es kurzfristig, sich auf den Rücken zu legen. Die Symphyse kann man so allerdings kaum entlasten. Besser hilft eine feste Umschlingung des Beckenrings mithilfe eines Stützmieders oder eines speziellen Gurtes, die der Arzt verschreiben kann und ein Orthopädie-Techniker im Sanitätshaus individuell anpasst. Diese Stützen des Rückens nennt man auch Orthesen. Wenn die Schmerzen dann schnell nachlassen, ist das ein zusätzliches Indiz dafür, dass die richtige Diagnose gestellt wurde. In seltenen Fällen kann es notwendig sein, dass ein Manualtherapeut oder Osteopath eine Fehlstellung des Beckens korrigiert, bevor man die Orthese anlegt. Hilfe aus dem Sanitätshaus Sanitätshäuser bieten je nach Beschwerdebild und individuellem Problem verschiedene Modelle von Symphysengurten an. Sie werden speziell an die Frau angepasst und unterscheiden sich zum Beispiel in der Breite und im Verschlusssystem. Gute Erfahrungen haben wir mit Modellen gemacht, die über einen Klettverschluss und ein zusätzliches Flaschenzugsystem verfügen, berichtet Orthopädie-Techniker Carsten Strangmann. Damit können die Patientinnen den Gurt ohne Hilfe sehr stramm anlegen und einfach lösen. istockphoto.com/jfelton Entscheidend ist, dass der Gurt gut passt und richtig sitzt: Viele Frauen legen die Gurte zu hoch oder zu locker an, sagt Hebamme Ulrike Harder. Die richtige Position sollte man sich also genau erklären lassen von der Hebamme, dem Arzt oder dem Orthopädie-Techniker. Am besten aber, sagt Harder, sei es, den Rücken zu stärken, bevor überhaupt Schmerzen auftreten. Das helfe dem Körper insgesamt, besser mit Schwangerschaft und Geburt zurechtzukommen. Auch sei Schwangerschaft kein Grund, mit dem Sport aufzuhören. Im Gegenteil: Viele Sportarten kann man auch noch in der fortgeschrittenen Schwangerschaft treiben. Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen. 20 Movens

20 ? 5 Fragen an die Venenspezialistin Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, an Krampfadern und Thrombosen zu erkranken. Wir fragten die Gynäkologin und Venenspezialistin Dr. Sabine Zöllner, warum das so ist und was die Betroffenen tun können.! Frau Dr. Zöllner, Sie sind nicht nur Gynäkologin, sondern auch Phlebologin, also Expertin für Frauenheilkunde ebenso wie für Venenerkrankungen eine ungewöhnliche Fächerkombination? Nicht, wenn man genauer hinschaut: Ich habe längere Zeit als Oberärztin in der Gynäkologie eines Krankenhauses gearbeitet und hier festgestellt, dass sehr viele Frauen und vor allem Schwangere Probleme mit ihren Venen haben. Deshalb habe ich mich intensiver mit Venenerkrankungen beschäftigt und arbeite nun schließlich in einer Praxis für Venenheilkunde in Düsseldorf. Mit welchen Beschwerden kommen werdende Mütter zu Ihnen in die Praxis? Vor allem mit schweren Beinen, Krampfadern und Besenreisern. Die Patientinnen bemerken die Veränderungen an ihren Beinen und sind beunruhigt. Zu Recht: Gerade Krampfadern 32 Prozent der Schwangeren erkranken daran sind ernst zu nehmen und gehören behandelt. Warum entwickeln Frauen gerade in der Schwangerschaft verstärkt Krampfadern? Das liegt zum einen an den Hormonen: Schon im frühen Stadium der Schwangerschaft schüttet der Körper vermehrt weibliche Geschlechtshormone, also Östrogene und Gestagene, aus. Sie bewirken eine Auflockerung des Bindegewebes; die Venen werden weich und weit gestellt. Vor allem jene Frauen, die ohnehin an einer angeborenen Bindegewebsschwäche leiden, trifft es in der Schwangerschaft besonders stark. Doch es gibt noch einen zweiten Grund: Das Baby im Bauch wächst und drückt mit seinem Gewicht immer stärker auf die Hohlvene. Auch dies führt zu einer Weitstellung der Venen. Sind nun die Venen schlaff und weit, arbeiten die Klappen nicht mehr richtig. Sie sollen eigentlich dafür sorgen, dass das Blut, das über die Venen in Richtung Herz strömt, nicht wieder zurückfließt. Ist diese Ventilfunktion gestört der Mediziner spricht hier von einer Klappeninsuffizienz, staut sich das Blut in den Venen. Die Folge: Es bilden sich Krampfadern aus. Kein schöner Anblick... Aber um die Ästhetik geht es hier nicht allein. Werden Krampfadern längere Zeit nicht behandelt, kann es zu weiteren Beschwerden kommen: zu Ödemen, Ekzemen, Entzündungen, Blutungen bis hin zu offenen Beinen. Außerdem haben Frauen in der Schwangerschaft und im Wochenbett ein drei- bis sechsfach höheres Risiko, an einer Thrombose zu erkranken. Foto: Phlebologie an der Kö Welche Therapieformen gibt es, und was raten Sie den Betroffenen? Das Problem ist, dass wir die Frauen während ihrer Schwangerschaft nicht therapieren können, sondern erst nach der Stillzeit. Dann können wir zum Beispiel mit Laser gegen die Krampfadern vorgehen. Bei schweren und geschwollenen Beinen bieten wir aber eine intensive physikalische Entstauungstherapie an. Zudem raten wir unseren Patientinnen eindringlich zu Kompressionsstrümpfen, und zwar zu jenen der Klasse 2. Die Strümpfe sollten bis zu den Oberschenkeln reichen alle anderen sind nicht effizient. Es ist manchmal schwierig, die Patientinnen davon zu überzeugen, weil sie die Strümpfe für unbequem halten. Aber ich kann es gar nicht oft genug betonen: Schwangere sollten Strümpfe tragen, und zwar vom ersten Tag an! Sie sind in Kombination mit viel Bewegung eine effektive Maßnahme gegen Krampfadern und tiefe Beinvenenthrombosen. Die Fragen stellte Romy König.? 21

21 Venen unter Druck Sie gelten oft nur als lästige Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft die Lebensqualität der werdenden Mütter können sie aber erheblich beeinträchtigen: schwere Beine, Krampfadern, ein nach unten ziehender Bauch. Doch es gibt wirksame Hilfen. 22 Als Elke Kleylein schwanger wurde, fing es an: Ihr Rücken begann zu schmerzen, ihre Beine wurden dick, der Bauch schwerer und schwerer. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Bauch reißt mir gleich ab, sagt sie. Ihre Schwangerschaft ist jetzt viele Jahre her, aber Kleylein erinnert sich noch gut an ihre Situation: Keiner der Ärzte bot mir damals ein Hilfsmittel an, und auch in meiner Schwangerschaftsgruppe hatte niemand einen Tipp parat. In den letzten Jahren hat ein Umdenken eingesetzt. Die Leiden der Schwangeren sie waren lange kaum Thema. Als Begleiterscheinungen abgetan, die doch nach neun Monaten ohnehin wieder verschwinden würden, kümmerte sich die medizinische Welt kaum um sie. Doch in den letzten Jahren hat ein Umdenken eingesetzt, begann eine neue Generation Frauenärzte, sich des Themas anzunehmen, und entdeckte auch die Industrie die Zielgruppe der werdenden Mütter. Movens Gleich zweifach gegen Venenleiden: Bewegung und das Tragen von Kompressionsstrümpfen beugen Krampfadern in der Schwangerschaft vor.

22 illu: mrswilkins - Fotolia.com Foto: Schwangere wissen heute: sie können etwas tun Nicht zuletzt werden auch die Patienten mündiger, berichtet Kleylein, die mittlerweile im Sanitätshaus ihres Mannes arbeitet und immer häufiger Schwangere berät. Sie sind eigenverantwortlicher, tauschen sich in Kursen oder in Online- Schwangerschaftsforen aus. Und erfahren hier, dass sie nicht die einzigen sind, die schon in den ersten Schwangerschaftswochen plötzlich schwere Beine haben oder an ihren Beinen unschöne bläuliche Verästelungen entdecken. Mehr noch: Sie erfahren, dass sie etwas dagegen tun können. 32 Prozent der Schwangeren entwickeln Krampfadern, berichtet die Gynäkologin und Venenspezialistin Dr. Sabine Zöllner im Interview mit Movens (s. S. 21). Grund sind vor allem die Schwangerschaftshormone: Sie lassen das Bindegewebe erschlaffen und weiten die Venen, das Blut fließt langsamer. Außerdem verlieren die Venenklappen an Kraft und schaffen es nicht mehr, das Blut, das zum Herzen gepresst werden soll, zurückzuhalten. Die Folge: Das Blut staut sich in den Venen Krampfadern bilden sich aus. Durch die vermehrte Östrogenproduktion wird zudem verstärkt Wasser im Gewebe eingelagert die Frauen haben das Gefühl, dass ihnen die Beine schwer werden. Und so stehen sie in Sanitätshäusern und lassen sich beraten. Viele kommen mit einem Rezept vom Arzt, sagt Elke Kleylein, die in den letzten Jahren den Kontakt zu den Frauenärzten der Stadt gesucht und sie über Hilfsmittel informiert hat. Manche Frauen suchen uns aber auch aus Eigeninitiative heraus auf, weil sie von Freundinnen gehört haben, dass sie sich auch vorbeugend vor Krampfadern schützen können. Oma-Strümpfe waren gestern! Tatsächlich unterstützen medizinische Kompressionsstrümpfe die Venen in ihrer Arbeit. Sie üben eine derart definierte Spannung auf die Beine aus, dass die erweiterten Venen wieder zusammengepresst werden und sich die Venenklappen schließen können. Wichtig ist dabei die richtige Intensität. Wenn keine Gegenanzeigen vorliegen, wie etwa Herzprob- leme, verschreiben Ärzte den Schwangeren meistens die Kompressionsklasse 2, sagt Kleylein. Von vier Druckstärken ist dies die zweitleichteste Stufe. Jedoch: Die Strümpfe haben ein Imageproblem. Gerade junge Frauen sind skeptisch, wie Elke Kleylein immer wieder erlebt. Ich brauche jetzt auch diese Oma-Strümpfe, so stünden sie manchmal vor ihr, diese Frauen vielleicht nicht gerade verzweifelt, aber doch leicht zerknirscht. Vor ihrem geistigen Auge: fleischfarbene, unansehnliche, kratzende Gummistrümpfe. Dann aber schwenkt Kleylein eine Farbkarte und zeigt Griffmuster: von Weiß über Magenta und Lindgrün bis hin zu Marine, Anthrazit und dem Klassiker Schwarz reichen die Farben. Gut 15 Töne habe ihre Palette, sagt Kleylein und ergänzt: Die Oma- Strümpfe von früher gibt es nicht mehr. Erleichterung für den Bauch 32 Prozent der Schwangeren entwickeln Krampfadern. Werden Kompressionsstrümpfe unter Schwangeren immer bekannter und stärker akzeptiert, gelten andere Hilfsmittel noch als Geheimtipp. Etwa die Schwangerschaftsbandage. Sie erfüllt gleich zwei Ziele, sagt Elke Kleylein. Hinten stabilisiert sie den Rücken und lindert hier die Beschwerden. Der Clou aber: Vorn funktioniert sie als Stütze für den Bauch. An den Seiten ist die Bandage mit Klettverschlüssen versehen zum Nachjustieren. Sie sollten sehen, wie die Frauen plötzlich vor Erleichterung grinsen, wenn sie an diesen Zügen selbst noch ein Stück nachziehen und die Bandage dann endgültig den Bauch von unten abfängt: als wäre ihnen eine schwere Last abgenommen. So richtig bekannt sei die Bandage als Hilfsmittel offensichtlich noch nicht, sagt Kleylein, weder bei den Ärzten noch bei ihren Kundinnen. Aber sicher ändert sich auch das bald. Das große Umdenken hat ja gerade erst begonnen. RK Für jeden den richtigen Strumpf Medizinische Kompressionsstrümpfe werden individuell angepasst. Dazu vermessen Fachkräfte im Sanitätshaus die Beine. Damit die Form später auch wirklich passt, sollte die Messung vormittags erfolgen, denn dann sind die Beine am schmalsten. Bei der Herstellung medizinischer Kompressionsstrümpfe kommen mehr als 30 Produktionsschritte zusammen, bis der Faden zum Strumpf wird. Weitere Beschwerden in der Schwangerschaft und was hilft Studien zufolge berichten 17 bis 54 Prozent der Frauen, während ihrer Schwangerschaft manchmal die Kontrolle über ihre Blase verloren zu haben. Gegen Inkontinenz in der Schwangerschaft empfehlen Ärzte Rauchverzicht, den Versuch, ein normales Gewicht zu halten, und Beckenbodentraining. Falls doch ab und zu ein Tröpfchen danebengeht: Spezielle Slip-Einlagen aus dem Sanitätshandel sorgen für hygienische Sicherheit. Fünf bis zehn Prozent der werdenden Mütter leiden unter Schwangerschaftsdiabetes. Dafür verantwortlich sind die Schwangerschaftshormone, die den Blutzucker ansteigen lassen, sowie manchmal auch eine unausgewogene Ernährung. Nur etwa 15 Prozent der Betroffenen müssen mit Insulin versorgt werden den anderen hilft bereits die Umstellung auf vollwertige, gesunde Kost und körperliche Bewegung. Wichtig sind jedoch regelmäßige Blutzuckerkontrollen, zum Beispiel beim Arzt oder im Sanitätshaus. Weitere Informationen zum Thema Diabetes gibt es in der Herbst - ausgabe 2012 der Movens und unter 23