Hintergrundinformation. Vom Windkanal zum DLR-Denkmal. Der Schall- und Überschallkanal A9a/A9b
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- Hajo Klein
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1 Hintergrundinformation Vom Windkanal zum DLR-Denkmal Der Schall- und Überschallkanal A9a/A9b
2 Vom Windkanal zum DLR-Denkmal: Die Druckspirale des A9b-Überschallkanals Historie Achtzehn Tonnen Braunschweiger Geschichte haben ihren Weg aus dem englischen Bedford zurückgefunden: Das Spiralgehäuse ( Druckspirale ) mit den beiden Kompressor-Ansaugstutzen des Überschallwindkanals A9b der ehemaligen Luftfahrtforschungsanstalt (LFA) in Braunschweig-Völkenrode. Zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg demontierten britische Luftfahrt- und Anlagenexperten die wichtigsten Windkanalanlagen der LFA und der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA) und brachten sie nach England. Dort wurden sie beim Royal Aircraft Establishment (RAE) wieder aufgebaut und in Betrieb genommen. Anlagenverschrottung und Bergung der Druckspirale (RAE Bedford, 9. Februar 2004) Ansaugstutzen und Druckspirale vor der Rückholung (RAE Bedford, 9. Februar 2004) Im Jahr 2003 wurde bekannt, dass Windkanalanlagen des RAE bis auf eine Restanlage abgerissen und verschrottet werden sollten. Trotz des schlechten Zustands der gesamten Forschungsanlagen gelang es dem ehemaligen Direktor des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik, Prof. Dr. Peter Hamel, mit Unterstützung des damaligen Direktors des Deutschen Museums in München, Werner Heinzerling, und Helfern der Speditionsfirma Schenker, Teile des ehemaligen LFA-Windkanals A9 zu retten. Während einer der beiden optischen Hohlspiegel, die einst von Theodor Zobel zur Sichtbarmachung und Vermessung von Strömungszuständen in der Messstrecke genutzt wurden, an das Deutsche Museum in München überging, ziert das Kompressor-Spiralgehäuse des Überschallwindkanals A9b mit seinen seitlichen Ansaugstutzen seit dem 15. Juni 2009 das DLR-Gelände am Forschungsflughafen. Ankunft im DLR Braunschweig (DLR, 10. Februar 2004) Das Denkmal wird auf seine zukünftige Plattform gesetzt (DLR, Dezember 2008) Druckspirale als Denkmal am Forschungsflughafen in Braunschweig (DLR, Juni 2009) 2
3 Die LFA Braunschweig Den Forschern standen auf dem ehemaligen Gelände der LFA in Braunschweig-Völkenrode, eine der Vorgängergesellschaften des heutigen DLR, mehrere Windkanäle zur Verfügung, in denen sie unter anderem die aerodynamischen Vorteile des Pfeilflügels für den Hochgeschwindigkeitsflug untersuchten. Besonders der Braunschweiger Gasdynamiker Adolf Busemann erzielte in diesem Bereich bahnbrechende Ergebnisse. Eigentliche Aufgabe der 1936 gegründeten LFA sollte die langfristig angelegte Grundlagenforschung sein. Die Wissenschaftler der fünf Institute forschten insbesondere in den Bereichen Strömungsmechanik, Luftfahrzeugkonstruktion, Flugzeugmotoren und Flugzeugbewaffnung. In den Kriegsjahren mussten die Windkanäle allerdings vorrangig für Projektmessungen der Industrie genutzt werden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die LFA von Hermann Blenk geleitet, der später entscheidend an der Wiederbegründung der Braunschweiger Luftfahrtforschung beteiligt war. Neben den Erfolgen in der erstmaligen Erforschung der Pfeilflügelaerodynamik durch Adolf Busemann konnte die LFA auch im Bereich neuartiger Flugkörper und Strahlantriebssysteme vielversprechende Leistungen verbuchen. So steigerte beispielsweise Otto Lutz die Volldruckhöhen gängiger Flugmotoren durch das Einspritzen von Stickstoffmonoxid in den Verbrennungsraum bis auf Meter bei gleicher Leistung. Anfang April 1945 wurde die LFA von amerikanischen Truppen besetzt. Trotz ihres Wissens um die Forschungsstätte waren sie von Größe, Leistungsfähigkeit und Qualität der gefundenen Anlagen beeindruckt. Bereits einen Monat später pilgerten viele Expertenteams aus den USA und England nach Völkenrode, um die erstaunlichen Ergebnisse und Anlagen der deutschen Forscher zu untersuchen und als Monografien dokumentieren zu lassen. Es kam zu einem Wettbewerb zwischen Amerikanern und Briten bei dem eine Vielzahl von LFA-Berichten und Dokumenten konfisziert wurden. Zusätzlich bereitete man die Liberalisierung der Versuchsanlagen vor. Die so entdeckten Messergebnisse und Erkenntnisse über die Vorteile des Pfeilflügels bei höheren Fluggeschwindigkeiten wurden bereits Anfang Mai 1945 an die verschiedenen Luftfahrtunternehmen der USA weitergeleitet. Mit dem erlangten Wissen erreichte die Firma Boeing so für lange Zeit eine industrielle Vormachtstellung auf dem Gebiet strahlgetriebener Großflugzeuge. Nur zwei Jahre später, im Jahr 1947, begannen ehemalige LFA-Mitarbeiter und deutsche Kriegsgefangene unter Aufsicht der britischen Industrie- und Bauministerien in Braunschweig-Völkenrode mit der Demontage der Windkanäle und der Zerstörung der dazu gehörenden Gebäude. Erhalten blieb nur ein Teil der Bürogebäude, der noch heute von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) genutzt wird. Demontage des A9b-Kompressors (LFA, 1947) Abtransport der Druckspirale A9b nach England (LFA, 1947) 3
4 Der Schall- und Überschallkanal A9a/b Überschallkanal A9b der LFA für offenen und geschlossenen Betrieb Technische Daten Druckspirale mit seitlichen Ansaugstutzen vom Turbogebläse-Antrieb (Radialkompressor) A9b-Überschallgeschwindigkeits-Windkanal, Luftfahrtforschungsanstalt (LFA) Radialkompressor Hersteller: GHH (heute: MAN) Gebläseleistung: 4000 Kilowatt (8000 Kilowatt bei Koppelantrieb) Drehzahl: 1820 Umdrehungen pro Minute Druckverhältnis: 1:1,4 Luftdurchsatz: Kubikmeter pro Stunde Messstrecke des Windkanals Betrieb: kontinuierlich Querschnitt: 0,90m x 0,90m Max. Mach-Zahl: 1,5 Mach-Zahl-Einstellung: flexible Düsenwände Inbetriebnahme: 22. September 1941 Standort : LFA Braunschweig-Völkenrode : RAE Bedford, England Februar 2004: Rückholung zum DLR Braunschweig 4
5 Die Technik Der A9-Windkanalkomplex der LFA bestand aus zwei spiegelbildlich aufgebauten Elektromotoren und zwei Radialkompressoren. Verbindungsrohrleitungen mit ca. neun Tonnen Kupferkühlelementen führten zu den beiden vertikalen Messstrecken A9a und A9b. Beide Messstrecken konnten mit je vier Megawatt unabhängig voneinander betrieben werden. Durch eine Doppelkegel-Reibungskupplung zwischen den beiden Antriebsmotoren bestand zusätzlich die Möglichkeit, jeweils eine Messstrecke mit doppelter Leistung anzutreiben. Neben der Entwicklung kleiner Staustrahltriebwerke und Stabilitätsuntersuchungen an Geschossen und Luft-Luft-Flugkörpern, wie der R4M, wurden die beiden Messstrecken A9a und A9b unter anderem auch zur Vermessung von Tragflügel- und Propellerprofilen eingesetzt. Ziel der Forschung war in erster Linie der Vergleich von Versuchsdaten und Ergebnissen aus neuen Rechenverfahren für kompressible Strömungen. Darüber hinaus sollten erstmals im kontinuierlichen Betrieb vergleichende Messungen im Bereich schallnaher Strömungen (Mach-Zahl ~ 1) zwischen der offenen runden Messstrecke des A9a und der geschlossenen quadratischen Messstrecke des A9b durchgeführt werden. Dank einer neuartigen, variablen Düseneinstellung zur präzisen, störungs- und verlustarmen Mach-Zahl-Einstellung in der geschlossenen Messstrecke des A9b konnten Überschallgeschwindigkeiten mit Mach-Zahlen von bis zu 1,5 erreicht werden. Die flexiblen Wände der quadratischen Düse ließen sich mittels Spindeln und Ketten im Düsen- und Nachstrombereich zentral und automatisch verstellen und bei Bedarf manuell nachregulieren. Aufgrund, hauptsächlich durch den Krieg bedingter, technischer Probleme war ein Abschluss dieser Untersuchungen bis Kriegsende nicht möglich. A9-Antriebsstrang mit spiegelbildlicher Anordnung der Kompressoren (LFA, 1945) Wegen des hohen Energiebedarfs konnte die A9-Anlage unter Berücksichtigung des Strombedarfs der Stadt Braunschweig praktisch nur in der Nacht oder am Sonntag betrieben werden. Die wesentlichen A9-Bauteile, insbesondere der komplette Antriebsstrang, dienten nach dem Zweiten Weltkrieg dem RAE Bedford zur Errichtung des ersten operationellen Schall- und Überschallkanals in England. Dort ließ er sich kontinuierlich betreiben und war unter der Bezeichnung RAE 3ftx3ft SWT (Supersonic Wind Tunnel) weit mehr als drei Jahrzehnte im Rahmen der Entwicklung von neuen britischen Schnellflugzeug- Konfigurationen erfolgreich im Einsatz. A9b-Kompressor der Firma GHH (LFA, 1947) Überschall-Messstrecke A9b mit variabler Hohlspiegel der Firma Zeis (LFA, 1947) Düseneinstellung (LFA, 1947) 5
6 Das DLR im Überblick Das DLR ist das nationale Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Seine umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Verkehr und Energie sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Über die eigene Forschung hinaus ist das DLR als Raumfahrt-Agentur im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten sowie für die internationale Interessenswahrnehmung zuständig. Zudem fungiert das DLR als Dachorganisation für den national größten Projektträger. In den dreizehn Standorten Köln (Sitz des Vorstandes), Berlin, Bonn, Braunschweig, Bremen, Göttingen, Hamburg, Lampoldshausen, Neustrelitz, Oberpfaffenhofen, Stuttgart, Trauen und Weilheim beschäftigt das DLR circa Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das DLR unterhält Büros in Brüssel, Paris und Washington D.C. Die Mission des DLR umfasst die Erforschung von Erde und Sonnensystem, Forschung für den Erhalt der Umwelt und umweltverträgliche Technologien, zur Steigerung der Mobilität sowie für Kommunikation und Sicherheit. Das Forschungsportfolio des DLR reicht von der Grundlagenforschung zu innovativen Anwendungen und Produkten von morgen. So trägt das im DLR gewonnene wissenschaftliche und technische Know-how zur Stärkung des Industrie- und Technologiestandortes Deutschland bei. Das DLR betreibt Großforschungsanlagen für eigene Projekte sowie als Dienstleistung für Kunden und Partner. Darüber hinaus fördert das DLR den wissenschaftlichen Nachwuchs, betreibt kompetente Politikberatung und ist eine treibende Kraft in den Regionen seiner Standorte. Hintergrundinformation WKD-dt-06/09 Bildmaterial: Archiv Hamel Leitung des Standortes Braunschweig Lilienthalplatz Braunschweig
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