Zeigerorganismen im Naturschutz (Indikatoren) Erfassungsmethoden ausgewählter Tierartengruppen (Libellen)
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- Marielies Huber
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1 Zeigerorganismen im Naturschutz (Indikatoren) Erfassungsmethoden ausgewählter Tierartengruppen (Libellen) Referent: Patrik Wiedemeier
2 Indikator-Organismen Definition Indikatorart: Art, deren Vorkommen besondere und zumindest tendenziell gefährdete Qualitäten eines Lebensraumes anzeigt. (Diese Definition gilt für landschaftsökologische Fragestellungen. Je nach dem gibt es auch andere Definitionen, z. B. für Indikatoren der Wasser-, Luft- oder Bodenqualität)
3 Wasserflöhe für die Wasserqualität von Stillgewässern Larven von Eintagsfliegen und anderen aquatischen Insektenlarven für die Wasserqualität von Fliessgewässern Flechten für die Luftqualität
4 Vögel, Tagfalter, Heuschrecken, Libellen und viele weitere für landschaftsökologische Fragen
5 Anforderungen an Indikatoren: gut auffindbar; repräsentativ und reproduzierbar zu erfassen gut bestimmbar; Artenzahl überschaubar Ökologie der Arten hinlänglich bekannt wenn möglich Rote Liste vorhanden relevant für die betrachteten Lebensräume wenn möglich attraktiv / populär
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8 Fragestellungen / Aufgabenbereiche für das Arbeiten mit Indikatoren: 1. Bewertung von Lebensräumen (absolut / vergleichend) 2. Wirkungskontrollen / Monitoring (von Aufwertungsmassnahmen) 3. Abklären von Defiziten / Aufwertungsbedarf 4. Festlegen von Ziel-/Leitarten
9 Bewertung von Lebensräumen Kriterien: Artenzahl pro Gruppe (mit / ohne Fortpflanzungsnachweis / -hinweis) Arten der Roten Liste / Gefährdungsgrad National Prioritäre Arten
10 Bei vergleichenden Untersuchungen und standardisierter Methode (Zeit-Standardisierung!) auch Individuenzahlen Individuenzahlen (Arten der Roten Liste / National Prioritäre Arten)
11 Die Wirkung von Beweidung auf die Libellenfauna von Hochmooren Bericht im Auftrag der Dienststelle Umwelt und Energie, Luzern Autor: Patrik Wiedemeier unter Mitarbeit von Marie-Louise Kieffer Dezember 2010
12 Vergleich der Libellenfauna von 2 unbeweideten und einem beweideten Hochmoor
13 Abbildung 1: Lage der 3 Untersuchungsflächen bei Sörenberg. 1 = Hochmoor Husegg (beweidet), 2 = Hochmoor Salwide (unbeweidet), 3 = Hochmoor Türnliwald (unbeweidet). Rot: primäre Hochmoore von nationaler Bedeutung, gelb: sekundäre Hochmoore von nationaler Bedeutung, hellgrün: Hochmoor-Umfeld. Bundesamt für Landestopografie swisstopo.
14 Sichtbare Wirkung der Beweidung im Hochmoor Husegg: Stark degradiert, mit schweren Trittschäden Torferosion Bodenverdichtung Eutrophierung Torfmoos-Deckungsgrad mittel (11% 30%), stellenweise hoch (31% 90%)
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16 massiv negative Beeinträchtigung des Hochmoors durch die Weide!
17 Wirkungskontrollen / Monitoring Monitoring = regelmässig (z. B. jährlich) wiederholte Erfassung. Nachteil einmaliger Erfassung / Wirkungskontrolle: Grosse Populationsschwankungen von Jahr zu Jahr, besonders bei Pionierarten!
18 Blaugrüne Mosaikjungfer Geschlüpfte Aeshna cyanea Anzahl geschlüpfter Jahr Jährliche Schwankungen: (331 ± 387) Bei Pionierarten (Plattbauch u. a.) sind die Schwankungen oft noch deutlich ausgeprägter!
19 Beispiel einer Wirkungskontrolle: Regeneration des Hochmoores Türnliwald bei Sörenberg: Faunistische Erfolgskontrolle 2008 / 2009 Bericht im Auftrag der Dienststelle Umwelt und Energie, Luzern Autor: Patrik Wiedemeier unter Mitarbeit von Marie-Louise Kieffer Dezember 2010
20 Untersuchungsgebiet: Türnliwald bei Sörenberg / Entlebuch, 1500 m. ü. M. Abbildung 1: Hochmoor Türnliwald mit dem Perimeter der Untersuchungsfläche (rote Linie). Rot: primäre Hochmoore von nationaler Bedeutung, gelb: sekundäre Hochmoore von nationaler Bedeutung, hellgrün: Hochmoor- Umfeld. Bundesamt für Landestopografie swisstopo.
21 Untersuchte Indikatoren: Tagfalter Libellen Heuschrecken
22 Ergebnisse: Tagfalter
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24 Libellen: 2008 und 2009 (gepoolt, wegen kleinen Anzahlen) *: typische Art von Hochmooren **: streng an Hochmoore gebundene Art
25 Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia); Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica)
26 Heuschrecken: Alle Beobachtungen im Randbereich Keine Hochmoor-Spezialisten in dieser Höhe!
27 Abklären von Defiziten / Aufwertungsbedarf Regeneriertes Hochmoor Türnliwald: 2 ± eng an Hochmoore gebundene Arten der Region fehlten
28 Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea) Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica)
29 Vermutete Gründe: Besiedelung hatte noch nicht stattgefunden. Hochmoor-Regeneration 2004, Entwicklungsdauer von Ae. subarctica und Ae. caerulea 3 4 Jahre Besiedelung hätte stattfinden müssen für Nachweise 2008/09 Defizit lässt sich erst vermuten nach mehrmaligem Wiederholen der Wirkungskontrolle
30 Festlegen von Ziel-/Leitarten Z. B. für Regionale Vernetzungsprojekte nach ÖQV Zielarten: Arten der Roten Listen, welche für den Planungsperimeter eine besondere Bedeutung haben; Arten mit internationalen Verpflichtungen (hohe Nationale Priorität). Ihre Erhaltung und Förderung ist nach NHG Art. 18 verpflichtend; sie sind also relevant für den Artenschutz. Schutz- und Entwicklungsziel sind die Arten selbst. Leitarten: Indikatorarten, deren Lebensraum-Ansprüche Qualität und Quantität von Schutz-, Aufwertungs- und Entwicklungsmassnahmen (mit)bestimmen und die gut kommunizierbare Aushängeschilder sind. Es sollen Arten sein, die in der Region vorkommen oder die früher weit verbreitet und typisch waren und ein gutes Einwanderungspotenzial besitzen. Schutz- und Entwicklungsziel sind Biotope / die Landschaft als Lebensraum von Arten. Eine Unterscheidung von Ziel- und Leitarten ist allerdings nicht zwingend.
31 Libellen als Indikatoren Anforderungen an Indikatoren: gut auffindbar; repräsentativ und reproduzierbar zu erfassen? ± JA gut bestimmbar; Artenzahl überschaubar? ± JA Ökologie der Arten hinlänglich bekannt? JA Rote Liste vorhanden? JA attraktiv / populär? JA
32 Für welche Lebensraumtypen geeignet? Welche Erfassungsmethoden werden angewendet?
33 Lebensräume Lebensraumwechsel! Schematisch: Schlüpfort Jagd- und Reifehabitat (Überwinterungshabitat) Paarungs- und Eiablagehabitat Entwicklungshabitat (Larvengewässer)
34 Jagd- und Reifehabitat Oft weit abseits der Entwicklungsgewässer, v. a. bei Anisoptera (bis > 30 km), aber auch bei Calopteryx spp. (bis > 1 km) Nahrungsreiche Lebensräume: - Waldränder, Waldlichtungen - Heckenlandschaften - Riedwiesen, Magerwiesen - Buntbrachen, Ruderalflächen
35 Überwinterungshabitate der Winterlibellen (Sympecma spp.): Langgrasige Magerwiesen, Böschungen, Säume von Hecken (bisher aber ungenügend bekannt!)
36 Paarungs- und Eiablagehabitat: Am Entwicklungsgewässer
37 Entwicklungsgewässer von Libellen: Arttypisch! Stenöke Arten mit geringer Toleranz, euryöke Arten mit grosser Toleranz
38 Kleinste Rinnsale: Quelljungfern
39 Waldbäche: Quelljungfern
40 Sonnige Wiesenbäche: V. a. Prachtlibellen
41 Grössere Fliessgewässer: Prachtlibellen, Flussjungfern
42 Stillgewässer Mikrogewässer: Quellaufstösse (Cordulegaster bidentatus)
43 Torfmoos-Schwingrasen (Somatochlora arctica)
44 Vegetationsreiche Teiche, Weiher und Seen: Zahlreiche Arten
45 Beispiel unterschiedlicher Spezialisierung stenöker Hochmoor-Arten
46 Pioniergewässer (oft temporär!): z. B. Palttbauch (Libellula depressa)
47 Libellen als Indikatoren von Gewässern (samt Uferbereich) Für Jagdlebensräume (Buntbrachen, Magerwiesen, Waldränder, lichte Wälder, Waldlichtungen, ) werden Libellen kaum als Indikatoren verwendet schwierig auffindbar geringer Wissensstand mangelnde Spezifität?
48 Allgemeine Anforderungen an Erfassungsmethoden von Indikatoren Die Erfassung ist repräsentativ reproduzierbar wenn möglich zumindest semiquantitativ liefert Hinweise oder Nachweise der Autochthonie findet ohne Anlockung (über grössere Distanz) statt erfolgt nach einer allgemein anerkannten Methode
49 Erfassungsmethoden für Libellen: Erfassung der Imagines an den Entwicklungsgewässern Aufsammeln der Exuvien an den Entwicklungsgewässern Für spezielle Arten: Suche nach Larven
50 Kriterium Auffindbarkeit Bestimmbarkeit Imagines ±Gut ±Gut Exuvien ±Gut(nur Gross- Libellen!) Mit Einschränkungen Repräsentativität Reproduzierbarkeit Autochthonie Semiquantitative / quantitative Aussage??? (vgl. unten) Gut Allenfalls Hinweis Höchstens semiquantitativ??? (vgl. unten) Schlecht (extrem abhängig von Jahreszeit und Witterung Nachweis Bei Grosslibellen mit entsprechendem Aufwand ± quantitativ
51 Wie repräsentativ sind diese Erfassungsmethoden?
52 Blaugrüne Mosaikjungfer Geschlüpfte Aeshna cyanea Anzahl geschlüpfter Jahr Jährliche Schwankungen: (331 ± 387; Methode: Exuvien-Aufsammlungen) Imagines-Erfassungen ergaben in allen 7 Erfassungsjahren je 1 3 Tiere (ausschliesslich Männchen)
53 Art Anzahl Imagines Anzahl Exuvien I/E Pyrrhosoma nymphula Coenagrion puella / Enallagma cyathigerum* Aeshna cyanea Libellula quadrimaculata Leucorrhinia dubia * Exuvien wurden nicht unterschieden Bei Grossliebellen wurden im Schnitt 8-mal mehr Exuvien gefunden als Imagines Bei Kleinlibellen wurden im Schnitt 100-mal mehr Imagines gefunden als Exuvien
54 Sind diese Befunde allgemein gültig? Populationen schwanken natürlicherweise stark von Jahr zu Jahr Aufnahmen aus nur einem Jahr haben massiv eingeschränkte Aussagekraft Der Auffinde-Erfolg bei Exuvien ist extrem abhängig vom genauen Such-Zeitpunkt und von der vorausgegangenen Witterung, besonders bei Kleinlibellen. Eine quantitativ repräsentative Exuvien-Aufsammlung ist meist nur bei Grosslibellen möglich und erfordert wöchentliche Begehungen zwischen Mitte Mai und Mitte September Die Befunde sind nicht quantitativ, aber in der Tendenz wohl allgemein gültig!
55 Erfassungsmethoden für spezielle Arten: Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica): Larven leben in gefluteten Sphagnum-Schwingrasen und sind am einfachsten zu finden
56 Benötigte Ausrüstung: Haushaltssieb und Frisbee-Teller (nach STERNBERG)
57 Methoden-Standard nach SIEDLE (1992): Imagines: nur bei sonnigem, windstillem und mildem Wetter Begehung ca Uhr (je nach Jahreszeit auch kürzer) (Ausnahme: Geisterlibellen sind v. a. dämmerungsaktiv) Begehung Zeit-standardisiert (z. B. 100 m Uferlinie/Stunde 9 Begehungen alle 2 Wochen zwischen Mitte Mai und Mitte September (bei potenziellem Vorkommen von Winterlibellen (Sympecma spp.) ev. noch eine zusätzliche Begehung Ende März/Anfang April) Wenn möglich mit Foto-Dokumentation ergänzen!
58 Exuvien: Vor zu erwartenden Starkniederschlägen unbedingt Exuvien suchen! Zeit-standardisiert (z. B. 30 min. pro 10 m Uferlänge) 9 Begehungen alle 2 Wochen zwischen Mitte Mai und Mitte September (ist der quantitative Aspekt zentral, sind auch wöchentliche Aufsammlungen sinnvoll) Bei schwer zu bestimmenden Arten die Exuvien als Belege behalten / Hinterlegen Je nach Zugänglichkeit der Schlüpforte kann auch eine Suche von der Wasserseite her sinnvoll sein (Gummiboot, Taucheranzug)
59 Literatur: SIEDLE (1992): Libellen Eignung und Methoden. In: TRAUTNER (1992, Hrsg.): Methodische Standards zur Erfassung von Tierartengruppen. Ökologie in Forschung und Anwendung, 5.
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