Themenheft: Kulturdigitalisierung in deutschen Bibliotheken Einleitung
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- Edwina Kohl
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1 Bibliotheksdienst 2016; 50(10-11): Themenheft: Kulturdigitalisierung in deutschen Bibliotheken Einleitung Ludger Syré Zur Einführung: Kulturgutdigitalisierung in deutschen Regionalbibliotheken DOI /bd Die Regionalbibliotheken Deutschlands bewahren eine große Vielfalt herausragender Bestände, die in Wissenschaft und Forschung und beim kulturell interessierten Publikum über eine hohe Wertschätzung verfügen. Darunter befinden sich mittelalterliche und neuzeitliche Handschriften ebenso wie handschriftliche und gedruckte Musikalien, alte und wertvolle Drucke von der Inkunabelzeit bis ins 19. Jahrhundert, regionale Quellen und Schriften sowie ein breites Spektrum an Sondersammlungen und Spezialbeständen. Sie sind identifizierbar in Datenbanken und Nachweissystemen für Handschriften, für Drucke einzelner Jahrhunderte, für Musikalien oder für Autographen; sie sind summarisch beschrieben in umfassenden Nachschlagewerken wie dem Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland; und sie sind exemplarisch in sammlungsbezogenen Einzelveröffentlichungen dargestellt worden, etwa in den von der Arbeitsgemeinschaft der Regionalbibliotheken herausgegebenen ZfBB-Sonderbänden zu speziellen Bestandsgruppen wie beispielsweise den Musiksammlungen, auf die sich zuletzt der Fokus richtete.1 In dem Bewusstsein, dass die heutige Wissensgesellschaft in zunehmendem Maße durch die digitale Verfügbarkeit von Informationen in Netzumgebungen geprägt ist, sind viele Regionalbibliotheken dem Beispiel der großen deutschen Digitalisierungszentren wie München und Göttingen gefolgt. Sie haben in den vergangenen Jahren eigene Digitalisierungswerkstätten aufgebaut und digitalisieren seitdem ausgewählte Bestandssegmente, um das in ihren Häusern über- 1 Syré, Ludger (Hg.): Musiksammlungen in den Regionalbibliotheken Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Frankfurt a. M (ZfBB. Sonderband 116), ergänzend dazu das Themenschwerpunktheft Musiksammlungen: Bibliotheksdienst 50 (2016) 2. Dr. Ludger Syré: syre@blb-karlsruhe.de
2 Einleitung 875 lieferte kulturelle Erbe weltweit allen Interessenten aus Forschung, Lehre und allgemeiner Öffentlichkeit frei und komfortabel zur Verfügung zu stellen. Der Einstieg in die Digitalisierung erfolgte zudem vor dem Hintergrund, dass die Europäische Union die Bereitstellung elektronischer Inhalte als eine zentrale Zukunftsinvestition begriffen und die Initiative zur Digitalisierung des kulturellen Erbes in Europa beschlossen hat; durch die Freischaltung des Portals Europeana fand diese Entscheidung ihren sichtbaren Ausdruck. Gleiches gilt für die Zustimmung der Bundesregierung zur Errichtung der Deutschen Digitalen Bibliothek, die von einem Kompetenznetzwerk bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz getragen wird und Ende 2012 erstmals ans Netz ging. Die Sichtbarkeit der kulturellen Überlieferung in eigenen digitalen Angeboten und in nationalen und internationalen Portalen gilt inzwischen als wichtige Voraussetzung für die Wahrnehmung einer Institution auf allen Ebenen. Die Arbeitsgemeinschaft der Regionalbibliotheken hat 2012 eine erste Bestandsaufnahme der Digitalisierungsaktivitäten ihrer Mitglieder vorgelegt.2 In dem ZfBB-Sonderband Digitalisierung in Regionalbibliotheken berichten 20 Bibliotheken über den Auf- und Ausbau ihrer Digitalisierungsumgebungen, ihre Ausstattung mit Hard- und Software, ihre Digitalisierungsziele und -strategien, ihre inhaltlichen Auswahlkriterien und Priorisierungen, ihre Geschäftsgänge und Präsentationsangebote und nicht zuletzt über die Finanzierung der Imageproduktion. Während einige Bibliotheken zu jenem Zeitpunkt bereits auf eine mehrjährige Digitalisierungserfahrung zurückblicken und dementsprechend eine hohe Zahl eingescannter Seiten vorweisen konnten, hatten andere erst kurz zuvor mit dem Aufbau lokaler Werkstätten und der Präsentation eigener digitaler Sammlungen begonnen. Da die Digitalisierung in den vergangenen Jahren in nicht wenigen Fällen eine geradezu sprunghafte Entwicklung genommen hat, verdient sie eine erneute Betrachtung, die gegenüber dem Berichtsstand des ZfBB-Sonderheftes um vier bis fünf Jahre aktueller ist.3 Dass es sich dabei wieder nur um Zwischenbilanzen handeln kann, versteht sich. Einige Bibliotheken haben sich auf Initiative der Badischen Landesbibliothek zur Veröffentlichung entsprechender Zwischenberichte im Rahmen des vorliegenden Schwerpunktheftes des Bibliotheksdienstes zusammengefunden. Die Aufsätze belegen, an welchen lokalen oder regionalen Strategien sich die digi- 2 Siebert, Irmgard (Hg.): Digitalisierung in Regionalbibliotheken. Frankfurt a. M (ZfBB. Sonderband 107). 3 In der Zwischenzeit veröffentlichte etwa die ULB Düsseldorf einen Zwischenbericht: Irmgard Siebert: Sammlungen entdecken, erhalten, erschließen und vernetzen. Zehn Jahre Qualitätsdigitalisierung an der ULB Düsseldorf. In: ProLibris (2013) 2, S
3 876 Ludger Syré talisierenden Bibliotheken ausrichten, welche Auswahlkriterien sie ihren Projekten zugrunde legen und welche Rolle die Deutsche Forschungsgemeinschaft und andere Drittmittelgeber spielen. Kam schon im Jahre 2011 der Vorschlag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder für eine koordinierte nationale Digitalisierungsstrategie zu spät,4 so wurden die Pilotprojekte der DFG und die darauf aufsetzenden Masterpläne zur Digitalisierung von Handschriften und Zeitungen zu einem Zeitpunkt gestartet und entwickelt, als diese Objekte längst zum Gegenstand von Digitalisierungsmaßnahmen geworden waren; in großer Zahl stehen Handschriften und Zeitungen inzwischen im Netz. Hinsichtlich der Handschriften sei hier beispielhaft auf die UB Heidelberg verwiesen, die seit 2003 einen beträchtlichen Teil ihrer Sammlung einschließlich der Codices aus der Bibliotheca Palatina digitalisiert hat, hinsichtlich der Zeitungen auf die ULB Bonn, die ein breites Spektrum historischer Blätter aus Bonn und dem Rheinland online veröffentlicht hat und nun ein Programm für die flächendeckende Digitalisierung der historischen Zeitungen Nordrhein-Westfalens konzipiert hat. Beide Materialarten werden aber auch in einigen der folgenden Aufsätze als Gegenstand intensiver Digitalisierungsbemühungen benannt. 4 Vgl. dazu die Bemerkung I. Sieberts in: Digitalisierung in Regionalbibliotheken (wie Anm. 1), S. 8.
4 Einleitung 877 Abb. 1: 2014 wurde des sechshundertjährigen Jubiläums des Konstanzer Konzils gedacht. Im Mittelpunkt des Interesses von Forschern und Ausstellungsbesuchern stand die Chronik des Konstanzer Bürgers Ulrich von Richental ( ), von der heute 16 Papierabschriften bekannt sind. Die um 1470 in Konstanz entstandene Handschrift aus dem Schwarzwaldkloster St. Georgen (Codex 63) enthält Quellen, Texte und Bilder dieser Kirchenversammlung (abgebildet S. 3v) und wurde von der BLB digitalisiert.
5 878 Ludger Syré Auf den folgenden Seiten ziehen fünf Regionalbibliotheken eine Zwischenbilanz ihrer Digitalisierungsaktivitäten der vergangenen fünf, zehn oder fünfzehn Jahre, wobei besonders die Inhalte der lokalen Digitalisierungsprojekte im Mittelpunkt stehen. In alphabetischer Reihenfolge der Städtenamen handelt es sich um folgende Einrichtungen: Maria Hermes-Wladarsch, Maria Elisabeth Müller und Manfred Nölte stellen die Digitalisierungsziele der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen und den Aufbau der Inhouse-Digitalisierungsumgebung an den Beginn ihrer Darstellung und beschreiben sodann einzelne Digitalisierungsprojekte; dabei geht es u. a. um die Bremer Adressbücher, um die für die Forschung besonders interessante Papyri-Sammlung und um mittelalterliche Handschriften; ein weiterer Schwerpunkt lag zuletzt auf Zeitungen des 17. Jahrhunderts sowie auf der Zeitschrift Die Grenzboten. Indem sie den Auf- und Ausbau des Digitalisierungszentrums und der Digitalen Sammlungen mit ihren mittlerweile über 6,1 Millionen online gestellten Images nachzeichnen, bilanzieren Thorsten Lemanski und Nadine Ullmann mehr als ein Jahrzehnt Digitalisierung an der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Neben vielen Inhouse-Projekten (u. a. mittelalterliche Handschriften und Schulprogramme) wurden auch fünf von der DFG geförderte Projekte erfolgreich abgeschlossen, darunter die Digitalisierung und Erschließung einer für die Forschung interessanten Pharmaziehistorischen Sammlung. Hamburger Kulturerbe wird seit zehn Jahren an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg digitalisiert. Ulrich Hagenah und Kerstin Wendt benennen die inhaltlichen Schwerpunkte der Aktivitäten, insbesondere die reichen landesgeschichtlichen und landeskundlichen Bestände, die gebündelt über das Regionalportal HamburgWissenDigital abgerufen werden können, sowie diverse Sondersammlungen, von Nachlässen über Musikalien, Papyri, Handschriften und Kupferstichen bis zu alten und seltenen Drucken. Nach den Inhalten gehen die Autoren auch auf die technische Infrastruktur und die Zusammenarbeit mit anderen Hamburger Gedächtnisinstitutionen ein. Anknüpfend an die Beschreibung des Aufbaus der Digitalisierungswerkstatt der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe in dem oben erwähnten ZfBB- Sonderband verfolgt Ludger Syré den weiteren Ausbau der Werkstatt mit zusätzlicher Hard- und Software und geht dann sowohl auf die Digitalisierungsstrategie dieser Bibliothek als auch auf die Finanzierung der verschiedenen Projekte ein. Im Zentrum seines Aufsatzes stehen die inhaltlich kurz skizzierten Digitalisierungsprojekte, die in den vergangenen fünf Jahren für Handschriften, Musikalien und regionale Literaturbestände aller Art umgesetzt wurden. Auf eine bereits fünfzehnjährige Erfahrung in der Digitalisierung schaut die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln zurück. Stand anfangs neben Inkunabeln
6 Einleitung 879 das reichhaltige Schrifttum der Rheinischen Abteilung im Mittelpunkt der Digitalisierung, wandte sich diese, wie Christiane Hoffrath ausführt, immer stärker neuen Materialien zu, die nicht dem klassischen Bibliotheksgut entsprechen; bedeutsam wurde zudem eine Tiefenerschließung spezieller Bestände, mit der die Bibliothek den hohen Anforderungen aus der Wissenschaft entspricht.
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