Auswahl und Einführung eines Web-Analytics- Systems

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1 Auswahl und Einführung eines Web-Analytics- Systems Die Erfassung des Traffics auf einer Website ist für kommerzielle Online-Projekte unerlässlich. Zur Auswahl steht ein breites Spektrum von Lösungen von kostenlosen Angeboten wie Webalizer oder Analog bis zu Enterprise-Editions für fünfstellige monatliche Nutzungsgebühren. In diesem Artikel sollen einige Auswahlkriterien und Lösungen vorgestellt werden, die dabei helfen, mit geringem bis mittleren Budget die Performance der eigenen Website effektiv zu messen und zu optimieren. von Frank Reese (Ideal Observer), Februar 2006 Tags oder Logs: Zuverlässige Datengrundlage Die schönsten Analysen und Tortendiagramme nützen nichts, wenn die zugrundeliegenden Zahlen unvollständig, fehlerhaft oder verzerrt sind. Darum ist es wichtig zu wissen, woher die Daten genau kommen. Viele günstige oder von den Hosting-Providern kostenlos angebotene Analyse-Lösungen wie AWStats, Webalizer oder Analog nutzen die Logfiles der Webserver. In diesen Logfiles, also Protokoll-Dateien, werden sämtliche Anfragen, die an den Webserver gerichtet werden, aufgezeichnet. Logfiles sind reine Text-Dateien, sie liegen in den einschlägigen Verzeichnissen auf dem Server, z.b. '/logs', haben Dateiendungen wie '.log', '.txt' oder bei komprimierten Dateien '.gz' und können recht einfach heruntergeladen werden. Mit jedem Text-Editor lassen sich die Inhalte ansehen. Pro Anfrage wird in der Datei eine Zeile notiert, z.b. msnbot.msn.com - - [21/Jan/2006:03:57: ] "GET /htdocs/meldungen/aktuellhome.html HTTP/1.0" "-" "msnbot/0.9 (+ In diesem Fall handelt sich um einen Webcrawler von msn der die Datei 'aktuellhome.html' vom Webserver abrufen wollte. Zeit, Protokoll, Statuscodes und Dateigrösse sind ebenfalls notiert. Ein von einem Browser verursachter Eintrag sieht z.b. so aus: pd95347c6.dip0.t-ipconnect.de - - [23/Jan/2006:19:47: ] "GET /htdocs/leistungen/studien.html HTTP/1.1" " "Mozilla/5.0 (Windows; U; Windows NT 5.1; de; rv:1.8) Gecko/ Firefox/1.5" Ein Nutzer von T-Online '...t-ipconnect.de' ruft mit einem Firefox-Browser die Seite 'studien.html' ab. Gemeinhin wird man die Dateien aber nicht direkt ansehen, sondern einem Analyse- Programm zur Bearbeitung übergeben. Dieses filtert nun Besucher, Uhrzeiten, Browser, aufgerufene Seiten etc. heraus und erstellt Statistiken über Häufigkeiten und Verteilungen. E-Commerce-Center Handel

2 Dieses Vorgehen hat viele gute Seiten: die Daten sind problemlos verfügbar sämtliche Aktivitäten des Servers sind enthalten die Auswertungssoftware ist günstig, schnell und einfach zu handhaben Leider ergeben sich auch einige Nachteile: da alle Aktivitäten aufgezeichnet werden, müssen die Daten sorgfältig und regelmäßig bereinigt werden Bots, Crawler und allerlei Anfragen, die nicht durch tatsächliche 'Besucher' ausgeführt werden müssen herausgefiltert werden zwar werden alle Anfragen beim Webserver notiert, aber viele Seitenabrufe können schon durch Zwischenspeicher wie Proxies oder Caches bedient werden, so dass diese Besucheraktivitäten erst gar nicht bis zum Webserver durchdringen die Identität der Besucher im obigen Fall 'pd t-ipconnect.de' wird den Besuchern dynamisch durch die Online-Provider zugeteilt. Dies bedeutet, dass am folgenden Tag ein anderer Kunde von T-Online unter dieser Identität im Netz unterwegs sein kann. Unangenehmer noch: Einige Provider wechseln die IP-Adresse der Besucher auch während des Besuches, so dass er also unter mehreren Identitäten verzeichnet wird. Insgesamt kann eine Analyse des Traffics auf dieser Grundlage nicht als zuverlässig angesehen werden. Die Anzahl der Besucher wird gewöhnlich um bis zu 70% überschätzt, die Anzahl der Besuche pro Besucher wird dagegen unterschätzt. Eine Lösung für dieses Problem ist die Ablage eines Cookies auf der Festplatte des Besuchers. Webserver können so konfiguriert werden, dass Cookies gesetzt und in den Logfiles notiert werden. Allerdings erfordert dies einen Zugriff auf die Konfiguration des Webservers, was für die meisten Betreiber von kleinen oder mittleren Websites nicht möglich ist. Auch wenn der Zugriff besteht, erfordert die Verwaltung, Bereinigung, Speicherung und Aufbereitung der Daten erheblichen Zeitaufwand, der gewöhnlich größeren Unternehmen vorbehalten ist. Im Unterschied zu den geschilderten server-basierten Daten werden client-basierte Daten durch in die Webseiten integrierte 'Tags', also kleine Codeschnipsel, generiert. Ein Tag sieht z.b. so aus: <!-- PowerPhlogger Code START --> <script language="javascript" type="text/javascript" src="pphlogger/pphlogger.js"></script> <noscript><img alt="" src=" <!-- PowerPhlogger Code END --> Beim Aufruf der Website wird eine Javascript-Datei 'pphlogger.js' aufgerufen. Verarbeitet der Browser kein Javascript, wird ein unsichtbares Bildchen gesetzt. Der Besucher bemerkt von dieser Operation nichts, Layout und Funktionalität der Website bleiben unberührt. Diese Methode, deren Grundlage auch als '1-Pixel-Bild', 'Webbugs' oder ähnlich bezeichnet wird, hat sich als aktuell zuverlässigste Weise der Datenerhebung durchgesetzt. E-Commerce-Center Handel

3 Die Vorteile: Daten werden direkt beim Besucher erhoben Cookies zur (Wieder-)Erkennung der Besucher können unbhängig vom Webserver genutzt werden Daten- und Analysezugriff sind sehr komfortabel und benötigen keine zusätzliche Pflege Nachteile: die Rohdaten lassen sich nicht mehr anderweitig nutzen oder ansehen, Datenerhebung und Auswertung sind (fast) unauflösbar miteinander verbunden Suchmaschinenbots und Fehler auf den Seiten werden nicht erfasst (allerdings kann dies durch eine parallele, sporadische Analyse der Logfiles geschehen) Browser, die kein Javascript oder keine Cookies zulassen, werden in der Auswertung unterschätzt Außer für Bereiche, in denen die Datensensibilität außergewöhnlich hoch ist, etwa bei Finanzdienstleistungen, und zudem ein erhebliches Budget für die Administration des Systems bereitgestellt werden kann, ist die client-basierte Datenerhebung mit Tags unbedingt zu empfehlen. Lösungen zur Messung der Site-Performance Für eine Erfolgskontrolle oder das 'Web Controlling' einer Website sind zunächst zuverlässige Daten und einige Basis-Auswertungen notwendig, alles weitere kann in eigenen Tabellenkalkulationen, zum Beispiel in MS-Excel aufbereitet werden. Es gibt eine Reihe von kostenlosen Basis-Angeboten wie oder - zur eigenen Installation - der bereits erwähnte pphlogger ( Diese liefern zumindest zuverlässige Daten darüber, wieviele Besucher die Seite verzeichnet und welche Seiten aufgerufen werden. Jeder, der von einer serverbasierten Trafficanalyse zu einer client-basierten Analyse wechselt, wird sich wundern, wie wenig Besucher tatsächlich auf der Seite verzeichnet wurden. Für das Angebot von Ideal Observer unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen dem zur Standardausstattung des Providers gehörenden AWStats und einem tagbasierten Angebot je nach Seite um 50% und mehr. Da es andererseits bei den einfachen Angeboten nicht möglich ist, Besucher z.b. nach ihrer Herkunft oder den ihnen besuchten Seiten separat zu analysieren, bleiben die Daten in ihrer Aussagefähigkeit deutlich begrenzt. Kostenlos ist seit Oktober 2005 auch der Service Google Analytics ( nutzbar (früher Urchin). In seinem Kosten-Nutzen-Verhältnis ist diese Lösung auch für mittelgroße Sites unschlagbar. Das Angebot umfasst alle wesentlichen und üblichen Analysen, bietet anschauliche Grafiken, eine intuitive Navigation und selbstverständlich eine gute Integration mit den Adword-Kampagnen bei Google. Wen E-Commerce-Center Handel

4 es nicht stört, die eigenen Traffic-Daten ausgerechnet von Google verarbeiten zu lassen, sollte einen Blick auf das Angebot riskieren. Allerdings: Google hatte die Nachfrage offensichtlich stark unterschätzt, neue Nutzer werden aktuell nur nach und nach zum System zugelassen (Stand 01/06). [Abbildung 1: Screenshot Google Analytics] Wer mehr Wert auf Support bzw. Professionalität legt, wird um einen kostenpflichtigen Dienst nicht herumkommen. Im Bereich bis etwa 100 Euro monatlich (meist abhängig vom Traffic- Aufkommen) gibt es viele gute Angebote, die sowohl eine belastbare Interpretation der Traffic-Daten liefern, wie auch Anhaltspunkte zur Optimierung von Kampagnen und Website. Einen Blick wert sind sicher: etracker, Webtrekk, Intares, WiredMinds, Sitestat oder W3 Statistics ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Gemeinsam ist den Angeboten in diesem Bereich, dass sie keine individuelle Konfiguration von Kennziffern oder ihre Messung hinsichtlich gesteckter Ziele ermöglichen, dies ist erst in den Oberklasse-Tools möglich. Allerdings lassen sich die einschlägigen Kennzahlen auch jenseits der Web-Oberfläche berechnen. Notwendig ist dazu die Anlage einer Datei mit Eingabemöglichkeiten und automatischer Berechnung zum Beispiel in Tabellenkalkulationen von MS-Excel oder OpenOffice. Eine solche Auswertung kann individuell angepasst und leicht gepflegt werden, zudem bietet sie die Reduktion auf das, was wirklich zählt. Die Anlage einer solchen Tabelle ist recht einfach und gibt umstandslos die Effektivität der Bemühungen zurück. Diese Weise der Kennziffern-Berechnung lässt sich natürlich beliebig ausbauen. Im dritten Teil dieser Reihe werden mögliche Kennziffern zur Performance- Messung eingehender betrachtet. E-Commerce-Center Handel

5 [Abbildung 2: Beispiel für eine Tabelle mit Kennzahlen] In der Tabelle werden einige Daten aus einem Web-Analytics-Tool übertragen (Seitenaufrufe, Visits etc), einige Daten kommen aus unternehmensinternen Quellen (u.a. Kampagnen-Kosten, eventuell Wert der Bestellungen). Aus diesen Zahlen lassen sich einige Kennziffern wie etwa Konversionsrate, durchschnittlicher Warenkorbwert berechnen. Wichtig ist es, die Zahlen einerseits in einer z.b. monatlichen Entwicklung zu sehen (Vergleich Vormonat), und diese Entwicklung auf eine Quartals- oder Jahres-Ziel hin zu verfolgen. Eine Bewertung von Kampagnen im Vergleich zum Traffic insgesamt ist ebenfalls enthalten. Interessenten können diese Beispiel-Tabelle als xls-datei über kostenlos anfordern. Site-Optimierung Fast alle Lösungen zur Analyse des Besuchertraffics bieten den einen oder anderen Hinweis zur Optimierung der Website. Einfache Hinweise werden etwa durch Ausstiegsquoten pro Seite angezeigt (Verhältnis Einstiegsseite/ letzte aufgerufene Seite), durch Ausstiegspunkte in Konversionspfaden - auf dem Weg zur Bestellung, zum Newsletterabo oder zur Kontaktaufnahme. Einen entscheidenden Vorteil bei der Analyse des Besucher-Traffics bieten Segmentierungen. So können Kampagnen separat im Vergleich zum Gesamttraffic oder Adword-Anzeigen im Vergleich zu den Ergebnissen über organische Suchen betrachtetet werden. Ebenso wertvoll kann der Vergleich zwischen Stammbesuchern und Neu-Besuchern sein. Ein gutes Verhältnis zwischen beiden Gruppen zeigt das Potential der Site, einerseits Kunden zu binden und andererseits neue Kunden zu gewinnen. Voraussetzung für solche Analysen ist die Filterung nach Besuchen, z.b. alle Besuche die von einem Link von Google kommen. Um einen Besucher auch bei einem späteren Besuch noch einer Zielgruppe zuordnen zu können, ist es notwendig, den Traffic nach Besuchern segmentieren zu können. Die Anbieter von Lösungen halten teilweise Zielgruppensegmente E-Commerce-Center Handel

6 schon bereit, bei einigen können individuelle Profile oder Segmente angelegt werden. Was genau gebraucht wird, sollte durch ein Unternehmen möglichst vorher definiert werden, so können die Anbieter nach klaren Kriterien beurteilt werden. Administration, Datenzugang, Support Jedes Unternehmen hat bestimmte Arbeitsabläufe und Systemumgebungen, in die sich eine Analytics-Lösung möglichst nahtlos einfügen sollte. Wichtig können, müssen aber nicht folgende Punkte sein: - Gibt einen zuverlässigen und kompetenten telefonischen Support? - Können mehrere Domains gemeinsam erfasst, aber trotzdem gegebenenfalls getrennt ausgewertet werden? - Bietet die Lösung automatische -reports? - Erscheint das Interface übersichtlich, klar, ohne unnötige Datenkolonnen und ohne Grafiken ohne Aussagekraft? - Können (ausreichend) eigene Kampagnen konfiguriert werden? - Werden notwendige Export-Formate (csv, xls, pdf) bereitgestellt? - Kann zusätzlichen Nutzern oder Nutzergruppen Zugang, eventuell mit beschränkten Rechten, auf die Analyse-Daten gewährt werden? - Wie aufwendig ist die Integration der Tags, insbesondere bei der Konfiguration für Konversionspfade, Kampagnen, Produkte und entsprechende Kosten und Preise? - Können 1-Party-Cookies genutzt werden oder nur 3-Party-Cookies? Sicher, die Auswahl eines Systems kann eine zeitraubendere Angelegenheit sein als gedacht, aber eine Steigerung der Konversionsrate und damit des Umsatzes und eine Reduzierung der Kosten für ineffektive Kampagnen, können fast immer als Ergebnis einer konsequenten Nutzung der Ergebnisse verzeichnet werden. über den Autor: Frank Reese unterstützt mit seiner Agentur Ideal Observer Unternehmen bei der Auswahl und Einführung von Web-Analytics-Systemen, berät bei der besseren Nutzung bestehender Systeme und hilft bei der Optimierung von Websites. Vor kurzem veröffentlichte Ideal Observer mit dem 'Einkaufsführer Web Analytics' die umfassendste deutsche Übersicht zu Lösungen in diesem Bereich. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter: Kontakt: reese@idealobserver.de Dieser Expertentipp ist Teil des Informationsangebots des E-Commerce-Center Handel, Köln. Kontakt: E-Commerce-Center Handel am Institut für Handelsforschung Säckinger Str Köln Telefon: Fax: info@ecc-handel.de URL: Erscheinungsdatum: 20. Februar 2006 E-Commerce-Center Handel