Modellierung des Einflusses thermischer Schichtung auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt der staugeregelten Saar 1
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- Jacob Glöckner
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1 Deutsche Gesellschaft für Limnologie (DGL) Tagungsbericht 2006 (Dresden), Werder 2007 Modellierung des Einflusses thermischer Schichtung auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt der staugeregelten Saar 1 Annette Becker 1,2, Volker Kirchesch,1,3, Helmut Baumert 5, Andreas Schöl 1,4 1 Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Am Mainzer Tor 1, Koblenz (Postfach , Koblenz), 2 becker@bafg.de,, 3 volker.kirchesch@bafg, 4 schoel@bafg.de, 5 Institut für angewandte Marine und Limnische Studien IAMARIS, Bei den Mühren 69a, Hamburg, baumert@iamaris.net Keywords: Gewässergütemodell, QSim, Saar, thermische Schichtung, 2D Modellierung Staugeregelte Gewässer und Gütemodellierung Die Saar Sauerstoffhaushalt und Temperaturschichtung Die Saar entspringt in den Vogesen in Frankreich und mündet nach 246 km bei Konz in die Mosel. Ihr Einzugsgebiet umfasst insgesamt 7413 km². Von wurden die unteren, deutschen 93 Saar-km für die Schifffahrt ausgebaut, was annähernd zu einer Verdopplung der mittleren Wassertiefe auf heute 5,5 m führte. Obwohl sich die Wasserqualität der Saar in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat, treten nach wie vor bei sommerlichem Niedrigwasser kritische Sauerstoffkonzentration auf (<4 mg/l), denen mit Sauerstoff-Stützungsmaßnahmen in Form von Wehrbelüftung entgegengewirkt werden muss. Die Saar wird seit 1975 regelmäßig von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) untersucht (BFG-1145, 1998). Dabei wurden auch immer wieder Temperaturschichtungen, die mit vertikalen Gradienten des Sauerstoffs einhergingen, beobachtet. Eine mögliche Bedeutung von Temperaturschichtungen für den Sauerstoffhaushalt der Saar wurde schon bei früheren Untersuchungen und Modellrechnungen vermutet (Schöl et al, 1999; Schöl, 2006). Die Stratifikation geht auch mit höheren oberflächennahen Chlorophyll a-konzentrationen sowie höheren Ammoniumgehalten in tiefen Wasserschichten einher. Sie lässt ausgeprägte Tagesgänge erkennen und ist in der Regel nicht über mehrere Tage stabil. Nach längeren Perioden mit starker Sonneneinstrahlung wurde häufig ein deutlicher Abfall der Sauerstoffkonzentrationen beobachtet, der mit einem - möglicherweise hier nicht mehr adäquaten - 1D-Modellansatz nicht abgebildet werden konnte. Entwicklung eines 2D Modellansatzes Damit das Gewässergütemodell (QSim, Kirchesch & Schöl, 1999) der BfG auch auf langsam fließende Gewässer, in denen nicht von einer Gleichverteilung der Temperatur und der Wasserinhaltsstoffe ausgegangen werden kann, anwendbar ist, wurde es um einen quasi-2d-ansatz erweitert (Becker et al, eingereicht). Dieser umfasst eine mathematische Beschreibung des Einflusses der Turbulenz und Sonneneinstrahlung auf die Temperaturschichtung. Letztere beeinflusst den Stoff- 1 Dieser Beitrag deckt auch den Vortrag von Volker Kirchesch ( Modellierung der tagesperiodischen Temperaturschichtung in der Saar ) ab
2 austausch zwischen Wasserschichten, der die Grundlage für die Ausbildung chemischer und biologischer Gradienten darstellt. Material und Methoden Modellgebiet Saar Die deutsche Saar ist ab der französischen Grenze bis zur Mündung in die Mosel auf einer Länge von ca. 93 km mit sechs Wehren mit Fallhöhen zwischen ca. 4 und 14 m staugeregelt (Abbildung 1), sie erreichen eine Aufstauhöhe von insgesamt 55 m. Die mittlere Verweilzeit im Modellgebiet beträgt bei einem Abfluss von 80 m 3 s -1 (MQ) 4,1 d, bei 26 m 3 s -1 (MNQ) beträgt sie 13 Tage. Dabei sinkt die Fließgeschwindigkeit vor allem in tiefen Staubereichen unter 0,1 m s -1. Messungen Abb. 1: Modellgebiet Saar km 92,8 (Güdingen, oberer Modellrand) bis km 0 (Konz, Mündung in Mosel) Während einer 48-stündigen Messaktion im August 2005 im Oberwasser Serrig (Saar-km 20,3, siehe Abbildung 1, Pfeil) wurde mittels einer Mikrostruktursonde MAA90 von ISW Wassermesstechnik im 10- minütigen Abstand neben der Temperaturschichtung die turbulente kinetische Energie, deren Dissipation und die Wirbeldiffusivität (turbulenter Austauschkoeffizient) gemessen. Daneben wurden stündliche Tiefenprofile mit einer YSI Multisonde (Wassertemperatur, Sauerstoff, Leitfähigkeit, ph, Trübung) und einer bbe- Moldaenke Chlorophyllsonde (Chlorophyll a und Algengruppenzusammensetzung) aufgenommen. Ergänzt wurden die Messungen alle vier Stunden durch wasserchemische Analysen (ortho-phosphat, Ammonium, Nitrat, Nitrit, Chlorophyll a) von Ruttner Schöpfproben aus 9 Wassertiefen. Weiterhin erfolgten Langzeitmessungen von Wassertemperaturen ( , halbstündig in 0,1 m, 0,3 m, 0,5 m, 0,7 m, 1,0 m, 1,5 m, 2,0 m, 2,5 m und 4 m Tiefe) am Saar-km 19. Quasi-2- Modellentwicklung und Anwendung Das deterministische Gewässergütemodell QSim der BfG wird seit mehr als 25 Jahren in enger Wechselwirkung mit der Anwendung weiterentwickelt (Kirchesch & Schöl, 1999, Schöl et al 1999, 2002, 2006, Schöl 2006, Im neuen quasi-2d-ansatz wird die vertikale Temperaturverteilung durch eine eindimensionale Wärmegleichung beschrieben, die durch ein implizites Differenzenverfahren nach Crank-Nicolson (Schwarz, 1988) approximiert wird. C = t C D( z). z z Formel 1: Wärmeleitgleichung (2.Fick sches Gesetz), mit C : Temperatur [ C] o. Konzentration [mg l -1 ], D(z): tiefenaufgelöster turbulenter Austauschkoeffizient [m 2 s -1 ], z: Abstand von der Wasseroberfläche [m]
3 Der turbulente Austauschkoeffizient bestimmt die Stärke des Temperaturaustausches zwischen den einzelnen Schichten. Dieser Koeffizient entstammt einem Turbulenzmodell (k- ε -Modell), das ebenfalls in QSim implementiert wurde. k νt k ( ) = P Β ε t z σ z κ ε νt ε ε ( * ) = c * ( Ρ c3β t z c z κ ε 1 ) 2 ε c2 k Formel 2+3: k- ε -Modell, mit k: turbulente Energie [m 2 s -3 ], ε: Dissipationsrate [m 2 s -2 ], Konstante σ κ = 1, P: Turbulenzproduktion durch Schergradient, B: Auftriebseffekt, v t : Wirbelzähigkeit [m 2 s- 1 ], empirische Konstanten c 1 = 1.44, c 2 = 1.92 und c 3 = Das k- ε -Modell benötigt neben der vertikalen Temperaturverteilung die vertikal aufgelöste Fließgeschwindigkeit als Eingabe. Letztere wird idealisiert aus der mittleren Querschnittsgeschwindigkeit nach dem Ansatz von Van Veen unter Berücksichtigung der windinduzierten Geschwindigkeit (log-profil) ermittelt. Die Messwerte der 48 h Messaktion und die Langzeitmessungen von 2004 wurden zur Validierung des beschriebenen Modellansatzes (Rechnung für die Stauhaltung Serrig) verwendet. Zusätzlich wurde ein Jahresgang für 1998 für das gesamte Saar-Gebiet simuliert. Ergebnisse Abb. 2: Ergebnisse der 48 h Messkampagne, Serrig, Saar-km 20,3, : turbulenter Austauschkoeffizient (Messung) Während der 48-Stunden Messkampagne bauten sich im Tagesverlauf Temperaturschichtungen auf. Die Messungen des turbulenten Austauschkoeffizienten zeigen, dass dieser bei den steilsten Temperaturgradienten am geringsten und während der Destratifikation in den frühen Morgenstunden am höchsten ist (Abb. 2). In Abb. 3 werden den gemessenen Temperaturverläufen die modellierten gegenübergestellt. Beide zeigen den Aufbau der oberflächennahen Schichtung im Tagesverlauf und ihr Zusammenbrechen, wobei auffällt, dass die modellierte Schichtung generell stabiler erscheint als die gemessene.
4 Abb. 3: Wassertemperatur Ergebnisse der 48 h Messkampagne, Serrig, Saar-km 20,3, : oben: Messung, unten Modell, Stunden 0: :00 Der vertikale Verlauf von Sauerstoff, Chlorophyll a, Ammonium und ortho- Phosphat wurde für den Zeitraum der 48h-Intensivmesskampagne modelliert und mit gemessenen Daten verglichen (Abb. 4). Sowohl Messungen als auch das Modell zeigen, dass die vertikalen Gradienten von Sauerstoff und Chlorphyll a um so ausgeprägter sind, je stärker die thermische Schichtung ist. Die oberflächennahen Ammoniumkonzentrationen sind jedoch generell geringer als in der Tiefe, bei ortho-phosphat ergeben sich hingegen keine klaren systematischen Konzentrationsunterschiede. Die Unterschiede zwischen Messungen und Modell zeigen im Tagesverlauf ähnliche Tendenzen wie für die Temperaturschichtung gezeigt (schwächeres Zusammenbrechen der Schichtung im Modell). Abb. 4: gemessene und modellierte Tiefenprofile von Wassertemperatur, Sauerstoff, Chlorophyll a, Ammonium und ortho-phosphat, Serrig (Saar-km 20,3), , 19:00
5 Abb. 5: gemessene und modellierte Wassertemperaturen an der Oberfläche und in 1 m und 4 m Tiefe Mehrmonatige Messungen der Wassertemperatur in 10 Tiefen in der gleichen Stauhaltung zeigen, unter welchen hydrologischen und klimatischen Bedingungen es zu einer Temperaturschichtung kommt und wann mit einer Gleichverteilung zu rechnen ist (Abb. 5). Im Modell kann dieses Langzeitmuster der Temperaturverteilung der Saarstauhaltung nachgebildet werden. Der gleiche Ansatz, der zur Modellierung der Stauhaltung Serrig genutzt wurde, wird im Folgenden für den Jahresgang 1998 und die gesamte Saarstrecke (Saar-km 93-0) angewandt. Beim modellierten Jahresgang 1998 zeigt sich, dass zumindest an tiefen Stellen auch über mehrere zusammenhängende Tage mit stabilen Temperaturschichtungen zu rechnen ist (Abb. 6, Sommer 1998). Treten diese auf, ist auch mit größeren Tiefengradienten des Sauerstoffs zu rechnen. Im Längsverlauf einer Stauhaltung wird deutlich, dass Schichtungen sich unterhalb des durchmischten Unterwasser langsam aufbauen und im Verlauf der Stauhaltung stabilisieren (Details zu den Jahresgangberechnungen siehe Becker et al, eingereicht). Abb. 6a: Modellierte Wassertemperaturen und Sauerstoffkonzentrationen in verschiedenen Wassertiefen der Saar in Serrig, Zeitverlauf Juni-August 1998, 6b: Längsprofil (Stauhaltung Serrig, )
6 Der Einfluss der Temperaturschichtung auf den Sauerstoffhaushalt insgesamt kann abgeschätzt werden, indem die modellierten Raten des Sauerstoffhaushaltes im 1D und 2D-Modellansatz verglichen werden. Für den Saar-km 18,45 (Oberwasser Serrig) und den Jahresgang 1998 wird das mittlere Ergebnis in Abb. 6 gezeigt. Dabei wird deutlich, dass die größten Unterschiede beim atmosphärischen Austausch von Sauerstoff (etwa 18% niedriger bei 2D gegenüber 1D-Ansatz) und beim Sauerstoffeintrag durch die Algen (etwa 11% höher) gefunden werden. Die Raten liefern je nach betrachtetem Zeitraum bzw. betrachteter Stelle in der Saar einen verschieden hohen Beitrag zum Sauerstoffhaushalt. Insgesamt wird in der Saar der im 2D-Ansatz berechnete verminderte physikalische Sauerstoffeintrag weitgehend durch die höhere Sauerstoffproduktion aufgrund eines verbesserten Algenwachstum kompensiert (Becker et al, eingereicht). Abb. 6: Prozentuale Abweichung der modellierten Raten des Sauerstoffhaushaltes von 2D- im Vergleich zu 1D- Modellansatz, Oberwasser Serrig, 1998 Diskussion Die Modellergebnisse geben sowohl die absoluten Werte als auch die beobachtete Tagesrhythmik der Stratifikation zufriedenstellend wieder. Das Zusammenbrechen der Temperaturschichtung und die damit zusammenhängende gleichmäßige Verteilung gelöster und partikulärer Stoffe wird im Modell jedoch systematisch leicht unterschätzt. Ursachen hierfür können die bislang unzureichende Berücksichtigung der Beschattung, lokaler Windregime (Geländemorphologie), der direkte Einfluss von Schiffspassagen (Turbulenz) und der Einfluss von Schleusungen sein, die zu Schwingungen des Wasserkörpers mit deutlich höheren Fließgeschwindigkeiten führen (Baumert, 2005). Die modellierten Effekte der thermischen Schichtung auf die atmosphärische Belüftung und andere sauerstoffverbrauchende bzw. -produzierende Prozesse spielen für den Stoffhaushalt eine wichtige Rolle, hier kann es zu größeren Unterschieden zwischen 1D und 2D Modellansätzen kommen als in der Summe aller Raten (Kompensation von Effekten). Die Modellierungsergebnisse bestätigen die Vermutung, dass Algen in temperaturgeschichteten Stauhaltungen bessere Wachstumsbedingungen vorfinden. Die ausgeprägten Tagesgänge und Tiefengradienten, die auch im Modell wiedergegeben werden, können eine große ökologische Bedeutung haben. In langsam fließenden Gewässern sollte bei Modellierungen deshalb die Möglichkeit von thermischer Schichtung prinzipiell berücksichtigt werden, im Einzelfall kann deren Notwendigkeit exemplarisch geprüft werden.
7 Schlussfolgerungen Die Weiterentwicklung des Gewässergütemodells QSim hin zum quasi-2d-ansatz ermöglicht die Bearbeitung einer Anzahl neuer Fragestellungen. Insbesondere können langsam fließende, aufgestaute Gewässerabschnitte besser abgebildet werden, was die Zahl möglicher Modellanwendungen deutlich vergrößert. Die Untersuchungen haben aber auch gezeigt, dass weiterhin Einflüsse auftreten können, die noch nicht im Modell berücksichtigt werden: etwa der direkte Einfluss der Schifffahrt, Schleusungen, lokale Windregime und Beschattung. Danksagung Wir danken Holger and Hartmut Prandke für die Mikrostruktur Profiler-Messungen und - Datenauswertung, für die finanzielle Unterstützung durch die WSD Südwest und das WSA Saarbrücken, die ADCP-Daten zur Verfügung stellten. Dank auch an Franz Leyendecker für die logistische Unterstützung und ganz besonders an Claudia Günster für ihr Organisationstalent und die technische Unterstützung. Literatur Becker, A., Kirchesch, V., Baumert, H.,, Fischer, H., Schöl, A. (eingereicht): Modelling the effects of thermal stratification on the oxygen budget of an impounded river BfG (1998): Untersuchungen über den mikrobiologisch-biochemischen Zustand der Saar und ihrer Nebenflüsse, Zeitraum , BFG-1145, S. Baumert, H., Simpson, Z., Sündermann, J. (2005): Marine Turbulence Theories, Observations and Models, Cambridge University Press, 630 S. Kirchesch, V., Schöl, A. (1999): Das Gewässergütemodell QSIM - Ein Instrument zur Simulation und Prognose des Stoffhaushalts und der Planktondynamik von Fließgewässern. Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, 43: Schöl, A. (2006): Die Saar Auswirkungen der Stauregelung auf den Sauerstoffhaushalt in einem abflussarmen Mittelgebirgsfluss In: Müller, D, Schöl, A, Bergfeld, T, Strunck Y. (Hrsg..): Staugeregelte Flüsse in Deutschland. Limnologie Aktuell, Bd. 12. Schweizerbart sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart. Schöl, A., Eidner, R., Böhme, M., Kirchesch, V. (2006): Einfluss der Buhnenfelder auf die Wasserbeschaffenheit der Mittleren Elbe. pp in: Pusch, M. & Fischer, H. (Hrsg.) (2006) Stoffdynamik und Habitatstruktur in der Elbe. Konzepte für die nachhaltige Entwicklung einer Flusslandschaft. Weissensee Verlag, Berlin, 385 S. Schöl, A., Kirchesch, V., Bergfeld, T., Schöll, F., Borcherding, J. & Müller, D. (2002): Modelling the chlorophyll a content of the River Rhine - interaction between riverine algal production and population biomass of grazers, rotifers and zebra mussel, Dreissena polymorpha. International Review of Hydrobiology, 87: Schöl, A., Kirchesch, V., Bergfeld, T. & Müller, D. (1999): Model-based analysis of oxygen budget and biological processes in the regulated rivers Moselle and Saar: modelling the influence of benthic filter feeders on phytoplankton. Hydrobiologia 410: Schwarz, H. R (1988): Numerische Mathematik. B.G. Teubner, Stuttgart
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