Sozialmedizinische Aspekte bei psychischen Erkrankungen - Weiterentwicklungsbedarf
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- Christa Neumann
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1 AHG Zentrum für Verhaltensmedizin Bad Pyrmont Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) Ärztlicher Direktor: Prof. R. Meermann Sozialmedizinische Aspekte bei psychischen Erkrankungen - Weiterentwicklungsbedarf Dr. med. Volker Malinowski Leitender Abteilungsarzt Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Facharzt für Neurologie Sozialmedizin 1
2 AHG Zentrum für Verhaltensmedizin Bad Pyrmont Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) 2
3 Indikationen: Angststörungen Depressionen Zwangsstörungen Essstörungen (Magersucht/Bulimie/BE) Posttraumatische Belastungsstörungen Funktionelle und somatoforme Störungen 3
4 Beispiel: Anorexia nervosa Ca.1% der 15- bis 30-jährigen Frauen in westlichen Industrienationen sind betroffen Ca % Heilung 40% chronischer Verlauf oder Rezidive 12-15% tödlicher Verlauf 4
5 Durch den Erkrankungsgipfel in der späten Adoleszenz bzw. im jungen Erwachsenenalter ergeben sich gravierende Folgen für den schulischen und beruflichen Werdegang mit hohen Folgekosten: Für die AN wird ein jährlicher Kostenaufwand (Behandlung/ Produktivitätsausfall) in Höhe von 195 Millionen Euro (BN 124 Millionen Euro) veranschlagt. (S3 Leitlinie) 5
6 6
7 Stichprobe - N = 664 stationäre Patienten der AHG Psychosomatischen Klinik Bad Pyrmont, aus den Jahren 2005 bis die Behandlung fand im Rahmen einer REHA statt - alle Pat. erhielten ein spezielles kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Essstörungen (AN/BN) 7
8 Therapiebausteine für stationäre Psychotherapie Vorgespräch Einzeltherapie Indikative Gruppe für Essstörungen (3x/Woche 90 min) Essen und Gewicht Problemlösegruppe Psychomotorische Therapie (1x/Woche 45 min) Initialvideoband weitere Videoaufnahmen (mind. 1 Verlaufsvideoband) Programm zur Gewichtszunahme (wöchentlich vereinbarte Mindestzunahme von 700g bis zum Zielgewicht) Indikative Kochgruppe (1x/Woche) Training sozialer Fertigkeiten Genusstraining, Entspannungstraining Ergotherapie, dosiertes Sportprogramm Angehörigentreffen (1x/Monat), Ehemaligentreffen, SMS-Nachsorge Familien- und Partnergespräche (individuell nach Bedarf) 8
9 Messinstrumente 1. Basisdokumentation (Verwaltungs- und Zugangsdaten, soziodemographische Angaben, Diagnosen, sozialmed. Abschlussdaten, Empfehlungen, Prognose), auszufüllen durch den Therapeuten 2. Patientenentlassfragebogen zur Beurteilung der stat. Behandlung (Fragen zum Gesundheitszustand vor der Behandlung, zum stat. Aufenthalt, zur poststat. Behandlung, zur Einschätzung der Beschwerden am Ende der Behandlung, zu Erwerbstätigkeit, Leistungsvermögen, Rente, Zufriedenheit mit der Behandlung), auszufüllen durch die Patienten 9
10 Anzahl der behandelten Patienten mit Magersucht / Anzahl der behandelten Patienten mit Essstörungen Bulimie pro pro Jahr Jahr (2005 ( / N=664) / N=664) BN AN 10
11 Alter bei der Aufnahme Alter bei der Aufnahme (N=664) 50,5% Durchschnittsalter: 29,2 Jahre; Min: 16 Jahre / Max: 61 Jahre 22,7% 13,9% 10,8% 2,1% bis ab 50 Alter (Jahre) 11
12 Geschlecht (N=664) männlich 3,8% weiblich 96,2% 12
13 Derzeitige derzeitige Berufsausübung (N=664) Vollzeitbeschäftigung 38,9% Teilzeitbeschäftigung 9,7% arbeitslos 19,5% in Ausbildung 21,9% Rentner, Hausmann/-frau 6,2% sonstige, unbekannt 3,9% 13
14 Dauer Dauer seit seit Erstmanifestation in Bezug in Bezug auf das auf das Hauptleiden (in Jahren / N=638) / N=638) 31,5% 26,6% Mittelwert: 9,25 Jahre Modalwert: 2 Jahre 13,6% 9,9% 9,7% 8,6% bis 1 Jahr 2 bis 5 6 bis bis bis 20 über 20 Jahre 14
15 Komorbiditäten Depression = 45,1% Persönlichkeitsstörung = 27% Abhängigkeiten = 4,6% 15
16 Verweildauer (in Wochen / N=664) Verweildauer (in Wochen / N=664) bis 1 Wo 2 Wo 3 Wo 4 Wo 5 Wo 6 Wo 7 Wo 8 Wo 9 Wo 10 Wo 11 Wo 12 Wo 13 Wo und mehr 4,7% 3,3% 3,0% 3,2% 2,1% 3,8% 2,4% 4,8% 1,4% 8,7% 12,5% durchschnittliche Verweildauer: 7,4 Wochen 20,5% 29,7% 16
17 Entlassungsart (N=663) reguläre Entlassung 76,9% vorzeitig auf ärztl. Veranlassung 4,2% vorzeitig m. ärztl. Einverständnis 5,4% vorzeitig gegen ärztl. Rat 12,2% diziplinarisch 1,2% 17
18 Zustand bei Entlassung Zustand bei Entlassung: Veränderung der Symptomatik aus Patientensicht Veränderung der Symptomatik (N=493) aus Patientensicht (N=493) Stark gebessert 34,6% gebessert 53,2% Problem besteht unverändert 10,0% verschlechtert 1,8% Stark verschlechtert 0,4% 18
19 Zustand bei Entlassung: Veränderung Veränderung Symptomatik der Symptomatik aus Therapeutensicht aus Therapeutensicht (N=662) (N=662) wesentlich gebessert 21,1% deutlich gebessert 43,7% leicht gebessert 23,4% unverändert 11,6% leicht verschlechtert deutlich verschlechtert wesentlich verschlechtert 0,2% 0,0% 0,0% 19
20 Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (N=614) = Aufnahme Entlassung arbeitsfähig 59,9% arbeitsunfähig 40,1% arbeitsfähig 62,6% Behandl. Diag. 26,0% gestufte Wiedereingl. 11,0% Schonungszeit 0,4% 20
21 Leistungsfähigkeit letzter Beruf bei Entlassung Leistungsfähigkeit (N=622) letzter Beruf bei Entlassung (N=622) unter 3 Stunden 5,1% 6 und mehr Stunden 94,1% 3 bis unter 6 Stunden 0,8% 21
22 Schlussfolgerungen - Die Ergebnisse zeigen, dass ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm bei anorektischen und bulimischen Patientinnen zu deutlichen, positiven Veränderungen führt - Günstig wäre es, die Patientinnen früher stationär aufzunehmen - Sozialmedizinisch gesehen kann in über 60% der Fälle die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden, so dass eine berufbezogene Reha auch in Anbetracht des jungen Alters der Patientinnen sehr sinnvoll erscheint -> übertragbar auf alle anderen psychischen Erkrankungen - Die meisten Patientinnen benötigen eine Verweildauer von 6 Wochen und mehr 22
23 Entwicklung der Morbidität/Psychosomatik in der Rehabilitation Psychische Erkrankungen nehmen zu : 23
24 Entwicklung der Morbidität/Psychosomatik Dauer der Krankschreibung 24
25 Entwicklung der Morbidität/Psychosomatik Allgemeine Situation in Deutschland Psychische Erkrankungen nehmen zu: * 60 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen (Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz u. Arbeitsmedizin 2014) * 14,7 % der Arbeitsunfähigkeiten entfallen auf psychische Erkrankungen (Quelle: BKK Gesundheitsreport 2015) 25
26 Entwicklung der Morbidität/Psychosomatik Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für eine krankheitsbedingte Frühberentung der Anteil der Personen, die aufgrund seelischer Leiden im Jahr 2014 frühzeitig in die Rente gingen, betrug: 43,1 % (Quelle: DRV Bund RV in Zeitreihen 2015) 26
27 Entwicklung der Morbidität/Psychosomatik Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf die Volkswirtschaft: die direkten Krankheitskosten für psych. Erkrankungen betrugen in 2014 ca. 16 Milliarden EURO für die Unternehmen betrugen die Produktionsausfallkosten im gleichen Zeitraum ca. 8,3 Milliarden EURO (Quelle: DRV Bund RV in Zeitreihen 2015) 27
28 Das Bad Pyrmonter 2-Jahres-Katamneseprojekt Langzeitveränderungen stationärer Verhaltenstherapie unter besonderer Berücksichtigung gesundheitsökonomischer Aspekte Dr. Ernst-Jürgen Borgart AHG Zentrum für Verhaltensmedizin Bad Pyrmont 28
29 Schlussfolgerungen Die positiven Veränderungen durch ein kognitivverhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm sind auch zwei Jahre nach Entlassung weitgehend stabil 29
30 Schlussfolgerungen Im Zeitraum von 2 Jahren nach der stationären Behandlung reduzieren sich : Krankheitszeiten stationäre Akutbehandlungen ambulante Arztkontakte Medikamentenkonsum 30
31 Schlussfolgerungen Die Krankheitskosten reduzieren sich um 54 Prozent Für stationäre Behandlung ergibt sich ein Investitions-Nutzen- Verhältnis von 1 : 3,79 31
32 Weiterentwicklungsbedarf Prävention sollte erweitert werden ->mehr Sekundärprävention / Primärprävention systembedingte Chronifizierung vermeiden ->niederschwellige, schnelle trägerübergreifende Bewilligung, case management früher an stationäre Reha denken -> Schulung niedergelassene Ärzte / Therapeuten Rehainvestment statt Rehakosten -> Umdenken bei den Kostenträgern 32
33 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 33
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