Deutscher Industrie- und Handelskammertag
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- Arthur Kolbe
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1 STELLUNGNAHME Brüssel, 20. November 2008 Deutscher Industrie- und Handelskammertag Zum Thema: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von energieverbrauchsrelevanten Produkten [KOM(2008)399] Ökodesign mit Augenmaß Die Europäische Kommission hat am 16. Juli 2008 einen Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und für eine nachhaltige Industriepolitik [KOM(2008)397] vorgelegt, der durch eine Reihe von Gesetzesvorschlägen umgesetzt werden soll. Kernziel dieses Maßnahmenpaketes ist es, die Umweltverträglichkeit und die Energieeffizienz von Produkten zu verbessern und deren Marktakzeptanz zu erhöhen. Die Neufassung der Ökodesign-Richtlinie soll als Rahmengesetzgebung für die Festlegung von Produktanforderungen an umweltgerechte Gestaltung zu diesem Ziel entscheidend beitragen, indem ihr Geltungsbereich von energiebetriebenen auf alle energieverbrauchsrelevanten Produkte ausgedehnt wird. DIHK-Einschätzung: Angesichts vielfältiger Herausforderungen, wie Ressourcenverknappung und Klimawandel, erscheint eine europäische Rahmengesetzgebung für umweltgerechte Produkte in Grenzen notwendig. Sie stellt für die deutsche und europäische Wirtschaft eine Chance dar, weil sie Innovationen anstoßen kann. Zugleich birgt eine zunehmende Regulierung von Angebot und Nachfrage aber auch Risiken. Der DIHK warnt deshalb: Ökodesign darf sich nicht durch die Hintertür zu einem Instrument umfassender staatlicher Produktionslenkung entwickeln. Ökodesign-Anforderungen müssen deshalb auf Produkte mit erheblichem Einfluss auf den Energieverbrauch begrenzt sein und dürfen nicht zu unverhältnismäßigen Steigerungen von Kosten und Bürokratie führen. Die Festlegung der Vorschriften muss unter Einbeziehung der Wirtschaft und nach transparenten Regeln erfolgen. Kleine und mittlere Unternehmen müssen besonders berücksichtigt und konkret unterstützt werden, denn sie spielen eine wichtige Rolle für die Innovationskraft der EU
2 Im Einzelnen: 1) Geltungsbereich auf Produkte mit erheblicher Energieverbrauchsrelevanz beschränken Die Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle energieverbrauchsrelevanten Produkte stellt eine grundlegende Veränderung der Ökodesign-Richtlinie mit weitreichenden Auswirkungen für die europäische Wirtschaft dar. Hier sind Augenmaß bei Produktdefinitionen und Transparenz im Vorgehen unabdingbar. Offene Definition darf Planungs- und Investitionssicherheit nicht gefährden Während die geltende Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG allein für energiebetriebene Produkte und damit für einen klar definierten Produktkreis gilt, ist bei der Neufassung kaum absehbar, wie viele und welche Produkte sie betreffen wird. Die Definition eines energieverbrauchsrelevanten Produkts als Gegenstand, dessen Nutzung den Verbrauch von Energie in irgendeiner Weise beeinflusst (Art. 2) ist sehr weit gefasst und lässt viel Spielraum für Interpretation. Getreu der Logik der Ökodesign-Richtlinie als Rahmengesetzgebung erfolgt die Definition der Produktgruppen erst im Zuge der Durchführungsmaßnahmen, so dass auch dann erst die tatsächliche Betroffenheit der Hersteller und Importeure abgeschätzt werden kann. Denkbare und im Aktionsplan genannte Produktbeispiele sind wasserführende Elemente wie Duschköpfe und Wasserhähne sowie Fensterrahmen, Türen und Isolier- und Dämmmaterial. Die betreffenden Branchen können derzeit aber nicht absehen, ob, wann und inwiefern sie in den kommenden Jahren mit Ökodesign-Anforderungen konfrontiert werden. Unternehmen benötigen jedoch langfristige Rechtssicherheit, um in Forschung und Entwicklung investieren zu können. Wo Ökodesign vom Grundsatz her eine Chance und ein Anreiz für Innovationen sein kann, würde es zu einem Hemmnis für unternehmerische Planungen über einen längeren Zeitraum werden. Vorhersehbarkeit durch klare Eingrenzung der Produktpalette schaffen Damit die Ökodesign-Richtlinie für Hersteller und Importeure in der EU kalkulierbar ist und ihnen nicht zum Wettbewerbsnachteil gereicht, muss im Arbeitsprogramm für die Durchführungsmaßnahmen die betroffene Bandbreite von Produkten klar eingegrenzt werden. Es sollten nur Produktgruppen einbezogen werden, die erhebliche Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben und die über ein entsprechend hohes Verbesserungspotenzial verfügen. Hierfür muss die EU- Kommission eindeutige Belege und einschlägige Studien vorlegen, in denen die potenziellen Einsparungen quantifiziert werden. Bei diesen Vorarbeiten muss die EU-Kommission auch die Stellungnahmen der betroffenen Branchen gebührend berücksichtigen. Entscheidend ist, dass die einzelnen Produktgruppen in sich homogen sind, weil nur dann die Analyse der Marktdaten, Umweltauswirkungen und Verbesserungspotenziale zielführend ist. Auch der Grundsatz der Technologieneutralität ist unabdingbar. Es obliegt allein dem Hersteller, welche Technologien er anwendet, um die an sein Produkt gestellten Ökodesign-Anforderungen zu erfüllen
3 KMU transparent und konsequent einbeziehen und zielgerichtet unterstützen Von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geht eine große Innovationskraft aus. Dennoch ist die Erfüllung von Ökodesign-Anforderungen für sie ungleich schwieriger als für die großen Konkurrenten nicht weil es ihnen an technischer Kompetenz fehlt, sondern vielmehr am Zugang zu den Informationen. Im Konsultationsforum der EU-Kommission beispielsweise sind KMU klar unterrepräsentiert. Damit es nicht zu Diskriminierungen und Wettbewerbsnachteilen für KMU kommt, müssen diese aber gerade bei der Erarbeitung der Durchführungsmaßnahmen einbezogen und berücksichtigt werden. Die einschlägigen Studien und Analysen der EU-Kommission müssen der gesamten Öffentlichkeit transparent gemacht werden, vor allem aber müssen diese Dokumente für betroffene Unternehmen leicht zugänglich und benutzbar sein. Dies ist zwar in den Bestimmungen der Richtlinie festgeschrieben (Art. 15 Abs. 9), muss aber in der Praxis auch konsequent umgesetzt werden. Denn die derzeit laufenden Arbeiten zu den 19 ersten Produktgruppen fordern interessierten Kreisen viel Recherche, Zeit und Eigeninitiative ab, wenn sie die relevanten Informationen erhalten wollen. Zudem gibt es keine oder sehr verspätete Übersetzungen der Dokumente, was wiederum insbesondere für KMU eine zusätzliche Hürde darstellt. Bei der Umsetzung der Ökodesign-Vorschriften benötigen KMU gegebenenfalls besondere Unterstützung. Es ist deshalb positiv zu bewerten, dass die im März 2008 verabschiedete Änderungsrichtlinie 2008/28/EG nicht nur das Komitologieverfahren geändert, sondern auch neue Hilfestellungen für KMU eingeführt hat. Die Möglichkeit zur Erstellung von Leitlinien und anderem Spezialmaterial als Elemente einer Durchführungsmaßnahme sollte konsequent genutzt werden. Den Besonderheiten von KMU sollte in jeder Phase des Ökodesign-Prozesses Rechnung getragen werden, von der Definition der Produktgruppen über die Festlegung von allgemeinen und spezifischen Ökodesign-Anforderungen bis hin zur Erfüllung dieser Anforderungen. Dies entspricht auch dem Prinzip Vorfahrt für KMU, dem sich die EU-Kommission mit dem Small Business Act for Europe verschrieben hat ( KMU-Test ). Unverhältnismäßige Kosten und Bürokratie verhindern Durch eine aktive Einbeziehung der Interessenträger kann die EU-Kommission auch frühzeitig die Kosten und den Verwaltungsaufwand von möglichen Durchführungsmaßnahmen abschätzen. Ökodesign-Anforderungen dürfen in keinem Fall zu unverhältnismäßigen Steigerungen von Kosten und Bürokratie für Unternehmen, insbesondere KMU führen. Auch dies schreibt die Richtlinie in den Kriterien für Durchführungsmaßnahmen fest (Art. 15 Abs. 5), es muss aber in der Praxis auch angemessen berücksichtigt werden. Eine kritische Prüfung von Aufwand und Ertrag der Ökodesign- Maßnahmen ist insbesondere deshalb wichtig, weil die EU-Kommission bisher keine genaue Quantifizierung der Einsparungen, vor allem des Energieverbrauchs, durch die Ausdehnung des Geltungsbereichs vorlegen konnte. Dementsprechend müssen Kosten und Nutzen jeder einzelnen Durchführungsmaßnahme genau analysiert werden; bei jedem Anstieg der Produktionskosten für - 3 -
4 die Hersteller muss konsequent das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die zu erwartende Reduzierung der negativen Umweltauswirkungen angewandt werden. 2) Umfassende Produktionslenkung durch Ausdehnung auf alle Produkte vermeiden Die vorgeschlagene Überprüfung der Ökodesign-Richtlinie in 2012 zielt implizit auf eine weitere Ausdehnung des Geltungsbereichs ab, indem explizit die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer solchen Ausdehnung festgeschrieben wird (Art. 21). Das Festschreiben einer solchen politischen Zielrichtung in der Neufassung der Ökodesign-Richtlinie lehnt der DIHK ab. Erfahrungen nicht vorgreifen, sondern ergebnisoffen prüfen Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Ökodesign-Richtlinie auf nicht energieverbrauchsrelevante Produkte sollte zum jetzigen Zeitpunkt keine schon festgelegte Zukunftsperspektive darstellen. Die Folgen, die die aktuell vorgeschlagene Ausweitung des Produktbegriffs haben wird, sind noch nicht absehbar und werden auch bis zum avisierten Überprüfungszeitpunkt im Jahr 2012 nicht vollständig ermittelbar sein. Mehr noch: Zum jetzigen Zeitpunkt wurden noch keine Erfahrungen mit der geltenden Regelung für energiebetriebene Produkte gemacht. Wenn auch erste Durchführungsmaßnahmen Anfang 2009 erlassen werden sollen, so werden Erfahrungen der Hersteller und Auswirkungen auf die Märkte erst in einigen Jahren zu ermitteln sein. So lange also das Funktionieren und die Wirksamkeit der Ökodesign-Richtlinie nicht in der Praxis getestet wurden, ist jede weitere Ausweitung des Geltungsbereichs verfrüht. Zudem muss eine Überprüfung eines Rechtsaktes immer ergebnisoffen sein und sollte im Sinne der Glaubwürdigkeit nicht die politischen Ziele zum Zeitpunkt der Verabschiedung widerspiegeln. Diffuse Regulierungsperspektive hemmt Innovationen und überfordert Marktaufsicht Wenn in einer noch diffusen Zukunftsperspektive alle Produkte von Ökodesign-Anforderungen betroffen sein können, besteht für kaum einen Hersteller mehr langfristige Planungs- und Rechtssicherheit. Eine solche immer weitergehende Regulierung kann dazu führen, dass Hersteller aufgrund der Unsicherheit auf Investitionen in Forschung und Entwicklung verzichten und somit Innovationen hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz von Produkten ausbleiben. Diese Folgen überzogener Regulierung müssen im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der EU unbedingt vermieden werden. Auch die Praktikabilität einer Ökodesign-Richtlinie, die für alle Produkte gilt, ist kaum vorstellbar. Wenn der Fokus nicht mehr auf der Energie- und Klimarelevanz von Produkten liegt, sondern jedwede Umweltauswirkung bewertet werden muss, führt dies zu einem ausladenden Kriterienkatalog, der notwendigerweise eine Gewichtung der Einzelkriterien voraussetzt. Dies führt jedoch zwangsläufig zu weiten Interpretationsspielräumen und großen Unsicherheiten für alle Marktteilnehmer
5 Gleichzeitig erhöht sich der bürokratische Aufwand, der angesichts des geringeren ökologischen Nutzens nicht gerechtfertigt erscheint. Abgesehen davon wären die Aufgaben der Marktüberwachung nicht übersehbar. Und eine starke Marktaufsicht, die über entsprechend hohe personelle und finanzielle Ressourcen verfügen muss, ist unabdingbar für das Funktionieren der Ökodesign-Richtlinie. Ohne umfangreiche Kontrolle könnten auch nicht konforme Produkte auf dem Markt platziert werden, was unweigerlich zu Wettbewerbsverzerrungen führt. 3) Gesamtansatz der Neufassung respektieren Demokratische Legitimation durch Kontrolle gewährleisten Das mit der Änderungsrichtlinie 2008/28/EG eingearbeitete Regelungsverfahren mit Kontrolle entspricht der Bedeutung der Ökodesign-Richtlinie: Mit ihren Durchführungsmaßnahmen wird weitreichend in das europäische Marktgeschehen eingegriffen, so dass für eine angemessene Legitimation die Gesetzgeber Rat und Parlament ihre Kontrollfunktion wahrnehmen müssen. Prinzipien des New Approach treu bleiben Die Rechtsform der Neufassung befürwortet der DIHK insofern, als eine über die Neudefinition des Produktbegriffs hinausgehende Änderung der Logik der Richtlinie die bereits laufende Umsetzung unterbrechen könnte. Dies hätte einen hohen Verlust an investierter Zeit und Verwaltungsarbeit zur Folge, da der Prozess bereits weit fortgeschritten ist. Vor allem aber würde die Rechtssicherheit für die aktuell bereits betroffenen Hersteller in Frage gestellt. Deshalb erscheint es sinnvoll, den Gesetzgebungsprozess weitestgehend auf die Frage des Anwendungsbereichs der Ökodesign- Richtlinie zu beschränken. Insbesondere sollten die Grundsätze des sogenannten Neuen Ansatzes ( New Approach ) nicht in Frage gestellt werden. Wenn die Gesetzgebung nur die wesentlichen Anforderungen an Produkte definiert und die nähere Ausgestaltung der Normung überlassen wird, entspricht dies nicht nur den Zielen einen Besseren Rechtsetzung, sondern wirkt sich auch positiv auf Innovationen aus. Dies kann aber wiederum nur geschehen, wenn Produktvielfalt gewahrt wird, sich Markteingriffe auf besonders umweltschädliche Produkte beschränken und die Ökodesign-Richtlinie sich nicht zu einem Instrument vollständiger Produktionslenkung entwickelt. Brüssel, 20. November 2008 B5/Corinna Grajetzky - 5 -
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