J. Piek (Hrsg.) Neurochirurgische Intensivmedizin
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- Ursula Feld
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Transkript
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2 I J. Piek (Hrsg.) Neurochirurgische Intensivmedizin
3 II Meiner Frau Marion, meinen Töchtern Miriam und Sarah
4 III Jürgen Piek (Hrsg.) Neurochirurgische Intensivmedizin unter Mitarbeit von: Jürgen Meixensberger Gabriele Wöbker 4. überarbeitete Auflage W. Zuckschwerdt Verlag München
5 IV Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jürgen Piek (Hrsg.) Direktor der Abteilung für Neurochirurgie Universitätsmedizin Rostock Schillingallee Rostock Prof. Dr. med. Jürgen Meixensberger Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße Leipzig Dr. med. Gabriele Wöbker Direktorin der Klinik für Intensivmedizin Helios Universitätsklinikum Wuppertal Heusnerstraße Wuppertal Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Wichtiger Hinweis für den Benutzer: Die an diesem Buch beteiligten Autoren haben sich große Mühe gegeben, dass die diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen dem aktuellen Stand des Wissens und den aktuellen Leitlinien entsprechen und die Auswahl der Medikamente und ihre Dosierung ohne Fehler angegeben sind. Dennoch entbindet diese Sorgfalt den Leser nicht von der Eigenverantwortung, die Indikation zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen für jeden Patienten abzuwägen. Die Gabe von Medikamenten erfordert in jedem Fall die Beachtung der Herstellerinformationen und die Prüfung von Zweckmäßigkeit, Dosierung und Applikation. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht immer kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden by W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestraße 1, D Germering/München. ISBN
6 V Vorwort Seit der letzten Auflage dieses Buches im Jahre 2003 hat sich in der speziellen neurochirurgischen Intensivmedizin ein grundlegender Wandel vollzogen, der dringend eine Neuauflage erforderlich machte. Zum einen hat sich das Patientengut unserer Intensivstationen im letzten Jahrzehnt erheblich gewandelt. Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung hat sich nicht nur das Altersspektrum unserer Traumapatienten verschoben; neurochirurgische Wahleingriffe werden auch an immer älteren Patienten mit all ihren internistischen Begleiterkrankungen durchgeführt. Neue Behandlungs- und Operationsmethoden wie endoskopische Eingriffe, navigationsund fluoreszenzgestützte Hirntumorchirurgie und endovaskuläre Behandlung von Hirngefäßmissbildungen sind zum Standard geworden oder haben sich weitgehend durchgesetzt und damit elektive neurochirurgische Eingriffe für Patienten sicherer gemacht. Mit den hierdurch verbundenen selteneren Komplikationen ist aber auch das Wissen um deren Erkennung und Management gesunken. Gleichzeitig findet die Intensivbehandlung neurochirurgischer Patienten immer häufiger auf nicht neurochirurgischen, allgemein-operativen Intensivstationen statt. Diese, ökonomischen Zwängen geschuldete Entwicklung ist zwar höchst bedauerlich, jedoch nur schwer rückgängig zu machen. Für Patienten mit neurochirurgischen Krankheitsbildern ist dies jedoch ein Nachteil, da das dortige Personal zwar sicherlich engagiert und hoch motiviert ist, geschult in der allgemeinen Intensivmedizin, jedoch spezielles neurochirurgisch-intensivmedizinisches Wissen oft nur rudimentär vorhanden ist. Die hohe Nachfrage nach spezieller Fortbildung im Fach Neurochirurgie auf Kursen, Kongressen und anderen Veranstaltungen bestätigt dies. Deutschsprachige Literatur zur speziellen neurochirurgischen Intensivmedizin existiert kaum; das Internet bietet zwar eine unendliche Fülle an Informationen; diese sind jedoch kaum zu überblicken, teilweise unseriös, teilweise von Fachfremden erstellt und falsch. Sich hier zu orientieren, fällt schwer. In diesem Rahmen möchte das vorliegende Buch gesicherte, grundlegende Informationen vermitteln und einen ersten Einblick in das spannende Fach der neurochirurgischen Intensivmedizin geben. Es ist als Einstieg in das Fach
7 VI gedacht und richtet sich vorwiegend an Anfänger in der neurochirurgischen Intensivmedizin, sei es aus dem ärztlichen oder dem pflegerischen Bereich. Ich habe mich bewusst auf die häufigsten Krankheitsbilder, Behandlungs- und Überwachungsverfahren beschränkt. Ich hoffe, dass der Leser/die Leserin, neben der Vermittlung dieses Wissens für die tägliche Arbeit am Patienten, auch in die Lage versetzt wird, sich in dem umfassenden Angebot an weiteren Informationen zurechtzufinden! Für Hinweise und weitere Anregungen bin ich jederzeit offen und dankbar. Jürgen Piek Rostock, im Februar 2017 Eine Anmerkung zum Schluss: Nachfolgend wird zur Vereinfachung der Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form der Substantive verwendet, ohne dass damit eine Diskriminierung des weiblichen Geschlechts beabsichtigt ist.
8 VII Inhalt 1 Aufgaben, Aufbau und Organisation einer neurochirurgischen Intensivstation Aufgaben Aufbau und Organisation Einbindung der Station in die Klinik Apparative Ausstattung Klinische Überwachung des Patienten Bewusstseinsstörungen... 7 Pathophysiologie... 7 Terminologie... 9 Komaskalen zur Klassifikation Hirnstammsyndrome ohne Bewusstseinsverlust Hirnnervenausfälle N. olfactorius N. opticus N. oculomotorius N. trochlearis N. trigeminus N. abducens N. facialis N. vestibulocochlearis (N. statoacusticus) N. glossopharyngeus und N. vagus N. accessorius N. hypoglossus Zentrale Störungen der Motorik Schlaffe zentrale Lähmung Spastische zentrale Lähmung Komplexe motorische Reaktionen Rigor Tremor... 19
9 VIII Ataxie Beuge- und Strecksynergismen Sprachstörungen Broca-Aphasie Wernicke-Aphasie Globale Aphasie Amnestische Aphasie Andere Störungen durch Läsionen der Großhirnhemisphären Praktische Durchführung der neurologischen Untersuchung Glasgow-Koma-Skala Prüfung des Pupillenverhaltens Prüfung des Sehvermögens Prüfung der Motorik Untersuchung der Hirnstammreflexe Technische Überwachung des Patienten Monitoring Allgemeines Monitoring Spezielles Neuromonitoring Intrakranieller Druck Physiologie Definitionen und Normalwerte Gradienten des intrakraniellen Druckes Druckkurve des ICP Wellenformen des ICP Druck-Volumen-Diagramm des ICP Intrakranieller Druck und Hirndurchblutung Intrakranielle Drucksteigerung und Massenverschiebungen Messung des intrakraniellen Druckes in der Praxis Elektroenzephalogramm (EEG) Methodik Ableitung auf der Intensivstation Ableittechnik EEG-Veränderungen im Koma Bispectral Index-Monitoring (BIS-Index) Evozierte Potenziale (AEP, VEP, SSEP) Akustisch evozierte Potenziale AEP Visuell evozierte Potenziale VEP Somatosensibel evozierte Potenziale SSEP
10 IX 3.5 Messung des Hirngewebe-pO 2 (J. Meixensberger) Methodik Indikationen und klinische Einsatzmöglichkeiten Bewertung der Methode Transkranielle Dopplersonografie (TCD) (G. Wöbker) Grundlagen Methodik extrakranielle Dopplersonografie Methodik transkranielle Dopplersonografie TCD in der neurochirurgischen Intensivmedizin Überwachung und Pflege neurochirurgischer Drainagen Kranielle Drainagesysteme Redon-Drainage Robinson-Drainage Jackson-Pratt-Drainage Externe Ventrikeldrainage Lumbaldrainage Überwachung und Behandlung von Notaufnahmepatienten Allgemeines Erstversorgung Reanimation und Intubation Subarachnoidalblutung/Hirnarterienaneurysma Epidemiologie Pathogenese und klinisches Bild Pathophysiologie Therapieziele Nachweis und Behandlung des Aneurysmas Prognose Spontane intrazerebrale Blutung Krankheitsbild Diagnostik Behandlung Operative Behandlung Intensivüberwachung und -therapie Schädel-Hirn-Trauma Epidemiologie, Allgemeines Klassifikation und Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas Behandlungskonzept... 94
11 X Posttraumatische Hämatome Erstversorgung in der Klinik Neuroradiologische Diagnostik Intensivbehandlung Spätfolgen nach Schädel-Hirn-Trauma Frührehabilitation Prognose Hirnabszess Präoperative Besonderheiten Operative Behandlung Medikamentöse Behandlung Klinische Überwachung und Verlauf Prognose Subdurales Empyem Diagnostik Behandlung Klinische Überwachung und Verlauf Prognose Spinales Trauma Akute, traumatische Querschnittlähmung Epidemiologie Pathogenese und Klassifikation spinaler Traumen Pathologie der Rückenmarksverletzung Neurologische Untersuchung und Überwachung Erstversorgung Intensivbehandlung Überwachung und Behandlung nach Wahleingriffen Zeitlicher Verlauf und Ursachen postoperativer Komplikationen Übernahme des Patienten Eingriffe in den Großhirnhemisphären Krankheitsbilder Präoperative Besonderheiten Postoperative Überwachung Mittelliniennahe Eingriffe Krankheitsbilder Präoperative Besonderheiten Postoperative Überwachung Hypophysenadenome Krankheitsbilder
12 XI Präoperative Besonderheiten Postoperative Überwachung Eingriffe in der hinteren Schädelgrube Krankheitsbilder Präoperative Besonderheiten Postoperative Überwachung Endoskopische Eingriffe Krankheitsbilder Präoperative Besonderheiten Postoperative Überwachung Irreversibler Funktionsausfall des Gehirns (Hirntod) Dissoziierter Hirntod Klinisches Bild Diagnostik Voraussetzungen Untersuchung Beobachtungszeit, Untersuchungstechnik Neurochirurgische Skalen und Scores Erkrankungsunabhängige Skalen Glasgow-Koma-Skala Glasgow-Koma-Skala adaptiert für Kleinkinder/Säuglinge Komaskala der WFNS Kraftgradeinteilung von Paresen Klassifikation der Funktion des N. facialis Erkrankungsabhängige Skalen Klassifikation der klinischen Schwere der spontanen Subarachnoidalblutung (Hunt- und Hess-Skala) Klassifikation der klinischen Schwere der spontanen Subarachnoidalblutung (WFNS-Skala) Computertomografische Klassifikation der Schwere einer Subarachnoidalblutung (Fisher-Skala) Computertomografische Klassifikation des Schädel-Hirn-Traumas (nach Marshall) Outcomeskalen Glasgow-Outcome-Skala Modifizierte Rankin-Skala Barthel-Index
13 XII Klassifikation der traumatischen Querschnittslähmung (Frankel-Skala) Klassifikation der traumatischen Querschnittlähmung nach der American Spinal Injury Association (ASIA-Skala) Online-Medien Fachgesellschaften Stiftungen, Verbände Zeitschriften Abkürzungsverzeichnis
14 Aufgaben 1 1 Aufgaben, Aufbau und Organisation einer neurochirurgischen Intensivstation Ein aktuelles Verzeichnis der neurochirurgischen Kliniken Deutschlands findet sich auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (www. dgnc.de), ein Verzeichnis der neurochirurgischen Intensivstationen bei der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin ( de). Die Intensivstationen der einzelnen Kliniken sind soweit vorhanden nach den jeweiligen Anforderungen strukturiert und organisiert. Es besteht der Trend, dass an Universitätskliniken Intensivstationen von zumeist zehn oder mehr Betten unter neurochirurgischer Leitung geführt werden. An nicht universitären Krankenhäusern mit meist kleineren neurochirurgischen Abteilungen (unter dem zunehmenden ökonomischen Druck aber auch an vielen Universitätskliniken) sind die neurochirurgischen Intensivbetten, in entsprechend geringerer Anzahl, oft einer interdisziplinären Intensivstation unter gemeinsamer oder rein anästhesiologischer Leitung angeschlossen. 1.1 Aufgaben Die Hauptaufgaben einer neurochirurgischen Intensivstation sind: postoperative Betreuung von Patienten nach Operationen an Gehirn und hohem Halsmark postinterventionelle Betreuung von Patienten nach neuroradiologischen Interventionen am Hirngefäßsystem Behandlung von Patienten mit spontanen intrakraniellen Blutungen neurochirurgische Versorgung von Patienten nach Schädel-Hirn-Traumen und spinalen Verletzungen Eine neurochirurgische Intensivstation sollte auch in der Lage sein, die Notfallversorgung von Patienten der eigenen Klinik auf internistischem und chirurgischem Gebiet zu gewährleisten, bevor diese nach Stabilisierung der Vitalfunktionen auf fachspezifische Intensivstationen verlegt werden können.
15 2 NEUROCHIRURGISCHE INTENSIVSTATION 1.2 Aufbau und Organisation Kaum eine Patientengruppe ist so heterogen bezüglich des Alters und der Erfordernisse, die an die Intensivmedizin gestellt werden, wie die neurochirurgischen Patienten. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen, die an Aufbau und Organisation einer neurochirurgischen Intensivstation gestellt werden. Nachfolgend können daher nur einige Anhaltspunkte gegeben werden. Einbindung der Station in die Klinik Für einen Intensivpatienten bestehen die größten Gefährdungen auf Transporten außerhalb der Intensivstation. Daher sollten sämtliche diagnostisch und therapeutisch erforderlichen Einrichtungen ständig für die Intensivstation verfügbar und über kurze Wege erreichbar sein. Wenn möglich sollten Transporte dadurch vermieden werden, dass diagnostische Einrichtungen am Krankenbett selbst zur Verfügung stehen. Hieraus folgt, dass sich neurochirurgischer Operationssaal, Hubschrauberlandeplatz sowie Schockraum in möglichst geringer Entfernung von der Station befinden sollten. Blutgerinnungsstörungen finden sich häufig entweder als Ursachen spontaner intrakranieller Blutungen, gelegentlich sind sie aber auch Folge neurochirurgischer Erkrankungen und Eingriffe. Weiter kommt es bei neurochirurgischen Eingriffen nicht selten zu größeren Blutverlusten. Die entsprechende Diagnostik und Therapie mit Blut und Blutbestandteilen sind daher unverzichtbare Voraussetzungen für eine funktionierende neurochirurgische Intensivmedizin. Dies erfordert die ständige Betreuung durch ein leistungsfähiges Institut für Blutgerinnungs- und Transfusionsmedizin. Eine enge Zusammenarbeit mit einem mikrobiologischen Institut zur schnellen Diagnostik und Behandlung entzündlicher Erkrankungen des ZNS oder sonstiger septischer postoperativer Komplikationen ist ebenfalls zu fordern. Der Transport von Untersuchungsmaterialien zur mikrobiologischen Untersuchung muss so organisiert werden, dass Material zur Anaerobierdiagnostik (besonders wichtig bei Hirnabszessen und subduralem Empyem) sowie Liquor noch körperwarm zur direkten mikrobiologischen Bearbeitung gelangen. Die neuroradiologische Diagnostik muss ebenfalls räumlich und organisatorisch eng an die Intensivstation angebunden sein. Computertomografie, Angiografie und Kernspintomografie müssen als Notfalldiagnostik neben den erforderlichen Nativuntersuchungen von Schädel und Wirbelsäule rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Zusätzlich zu einem leistungsfähigen Labor sollten
16 Aufbau und Organisation 3 elementare Laborparameter wie Blutgase, Blutbild, Elektrolyte, Blutzucker jederzeit durch automatisierte Analysegeräte auf der Station bestimmt werden können (Point-of-Care-Analytik). Apparative Ausstattung Die apparative Ausstattung der Station richtet sich nach dem jeweiligen Patientengut der Klinik und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen. Somit können in diesem Rahmen nur allgemeine Hinweise gegeben werden. Die Lagerung von Patienten erfolgt in speziellen Intensivpflegebetten. Bei der Anschaffung dieser Betten ist zu beachten, dass neurochirurgische Patienten häufiger als andere außerhalb der Station transportiert werden müssen (CT- Kontrollen, Angiografie, Kernspintomogramm, Operationen usw.). Oft handelt es sich um Notfallsituationen, in denen das Intensivbett starker mechanischer Belastung ausgesetzt ist. Während eines solchen Transportes notwendige technische Geräte oder Vorrichtungen wie Beatmungsgerät, Infusions- und Spritzenpumpen, intrakranielle Druckmessungen müssen so am Bett angebracht werden können, dass versehentliche Beschädigungen weitgehend ausgeschlossen sind. Dekubitusgefährdete Patienten können in speziellen Low-Flow-Betten gelagert werden, die bei Bedarf von verschiedenen Herstellern auf Tagesbasis gemietet werden können. Bedside-Monitore ermöglichen die Online-Erfassung und Verarbeitung von Vitalparametern. Ein kleiner, batteriebetriebener Monitor sollte für Transporte außerhalb der Station zur Verfügung stehen. Die Weiterverarbeitung der gewonnenen Patientendaten in einer EDV-Zentraleinheit ist für wissenschaftliche Zwecke zwar wünschenswert, jedoch nicht unbedingt notwendig. Zur Protokollierung der ICP-Kurven sollten Monitore mit hoher zeitlicher und grafischer Auflösung vorgehalten werden, da nur aus dem Verlauf der Druckkurve selbst die relevanten Informationen gewonnen werden können. Für mindestens ¾ der Betten muss ein Respirator vorgehalten werden. Für Transporte außerhalb der Station sollte ein kleines, transportables Beatmungsgerät vorhanden sein, das von verschiedenen Herstellern angeboten wird. EEG, EKG, evozierte Potenziale und die dopplersonografischen Untersuchungen sollten mittels fahrbarer Geräte am Patienten abgeleitet und dokumentiert werden können. Ein ebenfalls transportables Röntgengerät muss Bettaufnahmen von Thorax und Wirbelsäule auf der Station ermöglichen.
17 4 NEUROCHIRURGISCHE INTENSIVSTATION Ein oder mehrere Bronchoskope zur fiberoptischen Intubation, zur Unterstützung der perkutanen Tracheotomie, zur Beseitigung von Atelektasen und Gewinnung von Bronchialsekret sollten ebenfalls auf der Station vorhanden sein. Wichtige, jedoch häufig vernachlässigte Hilfsmittel sind Lagerungs- und Mobilisationshilfen in ausreichender Anzahl und Qualität (Kipp-Tisch, Rollstühle usw.), ferner Ventilatoren oder Kühlmatten zur Kühlung der Patienten bei hyperthermen Zuständen. Auf eine genügende Anzahl von Spritzenpumpen, mit denen eine genaue Dosierung und Zufuhr von Medikamenten ermöglicht wird, sowie Infusionsautomaten ist ebenfalls zu achten. Da sich die Intensivmedizin im raschen Wandel befindet, ist mindestens ein Internet-Anschluss zur Online-Recherche in den verschiedenen medizinischen Datenbanken unabdingbar. Über das Intranet der eigenen Klinik sollte unter anderem die Befundübermittlung bzw. Bildübertragung von Röntgen- und Laborbefunden auf die Station möglich sein. Für Verwaltungsarbeiten sollte mindestens ein getrennter PC-Arbeitsplatz mit Drucker zur Verfügung stehen; ebenso ein Kopier- und Faxgerät. Bislang erhältlichen Systemen zur kompletten Erfassung der Krankenakte auf elektronischem Wege stehen wir nach wie vor sehr kritisch gegenüber, da sie zum einen neurochirurgischen Belangen häufig nicht gerecht werden, teilweise umständlich in der Bediener- und Menüführung sind und eine synoptische Zusammenfassung des Krankheitsbildes wesentlich schlechter leisten als die Erfassung auf herkömmlichen Dokumentationsbögen. All diese, aus der modernen Intensivmedizin nicht mehr wegzudenkenden Geräte müssen in ausreichender Anzahl auf der Station vorhanden sein und sind rechtzeitig durch neue zu ersetzen. Es ist sinnvoll, dass sich auf der Station von jedem medizintechnischen Gerät jeweils nur ein Gerätetyp befindet. Dies erleichtert den Umgang mit den Geräten für Anfänger, vermeidet Fehlbedienung in Notfallsituationen, verbilligt die Wartung der Geräte, vereinfacht die Einweisung des Personals und die Lagerhaltung für Zubehörteile. Der Kauf der Geräte sollte in Absprache mit dem Stammpersonal der Station durchgeführt werden, da das Pflegepersonal letztendlich mit den meisten dieser Geräte zu arbeiten hat. Die Erprobung solcher Geräte auf der Station deckt deren Schwachstellen auf und vermeidet Fehlkäufe. Sinnvoll ist neben den Aufenthalts- und Arbeitsräumen für das pflegerische und ärztliche Personal ein separater, ruhiger, sichtgeschützter Raum, der Gespräche mit Angehörigen in kritischen Situationen ermöglicht.
18 5 2 Klinische Überwachung des Patienten Neben der Patientenpflege ist die klinische Überwachung Hauptaufgabe des Pflegepersonals auf der neurochirurgischen Intensivstation. Technisches Monitoring kann sie keinesfalls ersetzen, allenfalls ergänzen. Bedenkt man, dass sich die neurochirurgische Intensivmedizin mit Krankheitsbildern befasst, welche dem Patienten oft nur durch rechtzeitiges Eingreifen die Chance zur Heilung bieten, so kann die Bedeutung der klinischen Überwachung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Klinisch-neurologische Überwachung ist die wiederholte Untersuchung des Patienten in definierten zeitlichen Abständen mit dem Ziel, Veränderungen im neurologischen Befund zu erfassen und im Zusammenhang mit dem jeweiligen Krankheitsbild zu beurteilen. Jede Pflegekraft der Station sollte daher mit den Grundzügen der neurologischen Untersuchung und mit den wichtigsten Krankheitsbildern vertraut sein. Umfang und Häufigkeit der neurologischen Überwachung werden den Erfordernissen des jeweiligen Falles angepasst und sind ärztlich festzulegen. Als Minimalprogramm wird eine 2-stündliche Kontrolle von Bewusstseinslage, Pupillenverhalten, Motorik, Blutdruck, Puls und Temperatur durchgeführt und in geeigneter Form dokumentiert. Eine hiervon abweichende Form der Überwachung wird je nach klinischer Situation vom Arzt angeordnet. Ein Beispiel eines hierzu geeigneten Untersuchungsbogens findet sich in Abbildung 1. Es ist selbstverständlich nicht Aufgabe des Pflegepersonals, eine differenzierte neurologische Untersuchung durchzuführen. Die engmaschige Kontrolle des Neurostatus ist jedoch bei fast allen Patienten der neurochirurgischen ITS indiziert und muss auch vom Pflegepersonal beherrscht werden. Dazu sind Grundkenntnisse des neurologischen Untersuchungsgangs sowie der bei den speziellen Krankheitsbildern zu erwartenden neurologischen Ausfallserscheinungen erforderlich. Die klinische Überwachung orientiert sich demnach am allgemeinen neurologischen Untersuchungsgang und erfolgt in einer entsprechend vereinfachten
19 6 Klinische Überwachung des PATIENTEN Form. Geschultes intensivmedizinisches Personal auf der neurochirurgischen ITS sollte Veränderungen der Bewusstseinslage anhand der Glasgow-Koma- Skala, wichtige Hirnnervenausfälle sowie neu auftretende Paresen und Sprachstörungen erkennen. Wesentliche Hirnstammfunktionen wie Atemmuster, Abteilung für Neurochirurgie Patientenaufkleber Universitätsmedizin Rostock - Name - Überwachungsprotokoll Kopf; Datum: Glasgow-Coma-Scale Uhrzeit Augen öffnen spontan auf Anruf auf Schmerz keine Reaktion Sprache orientiert desorientiert Wortsalat unverständliche Laute keine Reaktion Motorik der Extremitäten auf Aufforderung gezielte Abwehr ungezielte Abwehr Beugesynergismen Strecksynergismen keine Reaktion Summe Namenskürzel Blutdruck mm Hg Herzfrequenz min -1 Pupillenreaktion rechts links Pupillenweite rechts links Pupillengröße rechts links Einfuhr ml Ausfuhr ml Pupillenreaktion spontan: +; verlangsamt: (+); keine: -; Pupillengröße-Vergleich gleich: =; größer / kleiner: > / <; Pupillenweite eng: E; mittel: M; weit: W; entrundet: ER Abbildung 1. Untersuchungsbogen zur neurologischen Überwachung.
20 Bewusstseinsstörungen 7 Korneal-, Husten- und Würgereflex müssen ebenfalls beurteilt werden. Pflegerisch bedeutsame neurologische Ausfälle sollten außerdem Beachtung finden. Anhand dieser Forderungen wird nachfolgend ein vereinfachter neurologischer Untersuchungsgang beschrieben. Dieser umfasst die Beurteilung der Bewusstseinslage, die Untersuchung der wichtigsten Hirnnervenfunktionen sowie die Überprüfung der peripheren Motorik. 2.1 Bewusstseinsstörungen Auf Intensivstationen wird durch geeignete Maßnahmen (Analgosedierung) eine medikamentöse Beeinflussung von Bewusstsein und Schmerzempfinden herbeigeführt, um für den Patienten die intensivtherapeutischen Maßnahmen erträglich zu gestalten. Auf der neurochirurgischen ITS ist jedoch gerade die Erhaltung bzw. die Verbesserung der Bewusstseinslage das primäre Behandlungsziel. Die gängigen Konzepte der Analgosedierung sind also den Bedürfnissen der neurochirurgischen Intensivmedizin anzupassen und gegebenenfalls zu modifizieren, um jederzeit eine Beurteilung der Bewusstseinslage bzw. des neurologischen Befundes zu ermöglichen. Pathophysiologie Störungen des Bewusstseins lassen sich in solche des Wachbewusstseins und des Bewusstseinsinhalts einteilen. Störungen des Bewusstseinsinhalts (zum Beispiel bei Durchgangssyndromen und symptomatischen Psychosen) spielen auf der neurochirurgischen ITS eine untergeordnete Rolle, im Rahmen der neurologischen Befundkontrolle wird fast ausschließlich der Verlauf des Wachbewusstseins überwacht. Daher folgt zunächst ein kurzer Überblick über die der Erhaltung des Bewusstseins zugrunde liegenden Mechanismen. Bewusste Kommunikation auf sprachlicher und anderer Ebene ist eine der Eigenschaften, die Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Kommunikation und Wahrnehmung unterliegen der bewussten Kontrolle. Die hierzu notwendigen Eigenschaften sind in der Großhirnrinde lokalisiert (z. B. Sinneswahrnehmungen, sprachliche Äußerung, bewusste motorische Reaktionen), unterliegen aber der unspezifischen Kontrolle durch entwicklungsgeschichtlich ältere Hirnabschnitte und Systeme, die sich vorwiegend in Medulla, Pons und Mittelhirn befinden. Dieses System der unspezifischen Kontrolle des Wachbewusstseins wird als aufsteigendes, retikuläres, aktivierendes System (ARAS) bezeichnet. Anato
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