Einleitung. 1 Variablen und Konstanten. Martin Lee Bibliotheksumzug
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- Stefan Schubert
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1 Martin Lee Bibliotheksumzug Einleitung Früher oder später kann es jeden treffen: Eine neue Bleibe wird gesucht und gefunden. Oft genug ist es ein Bibliotheksneubau. Jedenfalls gibt es einen oder mehrere Umzüge. Wie bei jedem größeren Unterfangen kann ein Umzug eine nahezu beliebige Komplexität erreichen. Außerdem ist ein Bibliotheksumzug anders als ein Möbelumzug: Man muss anders messen und berechnen. Reihenfolge ist wichtig manchmal muss integrativ umgezogen werden. Mit Beispielen aus der Literatur und eigener Erfahrung1 werden diese Dinge sowie Probleme, Fallstricke und Praxis-Lösungen beschrieben. Der vorliegende Text ist explizit aus Praxissicht für die Praxis als Handreichung und Anregung für den logistischen Teil des Umzugs ohne beispielsweise Auftragsvergabe, Kosten, Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr geschrieben. 1 Variablen und Konstanten Jeder Umzug ist ein Logistik-Projekt, in dem verschiedene Variablen und Konstanten eine Rolle spielen. Letzteres können beispielsweise sein: Gebäude, Quellstandort, Zielstandort, Medieneinheiten oder involvierte Personen. Variablen sind i. d. R. Zeit, Umfang, Personaleinsatz (z. B. gezählt in Manntagen), aber auch Jahreszeit oder Wetter. Konstanten enthalten Variablen bzw. werden mit Variablen kombiniert: Gebäude müssen geprüft werden auf ihre Zugänglichkeit über die Straße inkl. Wegequalität, Strecken, Hindernisse, Treppen, Aufzüge usw. Die Zugänglichkeit ist eine Variable, selbst wenn man die Straße ordnungsgemäß gesperrt hat, da unvorhergesehene Dinge geschehen können. Die gängigeren Variablen sind Medieneinheiten, Quell- oder Zielstandorte und Personen. Die vorab den Projektrahmen definierende Variable ist oftmals die Umzugszeitspanne: Wie lange soll, darf oder kann der Umzug dauern? Durch Skalierung des Personal- und/oder Materialeinsatzes kann die Dauer verlängert oder verkürzt werden. Die Niedersächsische Staatsbibliothek Göttingen hat beispielsweise für ihren Umzug Anfang der 1990er Jahre fünf Monate eingeplant. Daraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass bei insgesamt 75 km Medien 800 Regalmeter/Tag bewegt werden mussten.2 Das bisher Gesagte trifft im Wesentlichen auf alle Umzugstypen zu. Die Szenarien können über die Variablen sehr komplex werden. In der Regel kann man Umzüge 1 Zu Details zum Umzug der Campusbibliothek der FU Berlin siehe Lee et al Mittler 1993.
2 384 Martin Lee noch einmal in Bereiche unterteilen, um die Komplexität zu reduzieren. Falls dies möglich ist, sollte dies getan und jeweils eine Teilprojektleitung eingesetzt werden. Dies können unterschiedliche Standorte sein wie Magazine, Freihand, Neubau und Altbau oder unterschiedliche Umzugsarten wie Mobiliar, EDV-Geräte und Büros. Hier soll es um Bibliotheksumzüge gehen, die durch das Zusammenspiel einiger Variablen und Konstanten eine Besonderheit darstellen und sich dadurch insgesamt von anderen Typen von Umzügen unterscheiden: Ein Bibliotheksumzug mit den Aspekten Bestand, Personal und Dienstleistungen. Die größte Unterscheidung zu anderen Typen ist das Ordnungsprinzip: An den Quell-und Zielstandorten gibt es eine bibliothekarisch definierte Ordnung über eine bzw. oft mehrere Signaturen. Mit Speditionen wird bei der Auftragsvergabe eine maximal tolerierte Fehlerquote vereinbart, die erfahrungsgemäß unter 0,5 % liegen sollte. Ein zweiter wichtiger Punkt sind die Materialarten: Neben Büchern und Periodika gibt es Rara, Loseblattsammlungen, Überformate, Karten, Noten, DVDs, CDs, Kassetten, Schallplatten, Spiele, u. v. a. m. Oft gibt es auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Standorten: Freihand, Magazine, Sonderstandorte, Handapparate usw. 2 Vorbereitung durch Lesen Um sich in der Theorie zu rüsten sprich für die Vorplanung ist es hilfreich, Kollegen mit Umzugserfahrung zu befragen und Literatur zum Thema durchzuarbeiten. Jeder Bibliotheksumzug unterscheidet sich allerdings von anderen, sodass nicht alle Erfahrungen übertragbar sind. Zu viele Variablen spielen eine Rolle. Daher gibt es eine Vielzahl von Erfahrungs berichten, aber nur wenige fundierte Monografien. Die Erfahrungsberichte sind allerdings ein guter Anlaufpunkt, um erste Anregungen, Tipps und / oder Ansprechpartner zu finden. Ein guter Startpunkt und praxisorientiert mit vielen Listen, Tabellen und hilfreichen Tipps ist der Band von Fortriede: Moving your library.3 Dieses Buch ist besonders hilfreich, wenn man den Umzug selbst plant und organisiert. Grundlegend, aber recht abstrakt, ist der Band von Habich: Moving library collections.4 Ihre Prämisse ist allerdings, dass man eine Spedition beauftragt. Speziell an OPL richtet sich die Checkliste von Jürgen Plieninger.5 Mehr an Literatur muss man nicht lesen, um einen erfolgreichen Umzug zu planen.6 In jedem Fall ist es hilfreich, und um die Wahrscheinlichkeit eines guten 3 Fortriede Habich Plieninger Falls doch: Ein Artikel, der über einen Erfahrungsbericht hinausgeht: Dörpinghaus Wenn dies auch nicht ausreicht: Kurth & Grimm 1966 gibt obwohl alt auch im digitalen Zeitalter immer noch wertvolle Hinweise. Aus jüngster Zeit: Stumm 2015.
3 Bibliotheksumzug 385 Erfolgs zu steigern sogar unumgänglich, erfahrene Kollegen zu befragen, die eigenen Zahlen noch einmal zu überprüfen, die Standorte noch einmal abzulaufen, den Umzug noch einmal durchzuspielen, einen Testumzug selbst durchzuführen. Die Quintessenz ist allerdings: Eine gründliche Planung ist das A und O.7 3 Planung 3.1 Messen und Zählen In der genannten Literatur und auch im Kompendium des ehemaligen Deutschen Bibliotheksinstituts findet man Übersichten, was bei der Planung beachten werden sollte.8 Unverzichtbar sind die Elemente Messen, Belegungsplanung, Zeitplanung und die Planung der Ressourcen. Die Planung fängt mit Messen und Zählen des Bestandes an. Dies sollte durch einen, besser zwei erfahrene und zuverlässige Mitarbeiter geschehen. Zählen Sie kurz vor dem Umzug noch einmal. An der FU Berlin hatten wir beim Projekt 24in1 für die Bibliotheken unterschiedliche Bestandszahlen aus der Bibliotheksstatistik, der RFID- Konvertierung und aus unserem Katalog.9 Diese Diskrepanzen sind erklärbar und geben Hinweise darauf, auf was man beim Zählen achten muss: Sonderstandorte außerhalb der Bibliothek, ausgeliehene Medien, nicht katalogisierte Medien10, vermisste oder verstellte Bücher, falsche Katalogdaten usw. Den Bestand nur in Medieneinheiten zu messen, ist letztlich ein zu ungenauer Ansatz für die Planung. Zwar kann man sagen, dass auf einen Regalmeter je nach Aufstellungsart und Bestandstyp zwischen 25 und 35 Medieneinheiten im Durchschnitt passen, aber sehr viel hilfreicher ist es, den Bestand direkt in Regalmetern durchzumessen. Im Regelfall ist jeder Regalboden 100 cm lang. In diesem Fall zählen Sie jeden Boden als einen Meter, auch wenn nur ein einziges Buch auf dem Regal ist, um einen Puffer zu haben. Falls in einem Bereich nur absolut volle Regale vorhanden 7 Atkins & Teper 2007: The most common problem experienced by institutions was insufficient project planning. Sixtyseven percent of institutions cited problems including insufficient space planning for moved collection materials [...] (S. 75) und The success of any major project, including temporary moves, depends on thorough planning. Based on the survey responses, insufficient project planning was the number one reason why libraries experienced problems during the move process and a major factor for many of the project delays. (S. 76). 8 Dannenbauer & Kissling (Red.) Lee Noch Tage nach dem Umzug wurden Bücher aus der Bibliothek an unterschiedlichen Stellen gefunden.
4 386 Martin Lee sind beispielsweise aufgrund einer Numerus-Currens-Aufstellung sollte ein Puffer am Ende addiert werden. Wir haben mit einem Wert von 20 % gute Erfahrungen gemacht. Beachten Sie unbedingt, dass Zahlen in einer Excel-Tabelle immer nur Richtwerte sein können. Wir tendieren dazu, Messwerten (z. B m) als entscheidendes Faktum über alles zu stellen. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl, wenn Sie denken, dass etwas so nicht stimmen kann. Messen Sie noch einmal persönlich. Sprechen Sie mit erfahrenen Kollegen, die diese Bestände seit Jahrzehnten kennen. Abb. 1: Spezielle Bücherwagen für den Umzug M. Lee. Abb. 2: Smartcards M. Lee.
5 Bibliotheksumzug Belegungsplanung Wenn Bestände 1:1 umgezogen werden, d. h. am Zielort dieselben Bestände in derselben Reihenfolge auf denselben Regalen stehen wie am Ursprungsort, ist die Logistik nicht besonders anspruchsvoll. Anders sieht es aus beim Integrieren von Beständen aus unterschiedlichen Standorten. Beim Bezug der neuen Campusbibliothek sollten ca Bände in Freihand aufgestellt werden, die aus 16 Standorten kamen und ca Regalmeter belegen. Die Herausforderung an der Freien Universität war, dass bis weit in die Planungsphase des Umzugs hinein noch Altbestände in die Regensburger Verbundklassifikation (RVK) umsigniert wurden, da der Ehrgeiz bestand, mit nur einer Aufstellungssystematik in die neue Bibliothek zu ziehen. Soweit Zeit und Platz es zuließen, haben wir Bestände vorab integriert, die zugleich als Testumzüge fungierten, um eine Abschätzung zu erhalten, wieviel Zeit für das Einpacken, Transportieren, Auspacken und Integrieren von definierten Beständen einzuplanen ist. Die Idee der Vorabintegration war dabei, den integrativen Teil des Gesamtumzugs so gering wie möglich zu halten, um Zeit beim Einsortieren der Bestände zu sparen. 11 In der konventionellen Planung arbeitet man mit Excel-Tabellen. Wir haben nicht damit gearbeitet, daher sei auf die anschauliche Darstellung einer Methode von Debbie Smith verwiesen12, die Excel nutzt, um Regalreihen in einer Ebene darzustellen und mithilfe von Zahlen aus dem OPAC zu füllen.13 Für unseren komplexen Umzug haben wir mit der Firma artec GmbH Berlin ein visuelles Bestandsplanungssystem namens V:Store entwickelt, das über eine Schnittstelle mit unserem Bibliothekssystem Aleph verbunden ist. Eine der Schlüsselfunktionen ist die Zusammenführung der Bestände aus unterschiedlichen Standorten mit komplexen Filtermechanismen und die anschließende Darstellung auf der definierten Regalebene.14 Die daraus gewonnen Erkenntnisse unterscheiden sich grundsätzlich nicht von anderen Methoden: In der ersten Phase wurden verschiedene Szenarien für die Aufstellung in der gesamten Bibliothek durchgespielt: im Fall der Campusbibliothek für den Altbau mit sechs Halbebenen 11 Die Vorabintegrationen wurde in drei Schritten vollzogen. Als erstes wurden im Spätsommer 2014 Bestände der Hauptgruppen aus den naturwissenschaftlichen Bibliotheken in den jeweiligen Bibliotheken konzentriert. Als zweites wurden im November 2014 im Außenmagazin Meck lenburgische Straße periphere Bestände der Villenbibliotheken zusammengezogen. Die Aufteilung in Kernbestand und Peripherie wurde in Abstimmung mit den Wissenschaftlern anhand von Excel- Tabellen bestimmt, welche die Verteilung der RVK im jeweiligen Haus zeigte. Dies hatte den vorteilhaften Nebeneffekt, dass in den Villen Platz für die korrekte RVK-Aufstellung gewonnen wurde. Als drittes wurden im Januar und Februar 2015 die RVK-Gruppen A D in der sanierten ehemaligen Bereichsbibliothek Erziehungswissenschaft und Psychologie integriert. Mehr dazu in Lee et al Smith Vgl. auch Fraley & Andersen Franke 2013.
6 388 Martin Lee Abb. 3: V:Store M. Lee. und den Neubau mit drei Geschossen. In der zweiten Phase konnte V:Store für die notwendigen Bereinigungsarbeiten (Standorte, Exemplarstatus usw.) als komfortables Analyse-Tool benutzt werden. Schließlich wurde mit V:Store das Regalhandbuch generiert, d. h. eine Handlungsanweisung für das Umzugsunternehmen, die systematisch für jeden einzelnen Regalboden die Signatur des ersten Mediums dieses Bodens notiert. Die genaue Festlegung spielt insbesondere für die Logistik eines integrativen Umzugs eine große Rolle. Bei Umzügen mit gleichbleibender Reihenfolge muss das Regalhandbuch nicht jeden Regalboden berücksichtigen. Hier genügt in der Regel eine Regalreihe für die Orientierung und eine mögliche gleichzeitige Be- und Entpackung von mehreren Standorten. Abb. 4: Regalbeschriftung für den Umzug M. Lee.
7 Bibliotheksumzug 389 Um den Zuwachs zu berücksichtigen, wurde für Monografien die Belegung mit einem Standardwert von % festgelegt. Regale mit abgeschlossenen Zeitschriften wurden mit 90 % geplant. Bei laufenden Zeitschriften wurde ein gebundener Jahrgang des jeweiligen Zeitschriftentitels gemessen und für die geplante Anzahl der in Zukunft noch im Printformat aufzustellenden Jahrgänge Platz gelassen. 3.3 Ablaufplanung Für den Umzug ist es sinnvoll, den Bestand am Quellstandort in Arbeitspakete zu unterteilen am besten nach Fachsystematik und Zielort und entsprechend zu markieren.15 Beim Umzug der Campusbibliothek war beispielsweise das erste angefangene Arbeitspaket die Nr. 45 mit der Signaturengruppe NG-NN aus der Bibliothek für Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik mit Medieneinheiten. In dieser Bibliothek war dieses Paket beim ersten Buch (NG 1000) mit einem grünen Startstreifen und beim letzten Buch (NN 8278) mit einem roten Streifen markiert. Die Übersicht der Arbeitspakete ergibt dann den Ablaufplan, der mit dem Zeitplan korreliert. Abb. 5: Ablaufplan mit Umzugsportionen M. Lee. 3.4 Zeitplanung Nicht immer gibt es eine Vorgabe, ab wann ein Umzug beginnen kann und bis zu welchem Zeitpunkt ein Umzug fertig sein soll. Bei einem Neubau ist gerade der Umzugsbeginn abhängig vom Baufortschritt. Normalerweise wird man nie in einen vollständig fertigen Neubau einziehen, aber man kann unter bestimmten Bedingungen eine Freigabe für den Umzug vor der Abnahme des gesamten Gebäudes erhalten. 15 Beim Umzug 24in1 wurde der Ablaufplan von der Spedition Grohmann erstellt.
8 390 Martin Lee Neben Sicherheitsaspekten wie Brandschutz und der Sicherstellung, dass keine große Staubentwicklung mehr durch Bauarbeiten stattfindet, müssen die Bodenbeläge begehbar, die Wege frei nutzbar, die Regale aufgestellt und fertig für die Belegung sowie die nötigen Aufzüge nicht nur benutzbar, sondern auch abgenommen sein. Die wichtigsten Aspekte sind hier die Bodenbeläge bzw. Wege, Regale und Aufzüge. Es kann vorkommen, dass die Fristen für den Umzug durch äußere Gegebenheiten beeinflusst werden: Semesterbeginn, feierliche Einweihung eines Neubaus usw. Falls diese Termine unaufschiebbar sind, muss man die Variablen entsprechend anpassen. Beispielsweise empfiehlt sich bei einem Neubau ein großer Puffer zwischen dem geplanten Ende eines Umzugs und der feierlichen Eröffnung. Im Falle der Campusbibliothek lagen zwischen dem geplanten Umzugsende und dem Termin der feierlichen Einweihung sechs Wochen. Obwohl wir zwei Wochen vor Plan mit dem Umzug fertig waren, benötigten wir noch zwei Wochen für die Stellrevision, das Anbringen der Regalinformationen (Leitsystem) und den Aufbau der technischen Geräte sowie den organisatorischen Aufbau der Theke.16 Es wurde anfangs gesagt, dass der Personaleinsatz skaliert werden kann, um einen Umzug schneller zu bewältigen. Dies wird begrenzt durch die räumlichen Begebenheiten, insbesondere die Zufahrten (Zahl bzw. Größe von Eingängen, der Treppen und Aufzügen, Wegedauer, Größe der Arbeitspakete Frage der Stellplätze für Gepacktes, Auslastung der Packer), Transportarten (Umzugkartons vs. spezielle Bücherwagen) sowie Zusatzaufgaben (Sortierung, verschiedene Quell- oder Zielorte, besondere Bestände). Auch ist die Höchstzahl von Personen, die sinnvoll koordiniert und beschäftigt werden können, durch die Anzahl der koordinierenden Personen beschränkt. Abb. 6: Zeitplanung Umzug 24in1. Der Umzug wurde zwei Wochen vor Plan fertig M. Lee. Beim Umzug der Campusbibliothek mit den sehr unterschiedlichen Quellstandorten von wenigen tausend Medien über kleine Institutsbibliotheken mit um die Davon abgesehen, ziehen sich bauliche Nacharbeiten noch Monate und oft genug Jahre hin.
9 Bibliotheksumzug 391 Medien bis zu den Außenmagazinen mit über Medien gab es nie weniger als drei und nicht mehr als sechs Fachpacker. Für den Standardfall kann man in der Vorplanung mit den Zahlen des Umzugs der Universitätsbibliothek Ilmenau von operieren: Bei zwei LKWs können in einer Schicht drei LKW-Ladungen mit 90 Regalmetern oder ca. 150 Umzugskartons bewegt werden. An der FU Berlin gab es beim Umzug 2015 einen höheren Durchschlag durch kürzere Wege, einen optimierten Ablaufplan und die gute Markierung der Bestände zudem gab es ein außergewöhnlich gutes Team sowohl auf Seiten der Spedition wie auch auf auf Seiten der Universitätsbeschäftigten. Im Mittel schaffte man mit zwei LKWs insg. 600 Regalmeter/Schicht. 3.5 Akteure Wie bei jedem größeren Projekt sollte es eine Person geben, die in der Praxis die Gesamtverantwortung trägt, die letzten Entscheidungen treffen kann und die alle Teilprojekte, involvierten Personen und Pläne genauestens kennt seien es der Belegungsplan oder die Ablauf- oder Zeitpläne: Das ist der oder die Umzugsbeauftragte. Diese Aufgabe muss nicht zwangsläufig von der Bibliotheksleitung selbst übernommen werden, mindestens nicht für die operative Ebene, denn es ist äußerst hilfreich, für diese Aufgabe möglichst früh und spätestens bei der Ausschreibung für den Umzug von Alltagsaufgaben und sonstigen Pflichten freigestellt zu sein. Die Bibliotheksleitung kann kaum von Leitungsaufgaben entbunden werden. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, sollten so viele Leitungsaufgaben wie möglich delegiert werden. Wie jede wichtige Funktion sollte auch diese eine Stellvertretung haben.18 Die Umzugsbeauftragten sollten mit Schlüsselpersonen innerhalb der Organisation19 gut vernetzt sein oder die Planungsphase nutzen, um sich bekanntzumachen. In der Regel werden die meisten vom Umzug betroffenen Beschäftigten mithelfen wollen. Diese kann man gut in den Umzugsablauf integrieren, und der Umzug kann als Gemeinschaftsaufgabe arbeitsteilig organisiert werden. Hierfür gibt es verschiedene Aufgabengebiete, die verteilt werden können. Ein sehr wichtiger Bereich ist eine interne Kommunikationszentrale, bei der z. B. Krankheitsmeldungen gesammelt, die Dienstpläne erstellt und koordiniert werden, für Verpflegungsnachschub (Kaffee!) 17 Trott & Fahr Bei dem geschilderten Umzug hat es sich als produktiv herausgestellt, wenn eine Person immer eine positive Grundhaltung an den Tag legte und für gute Stimmung sorget, während eine andere für die schlechten Nachrichten zuständig war. 19 Auf der operativen Ebene waren dies beim Umzug der Campusbibliothek besonders die Beschäftigten der Technischen Abteilung: Hauptamtlich Verantwortliche für Umzüge, Bauplanung, Betriebstechnik, Schließanlage, Hausmeister, aber auch IT-Abteilung und allgemeine Verwaltung.
10 392 Martin Lee gesorgt wird. Es ist ein großer Bonus, wenn die dafür Verantwortlichen einfach gute Stimmung verbreiten! Alle weiteren Rollen und Akteure hängen von den jeweiligen besonderen Bedingungen ab. Beim Umzug der Campusbibliothek 2015 gab es Ebenen-Koordinatoren, persönliche Quellstandortwegweiser, Betreuer für den Pausenraum, Fahrstuhl- und Türwächter, IT-Verantwortliche, Magaziner sowie Mitarbeiter für das Einstellen, die Stellrevision, die Regalbeschriftung und vieles mehr. Für alle Belange während des Umzugs sind zwischen den Akteuren klare Kommunikationshierarchien hilfreich insbesondere wenn andere Abteilungen und Speditionen beteiligt sind. In diesen Fällen ist es auch erforderlich, dass wesentliche Vorgänge schriftlich dokumentiert werden. Fehler sind menschlich, aber ein und derselbe Fehler sollte in einem Projekt nicht zweimal passieren. Gerade unter Zeitdruck ist klare Lösungsorientiertheit ein unbedingtes Erfordernis und sollte tägliche Praxis sein. 4 Checkliste Vorplanung Einrichtung eines Planungsteams mit klarer Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Dies kann gar nicht früh genug geschehen (Empfehlung: 12 Monate vor dem geplanten Umzugsbeginn) Aufbau einer internen Dokumentation: Ordner, virtuelles Gruppenlaufwerk und/ oder Wiki Planung interne und externe Öffentlichkeitsarbeit Die Frage der Deduplizierung/Aussonderung/Makulierung prüfen Erfassung der Quellstandorte (Adresse, Besonderheiten der Straße, wie Einbahnstraße, Wende- oder Parkmöglichkeiten, Gebäude, Zufahrten) Erfassung der Zielstandorte Erfassung der unterschiedlichen Umzugsgüter: Monografien/Periodika, Rara- Bestände, Mobiliar, IT-Hardware, Tresore Erste Messungen in Regalmetern an den Quellstandorten. Dabei jedes 100 cm breite Regal als einen Regalmeter zählen, ohne Rücksicht auf die Belegung (als Puffer) Vorentwurf Regalplanung Zielstandort: Entscheidung über Aufstellungsarten; Anfertigung von Ebenenplänen, Regalstellung und Anzahl Regalböden, Anzahl der lfd. Meter Entscheidung, ob die obersten und/oder untersten Regalböden frei bleiben Planung der Umstellungen im Bibliotheksverwaltungssystem
11 Bibliotheksumzug 393 Überlegungen zum Personaleinsatz: Sonderarbeiten, Stellrevision am Quell- und Zielstandort, Wegweiser, Tür- oder Fahrstuhlwächter, Catering und Pausenraum, Auskunft/Öffentlichkeitsarbeit, zusätzliche (Ebenen-)Koordinatoren Klärung der Zugänglichkeit von Medien vor und während des Umzugs20 Überlegung zum Umzugszeitpunkt insbesondere in Bezug auf bestimmte Abhängigkeiten (z. B. Vorlesungsfreie Zeit, Bauaktivitäten, Witterungsbedingungen) Überlegungen zur vertretbaren Schließzeit Bei Neubauten: Zeitpunkt Regalaufstellung, Wegefreiheit, Eingänge, Ausgänge, Fertigstellung/Abnahme Böden, Aufzüge. Schutz vor Umzugsschäden, z. B. Teppich, Aufzüge Bei Neubauten: Reorganisation der Benutzung, des Teams oder andere gravierende Änderungen der Organisation entweder weit vor oder nach dem Umzug, nicht während des Umzugs! Erste Kalkulation der Kosten und des Budgets; ggf. erste Kostenschätzungen, um Notwendigkeit einer beschränkten, deutschland- oder europaweiten Ausschreibung festzustellen Ausschreibung oder Angebotseinholung bei extern zu vergebenden Umzügen und anschließende Auftragsvergabe Dabei Festlegung von Verantwortlichkeiten, der planenden Personen, Bezifferung und Beschreibung des Umzugsgutes, Mengengerüste, Umzugszeitraum und Arbeitszeiten. Dabei auf Speditionen mit Erfahrungen in Bibliotheksumzügen bestehen sowie auf Fachpackern Vorarbeiten Stellrevision Quellstandorte Ggf. Aussonderungen Ggf. Reinigung der Bestände Abgleich Buchformate und Regalbodenhöhen Testumzug mit einem sehr kleinen Teilbestand; falls dies im Echtbetrieb nicht möglich ist: Umzug simulieren auf Papier21 Ausgabe von Diensthandys für alle Beteiligten in der Umzugskoordination Ggf. Erarbeitung einer Dienstvereinbarung mit dem Personalrat über Mehrarbeit, z. B. Überstunden bzw. Samstagsarbeit Sicherstellung aller notwendigen und hilfreichen Schlüssel (Türen, Aufzüge, Betriebstechnik) 20 Hier muss der Servicegedanke mit der Machbarkeit abgewogen werden. Eine Erhöhung der Anzahl der möglichen Ausleihen vor dem Umzug für die Dauer des Umzugs bedeutet eine stark erhöhte Auslastung der Leihstelle nach der Wiedereröffnung. Jede Ausleihe während des Umzugs verzögert den Umzug selbst. 21 Chappell 2006, hier Absatz Do a paper shift.
12 394 Martin Lee Stellvertretungsregelungen für alle Schlüsselpositionen Exakte Messung aller Bestände durch erfahrene und besonders präzise arbeitende Mitarbeiter (eine oder zwei Personen stets dieselben!). Bewährt haben sich definierte, selbst erstellte Messhilfen wie Pappen oder zugeschnittene Seile Einsatzpläne für bibliothekarisches Personal erstellen Detailplanung Festlegung des Umzugsbeauftragten: Umzugskoordination, evtl. Stellvertretung bzw. Zweier-Team; möglichst Trennung zwischen operationaler (Koordination vor Ort; Früh- und Spätschicht) und strategischer Ebene (Kosten, Personaleinsatz, Verhandlungen, Grundsätzliches). Während des Umzugs sollten alle von Alltags- und Routineaufgaben befreit sein. Gebäude- und Lagepläne aller Standorte: Wo genau befindet sich welcher Bestand? Überprüfung der Zählung der Regale und Regalböden am Zielstandort bzw. Vergleich Pläne und Realität Begehung aller Standorte mit den bietenden Speditionen; dabei besonderes Augenmerk auf alle Arten von Barrieren: Treppen, (zu enge Türen, niedrige Decken...), dabei Prüfung aller Zufahrten: Platz für LKW, Rampen, Sperrung für andere Nutzer Verabredung einer Kommunikationsstruktur mit allen relevanten Beteiligten (Auftraggeber mit Kostenverantwortlichen und Umzugsbeauftragten, Spedition mit Projektleitung und Kolonnenführer) Telefonliste Planung der Umzugsmittel: Kartons, Rollwagen, Smartcarts22; ggf. Wetterschutz Festlegung: Wer macht was bzw. wer packt was wann wo ein und aus. Bei Be stand: Wer stellt was ein. Wird eine Reinigung der Bestände vor oder während des Umzugs durchgeführt?23 Festlegung: Wer ist in den Umzug involviert: ein bis zwei Umzugskoordinatoren, Bibliotheksleitung, Öffentlichkeitsarbeit, Sekretariat... Schutz der Böden/Teppiche, Wände, Türen, Aufzugskabinen usw. Zeitliche Ablaufplanung: Bestand, Personal, Mobiliar, Sondergut. Prüfen, ob diese an unterschiedliche Speditionen gegeben werden können/sollten Detailplanung Bestandsumzug Markierung der Teilbestände und Umzugsportionen an den Quellstandorten24 Bei Ineinandersortierungen: Größter Bestand wird als erstes eingestellt Maxime: Jedes Medium soll nur einmal bewegt werden 22 Container auf Rollen mit klappbaren Fachböden, die speziell für den Umzug von Akten, Büchern und dergl. entwickelt wurden. 23 Vgl. Hierzu HUL (Harvard University Library) Weissman Preservation Center Vgl. Saal 2006.
13 Bibliotheksumzug 395 Regalplanung Zielstandort und Erstellung eines Regalhandbuchs Temporäres Leitsystem inkl. Regalbeschriftung für den Umzug Planung der letzten Teamsitzung vor Umzug: Vorstellung Ablaufplan, Mitteilung der Verantwortlichkeiten, Klärung von Sicherheitsaspekten, Verhaltensanweisungen (Feuer, Erste Hilfe, Besucher...), Fragen Durchführung25 Tägliche Einweisung morgens vor Beginn durch Kolonnenführer (Spedition) und Umzugskoordinatoren (Bibliothek) Tägliche Besprechungen mit Kolonnenführer und den Umzugskoordinatoren: Stand im Zeitplan, Probleme, Verbesserungsmöglichkeiten, Planung des nächsten Tages Täglich zu aktualisierender Arbeitsplan Auf Teamatmosphäre achten Flexibilität: Bereit sein, auch drastische Änderungen vom Plan durchzuführen (s. typische Probleme ) Lösungsorientiertheit vor Problem-/Schuldorientierung Positive Grundhaltung bei den Umzugsbeauftragten Mindestens ein eingewiesener Bibliotheksmitarbeiter muss immer am Quell- bzw. Zielstandort sein, wenn die Spedition dort tätig ist Kaffeenachschub und Pausenregelungen sind essenziell! Verpflegung ist ein großes Plus für alle Beteiligten Umzugsdokumentation: Fotos anfertigen Installation einer Kommunikationszentrale mit entsprechender Infrastruktur, vorzugsweise nahe am Zielort Die Rollen der Akteure sollten erkennbar sein: Spedition durch Arbeitskleidung, Koordinatoren durch Namensschilder oder Warn westen etc. Stellrevision einzelner Regalachsen (s. Liste) Abschluss Stellrevision Entfernung der temporären Regalbeschriftung Generalreinigung des Gebäudes und ggf. der Regale Abschlussgespräch mit der Spedition Evaluation Party aller helfenden Kräfte innerhalb der Institution 25 Typischer Tag beim Umzug 24in1: Spedition: Beginn 7 Uhr; Stellrevision bis 19 Uhr; Abschlussrunden; schriftliche Kommunikation bis ca. 21 Uhr.
14 396 Martin Lee Typische Probleme Bauverzug (Info Umzugsfirma; Vorabumzüge prüfen, Vorbereitungen vertiefen) Aufzug defekt (Response-Zeiten mit Wartungsfirma absichern, ggf. Auftrag er teilen) Unfälle (Ersthelfer-Bereitschaft, Möglichkeit Ersatz-LKW/Fahrer bei der Spedition vertraglich absichern) Zu wenig Kartons, Bücherwagen o. ä. (mit Puffer kalkulieren, bei der Spedition möglichen Nachschub im Vorfeld klären) Fehlende Zugänglichkeit: keine Schlüssel, Neubau nicht fertig, Wege versperrt Bestand kommt am falschen Zielort an Bestand passt nicht wie geplant (Pufferregale, Bestandsaus lagerungen) Gebäudepläne stimmen nicht Zeitplan falsch (nicht zu starr planen man ist immer langsamer oder schneller, Flexibilität!) Zu wenig/zu viel Personal (andere Aufgabenoptionen in Reserve halten; Output erhöhen/verringern; Stellrevision) Beeinträchtigung durch Wetterbedingungen Abb. 7 und 8: Erfolgreich abgeschlossener Umzug Campusbibliothek FU Berlin M. Lee.
15 Bibliotheksumzug Fazit Umzüge müssen nicht schwierig sein, da im Wesentlichen einfach nur Dinge von einem Ort an einen anderen Ort gebracht werden. Schwierig können die Variablen und die jeweils besonderen Umstände sein, insbesondere hinsichtlich der Finanzen, der Zeit und der beteiligten Personen. Von außen oder innen wird oftmals Druck aufgebaut. So darf ein Umzug nur eine bestimmte Summe kosten oder muss unbedingt in einer bestimmten Zeit bewältigt werden. Je höher der Druck sei es durch Zeit, Kosten oder Vorgesetzte desto höher die Fehlerwahrscheinlichkeit. Schnell kann man sich da in einer Abwärtsspirale wiederfinden. Dagegen hilft achtsame Gelassenheit, ohne den Humor zu verlieren wünschenswerte Eigenschaften jeder Führungskraft! Ein letzter Tipp für die Planung: Aus Fehlern zu lernen vorzugsweise aus Fehlern von anderen, aber durchaus auch von eigenen. Zeit- und Ablaufpläne sowie Listen zum Abhaken geben Sicherheit, besonders in der stressigen Zeit eines Umzuges. Effektivität heißt Mitdenken an den entscheidenden Stellen. Der wichtigste Tipp für die Durchführung: Präsenz. Die für den Umzug verantwortlichen Akteure müssen immer vor Ort sein, um problematische Situationen zu erkennen, Feinjustierungen vorzunehmen, Frustration und Probleme abzufedern und dabei auch noch auf die gute Atmosphäre zu achten. Die Selbstmotivation und die Motivation des Umzugsteams sind in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen. Man sollte den Enthusiasmus am Anfang nicht ungenutzt lassen, die ersten Ermüdungserscheinungen zur Mitte so gut wie möglich abfangen und den Motivationsschub zum Ende mit dem Ziel in Sichtweite geschickt zu nutzen wissen. Literatur und Internetquellen Atkins, St. S. & Teper, J. H. (2007). A Survey of Library Practices in Planning and Managing Temporary Moves. Collection Management, 30(4), Chappell, Sh. (2006). Moving Library Collections. Eugene, OR: University of Oregon. scholarsbank.uoregon.edu/xmlui/bitstream/handle/1794/12208/moving Library Collections_ UO Libraries2.pdf ( ). Dannenbauer, I. & Kissling, U. (Red.) (1994). Bibliotheksbau: Kompendium zum Planungs- und Bauprozess (Internetausgabe, Abschn. VIII.2: Bibliotheksumzug, (S ). Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut (dbi-materialien, 131). fachstellenserver/bau_einrichtung/dokumente/baukompendium pdf ( ). Dörpinghaus, H. J. (1979). Der Inventar -Umzug einer Bibliothek als organisatorische Aufgabe. ZfBB, Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 26(6), Fortriede, St. C. (2010). Moving Your Library: Getting the Collection from Here to There. Chicago: American Library Association. Fraley, R. A. & Andersen, C. L. (1990). Library Space Planning: A How-To-Do It Manual for Assessing, Allocating and Reorganizing Collections, Resources, and Facilities. New York, NY: Neil Shuman.
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