Alarm im Gotthard. #Gottardo 2016 #GBT /8

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Curt Neumann
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1 Alarm im Gotthard #Gottardo 2016 #GBT Im Juni wird der längste Eisenbahntunnel der Welt eröffnet. Das setzt auch für die Sicherheit neue Massstäbe. Immer wieder führt die SBB Rettungsübungen durch. Ein Erfahrungsbericht /8

2 07.11 Uhr Pünktlich startet der Extrazug von Zürich nach Rotkreuz, weiter über Arth-Goldau nach Altdorf. Alte und Junge, Familien, Paare, Alleinreisende Schulklassen 401 sogenannte Figuranten, angereist aus der ganzen Schweiz. Noch sind alle müde. Nach einer Stunde sieht das anders aus: Es wird geplaudert, diskutiert, Zeitung gelesen und gegessen. Fast fühlt es sich an, als wären wir auf einer Schulreise. Über die bevorstehende Übung wird nur selten gesprochen Uhr Endstation Altdorf: Die Figuranten strömen aus dem Zug und machen sich auf den Weg in die Baldini-Unihockeyhalle, wo der Empfang stattfindet. Polizei- und Zivilschutzbeamte weisen den Weg, Polizeiautos dienen als Strassensperre. Was denken wohl die Anwohner? /8

09.00 Uhr Nur wer sich registriert und einen entsprechenden Zugangscode dabeihat, kommt in die Empfangshalle. Stolz kramen die Figuranten ihren Zettel hervor. Nun ist die Vorfreude spürbar.

3 09.00 Uhr Nur wer sich registriert und einen entsprechenden Zugangscode dabeihat, kommt in die Empfangshalle. Stolz kramen die Figuranten ihren Zettel hervor. Nun ist die Vorfreude spürbar. Wer kann schon behaupten, dass er vor der offiziellen Eröffnung durch den Gotthard-Basistunnel gefahren ist? Uhr Bei Kaffee und Gipfeli informiert Übungsleiter Daniel Schlup mit einer Prise Humor über das bevorstehende Szenario. Die Aufgabe der Figuranten ist einfach: «Verhalten Sie sich so natürlich wie möglich. Befolgen Sie die Anweisungen.» Das kriegen wir hin. Man merkt: Auch Schlup ist gespannt. Später wird er bestätigen: «Ich fühle mich für die Figuranten verantwortlich. Für die Erwartungen, die sie an den heutigen Tag haben, aber natürlich vor allem dafür, die Sicherheit im Gotthard-Basistunnel zu gewährleisten.» Eine gesunde Grundnervosität sei also dabei /8

4 11.05 Uhr Die Übung beginnt: Im ICN fahren wir in den Gotthard-Basistunnel ein. Daniel Schlup bereitet uns auf folgendes Szenario vor ohne die Details schon zu verraten: Ein Intercity-Neigezug (ICN) mit 401 Passagieren ist bei seiner Fahrt in den Süden nach einer Störung zwischen der Multi-funktionsstelle Faido und dem Südportal stehen geblieben. Weil es dem ausgerückten Lösch- und Rettungszug aus technischen Gründen nicht gelingt, den ICN abzuschleppen, müssen die Pas-sagiere im Zug auf einen Evakuationszug warten. Dieser fährt von Süden in die Gegenröhre ein. Nach dessen Eintreffen begeben sich die Passagiere über die Querschläge in den Evakuationszug und werden zurück nach Altdorf gebracht. Nervosität ist bei keinem Figuranten zu spüren. Irgendwie fühlen wir uns, als könnten wir hellsehen. Eine witzige Situation. Anders ergeht es Lokführer Marcel Fischbacher. Er weiss nur, dass er Teil einer Rettungsübung ist. Was ihn genau erwartet, bleibt aber eine Überraschung. «Ein leichtes Kribbeln spüre ich», sagt Fischbacher. Das ist vor allem auf die zahlreichen Beobachter zurückzuführen, die jeden Handgriff genau studieren und die Übung anschliessend beurteilen werden Uhr Wir stehen. «Wegen eines technischen Defekts können wir nicht weiterfahren. Wir informieren sie in Kürze über das weitere Vorgehen», sagt der Zugchef durch die Lautsprecher. Gelächter bricht aus. Auch ich muss über die Situation schmunzeln. So etwas erlebt man nicht alle Tage Uhr Noch immer steht der Zug. In meinem Abteil wird spekuliert, wie wir wohl reagieren würden, wenn die Situation echt wäre. Da läuft Zugchef Gian-Marco Blattner durch den Wagen und erkundigt sich bei den Passagieren nach dem Wohlbefinden. Diese stellen Fragen, die sie auch im Ernstfall stellen würden: Warum stehen wir so lange? Verpasse ich meinen Anschluss? Wie geht es weiter? Nach der Übung gibt Blattner zu bedenken, dass die Reisenden in der Realität kaum so ruhig geblieben wären. Wann immer möglich würde er sich deshalb bei den Reisenden zeigen und regelmässige Durchsagen machen /8

5 12.30 Uhr Endlich kommt sie: Die Durchsage, dass wir den Zug verlassen und durch den Querschlag in einen Ersatzzug steigen müssen. Sofort stehen die Figuranten auf, packen ihre Jacken und Taschen und eilen zu den Ausgängen. Angst vor der Dunkelheit hat niemand, vielmehr freuen sich die Figuranten auf die Schritte durch den Tunnel. Gut zu wissen: Die Basis des Sicherheitskonzepts bilden zwei richtungsgetrennte Röhren. Dank diesen werden Kollisionen ausgeschlossen. Löst ein Zug im Tunnel einen Alarm aus, wird er automatisch bis zur nächsten Nothaltestelle in Sedrun oder Faido geführt. Diese beiden Not-haltestellen haben die optimalen Voraussetzungen für die Evakuierung der Reisenden. In den Tunnelröhren hat es zudem alle 325 Meter einen Übergang in die Gegenröhre. Dadurch gelangen die Reisenden schnell in einen sicheren Raum. Handläufe, Notfallbeleuchtungen und Beschilderungen zeigen den Weg. Bei einem Alarm im Tunnel werden in jedem Fall die Folgezüge in der Tunnelröhre sofort gestoppt und nachfolgenden Zügen die Einfahrt verhindert. Bei Rettungen und Brandbekämpfung kommen zudem die Lösch- und Rettungszüge zum Einsatz, die in den neuen Erhaltungs- und Interventionszentren in Erstfeld und Biasca stehen. Auch ausserhalb des Tunnels haben die bestehenden Eisenbahnanlagen die höchste Sicherheitstechnik. Die Züge werden auf der gesamten Gotthard-Nord-Süd-Achse überwacht. Detek tions anlagen stellen fest, ob beispielsweise Brände schwelen, gefährliche Gase austreten oder sich Ladungen verschieben. Alle sicherheitsrelevanten Störungen werden erfasst und die Züge gestoppt, bevor sie in den Gotthardtunnel einfahren /8

12.33 Uhr Mitten im Gotthard-Basistunnel, gedimmtes Licht, ein paar Lampen leuchten, Passagiere, die aus den Wagen strömen, der riesige Lösch- und Rettungszug. Beeindruckend!

6 12.33 Uhr Mitten im Gotthard-Basistunnel, gedimmtes Licht, ein paar Lampen leuchten, Passagiere, die aus den Wagen strömen, der riesige Lösch- und Rettungszug. Beeindruckend! Dass der Tunnel gross und topmodern ist, das wusste ich. Aber so gross? So eindrücklich? Um mich herum werden Fotos geknipst, Selfies geschossen, Filme gedreht. Der Weg durch den Querschlag in den Ersatzzug im anderen Tunnel ist für alle Figuranten der Höhepunkt der Übung /8

7 13.10 Uhr Obwohl die Übung nicht spektakulär war, wird auf der Rückfahrt nach Altdorf diskutiert. Wären wir im Notfall auch so ruhig geblieben? Würde jeder das machen, was nötig ist? Was wäre bei einem Brand? Abschliessend sicher bin ich mir nicht. Aber den kompetenten Eindruck, den ich von den Rettungskräften gewonnen habe, lässt mich mit einem sicheren Gefühl aus dem Tunnel reisen. Für Übungsleiter Daniel Schlup ist klar: Auch wenn die Rettungsübung den Charakter einer Schulreise hat, in der Realität ist das Szenario gleich. Zu den Passagieren zählen Schulklassen, Geschäftsmänner, Familien. Einige bleiben ruhig, andere regen sich auf. Sogar heute gab es eine Beschwerde: Der Speisewagen war geschlossen, weil dort die Basis der Übungsleitung war Uhr Zurück in der Empfangshalle gibt es Älplermagronen und Apfelmus, dazu informiert Daniel Schlup über die erfolgreiche Rettungsübung: Die 401 Figuranten wurden in etwas mehr als den geplanten 90 Minuten evakuiert. Mit einem positiven Gefühl reisen Lokführer Marcel Fischbacher und Zugchef Gian-Marco Blattner nach Hause. «Das gute Gefühl, das ich bisher im Tunnel hatte, behalte ich», meint Fischbacher. Blattner ergänzt: «Die Übung war für mich eine Premiere, die gut geklappt hat.» Die offizielle Auswertung der Übung erfolgt in den nächsten Wochen. Wer jetzt denkt, auch auf der Rückreise wird über die Übung diskutiert, der täuscht sich: Um mich herum sind alle eingenickt. Tunnelübergabe an die SBB Unter der Leitung der SBB wurden zusammen mit der Alptransit Gotthard AG (ATG) und den Rettungskräften der Kantone Uri, Tessin und Graubünden in den vergangenen Monaten zwei Stabs- und vier Rettungsübungen durchgeführt. Mit den vier Rettungsübungen wurden die Alarmierungspläne, Evakuierungs-, Rettungs- und Störungskonzepte auf ihre Tauglichkeit in der Praxis überprüft. Die Betriebsbewilligung für den Gotthard- Basistunnel erhält die SBB nur, wenn alle Übungen erfolgreich waren. Die Übergabe des Gotthard-Basistunnels von der ATG über das Bundesamt für Verkehr an die SBB wird an der Eröffnungsfeier vom 1. Juni feier lich inszeniert /8

8 Es gibt Licht am Ende des Tunnels /8

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